OGH 15Os22/92-9

OGH15Os22/92-923.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.April 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred E***** und Günther Otto S***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Günther Otto S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19.Dezember 1991, GZ 12 Vr 1689/91-37, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen; die Schuldberufung wird zurückgewiesen.

Der Strafberufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Günther Otto S***** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Rechtliche Beurteilung

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Manfred E***** und Günther Otto S***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB (Punkt 1. des Urteilssatzes) und Manfred E***** überdies zweier weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt.

Dem Angeklagten Günther Otto S***** liegt zur Last, am 23. Mai 1991 in Graz im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Manfred E***** dessen Ehegattin Isabella E***** durch die (von Manfred E***** seiner Ehegattin erteilten) Befehle, sich auszuziehen, widrigenfalls er sie umbringen werde, und an Günther Otto S***** einen Mundverkehr und später mit diesem einen Geschlechtsverkehr "in die Scheide" durchzuführen, daher duch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung und zur Duldung des Beischlafs mit ihm (Günther Otto S*****) genötigt zu haben.

Während das Urteil in Ansehung des Angeklagten Manfred E***** in Rechtskraft erwachsen ist, bekämpft es der Angeklagte Günther Otto S***** im Schuldspruch mit einer auf die Z 5 (sachlich auch Z 9 lit a) und 9 lit c (sachlich Z 9 lit b) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und mit Schuldberufung sowie im Strafausspruch mit Strafberufung.

In seiner Mängelrüge (Z 5) behauptet der Beschwerdeführer eine undeutliche, unvollständige und unzureichende Begründung des Urteils, weil diesem ein seine Mittäterschaft begründendes Tatverhalten nicht entnommen werden könne. Der Sache nach wird mit dem Beschwerdevorbringen primär ein Feststellungsmangel im Sinn des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO geltend gemacht; dies jedoch zu Unrecht.

Abgesehen davon, daß die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils klar erkennen lassen, in welcher Weise der Angeklagte S***** im Rahmen des Gesamtgeschehens am 23. Mai 1991 tätig geworden ist, übergeht der Beschwerdeführer nämlich, daß das Erstgericht ein einverständliches, auf die Nötigung der Isabella E***** zur Vornahme bzw Duldung der inkriminierten geschlechtlichen Handlungen gerichtetes Zusammenwirken beider Angeklagten festgestellt hat (S 251 f). In einem solchen Fall hat aber jeder der an der Tatausführung Beteiligten den vom gemeinsamen Vorsatz erfaßten Erfolg als Mittäter zu verantworten, ohne daß er das gesamte Tatbild verwirklichen müßte (Leukauf-Steininger, Komm3 § 12 RN 21). Die Annahme der Mittäterschaft setzt auch keineswegs eine vor der Tat getroffene ausdrückliche Vereinbarung über die gemeinsame Tatbegehung voraus; es genügt vielmehr ein einverständliches Handeln während der Tatausführung. Da das Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 StGB in seinen beiden Erscheinungsformen kein eigenhändiges Delikt ist, haftet nach herrschender Lehre und Rechtsprechung auch derjenige als unmittelbarer Täter, der in Kenntnis der von einem anderen vorgenommenen Nötigung des Tatopfers an diesem den Beischlaf unternimmt oder die diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen vornimmt (Pallin im WK ErgH, Rz 3 a bis 6 a; Foregger-Serini, StGB5, Anm IV; Leukauf-Steininger, aaO RN 26, jeweils zu § 201; EvBl 1991/13; EvBl 1990/32). Diese dem Beschwerdeführer im Ersturteil angelastete, obgleich von ihm (im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde unzulässigerweise) bestrittene Kenntnis der auf Vornahme bzw Duldung der inkriminierten geschlechtlichen Handlungen abzielenden Willensbeugung der Isabella E***** durch deren Ehegatten Manfred E***** konnten die Tatrichter formal mängelfrei aus den für glaubwürdig erachteten Angaben des Tatopfers ableiten, sodaß den bekämpften Urteilsannahme die behaupteten Begründungsmängel in der Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO nicht anhaften. Mit seinen bezüglichen Einwänden bekämpft der Beschwerdeführer vielmehr lediglich die (im schöffengerichtlichen Verfahren nach wie vor unanfechtbare) erstrichterliche Beweiswürdigung.

