OGH 10ObS365/90

OGH10ObS365/9012.11.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Robert Renner und Dr. Herbert Vesely (beide Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Alois H*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern (Landesstelle NÖ/Wien), 1031 Wien, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr. Herbert Macher, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Erwerbsunfähigkeit (§ 124a BSVG) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1.August 1990, GZ 31 Rs 123/90-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 9.März 1990, GZ 32 Cgs 32/89-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Bescheid vom 6.2.1989 stellte die beklagte Partei auf Grund des Antrages des Klägers vom 14.11.1988 nach § 124a BSVG fest, daß er nicht erwerbsunfähig iS des § 124 leg cit sei, weil er noch mittelschwere, gelegentlich auch schwere Arbeiten ohne zusätzliche Arbeitspausen verrichten könne.

Mit der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage begehrte der Kläger mit der Behauptung, er könne wegen seines Gesundheitszustandes keiner geregelten Erwerbstätigkeit mehr nachgehen, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, seine Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 124 BSVG ab Antragstellung anzuerkennen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und bestritt die dauernde Erwerbsunfähigkeit des Klägers, der einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von 796.000 S führe.

Das Erstgericht wies das (von ihm umformulierte) Klagebegehren, es werde festgestellt, daß der Kläger erwerbsunfähig gemäß § 124 Abs 2 BSVG sei, ab.

Es ging dabei im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Dem am 14.9.1933 geborenen Kläger, der Linkshänder ist, fehlen der 2. und 3.Finger der rechten Hand teilweise, der 4.Finger rechts gänzlich. Am Mittel- und Endglied des 5.Fingers dieser Hand und an den Gelenken der Langfinger der linken Hand bestehen Beugekontrakturen, wobei die letztgenannten nur gering und funktionell bedeutungslos sind. Die Verletzungen der rechten Hand, die der Kläger zu Hilfsgriffen verwenden kann, werden von ihm gut ausgeglichen. Er leidet an einer hochgradigen, chronischen Insuffizienz des Lumbalabschnittes der Wirbelsäule und einer mäßigen, auf Abnützung beruhenden Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenkes. Wegen dieser Leiden und der damit verbundenen Beschwerden kann er leichte, bis zu drei Stunden täglich auch mittelschwere Arbeiten verrichten. Nach einer Stunde mittelschwerer Arbeit muß er hinsichtlich solcher Arbeiten eine Stunde pausieren, kann jedoch während dieser Zeit leichte Arbeiten verrichten. Wegen der Hüftbeschwerden kann er nur bis zu vier Stunden täglich im Gehen und Stehen arbeiten, muß jedoch nach einer (ununterbrochenen) einstündigen Tätigkeit (in diesen Arbeitshaltungen) mindestens eine halbe Stunde im Sitzen arbeiten. In ständig gebückter oder hockender Haltung sowie in Nässe und Kälte kann er nicht arbeiten. Auch Traktorfahren ist ihm nicht zumutbar.

Der Kläger und seine Ehegattin sind je zur Hälfte Miteigentümer eines von ihm bewirtschafteten landwirtschaftlichen Betriebes mit einem Einheitswert von 796.000 S. Von der 66 ha großen landwirtschaftlichen Fläche sind 48 ha Ackerland, 9 ha Wiesen und 9 ha Wald. Auf dem Ackerland werden Mahlweizen, Zuckerrüben, Erbsen, Gerste, Silomais und Körnermais angebaut. Der Vierkanthof umfaßt das Wohnhaus, einen Mastrinderstall, einen Zucht- und einen Mastschweinestall, die notwendigen Berge- und Lagerräume und eine Maschinenhalle. Die maschinelle Ausstattung besteht aus drei Traktoren, einem Mähdrescher, einer Rübenvollerntemaschine, zwei Sämaschinen, einer Feldspritze, einem Düngerstreuer, sieben Kippanhängern, einer Rundballenpresse, einer Saatbeetkombination, den notwendigen Erdbearbeitungsmaschinen (Pflügen, Eggen, Walzen) und Heuerntegeräten.

