OGH 10ObS265/91

OGH10ObS265/9122.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich und Mag. Dkfm. Reinhard Keibl (beide Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Barbara S*****, Landwirtin, ***** vertreten durch Dr. Emil Schreiner, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern (Landesstelle Burgenland), 1031 Wien, Ghegastraße 1, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Juni 1991, GZ 32 Rs 104/91-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 15.Jänner 1991, GZ 16 Cgs 664/90-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 1.811,52 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 301,92 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 2.7.1952 geborene Klägerin bewirtschaftet gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten einen landwirtschaftlichen Betrieb mit 0,66 ha Eigengrund und 7,47 ha Pachtgrund. Zum Betrieb gehören 7 Pferde, die als Zug- und Arbeitspferde z.B. für das Holzholen aus dem Wald und für Kutschenfahrten, aber auch als Reitpferde gegen entsprechendes Entgelt eingesetzt werden. Der landwirtschaftliche Betrieb ist daraufhin eingerichtet, daß Urlaub am Bauernhof gemacht werden kann. Im Bauernhaus ist ein Appartement mit 6 Betten eingerichtet. Die Reitpferde stehen sowohl den Gästen des Hauses, als auch anderen Personen jederzeit gegen Entgelt zur Verfügung. Es finden auch Ausritte mit den von der Klägerin vermieteten Pferden statt. Gegen ein entsprechendes Entgelt für die Benützung der Pferde bekommen die Leute Reitunterricht. Pferdezucht wird von der Klägerin nicht betrieben.

Am 1.1.1990 begleitete die Klägerin gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Leute, die bei ihnen Reitunterricht nahmen, bei einem Ausritt. Hiebei schlug eines der Pferde gegen das Pferd der Klägerin, die dabei am rechten Unterschenkel getroffen und verletzt wurde.

Mit Bescheid der beklagten Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 6.9.1990 wurde die Gewährung einer Leistung aus der Unfallversicherung für die Folgen des Ereignisses vom 1.1.1990 mit der Begründung abgelehnt, daß dieses Ereignis nicht im Zusammenhang mit einer die Versicherung begründenden Beschäftigung eingetreten sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren (Feststellungsbegehren), das Ereignis vom 1.1.1990, bei dem sich die Klägerin einen Wadenbeinbruch am rechten Unterschenkel zuzog, sei ein Arbeitsunfall, ab. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß der Unfall bei Erteilung von Reitunterricht auf einem Bauernhof sich nicht im Schutzbereich der Unfallversicherung ereignet habe. Eine solche Tätigkeit werde üblicherweise nicht von Landwirten oder von ihnen herangezogenen Hilfskräften verrichtet.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der Schutz der Unfallversicherung in der Landwirtschaft umfasse nur den Betrieb der Landwirtschaft und deren Nebenbetriebe. Wenn die Klägerin in ihrer Berufung einräume, das wesentliche Einkommen werde aus der landwirtschaftlichen Einkommenssparte "Urlaub am Bauernhof" erzielt, so werde dadurch - abgesehen von der unrichtigen rechtlichen Qualfikation - deutlich, daß das überwiegende Einkommen aus einem Gewerbebetrieb, nämlich der Zimmervermietung und der Vermietung von Reit- und Zugpferden erzielt werde. Es widerspreche dem Begriff des Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft (§ 2 Abs.1 Z 2 GewO), wenn das überwiegende Einkommen aus einer nicht dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft zugehörenden Tätigkeit erzielt werde. Auch die Ausnahme des § 2 Abs. 1 Z 9 GewO ("die nach ihrer Eigenart und Betriebsweise in die Gruppe der häuslichen Nebenbeschäftigungen fallenden und durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes betriebenen Erwerbszweige") sei nicht anwendbar, wie sich aus dem Begriff der Nebenbeschäftigung ergebe. Die Aufzählung der Ausnahmen im § 2 Abs.4 GewO erfasse ebenfalls nicht die unfallbringende Tätigkeit der Klägerin. Gemäß § 2 Abs.4 Z 5 GewO idF der Gewerberechtsnovelle 1988 sei das Vermieten und Einstellen von Reittieren nur dann ein Nebengewerbe, wenn diese Tätigkeit nicht Hauptgegenstand der Tätigkeit eines Land- und Forstwirtes sei. Da die Tätigkeit der Klägerin nicht im Rahmen eines Nebengewerbes erfolgt sei, fehle der Unfallversicherungsschutz: Hiefür wäre eine Gewerbeberechtigung und der Bestand einer Pflichtversicherung gemäß § 2 Abs.1 Z 1 GSVG erforderlich gewesen. Dabei sei unerheblich, ob die Klägerin den Gästen Reitunterricht erteilt oder nur den Weg im unbekannten Gelände gezeigt habe. Auch das Argument, der Unfall habe sich im Zusammenhang mit dem "Urlaub auf dem Bauernhof" ereignet, vermöge nicht zu überzeugen. Dies setze nämlich einen landwirtschaftlichen Hauptbetrieb voraus, nicht aber einen Gewerbebetrieb, dessen Bezug zur Landwirtschaft sich darin erschöpfe, daß sich der Standort im ländlichen Gebiet befinde und das Futter für die eingestellten Pferde im Betrieb gewonnen werde.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil von der Klägerin erhobene Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache ist nicht berechtigt.

