Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Antragsteller sind (neben anderen) Mit- und Wohnungseigentümern des Objektes ***** Wien, W*****gasse 15, auf der EZ ***** KG B*****, das zumindest seit 1.1.1976 vom Antragsgegner verwaltet wird. Sie verlangen vom Antragsgegner, daß er für den Zeitraum vom 1.1.1976 bis zum 31.12.1988 gesetzesgemäße Abrechnungen legt; der Antragsgegner hat jedoch die Erfüllung seiner Rechnungslegungspflicht behauptet und hinsichtlich der Jahre 1976 bis 1983 Unmöglichkeit der Leistung eingewendet, weil die Unterlagen teils vernichtet
(1976 bis 1982), teils durch einen Wasserschaden unbrauchbar geworden seien (1983).
Das Erstgericht entschied mit Sachbeschluß im Sinne des Begehrens der Antragsteller, obwohl es als erwiesen annahm, daß die Abrechnungen und Belege der Jahre 1976 bis 1983 durch einen Wasserschaden in der Kanzlei des Antragsgegners vernichtet bzw unleserlich wurden. Im Jahr 1983 ist nämlich in der Kanzlei des Antragsgegners ein über dem Kasten mit den Abrechnungen und Belegen hängender 100-Liter-Boiler undicht geworden, worauf sich der gesamte Inhalt über den Kasten und die darin aufbewahrten Unterlagen ergoß.
Hinsichtlich der Jahre 1984 bis 1988 ist der Rechnungslegungsauftrag in Rechtskraft erwachsen, sodaß es dazu keiner weiteren Erörterungen bedarf. Es ist auch nicht strittig, daß die Abrechnungen für die Jahre 1976 bis 1983 formell und inhaltlich jenen der späteren Jahre entsprachen, also gleichermaßen mangelhaft waren. Der Antragsgegner hat nämlich den erstgerichtlichen Sachbeschluß nur insoweit bekämpft, als seinem Einwand der Unmöglichkeit der Leistung nicht Rechnung getragen wurde. Das Erstgericht meinte dazu lediglich, der Antragsgegner habe die Vernichtung der Abrechnungsunterlagen für die Jahre 1976 bis 1983 selbst zu vertreten.
Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Sachbeschluß (nach einer von den Antragstellern verlangten Korrektur der Kostenentscheidung) im Umfang der Anfechtung des Antragsgegners auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte aus:
Gemäß § 1447 ABGB hebe der zufällige Untergang einer bestimmten Sache alle Verbindlichkeiten auf. Hat also der Schuldner die Unmöglichkeit der Leistung nicht zu vertreten, verbiete sich eine dem Leistungsbegehren stattgebende Verurteilung (vgl Reischauer in Rummel RZ 10 zu § 920 ABGB). Selbst im Fall zu vertretender Unmöglichkeit der Leistung im Sinn des § 920 ABGB neige die neuere Rechtsprechung dazu, zur Leistung nur zu verurteilen, wenn noch eine ernstzunehmende, irgendwie ins Gewicht fallende Chance besteht, daß die Leistung wenigstens später erbracht werden könnte. Stehe dagegen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, daß die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann, sei nicht auf Leistung zu verurteilen. Die Rechtsprechung verlange dabei vom Schuldner den Nachweis, daß die Leistungsunmöglichkeit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gegeben ist; alle Zweifel gingen zu Lasten des Schuldners. Kann sich der Schuldner nicht entlasten, so sei dem Leistungsbegehren jedenfalls stattzugeben und die Realisierbarkeit im Vollstreckungsverfahren festzustellen. Nach § 1447 ABGB bleibe nämlich dann, wenn der Schuldner die Unmöglichkeit zu vertreten hat, die primäre Leistungsverbindlichkeit aufrecht. Die Klärung der Realisierbarkeit sei auch in vielen Fällen erst im dazu besonders geeigneten Exekutionsverfahren möglich (vgl Reischauer aaO m.w.N.).
Das Erstgericht habe sich mit der rechtlichen Frage der Unmöglichkeit, die Verwaltungsabrechnungen der Jahre 1976 bis 1983 samt Belegen neuerlich zu legen, nicht auseinandergesetzt. Auch die Frage, ob der Antragsgegner die Zerstörung der Abrechnungsunterlagen und Belege zu vertreten hat, sei nicht restlos geklärt, wenngleich die Feststellung, die Belege hätten sich in einem Kasten befunden, darauf hindeute, daß der Antragsgegner die ihm obliegende Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Aufbewahrung der schriftlichen Unterlagen nicht verletzt hat. Der angefochtene Sachbeschluß enthalte zum Problem der Leistungsunmöglichkeit im Grunde nur die Feststellung, daß es dem Antragsgegner unmöglich sei, die Abrechnungen und Belege dem Gericht im Verfahren nach § 26 WEG vorzulegen.
Selbst unter der Annahme, die Abrechnungen der Jahre 1976-1983 seien nicht ordnungsgemäß im Sinn der dazu bestehenden Rechtsprechung gelegt worden, komme die Schaffung eines Exekutionstitels dann nicht in Betracht, wenn die Rekonstruktion der Abrechnung unmöglich ist und der Antragsgegner dies nicht zu vertreten hat. Bleiben daran allerdings Zweifel bestehen, wäre er dennoch zur Leistung (= Legung der Abrechnungen) zu verpflichten und abschließend die Frage der allfälligen Unmöglichkeit im Exekutionsverfahren zu klären.
Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren vorweg die Frage zu klären haben, ob die Legung der Abrechnungen samt Belegen durch Rekonstruktion der Einnahmen und Ausgaben dieser Jahre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit unmöglich ist oder ob daran doch Zweifel bestehen bleiben. Dazu werde festgestellt werden müssen, in welcher Art von Buchhaltungsverfahren der Antragsgegner im fraglichen Zeitraum die Verwaltung des Hauses führte, ob sich die Kontobewegungen dieser Jahre noch feststellen und zuordnen lassen, ob alle Einnahmen und Ausgaben zu erfassen sind und ob eine Rekonstruktion der Belege noch möglich ist. Ergebe sich dabei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, daß die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann, könnten die Antragsteller nicht auf ihrem Erfüllungsanspruch beharren. Eine Verurteilung zur Leistung dürfe nämlich dann nicht mehr erfolgen, wenn die Vereitelung notorisch ist oder im Leistungsprozeß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit offenkundig wird (vgl MietSlg 36.085 m.w.N.).
Der Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes enthält neben einer nicht notwendigen Bewertung des Entscheidungsgegenstandes mit mehr als S 50.000,-- (§ 26 Abs. 2 WEG iVm § 37 Abs. 3 Z 18 MRG idF des RRAG) den Ausspruch, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Er wurde damit begründet, daß noch keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob sich ein Wohnungseigentumsverwalter auf die Unmöglichkeit der Abrechnung infolge Vernichtung sämtlicher Verwaltungsunterlagen berufen könne.
Gegen diesen Beschluß haben die Antragsteller fristgerecht Rekurs erhoben. Sie vertreten den Standpunkt, daß die dem Antragsgegner zugute gehaltene Unbrauchbarkeit sämtlicher Unterlagen zufolge eines Wasserschadens im Jahr 1983 in seinem Vorbringen gar keine Deckung finde, daß er (die ursprüngliche behauptete) Vernichtung der Unterlagen bis zum Jahr 1982 selbst zu vertreten habe und daß wegen der jedermann bekannten Abwicklung einer Hausverwaltung über Bankkonten von der Rekonstruierbarkeit der notwendigen Belege ausgegangen werden könne. Der Rekursantrag geht dahin, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Sachbeschlusses abzuändern.
Der Antragsgegner hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Der Grundsatz, daß das Gericht die bei seiner Beweisaufnahme hervorgekommenen Umstände nur insoweit berücksichtigen darf, als sie im Parteienvorbringen Deckung finden (vgl JBl 1987, 659), gilt nur in Verfahren mit ausgeprägter Parteienmaxime. Selbst im Zivilprozeß sind überschießende Beweisergebnisse dann zu berücksichtigen, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder erhobener Einwendungen halten (JBl 1986, 121; AnwBl 1988, 167; ÖBl 1989, 118 ua; vgl auch Fasching, Zivilprozeßrecht2, Rz 661 und 899). Je weiter die Sachaufklärungspflicht des Gerichtes geht, desto weniger ist es gehindert, losgelöst vom Vorbringen der Parteien den wahren Sachverhalt zur Grundlage seiner Entscheidung zu machen.
Die hier maßgeblichen Verfahrensbestimmungen (§ 26 Abs. 2 WEG iVm § 37 Abs. 3 MRG) verpflichten das Gericht prinzipiell zur amtswegigen Erforschung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts. Es hat ohne Anträge der Parteien, ja selbst gegen deren Willen - § 183 Abs. 2 ZPO ist gemäß § 37 Abs. 3 Z 12 MRG nicht anwendbar - die ihm notwendig scheinenden Beweise aufzunehmen (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 27 zu § 37 MRG). Eingeschränkt ist dieser Untersuchungsgrundsatz nur dadurch, daß die Vorschriften der ZPO über zugestandene Tatsachen (§§ 266, 267) anzuwenden sind. Ein Beweisthemenverbot ergibt sich daraus jedoch nur für ausdrücklich oder schlüssig außer Streit gestellte Tatsachen (also diejenigen Tatsachen, die der Gegner des Behauptenden unmißverständlich als richtig zugesteht); bloßes Vorbringen einer Partei (wie hier) bleibt überprüf- und damit korrigierbar (vgl Call, Mietrecht und Wohnungseigentum, 165 f). Im übrigen wäre selbst die Verletzung des Beweisthemenverbots unerheblich. Davon betroffene Feststellungen wären nur unter dem Gesichtspunkt unrichtiger Beweiswürdigung anfechtbar (vgl Fasching aaO, Rz 849), könnten also nicht zum Gegenstand einer Anrufung des Obersten Gerichtshofes gemacht werden, der auch im Rechtsmittelverfahren nach § 37 Abs. 3 Z 16 bis 18 MRG nur Rechts- und keine Tatsacheninstanz ist (JBl 1985, 546 ua).