Der Kläger hielt bis Sommer 1989 Mastrinder, Zuchtsauen und Mastschweine und verkaufte jährlich 68 Mastrinder und 220 Mastschweine. Für die Bewirtschaftung waren jährlich etwa

3.900 Arbeitsstunden erforderlich. Da eine Arbeitskraft jährlich etwa 1.500 Arbeitsstunden leistet, waren für die Betriebsführung 2,2 (rechnerisch richtig 2,6) Arbeitskräfte nötig. Die Arbeitskraft der Ehegattin, die auch den Haushalt betreuen muß, wegen eines Nierenleidens im landwirtschaftlichen Betrieb nur beschränkt einsatzfähig ist und insbesondere aus gesundheitlichen Gründen und mangels entsprechender Erfahrung keine Arbeiten mit dem Traktor verrichten kann, und des gesundheitlich schwer "angeschlagenen" Klägers sind zusammen nur mit 0,6 einer Vollarbeitskraft einzustufen, so daß 1,6 (2 ?) Fremdarbeitskräfte erforderlich waren. Bis zum Frühsommer (1989) wurden die Arbeiten im landwirtschaftlichen Betrieb vom Kläger, seiner Ehegattin und seinem älteren Sohn verrichtet. Der Kläger hatte Grundstücke gekauft, hohe bauliche und maschinelle Investitionen durchgeführt und sich dadurch hoch verschuldet. Die Grundkäufe waren unwirtschaftlich, und er erlitt durch die Bewirtschaftung pro ha und Jahr einen Verlust von 30.000 bis 35.000 S. (Das wären im Jahresdurchschnitt 2,145.000 S Verlust?). Das landwirtschaftliche Einkommen betrug infolge der hohen jährlichen Schuldzinsen von 630.000 S bei einem Gesamtdeckungsbetrag von 930.000 S nur rund 100.000 S und erlaubte, weil es kaum den Bedarf des Klägers und seiner Ehegattin deckte, nicht die Beschäftigung von Fremdarbeitskräften. Da der ältere Sohn für die hauptberufliche Mitarbeit im väterlichen Betrieb nur sehr wenig Entgelt bekam, nahm er eine Stellung als Kraftfahrer an und hilft im landwirtschaftlichen Betrieb nicht mehr mit.

Würde der Kläger einen Teil der landwirtschaftlichen Fläche verkaufen, die Schulden tilgen und die Betriebsorganisation durch Aufgabe der Rinderhaltung verändern, würde sich der jährliche Arbeitsaufwand auf 1.800 Stunden verringern und könnte mit 1,2 bis 1,3 (?) Arbeitskräften bewältigt werden. Unter Berücksichtigung der restlichen Arbeitskraft des Klägers und seiner Ehegattin müßten daher nur 0,6 Fremdarbeitskräfte eingesetzt werden. Weil sich das landwirtschaftliche Jahreseinkommen nach dieser Umstellung auf rund 390.000 S erhöhen würde, könnte die vom Kläger und seiner Ehegattin nicht zu bewältigende Arbeitsleistung durch teilzeitbeschäftigte Fremdarbeitskräfte, und zwar durch den zweiten Sohn, der in der unmittelbaren Nähe einen landwirtschaftlichen Betrieb führt und dem Kläger seit dem Sommer 1989 auch bei der Arbeit hilft, sowie durch den Maschinenring gegen kollektivvertragliches Entgelt geleistet werden. Der Kläger hat allerdings keine fixe Zusage, daß ihm der jüngere Sohn weiterhin bei der Bewirtschaftung helfen werde. Eine ständig beschäftigte fremde Vollarbeitskraft könnte der Kläger nicht bezahlen, weil der Ertrag seines Betriebs auch nach der Umstellung dafür nicht ausreichen würde.

Mittlerweile hat der Kläger den gesamten Rinderbestand verkauft, den Schweinebestand auf 10 Zuchtsauen und 150 Mastschweine jährlich verringert, seine Schulden zum Teil gezahlt und dadurch die wirtschaftliche Lage seines Betriebes verbessert. Zu einem Grundverkauf zwecks gänzlicher Schuldenfreimachung des Betriebes konnte er sich jedoch bisher noch nicht entschließen.

