OGH 10ObS100/91

OGH10ObS100/9125.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Leopold Ramharter und Dr.Edith Söllner (beide AG) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria N***** vertreten durch Dr.Sonja Schröder, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Revisionsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Dezember 1990, GZ 5 Rs 155/90-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 20.September 1990, GZ 47 Cgs 81/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 1.1.1990 verstorbene Ehemann der Klägerin und diese waren jeweils Alleineigentümer einer Anzahl von land- und forstwirtschaftlich genutzten Liegenschaften, die zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehörten. Mit einem Vertrag vom 17.4.1976 übergab der Ehemann der Klägerin einen Teil der Liegenschaften dem Sohn der beiden Eheleute und verpachtete ihm weitere Grundstücke. Dieser räumte als Gegenleistung für die Übergabe der Liegenschaften seinen Eltern das Wohnrecht an Teilen des ihm übergebenen Hauses ein und verpflichtete sich überdies zur Leistung des Unterhalts in natura und eines wertgesicherten "Taschengeldes" von je S 1.000. Die Klägerin übergab mit demselben Vertrag einen Teil ihrer Grundstücke den beiden Töchtern und verpachtete darin außerdem ein einzelnes Grundstück ihrem Sohn.

Der Nachlaß des Ehemanns der Klägerin, zu dem auch die nichtübergebenen, dem Sohn verpachteten, und somit im Alleineigentum des Erblassers verbliebenen Liegenschaften gehörten, wurde der Klägerin eingeantwortet. Diese schenkte die Liegenschaften mit Vertrag vom 9.2.1990 ihrem Sohn.

Die beklagte Partei stellte die der Klägerin gebührende Witwenpension mit S 2.089 monatlich fest und entschied, daß sie keinen Anspruch auf Ausgleichszulage hat. Sie berücksichtigte dabei für die der Klägerin zustehende volle freie Station S 2.082,60 und ein (aufgewertetes) Taschengeld von S 1.598,60 als monatliches Einkommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin ab 1.2.1990 die Ausgleichszulage ohne Anrechnung eines Betrages für die volle freie Station und des wertgesicherten Taschengeldes und somit im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, ab. Es war rechtlich der Meinung, daß die Übergabe der im Erbweg erworbenen Grundstücke nicht gemäß § 140 Abs 7 BSVG zu einer Pauschalanrechnung führe, weil die Klägerin diese Grundstücke nie selbst bewirtschaftet habe. Die Übergabe im Jahr 1976 führe nicht zu einer Pauschalanrechnung, weil sie schon mehr als zehn Jahre vor dem Stichtag zurückliege. Es sei vielmehr gemäß § 140 Abs 3 BSVG der Wert der vollen freien Station und das Taschengeld als Einkommen zu berücksichtigen, das Taschengeld deshalb, weil hierauf von den Finanzbehörden bei der für die Zwecke der Lohnsteuer vorgenommenen Bewertung der vollen freien Station nicht Bedacht genommen werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der der Klägerin zustehende Anspruch auf freie Station und Taschengeld sei nicht auf die Übergabe des Jahres 1990, sondern auf jene des Jahres 1976 zurückzuführen, weshalb die zweite Übergabe nicht hindere, daß die der Klägerin zustehenden Leistungen mit dem tatsächlichen Wert angerechnet würden. Die aus Anlaß der ersten Übergabe vereinbarten Leistungen könnten nicht gemäß § 140 Abs 7 BSVG bloß pauschal berücksichtigt werden, weil die Übergabe länger als zehn Jahre vor dem Stichtag zurückliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, inhaltlich auch wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung, mit dem Antrag, es im Sinn des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung (an ein nicht näher bezeichnetes Gericht) zurückzuverweisen.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Die Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Soweit die Klägerin die Feststellung des Erstgerichtes bekämpft, daß sie nie "einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet" hat, macht sie keinen der Revisionsgründe geltend, die in dem gemäß § 2 Abs 1 ASGG auch für Sozialrechtssachen maßgebenden § 503 ZPO erschöpfend aufgezählt sind. Im übrigen ist die bekämpfte Feststellung für die rechtliche Beurteilung der Sache ohne Bedeutung.

Nach dem Gesetz (hier nach § 140 Abs 1 bis 3 BSVG) ist bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage das Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten und gegebenenfalls seines im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten grundsätzlich in der Höhe zu berücksichtigen, in der es ihm oder seinem Ehegatten zufließt, wobei für die Bewertung von Sachbezügen eine besondere Regelung getroffen wurde. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß Einkünfte in der tatsächlich zufließenden Höhe zu berücksichtigen sind, enthalten die Abs 7 bis 12 des § 140 BSVG für den Fall, daß die Bewirtschaftung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben oder der Betrieb übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen wurde und dieser Vorgang nicht mehr als zehn Jahre, gerechnet vom Stichtag, zurückliegt. In diesem Fall ist ein Einkommen unabhängig davon zu berücksichtigen, ob und in welcher Höhe eine Gegenleistung ausbedungen wurde und - mit der Einschränkung des Abs 8 - erbracht wird. Überdies ist für die Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens auch dann, wenn dem Pensionsberechtigten oder seinem Ehegatten tatsächlich ein höherer Betrag zukommt, nur der im Gesetz festgelegte, vom Einheitswert und - seit der 14. BSVGNov BGBl 1989/644 - auch vom Richtsatz abhängige Betrag maßgebend.

Der Oberste Gerichtshof verkennt nicht, daß diese Gesetzeslage zu einem möglicherweise als unbillig empfundenen Ergebnis führen kann, wenn die Aufgabe, Übergabe, Verpachtung oder sonstige Überlassung des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes länger als zehn Jahre vor dem Stichtag zurückliegt, weil dann bei der Feststellung des Anspruchs auf Ausgleichszulage unter Umständen höhere Einkünfte berücksichtigt werden müssen, als nach den Grundsätzen der Pauschalanrechnung zu berücksichtigen wären. Aus der Entstehungsgeschichte der in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen ergeben sich auch gewisse Anhaltspunkte dafür, daß dies vom Gesetzgeber nicht gewollt war. Im § 85 Abs 3 des Bauern-Pensionsversicherungsgesetzes BGBl 1970/28 war nämlich ebenso wie noch in der Regierungsvorlage (406 BlgNR 13. GP) zur Zweiten Novelle zu diesem Gesetz BGBl 1973/73, mit der die Frist von damals 15 Jahren eingeführt wurde, die Pauschalanrechnung unabhängig davon vorgesehen, wie lange die Aufgabe, Übergabe, Verpachtung oder sonstige Überlassung des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes zurücklag. Die Frist wurde, wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt (vgl 578 BlgNr 13. GP 6 und 1286 BlgNR 13. GP 17 f zu dem das Vorbild bildenden § 292 Abs 8 ASVG), nur vorgesehen, um Härtefälle zum Nachteil des Pensionsberechtigten zu vermeiden. Der eindeutige Gesetzeswortlaut, der die Pauschalanrechnung bloß zuläßt, wenn die Aufgabe, Übergabe, Verpachtung oder sonstige Überlassung des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes nicht länger als zehn Jahre vor dem Stichtag zurückliegt und überdies (im § 140 Abs 9 BSVG) nur für diese Fälle eine Regelung für die Ermittlung des Einheitswerts trifft, verbietet es aber, auf einen aus den Gesetzesmaterialien allenfalls hervorleuchtenden abweichenden Willen des Gesetzgebers Bedacht zu nehmen (vgl SZ 45/64; SZ 47/65; RZ 1983/45 ua). Der Oberste Gerichtshof hat gegen die getroffene Regelung auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, weil die verschiedenen Zeiträume, in denen die zu beurteilenden Vorgänge liegen, einen wesentlichen Unterschied im Tatsächlichen bilden, der eine unterschiedliche Regelung rechtfertigt (VfSlg 7947 und 8600 sowie allgemein zur Pauschalierung SSV-NF 3/52 und 3/94).

Das der Klägerin zustehende Wohnrecht und die ihr zustehenden Ausgedingsleistungen stellen die Gegenleistung für die Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebes dar, die im Jahr 1976 stattfand und somit länger als zehn Jahre vor dem Stichtag zurückliegt. Die Vorinstanzen haben daher schon aus diesem Grund zutreffend die Anwendung der Ausnahmeregelung des § 140 Abs 7 BSVG abgelehnt. Unter diesen Umständen muß nicht erörtert werden, ob die angeführte Bestimmung hier auch deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Klägerin nicht Eigentümerin der Grundstücke war, die dem zur Erbringung der Gegenleistung verpflichteten Sohn übergeben wurden.

Ist aber § 140 Abs 7 BSVG nicht anzuwenden, so sind das Wohnrecht und die Ausgedingsleistungen nach dem vorangehenden Abs 3 als Einkommen zu berücksichtigen. Dafür ist es entgegen der von der Klägerin in der Revision vertretenen Meinung ohne Bedeutung, daß sie später ihrem Sohn weitere, diesem vom verstorbenen Vater schon verpachtet gewesene Grundstücke auf Grund eines Schenkungsvertrags übergab. Dies könnte nur zusätzlich zu einer Pauschalanrechnung führen, kann aber auf die Art, in der Leistungen zu berückschtigen sind, die aus Anlaß der Übergabe anderer Grundstücke vereinbart wurden, keinen Einfluß haben. Etwas anders ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 10 Ob S 279/89 (= SSV-NF 4/44), deren Inhalt in der Revision mißverstanden wird. Sie bezieht sich nämlich nur auf den Fall, daß dieselben Grundstücke mehrfach einem der in § 140 Abs 7 BSVG genannten Vorgänge unterliegen.

Gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß die Klägerin keinen Anspruch auf Ausgleichszulage hat, wenn die ihr gebührenden Leistungen gemäß § 140 Abs 3 BSVG berücksichtigt werden, wird in der Revision nichts vorgebracht, weshalb sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt sieht, hierauf einzugehen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG (SSV-NF 1/19 ua).

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