OGH 5Ob63/91

OGH5Ob63/9128.1.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger, Dr.Egermann, Dr.Schwarz und Dr.Floßmann als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Dr.Mohammad F*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Paul Appiano, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerinnen 1.) Christine B*****, Hausfrau, ***** 2.) Christine S*****, 3.) Ingeborg H*****, 4.) Eleonore P*****, 2.) bis 4.) wohnhaft in *****, und 5.) Katharina H*****, alle vertreten durch Dr.Martin Hahn, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen § 37 Abs 1 Z 1 und 8 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 31.Jänner 1991, GZ 48 R 726/89-16, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23.August 1989, GZ 41 Msch 49/88-12, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die rekursgerichtliche Entscheidung wird dahin abgeändert, daß der den Mietzinsermäßigungsantrag des Antragstellers abweisende erstgerichtliche Sachbeschluß wiederhergestellt wird.

Text

Begründung

Die Erst- bis Viertantragsgegnerinnen sind die Miteigentümerinnen der Liegenschaft in Wien *****. Die Fünftantragsgegnerin, mit welcher der Antragsteller den Mietvertrag vom 25.4.1979 über die Wohnung Nr. 4 in diesem Haus abschloß, behielt sich anläßlich der Schenkung des ihr gehörenden Viertelanteiles dieser Liegenschaft an die Erstantragsgegnerin das unentgeltliche Wohnrecht an der genannten Wohnung sowie das Fruchtgenußrecht an dem verschenkten Liegenschaftsanteil vor.

Der Antragsteller begehrt - nach vorausgegangenem Verfahren bei der Schlichtungsstelle - die Anerkennung seitens der Liegenschaftseigentümer als Hauptmieter dieser Wohnung (§ 2 Abs 3 MRG) und die Feststellung der Überschreitung des unter Berücksichtigung des § 44 Abs 2 MRG zu ermäßigenden zulässigen Hauptmietzinses insoweit, als der vereinbarte Mietzins ab 1.11.1987 S 2.058,75 übersteigt.

Das Erstgericht wies die Anträge des Antragstellers ab. Es stellte ua folgenden, noch entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Am 8.6.1972 schlossen Katharina H***** (5.Antragsgegnerin) und ihre Tochter Christine H***** (1.Antragsgegnerin) einen Schenkungsvertrag über ein Viertel der Liegenschaft ***** Wien, *****. Punkt 5. dieses Vertrages lautet:

Frau Katharina H***** wurde aufgrund des am 24.Jänner 1972 mit Frau Irene H*****, Pensionistin in ***** Wien, ***** abgeschlossenen Kaufvertrages über den vertragsgegenständlichen 1/4-Anteil der genannten Liegenschaft auch das Recht zur Benutzung der von der Verkäuferin bewohnten Wohnung Nr. 4 dieses Hauses nach deren Tod eingeräumt.

Die Geschenkgeberin, Frau Katharin H***** behielt sich für sich und ihren Gatten, Herrn Peter H*****, den Vater der Geschenknehmerin, nach erfolgter Räumung der genannten Wohnung durch Frau Irene H***** bzw deren Erben die Dienstbarkeit des unentgeltlichen Wohnungsrechts sowie des Fruchtgenußrechtes an dem vertragsgegenständlichen Liegenschaftsanteil auf Lebenszeit vor.

Diese Vereinbarung wird lediglich mit obligatorischer Wirkung geschlossen."

Mit diesem Schenkungsvertrag schenkte Katharina H***** ihrer Tochter den ihr gehörigen 1/4-Anteil dieser Liegenschaft.

