Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen S 274.195,27 samt 4 % Zinsen aus S 183.845,90 von 5. 12. 1985 bis 13. 8. 1989 und 5 % Zinsen aus S 274.195,27 seit 14. 8. 1989 zu zahlen."
Der Beklagte ist weiters schuldig, dem Kläger binnen vierzehn Tagen die mit S 46.045,-- bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin S 6.807,50 Umsatzsteuer und S 5.200,-- Barauslagen), die mit S 29.610,80 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 3.601,80 Umsatzsteuer und S 8.000,-- Barauslagen) und die mit S 21.565,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.927,50 Umsatzsteuer und S 10.000,-- Barauslagen) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war Angestellter der (den Namen des Beklagten enthaltenden) Willibald T***** Gesellschaft mbH. Geschäftsführer und Alleingesellschafter dieser Gesellschaft war der Beklagte. Die Gesellschaft betrieb einerseits einen Automatenhandel und war andererseits Pächterin mehrerer gastronomischer Betriebe. Der Kläger war nur beim Automatenhandel tätig. Es steht ihm gegen die Gesellschaft eine unberichtigte Forderung von S 183.845,90 sA zu.
Ende 1986 endete das Pachtverhältnis der Gesellschaft über die gastronomischen Betriebe. Zwei der insgesamt fünf Betriebe (Pizzakeller, Kerzendiele) wurden daraufhin dem Beklagten von einem neuen Pächter unterverpachtet; der Beklagte führt sie seither unter seinem Namen also ohne den Zusatz Gesellschaft mbH weiter. Ein Betrieb (Diskothek) wurde für kurze Zeit anderweitig verpachtet, aber seit dem Jahr 1987 ebenfalls vom Beklagten als Unterpächter weitergeführt. Zwei Betriebe (Stadtcafe, Lokal in Wiener Neustadt) blieben endgültig anderweitig verpachtet.
Im Jänner 1987 verkaufte die Gesellschaft alle Spielautomaten an ein anderes Unternehmen. Am 26. August 1987 übertrug der Beklagte seine Geschäftsanteile an der Gesellschaft gemäß seiner Parteiaussage "den GesmbH-Mantel" an Tibor S*****, der auch neuer Geschäftsführer wurde. Die Gesellschaft wurde in der Folge liquidiert und gelöscht.
Der Jahresumsatz des Beklagten für die drei genannten gastronomischen Betriebe und einen weiteren auch schon früher von ihm allein geführten Betrieb ***** beträgt etwa 6 Mio S. Er hat insgesamt zehn Angestellte.
Auf Grund dieses Sachverhaltes nimmt der Kläger den Beklagten gemäß § 25 HGB für Kapital und Kosten des Vorprozesses in Anspruch und begehrt den der Höhe nach nicht strittigen Betrag von S 274.195,27 sA.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die Vorinstanzen waren der Ansicht, daß der Beklagte nur den kleineren Teil der früher von der Gesellschaft geführten Betriebe übernommen habe, auf welchen Fall § 25 HGB nicht anwendbar sei. Der Unternehmenskern der Gesellschaft habe aus dem Automatenhandel und aus den gastronomischen Betrieben bestanden, der Beklagte habe aber nur einige der gastronomischen Betriebe weitergeführt. Die Haftung nach § 1409 ABGB scheitere daran, daß die Gesellschaft dem Beklagten kein Unternehmen veräußert habe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes zulässig, weil soweit überblickbar keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Fallkonstellation vorhanden ist, daß eine Gesellschaft mbH ihre Gesamttätigkeit praktisch einstellt, ein nicht unerheblicher Teil der von ihr betriebenen Unternehmen aber unter der - abgesehen von dem auf die Gesellschaft hinweisenden Zusatz - gleichen Firma vom bisherigen Alleingesellschafter und Geschäftsführer nun als Einzelunternehmer fortgeführt wird.
Die Revision ist auch berechtigt.
Die Haftung nach § 1409 ABGB würde zwar auch bei der Veräußerung eines Teilbetriebes eintreten (JBl 1989, 256). Sie setzt aber eine rechtsgeschäftliche Veräußerung voraus. Erwiesen ist hier nur, daß der Beklagte einige gastronomische Betreibe, welche früher die Gesellschaft gepachtet hatte, von einer neuen Pächterin untergepachtet hat. Der neue Pächter (Unterpächter) haftet aber nach § 1409 ABGB nicht für die Schulden des alten Pächters.
Bei der Haftung nach § 25 HGB kommt es hingegen nicht auf eine rechtsgeschäftliche Veräußerung an, sondern es genügt jede Form des Erwerbes des Handelsgeschäftes zum Zwecke der Fortführung desselben, insbesondere auch der Erwerb durch Pacht (SZ 42/42; Schuhmacher in Straube, HGB, Rz 5 zu § 25 mwN).
Es mangelt auch nicht an der Fortführung des Unternehmens unter der bisherigen Firma. Denn eine solche liegt vor, wenn für das fortgeführte Unternehmen keine deutlich abweichende neue Firma angenommen und tatsächlich geführt wird (SZ 56/6 mwN). Das bloße Weglassen des früheren Gesellschaftszusatzes ist in diesem Zusammenhang bedeutungslos (Schlegelberger, HGB5, Rz 7 zu § 25; Würdinger in GroßKomm HGB3 Rz 11 zu § 25). Problematisch ist hingegen, ob der Beklagte auch den wesentlichen Kern des von der Gesellschaft betriebenen Handelsgeschäftes übernommen hat (SZ 56/6; RdW 1987, 255). Hätte die Gesellschaft nach Beendigung ihres Pachtverhältnisses den Automatenhandel noch weiter geführt, dann wäre die Entscheidung der Vorinstanzen zutreffend; denn dann wäre nicht der wesentliche Kern des Unternehmens, sondern nur ein anderer als der "forderungsbelastete" Teil desselben vom Beklagten fortgeführt worden (vgl Schuhmacher in Straube, HGB, Rz 7 zu § 25). Tatsächlich hat aber die Gesellschaft hier in einem mehr oder weniger einheitlichen Vorgang ihre gesamte Tätigkeit eingestellt. Sie bestand nur mehr auf dem Papier eine Weile fort. Der Beklagte hat später nur noch ihren "Mantel" verkauft. Die Gesellschaft behielt also nicht etwa einen erheblichen Teil ihres Unternehmenskerns und gab nur einen Teil desselben an den Beklagten weiter, sondern sie gab alle noch betriebenen Unternehmensteile an den Beklagten weiter. Werden Gesellschaft und Beklagter gedanklich als Einheit gesehen, dann schränkten beide zusammen nur ihren Betrieb ein, indem der Automatenhandel aufgelassen wurde und von den bisher gepachteten fünf gastronomischen Betrieben die nach Pachtende verbliebenen zwei und später drei fortgeführt wurden. In diesem eingeschränkten Umfang wurde aber dann das ganze Restunternehmen vom Beklagten fortgeführt. Die in der Revisionsbeantwortung des Beklagten näher behandelte "Unternehmensindentidät" wurde also gewahrt. Daß die Forderung des Klägers in einem Unternehmensteil entstanden ist, der (noch) von der Gesellschaft aufgelassen wurde und damit auch vom Beklagten nicht fortgeführt wurde, ist unerheblich.
Inwiefern die Haftung des Beklagten für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, deren Restbetriebe er alle fortführt, unbillig sein soll, ist nicht erkennbar. Im Gegenteil: Es wäre in hohem Maße unbillig, wenn der Kläger bei der Eintreibung seiner Forderung nur auf das nicht mehr vorhandene Vermögen der liquidierten und gelöschten Gesellschaft greifen könnte, während dem Beklagten zumindest der Wert der gastronomischen Betriebe (Lage, Kundenstock, Einrichtung), wenn nicht auch, worüber keine Feststellungen getroffen wurden, der Erlös aus dem Automatenverkauf zukam. Um sich von seiner Haftung zu befreien, hätte der Beklagte, auch wenn er als Einzelkaufmann gem § 18 Abs 1 HGB nur mit seinem bisher von der Gesellschaft benützten Namen firmieren konnte, mit der Gesellschaft mbH eine entsprechende Vereinbarung im Sinne des § 25 Abs 2 HGB treffen und diese ins Handelsregister eintragen oder dem Kläger sonst bekanntmachen müssen, was er aber nicht geltend macht.
Die Gesellschaft mbH war gemäß § 6 Abs 1 HGB Vollkaufmann (Straube in Straube, HGB, Rz 1 zu § 6). Aber auch der Beklagte ist Vollkaufmann. Als Gastwirt (der kein reiner Herbergswirt ist) betreibt er ein Handelsgeschäft nach § 1 Abs 2 Z 1 HGB (SZ 50/112). Die Betriebsgröße spricht gegen einen Minderkaufmann. Selbst der vom Beklagten zunächst übernommene Unternehmensrest weist einen Umfang auf, der über den Umfang des Kleingewerbes im Sinne des § 4 Abs 1 HGB hinausgeht. Der Jahresumsatz für die zwei unmittelbar übernommenen gastronomischen Betriebe (Pizzakeller und Kerzendiele) wurde mit 3 Mio S festgestellt, allein in diesen beiden Betrieben sind sechs Angestellte beschäftigt. Umsomehr gilt dies, wenn man den Gesamtumsatz aller vom Beklagten geführten Betriebe von etwa 6 Mio S und die Gesamtzahl von zehn Angestellten berücksichtigt. Das Unternehmen des Beklagten erfordert somit einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb (den der Beklagte selbst in seiner Parteienaussage dahin beschrieb, daß er bilanziere, daß die Grundaufzeichnungen durch eine fünfmal pro Woche je drei Stunden tätige Arbeitskraft verrichtet würden und daß die Lohnverrechnung und sonstige Buchhaltung durch einen Steuerberater besorgt werde).
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
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