Einen anderen Betrieb kann der Kläger nicht führen, weil ihm für die Führung eines Kleinbetriebes die körperliche Leistungsfähigkeit, für die Führung eines Großbetriebes, in dem er keine körperliche Arbeit leisten muß, die nötigen Kenntnisse fehlen.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes könnte der Betrieb des Klägers nach entsprechender Einschränkung und Umorganisation trotz der verminderten Leistungsfähigkeit des Klägers und seiner durch ihr Miteigentum und die eheliche Beistandspflicht zur Mitarbeit verpflichteten Ehegattin mit kollektivvertraglich entlohnten Teilzeitarbeitskräften rentabel weitergeführt werden. Wenn solche auch im allgemeinen nicht verfügbar seien, stünden sie im konkreten Fall in Form des Maschinenringes und des jüngeren Sohnes zur Verfügung. Daß sich dieser nicht verpflichtet habe, seinem Vater weiterhin bei der Bewirtschaftung zu helfen, spiele keine Rolle. Weil er im Sommer 1989 geholfen habe und wegen seiner familiären Bindung sei anzunehmen, daß er gegen Zahlung des kollektivvertraglichen Entgeltes weiterhin helfen werde. Es sei auch zu berücksichtigen, daß die Grundkäufe des Klägers unwirtschaftlich und unzweckmäßig gewesen seien. Die dadurch bewirkte hohe Verschuldung schmälere den Ertrag und verhindere die Einstellung von Fremdarbeitskräften, die jene Arbeiten verrichten könnten, die dem Kläger und seiner Ehegattin nicht mehr möglich seien. Verhinderten jedoch die Rückzahlung fremden Kapitals und der Zinsendienst das Erzielen ausreichender Gewinne und damit auch die Einstellung fremder Arbeitskräfte, die teilweise von der persönlichen Mitarbeit befreien könnten, so rechtfertige dies nicht die Gewährung einer Erwerbsunfähigkeitspension. Sonst wäre ein unwirtschaftlicher Betriebsführer besser gestellt als ein wirtschaftlicher. Deshalb sei der Kläger nicht erwerbsunfähig iS des § 124 Abs 2 BSVG. Weil er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zB noch als Portier arbeiten könnte, sei er auch nicht erwerbsunfähig iS des Abs 1 der zit Gesetzesstelle.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und stellte fest, daß der Kläger erwerbsunfähig gemäß § 124 Abs 2 BSVG sei. Der erstgerichtlichen Vermutung, daß der Sohn des Klägers im väterlichen Betrieb weiterhin als Teilzeitarbeitskraft tätig sein werde, komme keine rechtliche Bedeutung zu, weil weder "die Klägerin" (richtig der Kläger) noch die beklagte Partei einen Rechtsanspruch darauf hätten, daß der Sohn im väterlichen Betrieb Arbeiten zu Bedingungen leiste, die sonst auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zu erreichen seien. Eine allfällige künftige Mitarbeit des Sohnes habe daher außer Betracht zu bleiben. Bei den Ausführungen über die durch die Grundkäufe bewirkte hohe Verschuldung habe das Erstgericht übersehen, daß es bei dem der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegten Betriebsmodell nicht vom Istzustand, sondern schon von der vom Sachverständigen aufgestellten Arbeitshypothese einer geänderten Betriebsorganisation (Aufgabe der Rinderhaltung, Schuldentilgung durch Verkauf landwirtschaftlicher Flächen) ausgegangen sei.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil durch Abweisung der Klage abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Der Kläger beantragt, der "Berufung" (richtig Revision) nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 3 ASGG auch bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs 1 leg cit zulässig.