Zum Zeitpunkt des Schenkungsvertrages war Christine B*****, damals noch H*****, 21 Jahre alt, studierte an der Wiener Universität und wohnte in einem Studentenheim; die Wohnung wurde damals noch von der 90-jährigen Irene H*****, einer Tante des Gatten der Katharina H*****, bewohnt. Das Haus ***** Wien, ***** war das Elternhaus des Peter H***** und stand in Familienbesitz. Die Übergabe des 1/4-Liegenschaftsanteiles der Katharina H***** an ihre Tochter stellte ein Geburtstaggeschenk zum 21. Geburtstag der Erstantragsgegnerin dar. Hauptzweck des im Schenkungsvertrag vereinbarten Fruchtgenußrechtes und Wohnungsrechtes an der Wohnung top Nr. 4 war, der 5.Antragsgegnerin, die zum Zwecke des Kaufes des Liegenschaftsanteiles eine Hypothek aufgenommen hatte, Einnahmen aus der Wohnung Nr. 4 bei einer Vermietung zu sichern. Bereits bei Abschluß des Schenkungsvertrages war der

5. Antragsgegnerin klar, daß Renovierungsarbeiten in der Wohnung nach dem Tod der früheren Miteigentümerin Irene H***** vorzunehmen wären. Zukünftige Einnahmen aus der Vermietung der Wohnung sollten auch dazu dienen, die Kosten dieser Renovierungsarbeiten abzudecken.

Nach dem Tod der Irene H***** und Freiwerden der Wohnung top Nr. 4 ließ die Antragsgegnerin Katharina H***** auf ihre Kosten umfangreiche Renovierungsarbeiten in der Wohnung durchführen, und zwar im Zeitraum 1976 bis 1977. So ließ die 5.Antragsgegnerin in der Wohnung eine Zentralheizung einbauen, eine neue Gasleitung und Wasserleitung installieren, wofür sie insgesamt den Betrag von S 72.924 bezahlte.

Zur Finanzierung der Renovierungsarbeiten mußte die

5. Antragsgegnerin einen Kredit aufnehmen. Um mit Mietzinseinnahmen die Kreditrückzahlungsraten abdecken zu können, wurde die Wohnung nach Beendigung der Renovierungsarbeiten vermietet. Weder die Fünfantragsgegnerin noch ihre Tochter haben die Wohnung zu Wohnzwecken benutzt.

Am 25.4.1979 wurde zwischen Käthe (= Katharina) H***** als Vermieterin und dem Antragsteller und dessen Gattin, die mittlerweile aus dem Mietverhältnis ausgeschieden ist, ein Mietvertrag über diese Wohnung geschlossen. Im schriftlichen Mietvertrag scheint Käthe H***** als Hauseigentümerin, vertreten durch ihre Tochter, Christine B*****, auf. Der Mietvertrag wurde für die Vermieter von Christine H*****-B***** unterzeichnet. Der Antragsteller mietete die Wohnung über Vermittlung eines Maklerbüros. Die Unterzeichnung des Mietvertrages fand im Büro des Maklers statt. Die Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Vermittlung der Wohnung wurden ausschließlich vom Vater der Erstantragsgnerin Peter H***** erledigt, die 5.Antragsgegnerin war damit überhaupt nicht befaßt. Peter H***** übersandte Christine B***** das bereits ausgefüllte Mietvertragsformular. Beim Termin der Vertragsunterzeichnung wude überhaupt nicht darüber debattiert, ob ein Untermietvertrag oder ein Hauptmietvertrag begründet würde, die Parteien setzten lediglich ihre Unterschriften auf das fertig ausgefüllte Formular. Bei Unterzeichnung des Mietvertrages gab Christine B***** dem Antragsteller ihre Kontonummer bekannt und erklärte, er müsse auf dieses Konto den Mietzins überweisen. Bei Vertragsabschluß wurde keine Vollmacht der Katharina H***** an ihre Tochter Christine B***** vorgelegt, Christine B***** erklärte bei Vertragsunterzeichnung dem Antragsteller, sie hätte das Recht als Vertreterin ihrer Mutter, die das Nutzungsrecht an der Wohnung hätte, den Mietvertrag zu unterzeichnen. Der Antragsteller bezahlte die Mietzinse immer auf das Konto der Christine B*****, das ihm bei Vertragsunterzeichnung bekanntgegeben worden war. Von diesen Mietzinseingängen behielt sich Christine B***** einen Betrag von ca. S 2.500 monatlich ein und überwies den restlichen Betrag auf das Konto ihrer Eltern Peter und Katharina H*****. Der Betrag von S 2.500 monatlich, den Christine B***** mit Zustimmung ihrer Mutter von den monatlichen Mietzinszahlungen des Antragstellers einbehielt, stellte einen Teil der Unterhaltsleistungen der Katharina H***** an ihre Tochter dar.

Das Mietverhältnis wurde befristet vom 1.Mai 1979 bis zum 30.4.1982 geschlossen, wenn keine Kündigung mittels 3-monatiger Kündigungsfrist jeweils zum Monatsultimo seitens des Mieters oder Vermieters erfolgte. Der vereinbarte Hauptmietzins betrug S 5.800 pro Monat, wertgesichert nach dem Verbraucherpreis-Index 1976 (Ausgangsbasis April 1979) mit einer 1 %-igen Schwellgrenze.

Zu 41 C 300/87a des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien brachte die Erstantragsgegnerin gegen den Antragsteller und seine Gattin eine Klage auf Räumung und Zahlung von S 13.122,60 ein. Die dort Beklagten wendeten mangelnde Aktivlegitimation ein, weil die Erstantragsgegnerin lediglich als Vertreterin den Mietvertrag abgeschlossen habe. Am 7.10.1987 vereinbarten die Parteien Ruhen des Verfahrens.

Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen folgendes aus:

Aus § 2 Abs 1 MRG ergebe sich, daß der zwischen der Fünftantragsgegnerin (= Fruchtgenußberechtigte an einem Viertelanteil der Liegenschaft und Wohnungsberechtigte der vermieteten Wohnung) und dem Antragsteller geschlossene Mietvertrag als Untermietverhältnis zu qualifizieren sei. § 2 Abs 3 MRG könne nur auf Umgehungsgeschäfte angewendet werden, die nach dem 31.12.1981 stattgefunden hätten. Die Voraussetzungen des vom Antragsteller gleichfalls behaupteten Scheingeschäftes (§ 916 ABGB) seien nicht erfüllt. Demgemäß sei der Antrag auf Anerkennung des Antragstellers als Hauptmieter abzuweisen. Als Untermieter sei er nicht legitimiert, die Feststellung des höchstzulässigen Hauptmietzinses bzw die Ermäßigung des Hauptmietzinses nach § 44 Abs 2 MRG zu begehren.

Das Rekursgericht bestätigte die Abweisung des auf Anerkennung als Hauptmieter gerichteten Begehrens, hob den erstgerichtlichen Sachbeschluß bezüglich der Abweisung des Begehrens auf Feststellung des höchstzulässigen Mietzinses ab 1.11.1987 auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach in beiden Fällen die Zulässigkeit eines Rechtsmittels an den Obersten Gerichtshof aus.

Das Rekursgericht erachtete die erstgerichtlichen Feststellungen zur Frage der Hauptmietereigenschaft des Antragstellers als unbedenklich und ausreichend; es führte rechtlich im wesentlichen folgendes aus:

Zutreffend habe das Erstgericht das Vorliegen eines Umgehungsgeschäftes nach § 2 Abs 3 MRG und das Vorliegen eines Scheingeschäftes im Sinne des § 916 ABGB verneint. Dies habe die Abweisung des im Verfahren Außerstreitsachen gestellten Antrages auf Anerkennung als Hauptmieter zur Folge, auch wenn aus anderen Gründen ein Hauptmietrecht des Antragstellers bestünde. Insofern sei daher die abweisende Entscheidung des Erstgerichtes zu bestätigen gewesen.

Im Rahmen des Verfahrens nach § 37 Abs 1 Z 8 MRG sei aber als Vorfrage zu prüfen, ob der Antragsteller Hauptmieter sei, und zwar unabhängig davon, ob sich diese Rechtsstellung aus § 2 Abs 3 MRG oder als Folge eines Scheingeschäftes nach § 916 ABGB ergäbe. Das Ermäßigungsbegehren nach § 44 Abs 2 MRG habe lediglich Hauptmietereigenschaft des Antragstellers zur Voraussetzung.