Was ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb ist, richtet sich gemäß § 2 Abs.1 Z 1 BSVG, der auch für die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung nach § 3 Abs.1 Z 2 BSVG maßgebend ist, aber auch gemäß § 27 Abs.1 ASVG nach den Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes, BGBl.1984/287. § 5 Abs.1 dieses Gesetzes bezeichnet als Betriebe der Land- und Forstwirtschaft Betriebe der land- und forstwirtschaftlichen Produktion und ihre Nebenbetriebe, soweit diese in der Hauptsache die Verarbeitung der eigenen Erzeugnisse zum Gegenstand haben und sich nicht als selbständige, von der Land- und Forstwirtschaft getrennt verwaltete Wirtschaftskörper darstellen, ferner die Hilfsbetriebe, die der Herstellung und Instandhaltung der Betriebsmittel für den land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb dienen. In diesem Rahmen zählen zur land- und forstwirtschaftlichen Produktion die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaus und der Baumschulen, das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse sowie die Jagd und Fischerei. Schon mit der Versicherung der Hilfs- und Nebenbetriebe hat der Gesetzgeber gezeigt, daß er den Schutz der Unfallversicherung nicht nur auf die eigentliche Produktion beschränkt wissen will; mit dem Schutz aller Arbeiten zur Errichtung, zum Umbau und zur Reparatur von Betriebsgebäuden sowie der Nachbarschaftshilfe für einen anderen Betrieb (§ 175 Abs.3 Z 4 ASVG) hat er diese Absicht weiter verdeutlicht. Geschützt ist daher jede Verrichtung, die der Erhaltung oder Verbesserung der Organisation des Betriebes dient, sofern eine solche Verrichtung üblicherweise von Landwirten selbst (d.h. unter ihrer eigenen Leitung und mit von ihnen herangezogenen Hilfskräften) durchgeführt wird. Der Schutz endet, wenn bereits ein Aufgabenkreis eines Betriebes eines anderen Wirtschaftszweiges in den Vordergrund rückt (Tomandl, SV-System

4. ErgLfg.287 f; derselbe, Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung 32 f; ebenso 10 Ob S 39/91; vgl. auch SSV-NF 2/125 und 4/100).