Nach § 182 Z 4 BSVG gilt als Leistungssache iS des § 354 ASVG (Sozialrechtssache iS des § 65 Z 4 ASGG) auch die Feststellung von Versicherungszeiten der Pensionsversicherung (§ 108a BSVG), die Feststellung der Erwerbsunfähigkeit (§ 124a BSVG) außerhalb des Leistungsfeststellungsverfahrens auf Antrag des Versicherten.... Nach § 108a BSVG ist der Versicherte berechtigt, frühestens zwei Jahre vor Vollendung eines für eine Leistung aus einem Versicherungsfall des Alters maßgebenden Lebensalters beim Versicherungsträger einen Antrag auf Feststellung der Versicherungszeiten zu stellen. Nach § 124a BSVG ist der Versicherte berechtigt, vor Stellung eines Antrages auf die Pension einen Antrag auf Feststellung der Erwerbsunfähigkeit zu stellen, über den der Versicherungsträger in einem gesonderten Verfahren (§ 182 Z 4) zu entscheiden hat. Im erstgenannten Verfahren werden die Versicherungszeiten für das spätere Verfahren zur Feststellung eines Pensionsanspruches, also einer wiederkehrenden Leistung, bindend festgestellt. Der erkennende Senat hat in seiner E SSV-NF 1/18 = JBl 1988, 130 unter Berufung auf Fasching in Tomandl, SV-System 3.ErgLfg 728/29 ausgeführt, daß es eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung wäre, ein solches Feststellungsverfahren für die Zulässigkeit der Revision anders zu behandeln als ein Verfahren über den Pensionsanspruch. (Fasching beruft sich seinerseits auf diese E in Tomandl, SV-System 4.ErgLfg 728/30 FN 5 und in seinem ZPR2 Rz 2281.) Diese Ausführungen gelten auch für ein Verfahren nach § 124a BSVG, in dem die dauernde Erwerbsunfähigkeit als besondere Voraussetzung des Anspruches auf die wiederkehrende Leistung der Erwerbsunfähigkeitspension bindend festgestellt wird (ähnlich auch SSV-NF 2/143 für ein Verfahren auf Feststellung, daß eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit ist).

Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß der Kläger nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 124 Abs 1 BSVG ist. Zu prüfen ist daher, ob Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 124 Abs 2 BSVG vorliegt. Danach gilt als erwerbsunfähig der Versicherte

a) der das 55.Lebensjahr vollendet hat und

b) dessen persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war, wenn er infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte dauernd außerstande ist, einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die Erwerbstätigkeit erfordert, die der Versicherte zuletzt durch mindestens 60 Kalendermonate ausgeübt hat.

Da der Kläger das 55.Lebensjahr vollendet hat, ist zunächst zu prüfen, ob seine persönliche Arbeitsleistung zur Aufrechterhaltung des Betriebes notwendig war. Bei Schaffung des Instituts der erleichterten Erwerbsunfähigkeitspension hatte der Gesetzgeber vor allem die Unternehmer von Kleinbetrieben im Auge (1403 BlgNR 11.GP, 13). Dies ist auch daraus abzuleiten, daß gerade in Kleinbetrieben der persönlichen Mitarbeit überragende Bedeutung zukommt; diese sollte dem erweiterten Schutz unterliegen. Daß die Novelle auch den Zweck verfolgte, Unternehmern von Mittelbetrieben den Zugang zur Erwerbsunfähigkeitspension zu erleichtern, wurde nur in einzelnen Literaturstellen vertreten und findet in den Materialien keine Deckung. Da das Gesetz von der Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung und nicht etwa von der tatsächlichen Erbringung derselben spricht, muß rückschauend geprüft werden, ob diese objektiv im Hinblick auf den betreffenden Betrieb auch erforderlich war. Es ist daher nicht von den Erfordernissen bei schlechter Betriebsführung, sondern von der Notwendigkeit der persönlichen Arbeitsleistung im Rahmen einer wirtschaftlich vertretbaren Betriebsführung auszugehen. Andernfalls wären, worauf schon das Erstgericht zutreffend verwiesen hat, unwirtschaftliche Betriebsführer weit besser gestellt als solche, die ihren Betrieb ordentlich führen, weil etwa ein durch schlechte Betriebsführung stark verschuldeter Landwirt leichter in den Genuß einer Erwerbsunfähigkeitspension käme als ein nicht verschuldeter. Auch könnte ein Versicherter durch eine entsprechende Verschuldung die Voraussetzungen für die Erwerbsunfähigkeitspension mitbestimmen. Daher ist bei Beurteilung der Erwerbsunfähigkeit nach § 124 Abs 2 BSVG auch die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Umstrukturierung des Betriebes zu prüfen. Dafür, daß es im Falle des § 124 Abs 2 BSVG nur auf die objektive Notwendigkeit der persönlichen Mitarbeit bei wirtschaftlich vertretbarer Betriebsführung ankommt, spricht auch, daß der Gesetzgeber auch in anderen wesentlichen Bestimmungen des BSVG nicht vom tatsächlichen Ertrag sondern von Durchschnittswerten bei ordnungsgemäßer Betriebsführung ausgeht. Es darf nicht übersehen werden, daß sich der landwirtschaftliche Einheitswert wesentlich am Ertrag der Liegenschaften orientiert. Dies kommt in vielen Bestimmungen des BSVG, etwa im Rahmen der Bestimmungen über den Versicherungswert und die Beitragsfestsetzung, vor allem aber auch in den Bestimmungen über die Ausgleichszulage zum Tragen. Nach § 140 Abs 5 BSVG (entsprechend § 292 Abs 5 ASVG) gilt etwa als monatliches Nettoeinkommen aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb 70 vH (im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz am 27.11.1989 85 vH) des Versicherungswertes dieses Betriebes. Da der Versicherungswert gemäß § 23 Abs 2 BSVG wiederum ein Hundertsatz des Einheitswertes ist, geht der Gesetzgeber sowohl bei der Bemessung der Beitragsgrundlage als auch der Ausgleichszulage (sofern nicht wegen Übergabe des Betriebes § 140 Abs 7 BSVG anzuwenden ist) offenbar von Durchschnittswerten des aus dem Einheitswert abgeleiteten Betriebsergebnisses bei ordnungsgemäßer Betriebsführung aus. Diese Betrachtungsweise des Gesetzgebers, der die konkrete, etwa durch eine hohe Verschuldung bedingte Einkommenssituation außer Betracht läßt, ist ein Indiz dafür, daß der Gesetzgeber das BSVG ganz allgemein von einer wirtschaftlich vertretbaren ordnungsgemäßen Betriebsführung ausgeht und besondere vom Versicherten zu vertretende Umstände außer Betracht läßt.