Diese Hauptmietereigenschaft sei aus folgenden Gründen zu bejahen:

Da der Mietvertrag zwischen dem Antragsteller und der Fünftantragsgegnerin, der Fruchtgenußberechtigten am Viertelanteil der Liegenschaft und Berechtigten aus der Dienstbarkeit des unentgeltlichen Wohnrechts an der genannten Wohnung, abgeschlossen wurde, käme dem Antragsteller nach der vor dem Mietrechtsgesetz (= zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages) geltenden Rechtslage die Stellung eines Hauptmieters zu (SZ 8/24, worauf in MietSlg 35.290/18 verwiesen wird). § 43 Abs 1 MRG ordne an, daß das erste Hauptstück, also auch § 2 Abs 1 MRG, auch auf Mietverträge anzuwenden sei, die vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geschlossen worden seien. Dies würde bei Anwendung der Definition von Haupt- und Untermiete nach § 2 Abs 1 und 2 MRG bedeuten, daß dem Antragsteller im Geltungsbereich des MRG nur noch die Position eines Untermieters zukäme und daß er daher gar nicht die im Mietrechtsgesetz den Hauptmietern zugestandenen Rechte in Anspruch nehmen könnte. Da aber nach den Gesetzesmaterialien die in § 2 MRG enthaltenen Definitionen dem bisherigen Recht und der hiezu ergangenen Judikatur entsprechen sollten, also nach der Absicht des Gesetzgebers die Rechtslage beibehalten werden solle, sei die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem Willen des Gesetzgebers und dem Gesetzestext durch berichtigende Auslegung zu beseitigen. Die Bestimmung des § 43 Abs 1 MRG müsse durch teleologische Reduktion dahin eingeschränkt werden, daß § 2 Abs 1 und 2 MRG auf Altverträge nicht Anwendung finde bzw die Aufzählung der Hauptmietfälle in § 2 Abs 1 MRG sowohl durch teleologische Reduktion einschränkbar als auch durch Analogie erweiterbar sein müsse, wenn es der Schutzzweck des Mietrechtsgesetzes erfordere. Wegen des auf der Hand liegenden Schutzzweckes sei daher von der Beibehaltung der Stellung des Antragstellers als Hauptmieter auch im Geltungsbereich des MRG auszugehen.

Ausgehend von einer anderen Rechtsansicht habe das Erstgericht nicht ausreichende Feststellungen getroffen, ob die von den Antragsgegnerinnen eingewendeten Ausnahmetatbestände des § 16 Abs 1 Z 3 bis 6 MRG gegeben seien und damit ein Ermäßigungsbegehren nach § 44 Abs 2 Z 1 MRG ausgeschlossen sei. Dies erfordere die Aufhebung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses, soweit er sich auf den Zinsüberprüfungsantrag bezieht, und die Rückverweisung der Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht.

Die Voraussetzungen für den Rekurs an den Obersten Gerichtshof seien gegeben, weil zur Frage der Auslegung der Bestimmungen des § 43 Abs 1 MRG iVm § 2 Abs 1 und 2 MRG keine gesicherte Judikatur des Obersten Gerichtshofes existiere.

Gegen die rekursgerichtliche Entscheidung wurde nur von den Antragsgegnerinnen Revisionsrekurs erhoben, und zwar nur insoweit, als der erstgerichtliche, das Zinsüberprüfungsbegehren betreffende Beschluß aufgehoben wurde. Die Antragsgegnerinnen begehrten,

a) den erstgerichtlichen Sachbeschluß diesbezüglich vollinhaltlich wiederherzustellen, oder

b) beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung des Art IV der MRG-Novelle 1985 (Ausschluß der Anwendbarkeit des § 16 Abs 1 Z 3a MRG auf vor dem 1.1.1982 geschlossene Verträge) und des § 44 MRG zu stellen.

Der Antragsteller begehrt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Durch das in Punkt 5. des Schenkungsvertrages zwischen der seinerzeitigen Vierteleigentümerin (= Fünftantragsgegnerin) einerseits und der Erstantragsgegnerin andererseits vereinbarte unentgeltliche Wohnrecht an der später dem Antragsteller vermieteten Wohnung und das darin vereinbarte Fruchtgenußrecht am seinerzeitigen Liegenschaftsanteil der Fünftantragsgegnerin erlangte diese, berücksichtigt man die weiteren Feststellungen betreffend den Zweck dieser Vereinbarung (Erzielung von Einnahmen durch die Fünftantragsgegnerin zur Abdeckung von Renovierungskosten) sowie den Umfang des Rechtes (Koziol-Welser, Grundriß II9 164 unter Hinweis insbesondere auf MietSlg 28.045 und SZ 60/86) und die Tatsache, daß die anderen Miteigentümerinnen (Zweit- bis Viertantragsgegnerinnen) im Verfahren nicht nur nicht erkennen ließen, daß die Einräumung eines solchen Rechtes gegen ihren Willen erfolgt wäre, sondern ausdrücklich vorbrachten, daß die Vermietung in Ausübung dieser Rechte - sie sprechen vom "Eigentum" der Fünftantragsgegnerin an der Wohnung - durch die Fünftantragsgegnerin erfolgte (ON 1), die Rechtsstellung wie eine Wohnungsfruchtnießerin; ein solches Recht kann auch an bloß einer Wohnung bestehen (MietSlg 22.039/17, 29.057 ua). Lehre und Rechtsprechung anerkennen die Gültigkeit von Vereinbarungen, mit denen Berechtigungen, die ihrem Inhalt nach sonst den Gegenstand von Dienstbarkeitsbestellungsverträgen an Liegenschaften bilden, denen im Bereich des Eintragungsgrundsatzes nach § 481 Abs 1 ABGB dingliche Wirkung erst durch die Eintragung in den öffentlichen Büchern zukommt, auch mit bloß obligatorischer Wirkung eingeräumt werden:

obligatorisches Fruchtgenußrecht (MietSlg 34.052 mwN).

Der hier zu beurteilende Bestandvertrag wurde vor Inkrafttreten des MRG abgeschlossen. Während der Geltung des Mietengesetzes kam ein Untermietvertrag - entsprechend der allgemein bürgerlichrechtlichen Regelung - (nur) zwischen einem Hauptmieter und einem Dritten zustande (Klang in Klang2 V/56), wogegen insbesondere ein zwischen einem - wenn auch bloß obligatorischen (MietSlg 31.160) - Fruchtnießer und einem Dritten abgeschlossener Bestandvertrag ein Hauptmietverhältnis begründete (s zur früheren Rechtslage Fenyves in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 278; Petrasch in Rummel2, ABGB, § 521 Rz 5 vertritt diese Meinung auch nach Inkrafttreten des MRG und daher auch für dessen Geltungsbereich). Aus dem Gesagten folgt, daß der Bestandvertrag des Antragstellers nicht mit den Liegenschaftseigentümerinnen, sondern mit der Fruchtnießerin an der von dieser vermieteten Wohnung besteht. Erst nach Beendigung des Fruchtgenusses werden die Liegenschaftseigentümerinnen in den von der Fruchtnießerin abgeschlossenen Bestandvertrag eintreten (MietSlg 8.683, 30.235 ua; SZ 57/155).

An der Rechtsnatur des zwischen dem Antragsteller und der Fruchtnießerin abgeschlossenen Hauptmietvertrages änderte sich auch durch das Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes nicht. § 43 Abs 1 MRG normiert zwar, daß die Bestimmungen des ersten Hauptstückes dieses Gesetzes - soweit im zweiten Hauptstück nichts anderes bestimmt wird - auch für Mietverträge gelten, die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossen worden sind. Dies bedeutet aber nicht eine ausdrückliche Rückwirkungsanordnung in dem Sinn, daß vor Inkrafttreten des MRG endgültig und abschließend verwirklichte Sachverhalte nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu beurteilen seien

(MietSlg XXXVIII/5, XXXIX/19). Es wird also keineswegs fingiert, daß das MRG schon mit Eingehung des Mietverhältnisses gegolten hätte und lediglich die sich daraus ergebenden Rechtswirkungen erst ab 1.1.1982 eintreten (Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 § 43 MRG Rz 1). Durch den Abschluß des Bestandvertrages zwischen dem Antragsteller und der Fruchtnießerin kam seinerzeit endgültig ein bestimmter Vertragstyp, nämlich ein Hauptmietvertrag zustande. Es bleibt daher trotz der Übergangsvorschrift des § 43 Abs 1 MRG beim Vorliegen eines Hauptmietvertrages. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob im Falle des Abschlusses dieses Vertrages erst nach dem 1.1.1982 auf Grund der in § 2 Abs 1 und 2 MRG enthaltenen Definitionen eines Haupt- bzw Untermietvertrages dieses Vertragsverhältnis auch als Hauptmietvertrag zu qualifizieren wäre.

Der bei der Schlichtungsstelle gestellte Antrag auf Feststellung der Berechtigung des Mietzinsermäßigungsbegehrens nach § 44 Abs 2 und 3 MRG wurde vom Antragsteller gegen die Liegenschaftseigentümerinnen gerichtet, von denen er mit demselben Schriftsatz die Anerkennung als Hauptmieter nach § 2 Abs 3 MRG begehrte. Dieser Antrag kann im Verfahren bei Gericht nicht mehr geändert werden, und zwar auch nicht in der Weise, daß statt der für das Mietzinsermäßigungsbegehren passiv nicht legitimierten Liegenschaftseigentümerinnen nun der wirkliche Vertragspartner des Antragstellers, die Fruchtnießerin an der vermieteten Wohnung, als Partei eintritt. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sie im Verfahren nach § 2 Abs 3 MRG vom Gericht von Amts wegen als "Untervermieterin" als fünfte Antragsgegnerin beigezogen wurde. Ansprüche nach § 44 Abs 2 und 3 MRG gehören zu den in § 37 Abs 1 Z 8 MRG ins Außerstreitverfahren verwiesenen Angelegenheiten. Dabei handelt es sich um ein Zweiparteienverfahren (Würth in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 519 f), bei dem eine amtswegige Beiziehung nicht in Frage kommt, sondern die unberechtigte Inanspruchnahme einer Person als Antragsgegner - wie im Zivilprozeß (Würth aaO 517) - zur Abweisung des Antrages führt. Dem steht der in der Entscheidung MietSlg 37.511 ausgesprochene Grundsatz, daß im Verfahren nach § 2 Abs 3 MRG der Untervermieter, dem Parteistellung zukommt, trotz Unterbleibens seiner Beiziehung im Schlichtungsstellenverfahren noch im gerichtlichen Verfahren beigezogen werden kann, nicht entgegen. Dort wurde nämlich ausdrücklich auf das Vorliegen eines Mehrparteienverfahrens (Würth in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 518 f) abgestellt.

Der Entscheidung MietSlg 38.538 lag ein Antrag auf Überprüfung einer Hauptmietzinsabrechnung zugrunde, wobei als Antragsgegner der verwaltende Mehrheitseigentümer und ein angeblicher Minderheitseigentümer in Anspruch genommen wurden. In diesem Fall erachtete der Oberste Gerichtshof es als zulässig, daß der wirkliche Minderheitseigentümer erst im gerichtlichen Verfahren beigezogen wurde. Er sprach dabei aus, die Ansicht, daß der Mangel, eine unrichtige Partei beizuziehen, schon im Verfahren vor der Schlichtungsstelle vorlag und daher im gerichtlichen Verfahren nicht zu sanieren sei, treffe nicht zu. Soweit aus diesem Satz die Rechtsansicht herausgelesen werden könnte, daß auch in dem dem Zivilprozeß angenäherten Zweiparteienverfahren, wie es bei einem Mietzinsüberprüfungsverfahren der Fall ist, noch im gerichtlichen Verfahren die Antragsgegner beliebig ausgetauscht werden könnten, wird sie nicht aufrechterhalten.

Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und der erstgerichtliche Sachbeschluß in seinem das Mietzinsermäßigungsbegehren abweisenden Teil wiederherzustellen. Dieses Begehren bezog sich nur auf die 1.-4.Antragsgegnerinnen und wurde daher vom Erstgericht auch nur bezüglich dieser abgewiesen. Dabei hat es zu bleiben, weil die Fünftantragsgegnerin nur dem Verfahren nach § 2 Abs 3 MRG als "Untervermieterin" - entsprechend der Behauptung des Antragstellers bei Gericht - beigezogen worden war.

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