Die Feststellungen der Vorinstanzen über die Vernichtung der Abrechnungsunterlagen für die Jahre 1976 bis 1983 anläßlich eines Wasserschadens in der Kanzlei des Antragsgegners (die sich durchaus im Rahmen der eingewendeten Leistungsunmöglichkeit halten) können daher nicht übergangen werden. Wenn die Antragsteller den Wasserschaden dennoch nur für die Abrechnungsunterlagen des Jahres 1983 gelten lassen wollen und im übrigen dem Antragsgegner die gewollte Vernichtung der Belege unterstellen, die er schon deshalb auch zu vertreten habe, sind ihre Rechtsmittelausführungen unbeachtlich, weil sie nicht vom entscheidungswesentlichen Sachverhalt ausgehen. Der Argumentation der Rechtsmittelwerber ist aber auch darin nicht zu folgen, daß schon jetzt die Berechtigung des Leistungsbegehrens beurteilt werden könne, weil die Abwicklung des Zahlungsverkehrs eines Hausverwalters über Bankkonten und dementsprechend die Rekonstruierbarkeit der fehlenden Abrechnungsunterlagen notorisch sei. Gerade zu diesem Streitpunkt hat das Rekursgericht Aufklärungen als notwendig erachtet, sodaß von offenkundigen Tatsachen, die gemäß § 26 Abs. 2 WEG iVm § 37 Abs. 3 Z 12 MRG und § 269 ZPO von Amts wegen zu beachten wären, keine Rede sein kann. Dem diesbezüglichen Erhebungsauftrag des Rekursgerichtes könnte der Oberste Gerichtshof, der - wie bereits erwähnt - keine Tatsacheninstanz ist, überhaupt nur entgegentreten, wenn ihm eine unrichtige Rechtsansicht (hier über die Beurteilung des Einwands der Leistungsunmöglichkeit) zugrundeliegt. Derartiges behaupten jedoch die Rekurswerber selbst nicht.
Im Rahmen der gebotenen umfassenden rechtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung bleibt daher nur noch festzuhalten, daß die Ausführungen des Rekursgerichtes zur Frage der Leistungsunmöglichkeit die Rechtslage richtig wiedergeben (§ 26 Abs. 2 WEG iVm § 37 Abs. 3 Z 16 MRG und §§ 528 a, 510 Abs. 3 ZPO). Zutreffend hat das Rekursgericht erkannt, daß ein Gläubiger nicht auf Erfüllung seines Leistungsanspruches beharren kann, wenn der Erbringung der geschuldeten Leistung eine absolute, gegen jedermann wirkende rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit entgegensteht (vgl JBl 1975, 206 ua). Ein Verschulden des ursprünglich Leistungspflichtigen ist dabei nur insofern von Bedeutung, als es dem Gläubiger Schadenersatzansprüche gemäß § 920 ABGB eröffnet (vgl JBl 1985, 742; JBl 1987, 783 ua). Die Unmöglichkeit der Leistung ist allerdings nur anzunehmen, wenn nach allgemeiner Verkehrsauffassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, daß sie - auch in Zukunft - nicht erbracht werden kann (MietSlg 36.085; JBl 1985, 742; SZ 59/42 ua). Die Beweislast hiefür trägt der Schuldner (vgl Reischauer in Rummel I2, Rz 6 zu § 920 ABGB). Bleiben Zweifel, ob die Erbringung der geschuldeten Leistung auf Dauer unmöglich ist, hat der Gläubiger Anspruch auf Schaffung eines dem Leistungsbegehren stattgebenden Exekutionstitels, auch wenn dieser nicht sofort vollstreckt werden kann (vgl 7 Ob 577/87; SZ 61/113).
Alle diese Voraussetzungen der dauernden Leistungsunmöglichkeit sind, wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, noch im Tatsachenbereich zu klären, ehe dann - nach Vorliegen der Verfahrensergebnisse - im Rahmen des aufgezeigten rechtlichen Bewertungsspielraums abschließend beurteilt werden kann, ob dem Antragsgegner (auch) die Rechnungslegung hinsichtlich der Jahre 1976 bis 1983 aufzutragen ist. Ob eine Leistung dauernd (endgültig) unmöglich ist, enthält nämlich neben der reinen Tatfrage immer auch ein Wertungsproblem (JBl 1983, 604; MietSlg 36.085; JBl 1985, 742; SZ 61/113 ua).
Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.
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