Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil einschließlich seines unangefochten gebliebenen Teiles insgesamt zu lauten hat:
"1. Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin für die Folgen der in der Anlage 1 zum ASVG unter der Lfd. Nr. 38 bezeichneten Berufskrankheit (Infektionskrankheit Lungentuberkulose) eine Versehrtenrente zu leisten, vom 1. August bis 30. November 1989 im Ausmaß von 20 vH der Vollrente und vom 1. Dezember 1989 an im Ausmaß von 10 vH der Vollrente dem Grunde nach zu Recht.
2. Der beklagten Partei wird aufgetragen, der Klägerin vom 6. Juli 1990 an bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung feststellenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von
S 1.000,-- monatlich zu erbringen, und zwar die schon fälligen vorläufigen Zahlungen binnen vierzehn Tagen, die weiteren an jedem Monatsersten im vorhinein.
3. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin für die Folgen der zu Punkt 1. bezeichneten Berufskrankheit vom 27. Februar bis 26. April 1989 eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß von 100 vH der Vollrente, vom 27. April bis 31. Juli 1989 eine Versehrtenrente im gesetzlichen Ausmaß von 50 vH der Vollrente und Zusatzrente und vom 1. Dezember 1989 an im gesetzlichen Ausmaß von weiteren 10 vH der Vollrente zu leisten, wird abgewiesen.
4. Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin binnen vierzehn Tagen die mit S 3.537,-- bestimmten Barauslagen erster Instanz zu ersetzen."
Die Klägerin hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 25. Jänner 1990 anerkannte die beklagte Partei die Erkrankung, die sich die Klägerin als medizinisch-technische Assistentin, gemäß § 4 Abs 1 Z 1 ASVG unfallversichert, im Dienste einer Bundesstaatlichen bakteriologisch-serologischen Untersuchungsanstalt zugezogen hatte, als Berufskrankheit gemäß § 177 ASVG Anlage 1 (zum ASVG) (Lfd.) Nr. 38, sprach aus, daß als Zeitpunkt des Eintrittes des Versicherungsfalles gemäß § 174 Z 2 ASVG der 27. Februar 1989 gilt und lehnte die Gewährung einer Rente gemäß den §§ 203 und 204 ASVG mit der Begründung ab, daß die Erwerbsfähigkeit durch die Folgen der Berufskrankheit über drei Monate nach Eintritt des Versicherungsfalles hinaus und nach dem Wegfall des Krankengeldes nicht um wenigstens 20 vH gemindert sei.
Dagegen erhob die Klägerin rechtzeitig Klage, deren später ausgedehntes Begehren aus dem Spruch ersichtlich ist.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage.
Die Parteien stellten außer Streit, daß bei der Klägerin aus einem als Arbeitsunfall anerkannten Unfall vom 3. März 1982 vom 1. Dezember 1989 an zumindest eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 vH besteht.
Das Erstgericht erkannte den Anspruch der Klägerin auf Leistung einer Versehrtenrente wegen ihrer Berufskrankheit (Lungentuberkulose) der beklagten Partei gegenüber als dem Grunde nach zu Recht bestehend, und zwar vom 27. Februar bis 26. April 1989 im Ausmaß von 100 vH der Vollrente, vom 27. April bis 31. Juli 1989 im Ausmaß von 50 vH der Vollrente samt Zusatzrente, vom 1. August bis 30. November 1989 im Ausmaß von 20 vH der Vollrente und vom 1. Dezember 1989 an im Ausmaß von 10 vH der Vollrente (Punkt 1.), sprach aus, daß der Anspruch der Klägerin auf Leistung der Versehrtenrente im Ausmaß von 100 vH der Vollrente vom 27. Februar bis 26. April 1989 wegen Anstaltspflege ruht (Punkt 2.), erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin vom 6. Juli 1990 (Schluß der mündlichen Verhandlung) an jeweils am Ersten eines jeden Monates im vorhinein eine vorläufige "Leistung" (richtig Zahlung) von S 1.000,-- monatlich zu "gewähren" (richtig erbringen) (Punkt 3.), wies das Mehrbegehren auf Leistung einer Versehrtenrente im Ausmaß von weiteren 10 vH der Vollrente vom 1. Dezember 1989 an ab (Punkt 4.) und verpflichtete die beklagte Partei, der Klägerin binnen 14 Tagen S 3.537,-- an Prozeßkosten zu ersetzen.
Nach den für das Revisionsverfahren noch wesentlichen erstgerichtlichen Feststellungen war die Klägerin bis 31. Dezember 1989 rund 21 Jahren an einer Bundesstaatlichen bakteriologisch(-serologischen) Untersuchungsanstalt als medizinisch-technische Assistentin (Vertragsbedienstete) tätig, und zwar die letzten dreizehn Jahre im Tuberkuloselabor. Dabei zog sie sich eine Tuberkulose zu. Als sie im November 1988 erkrankte, wurde eine Bronchitis diagnostiziert. Nach einem grippalen Infekt befand sie sich vom 27. Februar bis 26. April 1989 - und zwar, wie im Rahmen der Rechtsausführungen festgestellt wurde, auf Rechnung eines Krankenversicherungsträgers - in der Lungenabteilung eines Landeskrankenhauses in Anstaltspflege, während der eine offene Lungentuberkulose festgestellt wurde. Anschließend war sie bis 31. Juli 1989 im Krankenstand. Während desselben wurde ihr das Gehalt mit Ausnahme von Taxanteilen weitergezahlt. Nach dem Krankenstand konsumierte die Klägerin bis Ende Oktober 1989 einen Urlaub, arbeitete dann bis Ende 1989 wieder und bezieht seit 1. Jänner 1990 eine Pension. Durch die Folgen der zunächst offenen, seit 1. August 1989 nicht mehr aktiven Tuberkulose war bzw ist die Erwerbsfähigkeit der Klägerin während des stationären Krankenhausaufenthaltes um 100 %, während des anschließenden Krankenstandes um 50 %, sodann bis 30. November 1989 um 20 % und seit 1. Dezember 1989 um 10 vH gemindert.
Zur im Rechtsmittelverfahren allein strittigen Rechtsfrage des Anfalls der Versehrtenrente meinte das Erstgericht, dieser richte sich nicht nach § 204 Abs 1 ASVG. Die Klägerin hätte zwar nach § 138 Abs 1 ASVG aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit vom 4. Tag der Arbeitsunfähigkeit an Anspruch auf Krankengeld gehabt, doch habe dieser nach § 143 Abs 1 Z 3 leg cit wegen des gesetzlichen Anspruches auf Weiterleistung von mehr als 50 % der Geld- und Sachbezüge (§ 24 VBG) geruht. Ein ruhender Anspruch auf Krankengeld stehe aber dem Anfall der Versehrtenrente nicht entgegen, weil § 204 Abs 1 ASVG davon ausgehe, daß das Krankengeld auch tatsächlich gewährt werde. Diese Auslegung sei schon deshalb zwingend, weil die Versehrtenrente nur in Höhe des Krankengeldes zu ruhen habe.
Das Berufungsgericht gab der inhaltlich nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen, und nur gegen den Zuspruch der Versehrtenrente vom 27. Februar bis 31. Juli 1989 gerichteten Berufung der beklagten Partei nicht Folge.
Nach der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes sei die Versehrtenrente nach § 204 Abs 5 ASVG mit dem Tage nach dem Eintritt des Versicherungsfalles angefallen. Abs 1 leg cit sei hier nicht anzuwenden, weil der Klägerin, die nach § 24 Abs 1 VBG im Krankheitsfall für die Dauer von sechs Monaten Anspruch auf ihr volles Gehalt gehabt habe, während des Krankenstandes nie Krankengeld ausgezahlt worden sei. Von einem unvertretbaren Doppelbezug zweier Sozialversicherungsleistungen, nämlich der Versehrtenrente und des Krankengeldes, könne daher nicht gesprochen werden. Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil durch Abweisung des auf eine Versehrtenrente vom 27. Februar bis 31. Juli 1989 gerichteten Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
(Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des ASVG.)
Nach § 86 Abs 1 fallen die sich aus den Leistungsansprüchen ergebenden Leistungen nur dann mit dem Entstehen des Anspruches (§ 85) - also in dem Zeitpunkt, in dem die im Zweiten, Dritten und Vierten Teil des ASVG hiefür vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind - an, wenn nichts anderes bestimmt wird.
