OGH 7Ob612/91

OGH7Ob612/9112.12.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Jelena S*****, vertreten durch Dr. Romana Zeh, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ladislav S*****, vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert 99.360 S), infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Juni 1991, GZ 43 R 2049/91-16, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 5. März 1991, GZ 9 C 115/90-10, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Rekursen wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurskosten bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die im Jahr 1971 vor dem Standesamt Kotoriba in Jugoslawien (Kroatien) geschlossene Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25. Jänner 1989, AZ 9 C 544/87-24, gemäß § 49 EheG aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden. Das Scheidungsgericht begründete die Anwendung österreichischen Rechts damit, daß die Klägerin Staatsbürgerin der Teilrepublik Bosnien und der Beklagte Staatsbürger der Teilrepublik Kroatien sei, und sohin verschiedene Staatsbürgerschaften vorlägen. Im Zuge des Scheidungsverfahrens wurde der Klägerin mit einstweiliger Verfügung vom 30. Jänner 1988 ein Provisorialunterhalt von monatlich S 750 zuerkannt. Das Scheidungsurteil erwuchs im März 1989 in Rechtskraft. Mit der am 17. September 1990 überreichten Klage begehrt die Klägerin die Verpflichtung des Beklagten zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 2.760 ab 1. September 1990. Sie verdiene gegenwärtig monatlich S 5.000, sie sei aus gesundheitlichen Gründen nur mehr in der Lage, einer Halbtagsbeschäftigung nachzugehen.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und wendete ein, die Klägerin sei voll arbeitsfähig, ginge sie einer zumutbaren Erwerbstätigkeit nach, sei ein Unterhaltsanspruch der Höhe nach nicht gegeben. Beide Streitteile gingen im Vorverfahren davon aus, daß österreichisches Unterhaltsrecht anzuwenden ist.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte fest, daß die Klägerin (seit 1. September 1990) wöchentlich 25 Stunden als Raumpflegerin beschäftigt ist und dadurch ein monatliches Einkommen von S 5.660 14mal jährlich erzielt. Obwohl ihr ihr Dienstgeber eine Beschäftigung über 40 Stunden wöchentlich einräumen würde, ist sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Beschwerden dazu nicht in der Lage. Der Beklagte verdient als Fleischhauer monatlich rund S 14.200 14mal jährlich. Ihn treffen keine weiteren Sorgepflichten.

Rechtlich folgerte das Erstgericht, daß der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen die Erzielung eines höheren Einkommens nicht zumutbar sei, weshalb der Beklagte aufgrund seiner Einkommensverhältnisse zur Bezahlung des begehrten Unterhaltsbetrages zu verpflichten gewesen sei.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung mit dem angefochtenen Beschluß auf und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Es ging aufgrund von Erörterungen in der Berufungsverhandlung davon aus, daß sich die Streitteile seit 20 Jahren in Österreich aufhalten, (früher?) aber jedes Wochenende in Kroatien bei den Eltern des Beklagten (diese sind jedoch vor 6 oder 7 Jahren verstorben) verbrachten. Die Kinder besuchten die Schule in Wien.

