OGH 13Os20/92-9

OGH13Os20/92-98.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.April 1992 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hörburger, Dr. Kuch, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Weixelbraun als Schriftführer in der Strafsache gegen Ismail K***** wegen des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach dem § 202 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 11.Dezember 1991, GZ 19 Vr 1015/91-7, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, und des Angeklagten Ismail K***** zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Rechtliche Beurteilung

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ismail K***** des Vergehens der geschlechtlichen Nötigung nach dem § 202 Abs. 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 10.August 1991 in St. Pölten die Alexandra K***** mit Gewalt dadurch, daß er sie gewaltsam zu Boden riß und niederdrückte, sich auf sie legte und seinen Geschlechtsteil gegen ihren Körper drückte und an diesem rieb, wobei er auch begann, seinen Hosenschlitz zu öffnen, außer den Fällen des § 201 StGB zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Z 5, 5 a, 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützt wird; den Strafausspruch ficht er mit Berufung an.

Zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 werden vielfache Begründungsmängel behauptet:

1. Offenbar unzureichend begründet sei die Feststellung, der Angeklagte habe sich auf K***** gelegt, seinen Geschlechtsteil gegen ihren Körper gedrückt und versucht, durch beischlafartige Bewegungen sexuelle Befriedigung zu erlangen, wobei er auch versucht habe, durch Öffnen des Hosenschlitzes seinen Geschlechtsteil zu entblößen; diese "Entscheidungsgründe" seien auch aktenwidrig.

2. Die Formulierung, "ganz eindeutig" sei es dem Angeklagten auch darum gegangen, durch die Gewaltanwendung sexuelle Handlungen zu setzen, stelle keine hinreichende Begründung dar, es sei auch nicht nachvollziehbar, wie er "durch" die Gewaltanwendung sexuelle Handlungen setzen hätte wollen.

3. Aus der Tatsache, daß er versucht habe, die Zeugin zu küssen, ergebe sich weder nach den Denkgesetzen noch nach allgemeiner Lebenserfahrung, daß er sexuelle Handlungen hätte setzen wollen.

4. Aktenwidrig sei die Begründung, aus dem von der Zeugin K***** vor Gericht geschilderten Verhalten des Angeklagten, daß er auf ihr liegend mit beischlafartigen Bewegungen seinen Geschlechtsteil gegen ihren Körper drückte und an diesem rieb, um dadurch sexuelle Befriedigung zu erlangen, ergäbe sich, daß es ihm darum gegangen sei, durch die Gewaltanwendung sexuelle Handlungen zu setzen; sie habe weder vor der Polizei noch in der Hauptverhandlung ausgesagt, der Angeklagte hätte seinen Geschlechtsteil gegen ihren Körper gedrückt und an diesem gerieben. Gegen letztere Annahme spreche auch die Aussage der Zeugin, nicht bemerkt zu haben, ob der Geschlechtsteil des Angeklagten erregt gewesen sei.

5. Aktenwidrig sei auch die Feststellung, die Zeugin habe zur Ursache des Zubodenstürzens ausgeführt, daß ihre und die Alkoholisierung des Angeklagten keinesfalls der Grund für das Zubodenstürzen gewesen wären. Die Zeugin habe in der Hauptverhandlung auf die Frage des Staatsanwaltes, was der Grund gewesen sei, daß sie zu Boden gestürzt sei, ausdrücklich angegeben: "Sicher auch der Alkoholeinfluß". Bei aktengetreuer Wiedergabe bzw. Berücksichtigung dieser Aussage der Zeugin hätte das Erstgericht die Feststellung unterlassen müssen, das Zubodenstürzen sei eindeutig durch eine Gewaltanwendung von Seiten des Angeklagten herbeigeführt worden.

6. Für die Feststellung, der Angeklagte habe versucht, durch Öffnen des Hosenschlitzes seinen Geschlechtsteil zu entblößen, fehle im angefochtenen Urteil jede Begründung. Die Zeugin K***** habe vor der Polizei angegeben, sie habe angenommen, daß er den Hosenschlitz aufgemacht habe, in der Hauptverhandlung habe die Zeugin angegeben, sie glaube, er habe zu seinem Geschlechtsteil "runtergegriffen".

7. Letztlich sei das Urteil auch unvollständig; vor der Polizei habe K***** angegeben, der Angeklagte sei über ihr gekniet; in der Hauptverhandlung habe sie gesagt, er sei auf ihr gelegen. Das Erstgericht habe, der Aussage der Zeugin in der Hauptverhandlung folgend, festgestellt, er sei auf ihr gelegen; "mit der Aussage der Zeugin vor der Polizei", der Angeklagte "sei auf ihr gekniet (in welchem Fall das behauptete Reiben nicht möglich (gewesen) wäre)", habe "das Erstgericht nicht gewürdigt" (gemeint: sich nicht auseinandergesetzt).

Alle diese Einwände sind jedoch nicht berechtigt:

Dem Vorbringen zu Punkt 1 ist zu erwidern, daß das Erstgericht die dort angeführten Feststellungen ersichtlich auf die Aussage der Zeugin K***** in Widerlegung der leugnenden Verantwortung des Angeklagten stützte. Inwiefern diese Begründung unzureichend und aktenwidrig sein soll, ist der diesbezüglich nicht substantiierten Beschwerde nicht zu entnehmen.

Zu 2.: Auch diese die subjektive Tatseite betreffende Feststellung ist entgegen dem Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde ausreichend begründet. Die Tatrichter haben die Konstatierung zum einen auf die Aussagen des Angeklagten, als er der Zeugin nachging: "Du seien Superfrau, ich will Sex, Bussi, Bussi" und zum andern auf sein weiteres Verhalten gestützt, indem er nach einem Versuch, die Frau zu küssen, sich auf die Zeugin legte und mit beischlafartigen Bewegungen seinen Geschlechtsteil gegen ihren Körper drückte.

Zu 3. löst der Beschwerdeführer einen Begründungsteil aus dem Zusammenhang (S 53). Solcherart wird ein Begründungsmangel nicht prozeßordnungsgemäß dargetan.

Zu 4.: Richtig ist, daß die Zeugin K***** weder vor der Polizei (S 13 f) noch in der Hauptverhandlung (S 45 ff) ausdrücklich erwähnt hat, daß der Angeklagte seinen Geschlechtsteil gegen ihren Körper drückte und an diesem rieb; dessen ungeachtet aber beruht die betreffende Urteilsfeststellung auf naheliegender, ja geradezu zwingender Interpretation ihrer Angaben (S 45-47) vor dem erkennenden Gericht ("Ich bin am Rücken gelegen, er ist auf mir gelegen", "Zuerst hat er Anstalten gemacht, sich zu befriedigen", "Er hat so reibende Bewegungen gemacht über der Kleidung, er hat sich an mir gerieben." "Ich hatte den Eindruck, daß er einen Geschlechtsverkehr mit mir wollte." "Er hat mich ... körperlich gehalten und diese Reibbewegungen gemacht." "Es waren beischlafartige Bewegungen." "Es war eindeutig ein Reiben, um sich sexuell zu befriedigen."). Von der behaupteten Aktenwidrigkeit kann daher keine Rede sein.

Die zu Punkt 5 angeführte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Denn aus der Aussage der Zeugin in der Hauptverhandlung (S 45 ff) geht eindeutig hervor, daß die Gewaltanwendung des Angeklagten Ursache für das Zubodenstürzen war; die Annahme der Zeugin, daß auch der Alkoholeinfluß ein Grund hiefür gewesen ist, ändert nichts an der Aktentreue der relevierten Konstatierung, denn aus dem Sinngehalt der Zeugenaussage in ihrer Gesamtheit ergibt sich, daß es ohne die Tätlichkeit des Angeklagten nicht zum Sturz gekommen wäre.

Verfehlt ist auch der Einwand zu Punkt 6. Denn zum einen ist die bemängelte Feststellung nicht entscheidend in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO. Denn sie ist weder maßgebend für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes und wurde vom Erstgericht auch nicht als Begründung für die Sexualbezogenheit des inkriminierten Verhaltens des Angeklagten herangezogen, sondern im Urteilsspruch ersichtlich nur als Begleitumstand der Tathandlung erwähnt. Zum anderen findet sie durchaus in den Aussagen der Zeugin K***** Deckung (S 14 und 46).

Schließlich haftet dem Urteil auch die zu Punkt 7 monierte Unvollständigkeit nicht an. Denn das Erstgericht hat beide Angaben der Zeugin verwendet, wobei es das Knien des Angeklagten über ihr einem früheren Abschnitt des Tatgeschehens (Versuch, die Zeugin zu küssen), das Liegen auf ihr hingegen einer späteren Phase (beischlafartige Bewegungen) zuordnete. Demnach wurde die Aussage der Zeugin K***** vor der Polizei keineswegs übergangen.