Nach § 174 Z 2 gilt der Versicherungsfall bei Berufskrankheiten mit dem Beginn der Krankheit (§ 120 Abs 1 Z 1) oder, wenn es für den Versicherten günstiger ist, mit dem Beginn der Minderung der Erwerbsfähigkeit (§ 203), im vorliegenden Fall unbestrittenermaßen mit dem 27. Februar 1989, als eingetreten.
Die im § 86 Abs 4 geregelte Ausnahme im Falle einer amtswegigen Feststellung des Anspruches oder Antragstellung auf Feststellung des Anspruches auf eine Leistung aus der Unfallversicherung trifft hier nicht zu.
Der Anfall der Versehrtenrente wird im § 204 geregelt:
Besteht für eine durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursachte Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld aus der Krankenversicherung, so fällt die Versehrtenrente mit dem Tage nach dem Wegfall des Krankengeldes, spätestens mit der 27. Woche nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an (Abs 1).
Den in der Unfallversicherung gemäß § 7 Z 2 lit a und Z 3 lit b teilversicherten Personen fällt die Versehrtenrente vom Tage nach dem Wegfall der durch den Arbeitsunfall oder die Berufskrankheit verursachten Arbeitsunfähigkeit, wenn aber der Gehaltsbezug früher eingestellt wird, vom Tage nach dessen Einstellung an (Abs 2).
Bei den im § 192 angeführten Versicherten fällt die Versehrtenrente mit dem Beginn des dritten Monates nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an ... (Abs 3).
Bei den in der Unfallversicherung gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit h und i Teilversicherten fällt die Versehrtenrente mit dem Zeitpunkt an, in dem der Schulbesuch voraussichtlich abgeschlossen und der Eintritt in das Erwerbsleben erfolgt wäre (Abs 4).
In allen übrigen Fällen fällt die Versehrtenrente mit dem Tage nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an (Abs 5).
§ 204 Abs 1 und 5 (letzterer trug vor der 32. ASVGNov BGBl 1976/704 die Absatzbezeichnung 4) zählen zum Urbestand des ASVG.
Nach den EB der RV zur Stammfassung 599 BlgNr 7 GP 66 regelt § 204 den Anfall der Versehrtenrente, und zwar Abs 1 für den Normalfall des auch krankenversicherten Arbeitnehmers, Abs 2 für die nach § 7 krankenversicherungsfreien, in der Unfallversicherung teilversicherten Arbeitnehmer und Abs 3 für die selbständig Erwerbstätigen und deren mitversicherte Angehörige; ...
Nach dem bis zur Einführung der RVO in Österreich geltenden § 178 GSVG gebührte dem Unfallverletzten ... unbeschadet ... des § 183 Abs 3 vom Tage nach Beendigung der durch den Unfall bedingten Heilbehandlung, spätestens aber vom Beginn des 2. Jahres nach Eintritt des Unfalles an für die Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit eine Rente (Verletztenrente).
Nach dem vor dem ASVG geltenden § 559c RVO aF begann die Verpflichtung zur Gewährung von Renten bei Verletzten, die auf Grund der Reichsversicherung gegen Krankheit versichert waren, mit dem Wegfall des Krankengeldes aus der Krankenversicherung, spätestens mit der 27. Woche nach dem Unfall, bei anderen Verletzten mit dem Tage nach dem Unfall (Abs 1). Das Ruhen des Krankengeldes nach § 189 Abs 1 RVO galt nicht als Wegfall des Krankengeldes iS des Abs 1 (§ 559c Abs 2). Nach § 189 Abs 1 RVO ruhte der Anspruch auf Krankengeld, wenn und soweit der Versicherte während der Krankheit Arbeitsentgelt erhielt.
Im vorliegenden Fall kann kein Zweifel daran bestehen, daß für die durch eine Berufskrankheit verursachte Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nach § 138 Abs 1 (vom vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit an) ein Anspruch auf Krankengeld bestand, und zwar nach § 139 Abs 1 für ein und denselben Versicherungsfall bis zur Dauer von 26 Wochen, welche Höchstdauer nach Abs 2 durch die Satzung bis 78 Wochen erhöht wurde. Die Dauer dieses Anspruches auf Krankengeld wurde durch das Entstehen eines Anspruches ua auf eine Versehrtenrente aus der Unfallversicherung nicht berührt (Abs 5).
Nach § 143 Abs 1 ruhte der Anspruch auf Krankengeld zunächst bis 26. April 1989, weil die Klägerin solange auf Rechnung eines Versicherungsträgers Anstaltspflege erhielt (Z 2) und überdies auch auf Grund des § 24 Abs 1 VBG bis zur Dauer von 182 Kalendertagen Anspruch auf Weiterleistung des (vollen) Monatsentgeltes und der Haushaltszulage hatte (Z 3 erster Halbsatz), anschließend bis 31. Juli 1989 nur mehr wegen des letztgenannten Grundes. Das Ruhen nach Abs 1 Z 2 wäre übrigens auch dann eingetreten, wenn die Klägerin die dort bezeichneten Leistungen aus Bundesmitteln ... erhalten hätte (Abs 3).
Obwohl der Anspruch der Klägerin auf Krankengeld aus der Krankenversicherung bis 31. Juli 1989 ruhte, blieb er bis dahin aufrecht; während des Ruhens war nur die Leistungspflicht des Krankenversicherungsträgers sistiert (Schrammel in Tomandl, SV-System 3. ErgLfg 169; Teschner in MGA ASVG
47. ErgLfg 529 FN 3).
Solange wegen des Ruhens des Anspruches auf Krankengeld kein solches bezogen wurde, konnte es auch nicht iS des § 204 Abs 1 wegfallen, weil damit nicht der Wegfall des Anspruches auf Krankengeld, sondern der tatsächliche Wegfall (des Bezuges), die tatsächliche Einstellung der Krankengeldzahlung, gemeint ist (Teschner in MGA ASVG 50. ErgLfg 1026/1 FN 2 zu § 204; so auch schon Gehrmann-Rudolph in MGA SV Lfg 5, 261 FN 2 zu § 559 c RVO; Lfg 9 3. Nachtrag 392 FN 12 zu § 1286 Abs 2 RVO unter Berufung auf VwGH 3. 4. 1951 P 35/50-1 A(mtliche)N(achrichten) des Bundesministeriums für soziale Verwaltung) 1951, 268 = SVSlg 1689 und 1695 mit weiteren Publikationshinweisen).
Für diese Auslegung spricht auch der schon zit
§ 559c Abs 2 RVO aF, wonach das Ruhen des Krankengeldes nach § 189 Abs 1 RVO, also wegen Weiterbezuges des Arbeitsentgeltes während der Krankheit, nicht als Wegfall des Krankengeldes iS des § 559c Abs 1 leg cit galt und daher vor der 27. Woche nach dem Unfall den Beginn der Verpflichtung zur Gewährung von Rente bei Verletzten, die auf Grund der Reichsversicherung gegen Krankheit versichert waren, nicht auslöste.
Zu § 559c Abs 2 RVO führte der VwGH in seiner oben zit E ua zutreffend aus, daß in diesem Falle die Rente ausnahmsweise noch nicht zu zahlen ist, obwohl der Versicherte trotz gegebener gesetzlicher Voraussetzungen für den Anspruch auf Krankengeld keine (tatsächliche) Krankengeldleistung erhält. Anderseits ergebe sich aber aus § 559c RVO, daß der Gesetzgeber nur dort mit der Rentenleistung zurückhalte, wo der Versicherte - wie beim Arbeitsentgelt - eine andere tatsächliche Zahlung erhalte. Der Gesetzgeber wolle also die Kontinuität der tatsächlichen Zahlungen nicht unterbrochen wissen, die Frage des Rechtsanspruches auf die anderweitige Leistung habe gegenüber den zwingenden Erfordernissen einer tätigen sozialen Hilfeleistung zurückzutreten.
Diese Auslegung wird auch durch § 90a Abs 1 gestützt, nach dem beim Zusammentreffen eines Anspruches auf Versehrtenrente mit dem Bezug von Krankengeld die Versehrtenrente für die weitere Dauer des Krankengeldbezuges mit dem Betrag des Krankengeldes ruht, wobei ein ruhender Anspruch auf Krankengeld dem Bezug des Krankengeldes gleichzuhalten ist.