Rechtlich folgerte das Berufungsgericht, daß von Amts wegen die Frage des auf den geltend gemachten Unterhaltsanspruch anzuwendenden Rechtes aufzugreifen gewesen sei, weil beide Streitteile jugoslawische Staatsbürger seien. Obwohl in diesem Land keine einheitliche Unterhaltsrechtsordnung bestehe und die Streitteile verschiedenen Teilrepubliken mit unterschiedlichen Unterhaltsgesetzgebungen angehörten, erlaube dies noch nicht die Anwendung österreichischen Rechts. Eine Rechtswahl nach § 11 IPRG scheide aus. Art 18 des interlokalen jugoslawischen Privatrechtsgesetzes sei für den geltend gemachten Unterhaltsanspruch das Recht des Staates maßgebend, in dem die Ehe geschlossen worden sei, sohin kroatisches Recht. Der Umstand, daß die Ehe der Streitteile nach österreichischem Recht geschieden worden sei, ändere daran nichts. Nach kroatischem Recht stehe dem geschiedenen Ehegatten aber nur ausnahmsweise dann ein Unterhaltsanspruch zu, wenn dieser innerhalb der Ausschlußfrist von einem Jahr nach der Scheidung geltend gemacht worden sei. Mit dieser Bestimmung solle dem Unterhaltspflichtigen kein ernstliches Hindernis bei der Planung seiner Zukunft insbesondere bei der Gründung einer neuen Familie in den Weg gelegt werden. Dennoch sei im vorliegenden Fall nicht von einem Anspruchsverlust auszugehen, weil die Klägerin eine eingeschränkte Erwerbsfähigkeit behaupte. Nach den Lohnauskünften habe die Klägerin während ihrer Scheidung und danach, nicht aber mehr bei Klagseinbringung mehr als früher gearbeitet. Sollte sich ihre Behauptung, daß sie dies auf Kosten ihrer Gesundheit getan habe, bzw., daß sie aus gesundheitlichen Gründen dazu jetzt nicht mehr in der Lage sei, als richtig herausstellen, so hätte sie vor September 1990 gar keine Möglichkeit gehabt, einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Beklagten durchzusetzen. Bei Gegenüberstellung der Motive des kroatischen Rechts für die Verwirkung eines Unterhaltsanspruches bei dessen Nichtgeltendmachung innerhalb eines Jahres nach der Scheidung und der Situation einer Unterhaltsberechtigten, die (zunächst) auf Kosten ihrer Gesundheit versuche, sich selbst zu erhalten, überwiege das Interesse der Unterhaltsberechtigten, weil der Unterhaltsverlust nicht als fundamentale Bestimmung des jugoslawischen Rechts anzusehen sei, wie sich dies auch aus den unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Teilrepubliken widerspiegle. Dazu komme, daß die Streitteile eine überaus nahe Beziehung zum österreichischen Recht hätten, das einen Unterhaltsverlust durch Verfristung nicht kenne. Letztlich komme hinzu, daß sich der Beklagte überhaupt nicht auf den Unterhaltsverlust der Klägerin nach kroatischem Recht durch Fristversäumnis berufen habe. Das Erstgericht werde im fortgesetzten Verfahren durch Einholung des vom Beklagten beantragten medizinischen Gutachtens zu klären haben, ob die Klägerin bis September 1990 tatsächlich auf Kosten ihrer Gesundheit erwerbstätig gewesen sei und ob sie ab diesem Zeitpunkt nur mehr einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen könne. Ob ein solcher Ausnahmsfalle vorliege, müsse noch geklärt werden.

Die gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurse der Streitteile sind im Ergebnis nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Grundsätzlich zutreffend ist die Rechtsansicht des

Berufungsgerichtes, daß bei (noch) gemeinsamer ausländischer

Staatsangehörigkeit der geltend gemachte Unterhaltsanspruch gemäß

§ 1 iVm §§ 20 und 18 IPRG nach dem Scheidungsstatut zu beurteilen

wäre, wobei nicht auf die bei der Entscheidung über das

Scheidungsbegehren tatsächlich angewendete Rechtsordnung

abzusteleln wäre (vgl. ZfRV 1987, 151 = SZ 59/124

= EvBl. 1987/99).