Die als Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft in § 2 Abs.4 GewO angeführten Tätigkeiten stellen für sich allein ausgeübt Tätigkeiten dar, die der Gewerbeordnung unterliegen. Durch ihre enge Verbindung mit dem landwirtschaftlichen Betrieb wurden sie jedoch bereits durch Art.5 Kundmachungspatent zur Gewerbeordnung 1859 vom Geltungsbereich der Gewerbeordnung ausgenommen. Grund für die Herausnahme der Tätigkeiten war es, dem Landwirt die Umgestaltung des Naturproduktes zu einem verkaufsfähigen Produkt bzw. eine bessere Ausnutzung seiner Betriebsmittel zu ermöglichen (Wallner-Fialka, Komm.z.GewO 12 mwN bei FN 34). Voraussetzung für ein land- und forstwirtschaftliches Nebengewerbe ist aber, daß dieses ökonomisch dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb untergeordnet ist. Untergeordnet ist eine Tätigkeit gegenüber der landwirtschaftlichen Produktion dann, wenn sie im Verhältnis zu dieser an Umfang und wirtschaftlicher Bedeutung geringfügig ist (Mache-Kinscher GewO5 Anm.165 zu § 2 GewO; Wallner-Fialka aaO 13 mwN bei FN 35). Die Grenzen der land- und forstwirtschaftlichen nebengewerblichen Tätigkeiten müssen gewahrt bleiben. Unter diesem Aspekt ist auch die Vermietung von Reittieren durch den Landwirt zu sehen. Ob er die Reittiere lediglich zum Zweck der Vermietung hält, ist an sich unbeachtlich, sofern diese Tätigkeit seinem eigentlichen Landwirtschaftsbetrieb untergeordnet bleibt. Handelt es sich (anders als im Fall der Klägerin) um einen auf die Pferdezucht ausgerichteten Betrieb, so ist dieser iS des § 2 Abs.3 Z 2 GewO nach herrschender Auffassung ohnedies als landwirtschaftlicher Betrieb einzustufen. Die überwiegende oder ausschließliche Einstellung von Pferden wäre hingegen als freies Gewerbe im Sinne der Gewerbeordnung anmeldepflichtig; gleichermaßen wäre die bloße Anschaffung von Pferden ausschließlich zum Zweck der Vermietung oder Veräußerung als Gewerbe zu qualifizieren (Wallner-Fialka aaO 19 mwN). Nach der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr.399 sollte nicht nur das Vermieten von Reittieren, sondern auch das Einstellen fremder Reittiere als landwirtschaftliches Nebengewerbe ausgeübt werden können. Daß diese Tätigkeit nicht Hauptgegenstand der Tätigkeit eines Landwirts sein kann, ergibt sich schon daraus, daß diese Tätigkeit als Nebengewerbe der Landwirtschaft untergeordnet sein muß (EB z. RV 341 BlgNR XVII GP 32; vgl. auch Mache-Kinscher aaO FN 176 und Kinscher, Gewerbeordnung7 11 Anm. zu § 2 Abs.4).

Im vorliegenden Fall ist von den Behauptungen der Klägerin auszugehen, daß es sich bei ihren landwirtschaftlichen Nutzflächen in erster Linie um solche handelt, aus denen Futter für die 7 im Betrieb befindlichen Pferde gewonnen werden kann. Der landwirtschftliche Betrieb ist dafür ausgerichtet, das wesentliche Einkommen aus der landwirtschaftlichen Sparte "Urlaub am Bauernhof" zu erzielen. Dabei wird das Haupteinkommen wiederum aus der Vermietung der Reit- bzw. Zugpferde erzielt. Die Klägerin bestreitet nach dem übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien ihren Lebensunterhalt vor allem aus den Einkünften aus dem Reit- und Kutschenbetrieb. Damit ist aber klargestellt, daß die Vermietung der Reitpferde schon deshalb kein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb sein kann, weil er nicht einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb untergeordnet ist. Die Vermietung der Reitpferde (Pferdezucht wird nicht betrieben) überwiegt an Umfang und wirtschaftlicher Bedeutung die eigentliche landwirtschaftliche Produktion. Damit ist aber eine Tätigkeit, die im Zusammenhang mit der Vermietung dieser Reitpferde ausgeübt wird, nicht nach dem BSVG unfallversicherungsgeschützt. Gegen diese schon vom Berufungsgericht zutreffend vertretene Auffassung werden in der Revision keine entscheidenden Gesichtspunkte geltend gemacht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs.1 Z 2 lit.b ASGG. Da die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage iS des § 46 Abs. 1 Z 1 ASGG abhing, entspricht es der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin die Hälfte ihrer Revisionskosten zuzusprechen (SSV-NF 4/19, 4/84 ua).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte