OGH 6Ob627/91

OGH6Ob627/916.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton Z*****, Konsulent, ***** vertreten durch Dr. Herbert Duma, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Aphrodite Z*****, Hausfrau, ***** vertreten durch Dr. Klaus und Dr. Ute Messinger, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 500.000 s.A.

(Revisionsinteresse S 256.667,88), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 17.7.1991, GZ 5 R 76/91-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 3. Dezember 1990, GZ 23 Cg 164/89-31, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden - soweit sie nicht mangels Anfechtung, nämlich im Umfang eines Zuspruches von S 18.473,79 sA sowie der Abweisung von 224.858,33 sA in Rechtskraft erwachsen sind, im übrigen, also hinsichtlich restlicher begehrter S 256.667,88 sA, aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist der Sohn aus erster Ehe des am 10.1.1987 verstorbenen Ing. Desiderius Z*****, die Beklagte dessen Witwe und nach dem Testament vom 16.4.1985 die Alleinerbin. Zur Ersatzerbin setzte der Verstorbene die von ihm adoptierte Tochter der Beklagten ein und ordnete an, daß sich der Kläger alle unentgeltlichen Zuwendungen auf seinem Pflichtteil anrechnen lassen müsse. Der Beklagten wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 18.3.1988 der Nachlaß aufgrund des Testamentes eingeantwortet. Das reine Nachlaßvermögen ist mit S 1,650.850 ausgewiesen. Der rechnerische Pflichtteilsanspruch des Klägers beträgt S 275.141,67.

Der Kläger begehrte von der Beklagten diesen errechneten Pflichtteil und darüber hinaus weitere S 224.859 aus dem Titel der Verkürzung seines Pflichtteiles durch Verheimlichung weiteren Vermögens des Erblassers, insgesamt daher S 500.000. Er brachte vor, die Einrechnungsbestimmung im Testament vom 16.4.1985 sei unwirksam, weil der Erblasser über zwingende Normen des ABGB nicht habe disponieren können. Zahlungen des Erblassers an den Kläger seien im Rahmen der diesem als Vater obliegenden Unterhaltsverpflichtungen, zum Teil zur nachträglichen Erfüllung vernachlässigter Unterhaltspflichten erfolgt. Ein ihm angelasteter Verlust von Familienschmuck in England wegen eines Betrügers habe er nicht zu vertreten; er sei nie Eigentümer des Schmuckes gewesen und habe nur im Auftrag seines Vaters gehandelt.

Der Erblasser habe in den Jahre 1981 bis 1986 aus Liegenschaftsverkäufen mehr als 3,2 Mio S erlöst. Unter Berücksichtigung der übrigen Einkünfte des Erblassers und dessen sparsamer Lebensweise müsse angenommen werden, daß die Beklagte einen im Verlassenschaftsverfahren nicht aufscheinenden Betrag von mehr als 1,5 Mio S verheimliche; der Kläger begehre daher auch von diesem Betrag den Pflichtteil.

Die Beklagte wandte ein, der Erblasser habe verschiedene letztwillige Anordnungen errichtet, in denen er aufgrund des Verhaltens des Klägers ihm gegenüber die Enterbung und den Ausschluß von jeglichem Pflichtteilsanspruch ausgesprochen habe. Im Testament vom 16.4.1985 sei ausdrücklich verfügt, daß der Kläger sich alle Zuwendungen, die er zu Lebzeiten des Erblassers erhalten habe, einrechnen lassen müsse. Trotz geringer Einkünfte habe der Erblasser alle verfügbaren finanziellen Mittel aufgewendet, um dem Kläger und seinem inzwischen verstorbenen Bruder ein akademisches Studium zu ermöglichen, um ihnen eine Existenzgrundlage zu schaffen. Der Kläger habe vorgegeben, Welthandel in Wien zu studieren. Zu diesem Zweck habe ihm der Erblasser eine Wohnung finanziert, ständige Zahlungen geleistet und immer wieder über Ersuchen des Klägers Bargeld zur Verfügung gestellt. Der Erblasser habe daher im Sinne der Bestimmungen des § 788 ABGB erhebliche Zuwendungen gemacht, letztlich aber feststellen müssen, daß die Behauptungen des Klägers, er gehe seinen Studien nach, unrichtig gewesen seien. Der Kläger habe sein Studium abgebrochen. Die Zuwendungen des Erblassers seien ausschließlich dazu bestimmt gewesen, dem Kläger eine Existenzgrundlage zu schaffen; dieser müsse sich daher alle Zuwendungen in den Pflichtteil einrechnen lassen. In den 50er-Jahren habe der Erblasser dem Kläger Familienschmuck und Brüsseler Spitzen im Werte von S 87.000 - dies entspreche aufgewertet S 196.000 - zur Verfügung gestellt; den Verkaufserlös hiefür habe der Kläger unterschlagen. Unter der Voraussetzung der Einrechnung in den Pflichtteil habe der Erblasser keine Strafanzeige erstattet. In den 60er-Jahren habe der Erblasser über wiederholtes Drängen des Klägers außer den normalen Zahlungen für Studienkosten Beträge von rund S 94.000 bezahlt, die aufgrund getroffener Vereinbarung, aber auch aufgrund gegebener Sach- und Rechtslage ausschließlich auf den Pflichtteilsanspruch anzurechnen seien, zumal der Kläger immer wieder vorgegeben habe, daß er diese Beträge für seine berufliche Ausbildung benötige und der Erblasser ihm diese Beträge auch unter dieser Voraussetzung gegeben habe. Die Summe der tatsächlich anzurechnenden Zuwendungen sei weit höher; es würden jedoch lediglich S 94.000 geltend gemacht, welche nach dem inneren Wert den Pflichtteilsanspruch des Klägers überstiegen. Zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers sei nur das im Verlassenschaftsverfahren festgestellte Vermögen vorhanden gewesen.

Den vom Klagevertreter begehrten Auftrag an die Beklagte, den Betrag von S 94.000 aufzuschlüsseln, hat das Erstgericht nicht erteilt. Die Beklagte hat lediglich ein Konvolut von Urkunden (Briefe, zum Teil divergierende Aufstellungen des Erblassers über Zahlungen an den Kläger) zum Beweise ihres Vorbringens vorgelegt und in teilweisem Widerspruch zu ihren ursprünglichen Einwendungen vorgebracht, der Kläger habe vom Erblasser bis zum Jahr 1961 diverse finanzielle Zuwendungen erhalten, die ihm zunächst als Darlehen übergeben worden seien. Da der Kläger eine Rückzahlung nicht vorgenommen habe, seien ihm diese Zahlungen vom Erblasser als Geschenk unter Anrechnung auf seinen Pflichtteil zugewendet worden. Diese finanziellen Zuwendungen betrügen zumindest S 94.000, wobei die Aufrechnung gegen den Pflichtteil nach dem inneren Zahlwert nach dem Verbraucherpreisindex I des Österreichischen Statistischen Zentralamtes vorgenommen werde. Damit ergebe sich ein Betrag von S 306.223,80. Die Aufrechnung erfolge sowohl aus dem Titel des nicht zurückgezahlten Darlehens als auch aus jenem des Geschenkes. Für den Wert des Schmuckes, den der Erblasser dem Kläger schenkungsweise überlassen habe, ergebe sich bei dieser Berechnung ein Betrag von S 196.419,90; auch dieser werde gegen die Klagsforderung kompensando eingewendet.

Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger S 18.473,79 samt 4 % Zinsen seit 4.5.1989 zu bezahlen und wies ein Mehrbegehren von S 481.526,21 sA unter Zugrundelegung folgender noch wesentlicher Feststellungen ab:

Der Erblasser kam nach dem Zweiten Weltkrieg mit seiner Familie aus Ungarn. Er hatte Besitzungen in Kärnten, von denen er mit seiner Familie lebte. Der 1934 geborene Kläger maturierte im Sommer 1953 mit ausgezeichnetem Erfolg und begann in Wien ein Studium an der Hochschule für Welthandel. Während eines Studienaufenthaltes in England wohnte der Kläger bei Haim N*****, einem Diakon der anglikanischen Kirche, der in der Folge auch den Vater des Klägers besuchte und sich erbötig machte, Familienschmuck in England günstig zu verkaufen. Der Kläger händigte den Schmuck im Auftrag seines Vaters Haim N***** in England aus, ohne eine Bestätigung zu erhalten. Der Verkaufserlös sollte zur Finanzierung des Studiums der beiden Söhne des Erblassers dienen. N***** fand bei Urgenzen über den Verbleib des Schmuckes oder eines etwaigen Erlöses immer neue Ausflüchte. Der Kläge war der Ansicht, daß sich sein Vater darum kümmern solle, während dieser meinte, der Kläger und sein Bruder sollten sich anläßlich ihrer Aufenthalte in England zur Finanzierung ihres Studiums darum bemühen. Die Bemühungen verliefen ergebnislos.

In den ersten drei Jahren des Studiums legte der Kläger nur wenige Prüfungen ab und übte verschiedene Nebenbeschäftigungen (als Hilfsarbeiter, Chauffeur u.dgl.) aus. Ob ihm sein Vater regelmäßig monatliche Zahlungen überwies und der Kläger dennoch das Studium nicht zielstrebig betrieb oder ob der Kläger wegen zu geringer Unterhaltszahlungen zum Geldverdienen und zur Vernachlässigung des Studiums gezwungen war, konnte nicht festgestellt werden. Nachdem der Erblasser von der Hochschule für Welthandel erfahren hatte, daß sein Sohn sein Studium kaum weitergebracht hatte, teilte er ihm mit, daß er ihm kein Studiengeld mehr zur Verfügung stelle, er solle einen kaufmännischen Maturantenkurs besuchen. Zur Belohnung werde er ihm einen Roller schenken. Über Intervention von N***** bewilligte er ihm dann aber noch ein viertes Studienjahr, stellte aber die Bedingung, daß der Kläger seine Ausgaben genau zu verrechnen und sich von Nebenbeschäftigungen freizuhalten habe. Am Ende des Studienjahres 1956/57 legte der Kläger die erste (allgemeine) Prüfung ab. Im Wintersemester 1957/58 inskribierte der Kläger nicht.

Im Oktober 1957 verkaufte der Erblasser einen Teil seiner

Besitzungen in Kärnten und bezahlte dem Kläger

im November S 1.000

für Bekleidung und im Dezember weitere S 2.000

für Bekleidung und eine Schreibmaschine.

Darum hatte der Kläger gebeten, weil er

neue Anzüge für eine in Aussicht stehende

Beschäftigung bei der Ö*****bank benötige und die Schreibmaschine

zum Arbeiten brauche.

S 3.000

Im Sommersemester 1958 inskribierte der

Kläger zwar wieder, legte aber keine Prüfung

ab. Im September 1958 erwarb er den Gewerbe-

schein für die Ausübung des Gewerbes einer

Handelsagentur.

Im Laufe des Jahres 1958 machte der Erb-

lasser dem Kläger nachstehende Zuwendungen:

Im Jänner 1958 für eine Mandeloperation S 1.004

im Februar und Juni 1958 für verschiedene

Anschaffungen S 5.530

am 3.4.1958 für eine Wechselschuld S 5.208

Überweisung vom 2.6.1958 mit unbekanntem

Zahlungszweck S 1.204

im Juli für den Kauf eines Motorrollers S 6.000

im Oktober zum Ankauf einer Uhr für

N*****, das Vorhaben wurde nicht

ausgeführt S 11.000

im Dezember zur Anschaffung von Kleidung S 2.000

S 31.946.

Im Jahr 1958 unterrichtete der Kläger seinen Vater, daß N***** in England eine Firma gegründet habe, die sich an einer in Wien zu gründenden Gesellschaft mbH mit dem Geschäftszweck Import-Export von englischen Stoffen beteiligen wolle. Der Kläger sei als Geschäftsführer dieser GesmbH in Wien vorgesehen. Die englische Firma verlange für seine geschäftliche Betätigung allerdings eine Kaution von S 40.000. Einen Teil hievon, nämlich S 15.000, leiste N***** als erste Rate aus der Summe, die er für den Verkauf des Familienschmuckes schulde, S 25.000 müsse der Kläger aufbringen. Der Kläger und sein Vater hielten am 19.1.1959 schriftlich fest, daß

1. Haim N***** von der Kaution von S 40.000 einen Teilbetrag von

S 15.000 als erste Rate aus der Summe von 1.080 englischen Pfund, die er der Familie schulde, überweist;

2. der Kläger weitere S 11.000, die er vom Vater im Oktober 1958 erhalten habe, bezahlt;

3. der Erblasser die restlichen S 14.000 dem Kläger nach Wien überweist und

4. alle drei Teilbeträge weiterhin Eigentum des Erblassers bleiben.

Zur Bevorschussung eines Exportgeschäftes gab der Erblasser dem Kläger im Mai 1959 ein Darlehen von S 30.000 für vier Monate. Der Kläger versprach eine Verzinsung von 10 % und stellte über diese Summe und die im voraus berechneten Zinsen einen Wechsel über S 31.500 aus.

Imsgesamt erhielt der Kläger vom Erblasser im Laufe des Jahres 1959 folgende Beträge.

die erwähnte Kaution von S 14.000

das Darlehen von S 30.000

zum Lebensunterhalt S 1.507

für einen neuen Koffer S 118

als Darlehen S 1.000

vier Leintücher im Wert von S 248

für zahnärztliche Leistungen S 639

für einen Hut S 100

zur Auslösung des verpfändeten Rollers S 3.000

für zwei Maßhemden S 342

Bahnfracht für geschenkte Matrazen S 34

zwei dem Kläger geschenkte Bilder samt Rahmen S 273

S 51.261.

Die neu gegründete Firma G***** GesmbH entwickelte keine Geschäftstätigkeit, weil die zugesagten Lieferungen aus England ausblieben. Das Grundkapital wurde durch auflaufende Spesen aufgebraucht. Die GesmbH wurde schließlich im Jahr 1963 gelöscht.

Im Laufe des Jahres 1960 erhielt der Kläger von seinem

Vater insgesamt S 5.113

zum Teil zur Einrichtung seiner Wohnung

(darunter zwei Bilder im Wert von S 200),

zum Teil für zwei Anzüge (S 3.010) und

für verschiedenen sonstigen Bedarf.

1961 erhielt der Kläger von seinem Vater S 1.006

für verschiedene Bedürfnisse.

Alle in den Jahren 1957 bis 1961 erlangten Zuwendungen hat der Kläger seinem Vater nicht zurückgestellt.

Nach seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der G***** GesmbH übte der Kläger verschiedene Berufe als Chauffeur und in der Folge bis 1966 als kaufmännischer Angestellter aus und legte auch noch zwei Sprachprüfungen an der Hochschule für Welthandel ab. Von 1966 bis 1975 lebte er in England, vorübergehend auch bei Haim N*****, der immer, wenn die Rede auf den Familienschmuck kam zu bedenken gab, die Einfuhr des Schmuckes sei illegal gewesen und nach den englischen Gesetzen verboten. Der Kläger wagte daher lange Zeit nicht, Schritte gegen N***** zu unternehmen, weil er seine Verhaftung fürchtete. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Vater des Klägers diesem den Schmuck mit der Auflage schenkte, sich diesen zum Pflichtteil anrechnen zu lassen. Anläßlich eines Gespräches im Jahr 1976 erließ der Erblasser dem Kläger die Darlehensschuld von S 30.000 ebenso wie die im Jahr 1959 geborgten S 1.000.

Im Jahr 1971 wollte der Kläger nach Gesprächen mit einem Anwalt - er hatte erfahren, daß die Einfuhr von altem Schmuck nicht illegal gewesen sei - gerichtlich gegen N***** vorgehen und ersuchte seinen Vater um Übermittlung einer Vollmacht, welche dieser erteilte. Ein eingeleitetes Verfahren gegen den Nachlaß und die Erben von N***** - dieser hatte 1974 Selbstmord begangen - führte nicht zum Erfolg, weil der Erblasser weder nach England zu einer Aussage fahren noch die weiteren Prozeßkosten auslegen wollte.

1967 heiratete der Erblasser die Beklagte, welche eine Tochter in die Ehe mitbrachte, die durch Jahre hindurch in seinem Haushalt lebte. 1975 erhielt sie für einen Wohnungskauf vom Erblasser S 60.000 und wurde von diesem 1982 adoptiert.

In den Jahren 1981 bis 1986 verkaufte der Erblasser Liegenschaften um einen Kaufpreis von S 3,218.000, welcher zum Teil zur Bestreitung des Lebensunterhaltes, für Renovierungsarbeiten am Wohnhaus und zur Vergabe von Darlehen an Privatpersonen verwendet wurde. Wenn auch die Vermutung besteht, daß der Erblasser bzw die Beklagte aus diesen Verkaufserlösen über eine weitere im Verlassenschaftsverfahren nicht hervorgekommene Vermögensanlage verfügt, können Festellungen wegen des Fehlens jeglicher Beweise nicht getroffen werden, ob und welches Vermögen der Erblasser außer dem im Hauptinventar des Verlassenschaftsverfahrens aufscheinenden baren Nachlaß von S 20.081 noch hinterlassen hat.

Der Erblasser verfaßte drei Testamente: Im Testament vom 17.4.1967 setzte er die Beklagte als Alleinerbin ein und verwies seine beiden Söhne auf den Pflichtteil.

Im Testament vom 22.4.1974 setzte er die Beklagte als Alleinerbin ein und verwies den Kläger auf den Pflichtteil. Er verfügte, daß folgende Beträge dem Kläger auf den Pflichtteil anzurechnen seien:

1. der Gegenwert eines im Jahre 1954 auf S 80.000 geschätzten Schmuckes und eine auf S 7.000 geschätzte Rolle Brüsseler Spitzen mit der Begründung, daß der Kläger trotz zahlreicher Mahnungen über diese Haim N***** übergebenen Gegenstände keine Rechenschaft gegeben habe.

2. S 36.000, die er dem Kläger während der ersten drei Jahre des Studiums gegeben habe, weil dieser das Studium aufgegeben habe.

3. S 12.000, die er dem Kläger ab 1956 zum Besuch verschiedener Kurse, Seminare und einer Fahrschule und S 94.000, die er ihm in der Zeit von 1958 bis 1962 zur Existenzgründung (Beschaffung einer Kanzlei, Ankauf eines Rollers, Kaution in einer Firma usw) in Teilbeträgen überwiesen habe. Der Erblasser hielt die Summe der übergebenen Beträge unter Hinweis auf eine angefügte Aufstellung mit S 229.000 fest.

Mit dem dem Verlassenschaftsverfahren zugrundegelegten Testament vom 16.4.1985 setzte der Erblasser die Beklagte als Alleinerbin und deren Tochter als Ersatzerbin ein und ordnete an, daß sich der Kläger alle unentgeltlichen Zuwendungen in seinen Pflichtteil einrechnen lassen müsse, ohne eine nähere Aufschlüsselung vorzunehmen.

Der Erblasser trug mit diesen drei Testamenten der jeweiligen Familienlage Rechnung. Aus dem Wegfall der aufgeschlüsselten Anrechnungen in seinem letzten Testament kann geschlossen werden, daß der Erblasser nicht mehr alles, was er im zweiten Testament angerechnet wissen wollte, als unentgeltliche Zuwendung ansah und sich mit der Beurteilung, was nun wirklich anzurechnen sei, nicht mehr befassen wollte.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen zusammengefaßten Sachverhalt dahin, daß nach § 788 ABGB alles, was der Erblasser dem Kläger zur Ausstattung, zum Antritt eines Gewerbes oder zur Bezahlung von Schulden gegeben habe, als der Kläger bereits volljährig gewesen sei, in den Pflichtteil einzurechnen sei. Der vom Erblasser im Wege des Klägers nach England gebrachte Schmuck sowie die Spitzen seien in den Pflichtteil nicht einzurechnen, weil der Kläger nicht Eigentümer des Schmuckes gewesen sei und nur im Auftrag seines Vaters gehandelt habe. Eine Vereinbarung, wonach der Vater seinem Sohn den Schmuck und die Spitzen oder deren Erlös in Anrechnung auf den Pflichtteil geschenkt habe, sei nicht erwiesen.

Die dem Kläger vom Erblasser in den Jahren 1957 bis 1961 erbrachten Zuwendungen sowie die im Jahre 1976 erlassene Darlehensschuld seien daher wie folgt zu berücksichtigen:

1957 vom Kläger ausschließlich zu seiner Berufsausbildung

erhaltene Beträge S 5.000

1958 Zahlung einer Schuld des Klägers

für eine Mandeloperation sowie eine

Wechselschuld S 6.212

im Jahr 1959 nachträglich als Teil der

Kaution zur Gründung eines Handels-

unternehmens, in welchem der Kläger eine

Geschäftsführertätigkeit ausüben sollte,

umgewidmete S 11.000

verschiedene Anschaffungen (Roller,

Kleidung, Sonstiges = Ausstattung) S 14.731

zusammen: S 31.946.

1959 Kaution, somit zum Antritt eines

Berufes S 14.000

Bezahlung von Schulden zur Auslösung

des verpfändeten Rollers sowie für zahn-

ärztliche Leistungen S 3.639

und für verschiedenes (Kleidung, Wohnungs-

einrichtung = Ausstattung) S 1.115

zusammen: S 18.754.

Die zum Lebensunterhalt gegebenen S 1.507 seien nicht anzurechnen.

Der Kläger habe ein Darlehen von S 31.000 erhalten, für den Betrag von S 30.000 sei eine Verzinsung von 10 %, für die restlichen S 1.000 eine Verzinsung hingegen nicht vereinbart worden. Diese beiden Beträge seien vorerst auf den Pflichtteil nicht anzurechnen.

1960 habe der Kläger zu seiner weiteren Ausstattung

(für allerlei Bedürfnisse) S 5.113

und 1961 S 1.006

erhalten.

Da der Erblasser dem Kläger die Darlehensschuld des Jahres 1959

erlassen habe, sei sie als Schenkung während der Ehe mit der

Beklagten (§ 785 Abs 2 ABGB) mit jenem Wert anzurechnen, mit

welchem sie im Jahre 1976 ausgehaftet habe, das seien das

unverzinste

Darlehen von S 1.000

und das mit 10 % zu verzinsende Darlehen

von 30.000 nach der Vorschrift des

§ 1335 ABGB, somit S 60.000

zusammen daher: S 61.000.

Die angeführten Vorempfänge aus den Jahren 1957 bis 1961 seien zum 10.1.1987 nach dem Kleinhandelspreisindex 1938 aufzuwerten. Es ergebe sich so eine Gesamtsumme von S 308.001,44.

Die Anrechnung erfolte in der Weise, daß die Schenkungen ebenso zum Nachlaß hinzuzurechnen seien, wie die Vorempfänge. Von dem um die Schenkung erhöhten Nachlaß sei der Pflichtteil zu bestimmen. Von diesem seien die Schenkung und die Vorempfänge abzuziehen.

Zum reinen

Nachlaß von S 1,650.850,--

seien der Wert der Schenkung von S 61.000

zum Zeitpunkt des Erbanfalles, das seien S 93.592,30

und der Wert der Vorempfänge des Klägers

von S 214.409,14

hinzuzurechnen. Von der Summe von S 1,958.851,44

sei der Pflichtteil des Klägers (1/6) mit S 326.475,23

zu errechnen. Hievon seien die Schenkung

und die Vorempfänge von zusammen S 308.001,44

abzuziehen, so daß als Pflichtteils-

forderung des Klägers S 18.473,79

verblieben. Dieser zuzusprechende Betrag sei ab dem Tage der Klagszustellung zu verzinsen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers, der die Abweisung seines Begehrens, soweit es über den im Verlassenschaftsverfahren festgestellten Pflichtteil von 275.141,67 S hinausging, nicht bekämpfte, Folge und verurteilte die Beklagte (einschließlich des bereits rechtskräftig gewordenen Zuspruches von S 18.473,79) zu dieser Zahlung.

Für die rechtliche Beurteilung des gegenständlichen Falles sei es nicht entscheidend, ob es sich bei den vom Erstgericht festgestellten Zuwendungen des Erblassers an den Kläger um Vorempfänge nach § 788 ABGB, Vorschüsse nach § 789 ABGB oder Schenkungen gehandelt habe. Nach den allgemeinen Beweislastregeln treffe die Behauptungs- und Beweislast dafür, daß ein anrechenbarer Vorempfang, ein Vorschuß oder eine Schenkung vorliege, nämlich denjenigen, der eine Anrechnung begehre. Die Beklagte hätte demnach jene Umstände behaupten und beweisen müssen, aus denen sich anrechenbare Vorempfänge oder Vorschüsse des Klägers ergeben hätten. Die Parteiaussage und das Anführen von Belegen als Beweismittel hätten das notwendige Parteienvorbringen nicht ersetzen können. Die Beklagte habe trotz der ausdrücklichen, im Protokoll auch festgehaltenen Forderung des Klägers um Aufschlüsselung des Betrages von S 94.000 nur das eingangs wiedergegebene Vorbringen erstattet. Diese allgemeinen und überdies in sich variierenden Parteibehauptungen könnten nicht genügen. Die Beklagte hätte vielmehr für jeden einzelnen der behaupteten Vorempfänge, dessen Anrechnung begehrt wurde, die konkreten Umstände vorbringen müssen. An die von der Beklagten behaupteten Tatsachen sei das Erstgericht gebunden gewesen; andere, wie sie das Erstgericht zu konstruieren versucht habe, hätten nicht unterstellt werden dürfen. Überschießende Beweisergebnisse hätten wegen der im Zivilprozeß geltenden freien Parteiendisposition nur berücksichtigt werden können, soweit sie in den Rahmen des geltend gemachten Rechtsgrundes - in das vorgebrachte Substrat - gefallen seien. Die Beklagte habe ihrer Pflicht zur hinreichenden Konkretisierung ihrer Einwendungen nicht entsprochen. Die Anführung von Beweismitteln, insbesondere von Unterlagen, durch welche das Gericht erst selbst herausfinden sollte, welche in den genannten Globalbetrag von S 94.000 einzurechnenden Vorempfänge oder Vorschüsse den Pflichtteilsanspruch des Klägers mindern könnten, reichten nicht aus. Es lasse sich nicht einmal mit Sicherheit entscheiden, welche der vom Erstgericht ohne Aufwertung mit insgesamt S 122.819 ermittelten und festgestellten Posten etwa mit den von der Beklagten behaupteten dem Kläger gewährten S 94.000 identisch seien. Die Einwendungen der Beklagten seien daher nicht zu berücksichtigen, so daß dem Kläger der der Höhe nach unbestrittene Pflichtteil, wie er im Verlassenschaftsverfahren ermittelt worden sei, zustehe. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil dem Erfordernis eines ausreichenden Parteieneinwandes auf Anrechnung von Vorempfängen und dessen Schlüssigkeitsvoraussetzungen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Es trifft zu, daß nach den allgemeinen Beweislastregeln die Behauptungs- und Beweislast, daß eine Schenkung, ein anrechnungspflichtiger Vorausempfang oder Vorschuß vorliegt, denjenigen trifft, der eine Anrechnung begehrt. Ebenso ist es richtig, daß es der Beklagten oblegen gewesen wäre, nicht nur einen Globalbetrag an anrechnungspflichtigen Zuwendungen zu behaupten und hiezu Urkunden und Aufstellungen des Erblassers vorzulegen, die nicht nur voneinander abweichen, sondern aus denen sich weder der behauptete Gesamtbetrag von S 94.000 noch die Art der Zuwendungen - Schenkung (§ 785 ABGB), Vorausempfang im Sinne des § 788 ABGB oder Vorschüsse (§ 789 ABGB) - mit der nötigen Klarheit ergeben. Das Erstgericht hat jedoch - ohne auf eine entsprechende Konkretisierung des Vorbringens der Beklagten zu dringen - aus den Beweisergebnissen überschießende Feststellungen getroffen und einzelne Zuwendungen des Erblassers aufgelistet. Trifft aber das Gericht, und sei es selbst unter Überschreitung des Parteivorbringens, eindeutige positive oder negative Feststellungen, dann stellt sich die Frage nach der Beweislast nicht mehr. Beweislastregeln greifen erst ein, wenn der streitentscheidende Sachverhalt im Verfahren auch mit Hilfe der richterlichen Beweiswürdigung nicht oder nicht vollständig aufgeklärt werden kann. Nur unaufklärbare Tatsachen gehen dann zu Lasten der mit der Beweislast beschwerten Partei. Auch überschießende Feststellungen der ersten Instanz, also tatsächliche Feststellungen, die nicht durch ein entsprechendes Prozeßvorbringen gedeckt sind, können bei der rechtlichen Beurteilung zumindest insoweit nicht unberücksichtigt bleiben, als sie in den Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendung fallen. Das Berufungsgericht hat daher zu Unrecht die in der Berufung geltend gemachte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens und die Rechtsrüge, es lasse sich aus dem Ersturteil nicht ableiten, welcher Art und zu welchem Zwecke gegeben die einzelnen festgestellten Zuwendungen des Erblassers nun zuzuordnen seien, für unbeachtlich angesehen.

Zuwendungen zu Lebzeiten des Erblassers an Pflichtteilsberechtigte sind sehr unterschiedlich zu beurteilen:

Die Anrechnung von Schenkungen, von Vorempfängen nach § 788 ABGB und von Vorschüssen nach § 789 ABGB müssen auseinandergehalten werden. Die Anrechnung von Schenkungen nützt nur dem Noterben, weil sie nur auf die Erhöhung des Pflichtteiles (Schenkungspflichtteil gemäß § 787 Abs 2 ABGB) anrechenbar sind (SZ 59/146 mwN). Eine solche Pflichtteilserhöhung ist nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Vorausempfänge und Vorschüsse hingegen sind auf den Nachlaßpflichtteil (gemeinen Pflichtteil) anzurechnen. Das, was der Erblasser bei Lebzeiten seiner Tochter oder Enkelin zum Heiratsgute, seinem Sohn oder Enkel zur Ausstattung oder unmittelbar zum Antritt eines Amtes oder was immer für eines Gewerbes gegeben oder zur Bezahlung der Schulden eines volljährigen Kindes verwendet hat, wird in den Pflichtteil eingerechnet. Weitere Anrechnungen kann der Erblasser nicht verfügen; insbesondere ist der dem Pflichtteilsberechtigten geleistete Unterhalt nicht zu berücksichtigen. Soweit der Erblasser daher in seiner letztwilligen Verfügung die Anrechnung aller zu Lebzeiten gemachten unentgeltlichen Zuwendungen anordnete, ist diese Verfügung nur so weit beachtlich, als diese Zuwendungen unter die taxative Aufzählung des § 788 ABGB subsumiert werden können. Nicht darunter fällt jedenfalls der Erziehungs- und Ausbildungsaufwand, auch wenn er speziell auf den Antritt eines ganz bestimmten Berufes hinzielt. Er gehört zum Unterhalt, der kein Vorempfang ist. Der Vermögenswert muß jedenfalls zum Zwecke des Berufsantrittes oder zur Berufsausübung gegeben sein. Wurde er aus einem anderen Anlaß gewährt, wird er nicht dadurch zum Vorempfang, daß der Noterbe ihn tatsächlich für seinen Beruf verwendet hat (zur Abgrenzung insbesondere von Vorausempfängen zur Schenkung vgl Kralik, Erbrecht 293; Eckert,

Die Anrechnungspflicht von Kapitalzuwendungen in ÖJZ 1961, 258). Von diesen nach dem Gesetz anzurechnenden Vorempfängen sind wiederum die in § 789 ABGB geregelten Vorschüsse zu unterscheiden. Diese sind nur dann anrechnungspflichtig, wenn sie vereinbarungsgemäß als Vorschuß auf den Pflichtteil gegeben und empfangen worden sind. Fehlt es an einer solchen Vereinbarung zum Zeitpunkt der Zuwendung, kann der Erblasser im nachhinein die Anrechnung nicht wirksam verfügen.

Das Erstgericht hat nur eine Auflistung von Zuwendungen vorgenommen, ohne hiezu auch ausreichende Feststellungen zu den Vereinbarungen anläßlich der einzelnen, vielfach geringfügigen und in größeren Zeitabständen erfolgten Zuwendungen zu treffen. Nach dem Vorbringen der Beklagten wären nicht nur Schenkung, Vorempfang oder Vorschuß, sondern auch Darlehen möglich, welche, mögen sie auch bisher vom Erblasser oder seinen Rechtsnachfolgern bisher nicht geltend gemacht worden sein, jedenfalls nicht unter die Anrechnungsvorschriften fallen, sondern nur als Forderungen des Erblassers oder seiner Rechtsnachfolger Berücksichtigung finden könnten.

Schließlich sind auch die Grundsätze des § 894 ABGB für die unterschiedliche Bewertung von Vorempfängen zu beachten. Während sich der Wert der unbeweglichen Sachen nach dem Zeitpunkt des Empfanges richtet, bestimmt sich der Wert beweglicher Sachen - mit Ausnahme des baren Geldes, für welches das Gesetz keine Vorschrift enthält - nach dem Zeitpunkt des Erbanfalles. Dies bedeutet, daß das Gesetz davon ausgeht, daß der Nutzen einer Sache zwischen Empfangs- und Zuteilungstag nicht anzurechnen ist. Eine Aufwertung kommt nicht in Betracht; vielmehr muß eine Wertminderung beweglicher Sachen (wie insbesondere von Kleidung, Einrichtungsgegenständen, Fahrzeugen, Maschinen u.dgl.), die durch den ordnungsgemäßen Gebrauch seit dem Empfangstag eingetreten ist, berücksichtigt werden. Sie kommt also dem Pflichtteilsberechtigten zugute. Bewegliche Sachen sind daher im Zustand beim Erbanfall (Wertverlust durch Abnützung) zu bewerten, was zur Folge haben kann, daß der anrechenbare Wert auch auf Null sinken kann. Auch hiezu fehlt es an den erforderlichen Feststellungen. Für Empfänge von barem Geld ergibt sich aus den Grundsätzen zur Bewertung beweglicher Sachen analog, daß sie nach dem inneren Wert aufzuwerten sind, was in der Regel nach dem Lebenshaltungskostenindex zu geschehen hat. Wurde das bare Geld allerdings zur Anschaffung einer bestimmten Sache (Wohnung, Einrichtung, Kleidung, Fahrzeug) gegeben und hat der Empfänger die Sache auch ohne unnötigen Aufschub erworben, so werden die Regeln über die Bewertung der Sache und nicht jene über den Empfang baren Geldes anzuwenden sein (vgl hiezu Welser in Rummel ABGB2 Rz 3 und 8 zu § 794; Kralik aaO 299 f).

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren zunächst die Beklagte zu einer eindeutigen Konkretisierung ihres Vorbringens und Aufschlüsselung aufzufordern und im Sinne der obigen Ausführungen seine Feststellungen zu ergänzen haben.

Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte