OGH 8Ob577/91

OGH8Ob577/915.9.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Graf, Dr. Jelinek und Dr. Schinko als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Thomas H*****, geboren am 16. Dezember 1985, infolge Revisionsrekurses der Republik Österreich, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 16.Mai 1991, GZ 47 R 336/91-74, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 4.April 1991, GZ 1 P 33/87-62, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen wird das Titelvorschußbegehren des Minderjährigen für die Zeit vom 1.3.1991 bis 31.10.1993 abgewiesen.

Text

Begründung

Aufgrund des pflegschaftsgerichtlich genehmigten Scheidungsvergleiches vom 23.1.1987 ist der Unterhaltsschuldner ab 1.2.1987 zur monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.500 für den Minderjährigen verpflichtet. Auf Antrag des Amtes für Jugend und Familie für den 13. und 14.Bezirk (kurz: AJF) der Stadt Wien vom 30.11.1990 gewährte das Erstgericht dem Minderjährigen mit Beschluß vom 4.4.1991 gemäß § 4 Z 1 UVG Unterhaltsvorschüsse in Titelhöhe für die Zeit vom 1.11.1990 bis 31.10.1993. Am 11.4.1991 langte beim Erstgericht eine Mitteilung des AJF vom 4.4.1991 ein (ON 68), wonach sich der Unterhaltsschuldner seit 28.2.1991 im landesgerichtlichen Gefangenenhaus Wien I in Untersuchungshaft befinde. Am 26.4.1991 beantragte das AJF für den Minderjährigen die Gewährung von Richtsatzvorschüssen nach § 4 Z 3 UVG (ON 71).

Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem Rekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, gegen den Beschluß des Erstgerichtes nicht Folge. Es führte unter Hinweis auf § 7 Abs.2 UVG aus, daß bei "sofortiger" Gewährung der Titelvorschüsse die am 28.2.1991 erfolgte Inhaftierung des Unterhaltsschuldners keinen Vorschußversagungsgrund dargestellt hätte, sodaß die bloße Tatsache, daß über den vorliegenden Antrag erst nach diesem Zeitpunkt (nämlich am 4.4.1991) in Unkenntnis der Verhaftung des Unterhaltsschuldners entschieden worden sei, keinen Unterschied für den Minderjährigen bewirken könne. Der Revisionsrekurs sei jedoch zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob bei Entscheidung über länger zurückliegende Vorschußanträge infolge zwischenzeitiger Inhaftierung des Schuldners § 7 Abs.2 oder § 7 Abs.1 Z 1 UVG zur Anwendung komme, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zulässig; er ist auch berechtigt.

Gemäß § 10 UVG ist über die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden. Auf das Verfahren kommen daher die allgemeinen Anordnungen der §§ 1 bis 19 AußStrG zur Anwendung. Gemäß § 10 AußStrG dürfen im Rekurs jedenfalls jene neuen Umstände angeführt werden, die vor der Beschlußfassung des Erstgerichtes eingetreten sind (EFSlg.61.352; 58.247 uva). Dem Rekursgericht war im Zeitpunkt seiner Entscheidung bekannt, daß noch vor dem Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlußfassung über den Titelvorschußantrag der Unterhaltsschuldner in Untersuchungshaft genommen wurde. Es hätte daher gemäß § 8 UVG, demzufolge die Vorschüsse vom Beginn des Antragsmonats für die Dauer des voraussichtlichen Vorliegens der Voraussetzungen, längstens jedoch für drei Jahre, zu gewähren sind, im Sinne des Rechtsstandpunktes des Revisionsrekurswerbers den Titelvorschuß nur bis Ende Februar 1991 gewähren dürfen, weil die Voraussetzungen für die Titelvorschußgewährung schon im Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung gefehlt haben. Die Entscheidung über den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen ist mangels gegenteiliger spezieller Gesetzesanordnung auf der Sachverhaltsgrundlage im Entscheidungszeitpunkt nicht aber auf jener im Antragszeitpunkt zu fällen; andernfalls könnten auch die Ergebnisse notwendiger Erhebungen über die Anspruchsvoraussetzungen im Sinne des § 12 UVG nicht mehr gemäß § 8 UVG bei der Entscheidung berücksichtigt werden.

Diese Erwägungen führen zur Stattgebung des Revisionsrekurses und spruchgemäßen Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen, die über den schon gestellten Haftvorschußantrag des Minderjährigen im Sinne des § 4 Z 3 UVG zu entscheiden haben werden.

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