Mit seiner Tatsachenrüge (Z 5 a), die sich als Teilwiederholung des Vorbringens zur Mängelrüge darstellt, ist der Beschwerdeführer auf die Erwiderungen zu den Punkten 4-6 der Mängelrüge zu verweisen.

Die Rechtsrügen (Z 9 lit. a und Z 10, letztere der Sache jedoch Z 9 lit. c) sind nicht berechtigt: Sie vertreten die Auffassung, das festgestellte Verhalten des Angeklagten, der seinen Geschlechtsteil gegen den Körper der Zeugin K***** drückte und an diesem rieb, sei angesichts der vollständigen Bekleidung sowohl des Angeklagten als auch der Zeugin nicht als geschlechtliche Handlung iS des § 202 Abs. 1 StGB zu beurteilen; allenfalls käme die Verwirklichung des - von der Frau allerdings nicht rechtzeitig verfolgten - Privatanklagedeliktes nach dem § 115 StGB in Frage.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß als geschlechtliche Handlungen iS des § 202 StGB idF der Strafgesetz-Novelle 1989, BGBl. 242 solche objektiv erkennbar sexualbezogenen Handlungen anzusehen sind, die sowohl nach ihrer Bedeutung als auch nach Intensität und Dauer von einiger Erheblichkeit sind, so daß in ihnen nach den Wertmaßstäben eines sozial integrierten Durchschnittsmenschen eine unzumutbare, sozial störende Rechtsgutbeeinträchtigung im Intimbereich zu erblicken ist. Küsse, Umarmungen, bloße Zudringlichkeiten oder kurze Berührungen fallen zwar nicht in den insoweit gegenüber den §§ 203 und 204 StGB aF nicht ausgedehnten Strafbarkeitsbereich (JAB 927 BGBl. Nr. 17. GP, 4). Das Drücken des Geschlechtsteiles eines Mannes gegen den Körper einer Frau unter Vornahme beischlafartiger Bewegungen kann aber auch dann, wenn diese Personen voll bekleidet sind, nicht als bloße Zudringlichkeit flüchtigen Charakters gewertet werden; ist doch ein solches Verhalten nicht nur in unmißverständlicher Weise sexualbezogen, sondern auch von derartiger Intensität, daß ein durchschnittlich rechtstreuer und sozial integrierter Mensch die mit der Nötigung zur Duldung solcher Akte verbundene Beeinträchtigung des Rechtes auf sexuelle Selbstbestimmung als grobe und unzumutbare soziale Störung ansehen muß, auch wenn es nicht zu einem unmittelbaren Hautkontakt gekommen ist (vgl. Mayerhofer-Rieder, StGB3, ENr. 7 zu § 207). Ob der Geschlechtsteil des Angeklagten zur Tatzeit erregt war oder nicht, vermag hieran nichts zu ändern; denn weder die Sexualbezogenheit noch die Intensität eines derartigen Eingriffs in den Intimbereich wird durch das (vorläufige) Fehlen einer Erektion beim Täter auf ein die Strafbarkeitsgrenze nicht erreichendes Maß herabgesetzt. Rechtlich zutreffend wurde daher das Tatverhalten als das von Amts wegen zu verfolgende Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach dem § 202 Abs. 1 StGB nF beurteilt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 202 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Monaten, die es gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Bei der Strafbemessung werteten die Tatrichter als erschwerend keinen Umstand, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der Dauer der Freiheitsstrafe sowie eine Reduzierung der Dauer der Probezeit, weil er die Zeugin nicht bedroht habe, seine Gewaltanwendung nicht heftig gewesen sei und er die Zeugin nicht verletzt habe und auch deren Bekleidung nicht beschädigt worden sei; überdies sei die Tat unter dem Einfluß seiner Alkoholisierung zustande gekommen, er habe den Vorfall von Anfang an bedauert und sich auch entschuldigt.

Auch die Berufung ist nicht begründet.

Es ist dem Berufungswerber zuzugeben, daß alle in der Berufung als mildernd angeführten Umstände zutreffen. Ausgehend von der gesetzlichen Strafdrohung des § 202 Abs. 1 StGB, die sich auf Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren erstreckt, und dem doch beträchtlichen Unrechtsgehalt der Tat erweist sich aber die vom Erstgericht ausgemessene Freiheitsstrafe als tätergerecht und schuldangemessen, so daß einer Strafreduzierung nicht nähergetreten werden kann.

Aus den gleichen Erwägungen ist auch das Herabsetzungsbegehren in bezug auf die Dauer der Probezeit nicht begründet.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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