Mit dem Vorbringen, wegen des nicht erteilten Verfolgungsantrages der Verletzten Isabella E***** (§ 203 Abs. 1 StGB) fehle es an der "gesetzlichen Anklageberechtigung", wird (wenngleich verfehlt unter Bezugnahme auf die Z 9 lit c des § 281 Abs. 1 StPO) der Sache nach das Vorliegen eines Verfolgungshindernisses (Z 9 lit b der zitierten Gesetzesstelle) geltend gemacht. Auch damit ist die Beschwerde nicht im Recht.

Denn die Privilegierung des § 203 Abs. 1 StGB setzt den (aufrechten) Bestand einer Ehe oder Lebensgemeinschaft zwischen dem Täter und dem Tatopfer voraus (Pallin, aaO Rz 3 zu § 203). Nach den Urteilsfeststellungen lag ein solches Angehörigenverhältnis zwischen dem Angeklagten S***** und der verletzten Person (Isabella E*****) im Tatzeitpunkt nicht vor. Der Beschwerdeführer kann sich demnach nicht mit Erfolg auf das von ihm reklamierte Verfolgungshindernis berufen, zumal besondere Eigenschaften oder Verhältnisse des Täters nur dann auf andere Beteiligte rückwirken, wenn sie das Unrecht der Tat betreffen und (überdies) das Gesetz davon die Strafbarkeit oder die Höhe der Strafe abhängig macht (§ 14 Abs. 1 StGB), also nicht, wenn sie - wie gemäß § 203 Abs. 1 StGB - nur die Verfolgungsvoraussetzungen betreffen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Günther Otto S***** kommt demnach insgesamt keine Berechtigung zu, weshalb sie zu verwerfen war.

Zu der vom Beschwerdeführer (überdies) ausgeführten Schuldberufung genügt es, darauf zu verweisen, daß ein derartiges Rechtsmittel gegen kollegialgerichtliche Urteile im Gesetz nicht vorgesehen ist.

In Ansehung des Angeklagten Manfred E***** sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt, die von der Generalprokuratur angeregte Maßnahme gemäß § 290 Abs. 1 StPO zu ergreifen. Die Generalprokuratur vertritt in diesem Zusammenhang den Rechtsstandpunkt, das Urteil sei in seinem diesen Angeklagten betreffenden Schuldspruch zu Punkt 1. des Urteilssatzes mit dem von Amts wegen aufzugreifenden materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit b des § 281 Abs. 1 StPO behaftet, weil dem genannten Angeklagten als unmittelbarem (Mit-)Täter des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB die Privilegierung des § 203 Abs. 1 StGB zugute komme und daher dem ihn betreffenden Schuldspruch das Verfolgungshindernis des fehlenden Antrages der verletzten Ehegattin Isabella E***** entgegenstehe.

Die Generalprokuratur begründet dies wie folgt:

"Die den Täter privilegierende Bestimmung des § 203 Abs. 1 StGB, mit der - zugunsten des Täters - ein Antragsdelikt iS des § 2 Abs. 4 StPO normiert wird, findet nur dann Anwendung, wenn die (durch strafsatzändernde Folgen und Umstände nicht qualifizierten) mit Strafe bedrohten Taten nach §§ 201 Abs. 2 und 202 StGB am Ehegatten oder Lebensgefährten des Täters begangen werden.

Die Annahme unmittelbarer Täterschaft an einer Vergewaltigung iS des § 201 StGB nF setzt - wie bereits erwähnt - nicht die eigenhändige Vornahme des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung durch einen der Tatbeteiligten voraus; es genügt hiefür, daß dies von einem der Täter durch Nötigung einem anderen (Mittäter) ermöglicht wird (Kienapfel AT4 E 3 Rz 12; NRsp 1990/237).