Ob nach diesen Grundsätzen die persönliche Arbeitsleistung des Klägers erforderlich war, kann nach den bisherigen Feststellungen noch nicht beurteilt werden. Soweit diesen zu entnehmen ist, waren die Grundankäufe unwirtschaftlich und trugen ganz wesentlich zu der hohen Verschuldung bei. Wieweit auch die hohen baulichen und maschinellen Investitionen bei ordnungsgemäßer Betriebsführung erforderlich gewesen wären, wurde bisher noch nicht festgestellt. Unklar ist auch der durch die Bewirtschaftung erlittene jährliche Verlust. Ein solcher von 30.000 bis 35.000 S pro ha und Jahr würde bei der Größe der Landwirtschaft jährliche Verluste von über 2 Mio S bedeuten, was in den bisherigen Verfahrensergebnissen keine Deckung findet. Möglicherweise sind dabei nur die Verluste aus den zugekauften Grundstücken gemeint, deren Größe aber nicht festgestellt wurde. Es wäre daher festzustellen, wieviele Arbeitskräfte nach einer im Sinne einer wirtschaftlich vertretbaren Betriebsführung vorzunehmenden Umstrukturierung, und zwar einschließlich des Abverkaufes jener Grundstücke, deren seinerzeitiger Ankauf unwirtschaftlich war und zu der hohen Verschuldung führte, erforderlich wären und zu welchen Jahreszeiten in jeweils welchem Umfang ihr Einsatz notwendig wäre, welche Kosten ihr Einsatz verursachen würde und wie hoch danach die jährlichen Einkünfte aus der Landwirtschaft wären. Erst dann kann beurteilt werden, ob die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung des Betriebes überhaupt erforderlich war. In diesem Zusammenhang wird auf die Ausführungen in dem bis auf die hohe Verschuldung ähnlichen Fall der Entscheidung SSV-NF 4/159 verwiesen.

Erst wenn feststehen sollte, daß die persönliche Arbeitsleistung des Klägers zur Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich war, müßte geprüft werden, ob er noch in der Lage ist, einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen, die eine ähnliche Ausbildung sowie gleichwertige Kenntnisse und Fähigkeiten wie die bisher ausgeübte erfordert.

In Stattgebung der Revision der beklagten Partei waren daher die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache war zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 2 Abs 1 ASGG iVm § 52 ZPO.

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