Binder, Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche 208 ff weist zutreffend darauf hin, daß die Gewährung von Krankengeld ebenso wie die arbeitsrechtliche Entgeltfortzahlung darauf gerichtet ist, einen Ausgleich für vorübergehenden Verdienstausfall zu verschaffen. Dies zeige sich schon in der gesetzlichen Umgrenzung des krankengeldanspruchsberechtigten Personenkreises (vgl § 138), aber auch an den Ruhensbestimmungen des § 143 ABs 1 Z 2-4, wonach der Krankengeldanspruch nicht (oder nur teilweise) realisiert werden könne, wenn die materielle Grundlage zur Bestreitung des Lebensbedarfes anderweitig, sei es durch Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber, sei es durch an dessen Stelle tretende Leistungen des Sozialversicherungsträgers, sichergestellt werde. Das verdeutlichten aber auch die das Zusammentreffen von Krankengeldansprüchen mit Ansprüchen auf Pension aus eigener Versicherung (Versehrtenrente) regelnden Bestimmungen; durch den angeordneten Ausschluß von nicht vertretbaren Doppelbezügen würden Krankengeldleistung und Pension (Versehrtenrente) funktionsgleich gestellt. Der Ruhenstatbestand des § 143 Abs 1 Z 3 rücke den Krankengeldanspruch gegenüber dem Entgeltanspruch in subsidiäre Position. Binder, der diese Überlegungen in gekürzter Form auch in Tomandl, SV-System
4. ErgLfg 240 vertritt, weist in der genannten Monographie 415 f auch zutreffend darauf hin, daß der ungeschmälerte Anfall von Entgelt- und Sozialleistungen selten sei. Dies hänge damit zusammen, daß die während der Zeit der Inaktivität gebührenden (Gesamt-)Bezüge das bei voller Erfüllung der Arbeitspflicht zustehende Arbeitsentgelt (vor allem im arbeitsmarktpolitischen Interesse) nicht übersteigen sollten, da andernfalls die Gefahr willentlicher (uU gar vorgetäuschter) Verwirklichung des Leistungsanspruches bestehe. Diese Obergrenze könnten allerdings nur für Leistungen gleicher Art und Funktion Geltung beanspruchen. Zu vermeiden sei auch eine Leistungskumulation, die sich lediglich daraus ergebe, daß infolge unterschiedlicher Regelungskompetenzen und mannigfacher Leistungsträger die Verflechtung der Sozialleistungen nicht mehr überschaubar sei.
Auch nach Tomandl, Das Leistungsrecht der österreichischen Unfallversicherung 135 f; SV-System 4. ErgLfg 349 f fällt die Versehrtenrente, wenn der Verletzte in der Krankenversicherung mit Krankengeldanspruch vesichert ist, erst mit dem tatsächlichen Wegfall des Krankengeldes aus der Krankenversicherung, spätestens jedoch mit Beginn der 27. Woche nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an. Das setze also ua voraus, daß Anspruch auf Krankengeld bestehe; nicht erforderlich sei, daß er auch geltend gemacht werde. Diesbezüglich beruft sich Tomandl am erstangeführten Ort in der FN 3 auf die E des Oberlandesgerichtes Wien 23. Jänner 1963 14 R 7/63 SVSlg 11.900a und b, nach der kein Fall des § 204 Abs 4 (nunmehr Abs 5), wonach die Versehrtenrente mit dem (Tage nach) Eintritt des Versicherungsfalles anfällt, gegeben sei, wenn es ein Versicherter verabsäumt, seinen abgelehnten Anspruch auf Krankengeld im Klagewege durchzusetzen. Auch Tomandl erblickt den Sinn der Regelung des § 204 Abs 1 im Ausschluß eines Doppelbezuges von Leistungen aus der Kranken- und Unfallversichrung.
Rechtliche Beurteilung
(Besteht daher zwar für eine durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursachte Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld aus der Krankenversicherung, ruht dieser Anspruch aber gemäß § 143 Abs 1 Z 2 oder 3 wegen Anstaltspflege oder Anspruches auf Weiterleistung von mehr als 50 vH der Bezüge bis zur 26. Woche nach Eintritt des Versicherungsfalles, so fällt die Versehrtenrente erst mit der 27. Woche nach dem Eintritt des Versicherungsfalles an.)
Zusammenfassend ergibt sich daher, daß die Versehrtenrente nach § 204 Abs 1 mangels eines früheren Wegfalles des Krankengeldes mit der 27. Woche nach dem Eintritt des Versicherungsfalles, also mit dem 1. August 1989 angefallen ist.
Deshalb war der Revision Folge zu geben und das angefochtene Urteil wie aus dem Spruch ersichtlich abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung der in dritter Instanz zur Gänze unterlegenen Klägerin beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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