Nach den bezüglichen Urteilsannahmen zielte die vom Angeklagten E***** eingesetzte Drohung (bzw Gewalt) auf eine Willensbeugung seiner Ehegattin zur Vornahme bzw Duldung von sexuellen Handlungen des Angeklagten S***** ab. Wertet man diese schon die Ausführungsphase des Deliktes nach dem § 201 Abs. 1 (gemeint wohl: 2) StGB erfassende Beteiligung des Angeklagten E***** am Vergewaltigungsgeschehen als eine im § 201 Abs. 2 StGB mit Strafe bedrohte "Tat" im Sinne des § 203 Abs. 1 StGB, wofür vor allem seine Stellung als unmittelbarer (Mit-)Täter spricht, dann steht seinem Schuldspruch wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB das Verfolgungshindernis des fehlenden Antrages der verletzten Ehegattin Isabella E***** entgegen. Dieses Ergebnis mag zwar unbefriedigend erscheinen, ergibt sich aber folgerichtig aus der hier anzuwendenden Regelung der Einheitstäterschaft iS des § 12 StGB".

Dieser Rechtsauffassung vermag sich der Oberste Gerichtshof aus folgenden Erwägungen nicht anzuschließen:

Zu folgen ist den Ausführungen der Generalprokuratur, wonach es sich beim Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 StGB (idF der StGNov 1989, BGBl 242) in beiden Erscheinungsformen nicht um ein eigenhändiges Delikt handelt, weil das Tatbild nicht verlangt, daß der Täter das Opfer zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung mit sich selbst nötigt; darauf wurde schon bei der Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S***** hingewiesen. Es trifft auch zu, daß zufolge der Regelung des § 12 StGB alle Tatbeteiligten die strafbare Handlung "begehen". Wenn nun § 203 Abs. 1 darauf abstellt, daß der Täter "eine der in den §§ 201 Abs. 2 und 202 mit Strafe bedrohten Taten an seinem Ehegatten ... begeht", so könnte dies auf der Basis der hier aktuellen Urteilsannahmen, denenzufolge die vom Angeklagten E***** eingesetzte Drohung (und die im Spruch des Urteils zwar nicht erwähnte, aber den Urteilsfeststellungen zu entnehmende Gewalt) auf eine Willensbeugung seiner Ehegattin zur Vornahme und Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung abzielte, bei bloß wörtlicher Interpretation des § 203 Abs. 1 StGB in Verbindung mit der Regelung des § 12 StGB dahin gedeutet werden, daß Manfred E***** die im § 201 Abs. 2 StGB mit Strafe bedrohte Tat als Mittäter "an seiner Ehegattin begangen" hat, auch wenn seine Ehegattin nicht zur Vornahme und Duldung der bezeichneten sexuellen Handlungen mit ihm, sondern mit einem extranen Mittäter genötigt wurde. Und weil gemäß § 12 StGB nicht nur jeder unmittelbare Täter, sondern auch der Bestimmungs- und Beitragstäter die strafbare Handlung begeht, hätte die konsequente Anwendung des § 12 StGB zur Folge, daß auch derjenige, der einen Extraneus zur minderschweren Vergewaltigung seines Ehegatten bestimmt oder hiezu beiträgt, die im § 201 Abs. 2 StGB mit Strafe bedrohte Tat "an seinem (des Bestimmungs- oder Beitragstäters) Ehegatten" begeht, sodaß auch diesfalls § 203 Abs. 1 StGB anzuwenden wäre.