Die Erwägungen des Berufungsgerichtes über die zufolge Art. 18 des interlokalen jugoslawischen Privatrechtsgesetzes vorgesehene Anwendbarkeit des Unterhaltsrechtes der Teilrepublik Kroatien auf das vorliegende Unterhaltsbegehren und die dagegen von der Klägerin ins Treffen geführte gerichtsbekannte Tatsache, daß sich dieser Teilstaat bereits vom jugoslawischen Staatsverband losgesagt hat und die Streitteile Staatsbürger verschiedener Staaten wären, kommen aus folgenden Gründen nicht zum Tragen: Der Beklagte hat weder gegen das wider ihn ergangene Scheidungsurteil, in dem ausdrücklich die Beurteilung nach österreichischem Recht erfolgte, noch gegen die Auferlegung einer Unterhaltsleistung während des Scheidungsverfahrens aufgrund österreichischer Rechtsnormen im Rahmen einer einstweiligen Verfügung irgendwelche Einwände erhoben. Er wendete im vorliegenden Verfahren in Bestreitung der Klagsbehauptungen im Schriftsatz vom 17. Oktober 1990 ein: "Richtig ist, daß die Ehe der Streitteile mit Urteil vom 25.1.1989 ..... rechtskräftig geschieden wurde, im Urteilsspruch heißt es, daß das Verschulden den Beklagten trifft. Daraus folgt, daß grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch der klagenden Partei nach § 66 EheG gegeben ist. Danach hat der allein oder überwiegend schuldig geschiedene Ehegatte dem anderen den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu leisten; dies allerdings aber nur dann, wenn der Berechtigte diesen angemessenen Unterhalt aus den Erträgnissen seines Vermögens oder einer Erwerbstätigkeit, die von ihm nach den Umständen erwartet werden kann, nicht zu bestreiten vermag. Nach dieser Bestimmung ergibt sich aber schon der erste Einwand, wonach der begehrte monatliche Unterhaltsbetrag nicht zusteht ........" (vgl. AS 6). Der Beklagte hat sich weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Berufungsverfahren gegen die Anwendung österreichischen Rechtes gewandt, obwohl das Erstgericht die Klagsstattgebung ausdrücklich mit Erfüllung der Voraussetzungen nach § 66 EheG begründet hat, und obwohl der Klagsanspruch eindeutig erkennbar aus dem österreichischen Recht abgeleitet wurde. Er bezog sich erstmals in seinem vorliegenden Rekurs auf die Anwendung kroatischen Rechts und die sich daraus ergebende Verfristung des Unterhaltsbegehrens der Klägerin. Ob das Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren nicht ohnedies dahin zu werten wäre, daß er damit schlüssig zum Ausdruck brachte, daß er mit der von der Klägerin angestrebten Regelung der Scheidungsfolgen nach österreichischem Recht einverstanden wäre, muß nicht erörtert werden, weil sein Vorbringen im Schriftsatz vom 17. Oktober 1990 als Zugeständnis der von der Klägerin in der Klage eindeutig vorgenommenen Rechtswahl gemäß § 266 ZPO zu werten ist. Nach § 11 Abs 2 IPRG kommt zwar einer Rechtswahl während eines anhängigen Verfahrens nur dann Bedeutung zu, wenn sie ausdrücklich erfolgt, doch sieht das Gesetz für die Rechtswahl keine besondere Form vor. Nach der Lehre und Rechtsprechung (vgl. Schwind, Internationales Privatrecht LB Rz 128 und 434 sowie Schwimann im Grundriß des internationalen Privatrechtes, 65 f, derselbe in Rummel, ABGB zu § 11 IPRG, Rz 7 sowie EvBl. 1987/2 = ZfRV 1988, 215 mit Anmerkung von Hoyer) handelt es sich bei einer Rechtswahl materiellrechtlich um einen Vertrag, dessen Zustandekommen nach den §§ 861 ff, 914 und 870 ff ABGB zu beurteilen ist. Nach der Rechtsprechung (vgl. JBl. 1979, 369; SZ 42/103 sowie 1 Ob 660/79) ist eine Außerstreitstellung, aus der sich ergibt, daß die Parteien die Anwendung österreichischen Rechtes vereinbaren, für eine Rechtswahl nach § 11 Abs. 2 IPRG ausreichend. Dem Zweifel Schwimanns im Grundriß des internationalen Privatrechtes S. 70 ist nicht beizupflichten.

