Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, über die Berufung des Beklagten sachlich zu entscheiden.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die beiden mj. Klägerinnen, es handelt sich um Zwillinge, begehrten die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten sowie Unterhalt. Die Klage und die Ladung zur Verhandlung vom 2. Dezember 1986 wurden dem Beklagten am 27. November 1986 unter der in der Klage angegebenen Anschrift in England zugestellt (AS 43). Er beteiligte sich am folgenden Verfahren nicht. Mit Urteil vom 27. Februar 1991 stellte das Erstgericht den Beklagten als Vater der Klägerinnen fest und erkannte ihn für schuldig, den Klägerinnen einen Unterhaltsbeitrag von monatlich je S 1.400,-- zu bezahlen.
Das Urteil konnte dem Beklagten zunächst nicht zugestellt werden, weil er nach Mitteilung des Rechtshilfegerichtes nicht mehr an der angegebenen Anschrift wohne und seine gegenwärtige Anschrift unbekannt sei (AS 193). Das Erstgericht bestellte daraufhin mit Beschluß vom 2. Mai 1991 Rechtsanwalt Dr. Peter Dittrich zum Abwesenheitskurator für den Beklagten und stellte ihm eine Urteilsausfertigung zu (ON 58).
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht die Berufung des Abwesenheitskurators zurück und bestätigte die Rechtskraft des Urteiles des Erstgerichtes. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, die Bestellung eines Abwesenheitskurators sei unzulässig gewesen, vielmehr sei gemäß §§ 8, 23 ZustG vorzugehen. Das Verfahren ab Bestellung des Abwesenheitskurators sei sohin nichtig. Da das Erstgericht nunmehr über Auftrag des Berufungsgerichtes im Sinne der §§ 8, 23 ZustG vorgegangen sei, sei dem Beklagten rechtswirksam zugestellt worden. Da dieser keine Berufung erhoben habe, sei das Urteil des Erstgerichtes in Rechtskraft erwachsen.
Dagegen richtet sich der gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässige Rekurs des Abwesenheitskurators mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß zu beheben und die rechtzeitig eingebrachte Berufung zuzulassen.
Der Kurator vertritt die Ansicht, der vom Berufungsgericht dem Erstgericht erteilte Auftrag, die Zustellung durch Hinterlegung und Anschlag an der Gerichtstafel zu bewirken, beruhe auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung; es könnten jederzeit Umstände eintreten, welche es dem Beklagten unmöglich machten, trotz Kenntnis des anhängigen Verfahrens vor dem Erstgericht sich an diesem zu beteiligen. Das Erstgericht wäre verpflichtet gewesen, sämtliche wichtigen Tatumstände soweit als möglich aufzuklären, um festzustellen, ob der Beklagte tatsächlich als Vater der Klägerinnen in Frage komme. Es werde daher bestritten, daß das Vorgehen gemäß §§ 8, 23 ZustG den rechtlichen Erfordernissen entspreche.
Rechtliche Beurteilung
Diese Ausführungen sind im Ergebnis zutreffend.
Gemäß § 116 ZPO hat das Gericht einen Kurator zu bestellen, wenn die Zustellung wegen Unbekanntheit des Aufenthaltes nur durch öffentliche Bekanntmachung (§ 25 ZustG) geschehen könnte. Gemäß § 25 Abs 1 ZustG sind solche Zustellungen nur dann vorzunehmen, wenn nicht gemäß § 8 ZustG vorzugehen ist. Nach dieser Gesetzesstelle hat eine Partei, die während eines Verfahrens, von dem sie Kenntnis hat, ihre bisherige Abgabestelle ändert, dies der Behörde unverzüglich mitzuteilen. Wird diese Mitteilung unterlassen, so ist die Zustellung durch Hinterlegung ohne vorausgehenden Zustellversuch vorzunehmen, falls eine Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden kann.
Im vorliegenden Fall wurde dem britischen Beklagten die Klage in Großbritannien zugestellt, aber er wurde nicht aufgefordert, einen im Inland wohnhaften Zustellbevollmächtigten namhaft zu machen (§ 10 ZustG) und es wurde ihm auch nicht die Vorschrift des § 8 ZustG mit entsprechender Rechtsbelehrung bekanntgemacht.
Die dem Verfahrensrecht zugehörige Zustellung ist zwar grundsätzlich nach der lex fori (Fasching, LB2, Rz 2400) vorzunehmen, nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes setzt aber die Anwendung der Vorschrift des § 8 ZustG gegenüber einer ausländischen Prozeßpartei voraus, daß sie ihr mit Rechtsbelehrung bekanntgemacht wurde oder das Prozeßrecht ihres Heimatstaates eine gleichartige Zustellvorschrift kennt. Wie sich aus der vom Obersten Gerichtshof eingeholten Auskunft des Bundesministeriums für Justiz ergibt, ist dem englischen Zivilverfahrensrecht eine dem § 8 ZustG entsprechende Bestimmung unbekannt. Da dem Beklagten § 8 ZustG aber nicht bekanntgemacht und ihm auch keine entsprechende Rechtsbelehrung erteilt worden ist, kommt die Anwendung des § 8 ZustG gegen ihn nicht in Betracht.
Die Bestellung eines Abwesenheitskurators erfolgte demnach zu Recht, sodaß das Berufungsgericht nun auch über dessen Berufung zu entscheiden haben wird.
Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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