Eine derartige Auslegung des § 203 Abs. 1 StGB entspricht weder den Intentionen des Gesetzgebers noch der daraus erhellenden ratio der Privilegierung. Die Wortfolge im § 203 Abs. 1 StGB:

"Wer eine der in den §§ 201 Abs. 2 und 202 mit Strafe bedrohten Taten an seinem Ehegatten oder an einer Person begeht, mit der er in außerehelicher Lebensgemeinschaft lebt" ist vielmehr, wie sich aus der Überschrift des § 203 StGB ("Begehung in Ehe oder Lebensgemeinschaft") ergibt und wie es der gesamten kriminalpolitischen Zielsetzung dieser Bestimmung entspricht (vgl JAB 927 BlgNR 17.GP, 4 (rechte Spalte)), eigenständig und unabhängig von den Bestimmungen über die Behandlung aller Beteiligten als Täter dahin auszulegen, daß die Privilegierung nur dann zum Tragen kommt, wenn in den Fällen der minderschweren Vergewaltigung und der geschlechtlichen Nötigung ausschließlich die beiden Ehegatten (oder Lebensgefährten) geschlechtsspezifisch involviert sind, mithin ein Ehegatte (Lebensgefährte) den anderen Ehegatten (Lebensgefährten) zur Vornahme oder Duldung der in den §§ 201 Abs. 2 und 202 StGB bezeichneten geschlechtlichen Handlungen mit ihm nötigt. Nur unter dieser Voraussetzung wird das sexuelle Gewaltdelikt im familiären Intimbereich begangen, in welchem das allgemeine Sexualstrafrecht nicht in jedem Fall den Interessen des Opfers - vor allem unter dem Gesichtspunkt einer Aufrechterhaltung der Gemeinschaft mit dem Täter - in angemessener Weise dient (JAB aaO), weshalb die Verfolgung des Täters nur auf Antrag des Opfers stattfinden soll. Wird das Opfer hingegen, wenngleich unter Mitwirkung seines Ehegatten (Lebensgefährten), zur Vornahme oder Duldung von Sexualakten mit einem Dritten genötigt, dann kann die Vergewaltigung oder geschlechtliche Nötigung nicht ausschließlich dem familiären Intimbereich der Ehegatten (Lebensgefährten) zugerechnet werden, weshalb es zur Verfolgung des mitwirkenden, jedoch nicht den gesamten relevanten Sachverhalt "eigenhändig" verwirklichenden Ehegatten (Lebensgefährten) eines Antrages der verletzten Person nicht bedarf.

Da der Angeklagte Manfred E***** nach den Urteilsfeststellungen seine Ehegattin Isabella E***** nicht zur Vornahme und Duldung der inkriminierten Sexualakte mit ihm, sondern zu deren Vornahme und Duldung mit einem Dritten, nämlich dem Mitangeklagten Günther Otto S*****, nötigte, bedurfte es zu seiner Verfolgung wegen des Verbrechens nach § 201 Abs. 2 StGB keines Antrages der Isabella E*****, weshalb dem Schuldspruch des Manfred E***** die relevierte materiellrechtliche Nichtigkeit nicht anhaftet.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten Günther Otto S***** nach § 201 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen dieses Angeklagten und den raschen Rückfall, als mildernd hingegen keinen Umstand.

Mit seiner Strafberufung begehrt der Angeklagte S***** die Herabsetzung der Strafe bzw deren teilbedingte Nachsicht.

Die Berufung vermag keine mildernden Umstände aufzuzeigen. Das Vorbringen, es wäre der "äußerst geringe Tatbeitrag" als mildernd zu werten gewesen, übergeht die Urteilsfeststellungen, wonach die abgenötigten Sexualakte ausschließlich vom Berufungswerber gesetzt wurden, womit von einer bloß untergeordneten Tatbeteiligung des Berufungswerbers keine Rede sein kann.

Ausgehend von den somit zutreffend festgestellten Strafzumessungsgründen ist die über den Berufungswerber verhängte Freiheitsstrafe durchaus tatschuldangemessen, sodaß eine Strafreduzierung nicht in Betracht kam.

Für die angestrebte teilbedingte Strafnachsicht war schon im Hinblick auf die mehrfachen einschlägigen Vorstrafen des Berufungswerbers kein Raum; um den Berufungswerber von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten, bedarf es vielmehr des Vollzuges der gesamten über ihn verhängten Strafe.

Auch der Berufung konnte sohin kein Erfolg beschieden sein.

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