Schwimann selbst vermag nicht zu umschreiben, wie eine im

österreichischen Verfahrensrecht gar nicht vorgesehene "ganz

ausdrückliche Außerstreitstellung" beschaffen sein müßte; die

Rechtswirksamkeit der ausdrücklichen Rechtswahl während des

laufenden Verfahrens von der Anwendung der Worte "..... es wird

ganz ausdrücklich außer Streit gestellt, daß auf den vorliegenden

Rechtsfall das ....... Recht zur Anwendung zu kommen hat" oder

gleichlautender Worte abhängig zu machen, kann dem Wortlaut des Gesetzes nicht entnommen werden. Unter einer schlüssigen Rechtswahl im Sinne des § 11 Abs. 1 IPRG wird eine Vorgangsweise der Parteien verstanden, die ihr gesamtes Verhalten auf eine Rechtsordnung abgestimmt haben, ohne diese jedoch ausdrücklich als anzuwendendes Recht zu vereinbaren. Zweck der Bestimmung des § 11 Abs. 2 IPRG kann wohl nur sein, daß in einem laufenden Verfahren nicht nur aus dem Verhalten der Parteien Schlüsse gezogen werden, sondern daß allein ihre Prozeßerklärungen maßgeblich sind. Das gerichtliche Zugeständnis ist die einseitige, vor Gericht oder in einem vorbereitenden Schriftsatz abgegebene Erklärung einer Partei, daß eine tatsächliche Behauptung des Gegners zutrifft. Das gerichtliche Geständnis ist eine Prozeßhandlung, und zwar eine Bewirkungshandlung, mit der die Partei ihr Wissen über Tatsachen mitteilt (Wissenserklärung). Wenn sie dabei im Regelfall auch ihren Willen bekanntgibt, die Behauptung des Gegners nicht zu bestreiten (insoweit ist es auch eine Wollenserklärung), ist die Wirkung des Geständnisses jedoch davon unabhängig, ob die gestehende Partei will oder überhaupt weiß, daß ihr Geständnis das Gericht an die zugestandenen Tatsachen bindet. Für die Wirksamkeitsvoraussetzungen sowie für die Auslegung des Geständnisses gelten die allgemeinen Regeln für Prozeßhandlungen der Parteien (vgl. Fasching LB2 Rz 839). Beurteilt man eine Rechtswahl im Sinne des § 11 Abs 2 IPRG als Ausdruck eines Vertragswillens, so kann dies sehr wohl im Rahmen des § 266 ZPO Gegenstand eines prozessualen Zugeständnisses sein. Die Prozeßerklärung, daß grundsätzlich ein Unterhaltsanspruch nach § 66 EheG gegeben ist, obwohl ein solcher nach ausländischem Recht nicht bestünde oder zumindest zweifelhaft ist, kann aber, da sie eindeutig die Anwendung der von der Klägerin begehrten Behandlung ihres Begehrens nach österreichischem Recht zugesteht, nur als ausdrückliche Rechtswahl im Sinne des § 11 Abs. 2 IPRG verstanden werden.

Sieht man davon ab, daß eine Rechtswahl, weil sie inhaltlich einer vertraglichen Vereinbarung entspricht, nur sehr beschränkten Anfechtungsmöglichkeiten unterliegt und auch nach einem Widerruf eines Zugeständnisses nach § 266 ZPO es weiterhin der freien Beweiswürdigung des Gerichtes überlassen bleibt, ob eine ursprünglich zugestandene Tatsache nicht doch als rechtswirksame Vereinbarung qualifiziert und letztlich ein Geständnis nach § 266 ZPO nur bis zum Schluß des Verfahrens erster Instanz wirksam widerrufen werden kann, kommt den Ausführungen der beklagten Partei in ihrem Rekurs bzw. ihrer Rekursbeantwortung keine Bedeutung zu.

Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erweist sich jedoch im Ergebnis als berechtigt. Das Berufungsgericht hat für die Lösung der Tatfrage eine medizinische Begutachtung des Gesundheitszustandes der Klägerin für erforderlich erachtet. Diesem, der Beurteilung der Tatfrage zuzuordnenden Umstand, kann der Oberste Gerichtshof nicht entgegentreten.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte