OGH 6Ob572/91

OGH6Ob572/9120.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Redl, Dr. Kellner und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes *****, geboren am 5.April 1975, Lehrling, im Haushalt der Mutter *****, in Verfolgung der Unterhaltsansprüche vertreten durch den Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten als Unterhaltssachwalter, wegen Herabsetzung des vom Vater ***** gesetzlich geschuldeten Unterhalts, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen gegen den Beschluß des Landesgerichtes St.Pölten als Rekursgericht vom 27. März 1991, AZ R 720/90(ON 118), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St.Pölten vom 9.November 1990, GZ 2 P 165/78-112, teils bestätigt und teils abgeändert wurde,

folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das pflegebefohlene Mädchen wurde am 5.April 1975 geboren. Die Ehe ihrer Eltern wurde im Herbst 1979 geschieden. Der vom Vater zu zahlende monatliche Unterhalt wurde zunächst durch eine pflegschaftsgerichtlich genehmigte Vereinbarung der Eltern im Scheidungsverfahren betraglich bestimmt und in der Folge mehrfach den geänderten Verhältnissen angepaßt (ON 51, ON 73, ON 93). Mit der Entscheidung vom 25.Mai 1988 (ON 93) wurde die monatliche Unterhaltszahlungsverpflichtung des Vaters für seine Tochter für die Zeit ab 17.Januar 1988 mit 2.100 S festgesetzt. Dabei wurde ein monatliches Durchschnittseinkommen des Vaters von 15.140 S sowie dessen konkurrierende Sorgepflichten für seine nunmehrige Ehefrau, zwei Kinder aus dieser neuen Ehe sowie die Sorgepflicht für den erst teilweise selbsterhaltungsfähigen Bruder der Minderjährigen zugrundegelegt.

In der Zwischenzeit entfiel die letztgenannte Sorgepflicht, andererseits trat aber eine neue Sorgepflicht für den am 27.Juni 1989 geborenen Halbbruder der Minderjährigen hinzu, der älteste, am 12.Mai 1983 geborene Halbbruder erreichte das schulpflichtige Alter, die Minderjährige selbst überschritt das Pflichtschulalter, wurde Lehrling im ersten Lehrjahr und bezieht nun als solcher im Monatsdurchschnitt ein Nettolehrlingsentgelt von 3.400 S; dagegen verminderte sich das durchschnittliche Monatsnettoeinkommen des Vaters auf 13.000 S.

Mit dem am 16.Oktober 1990 zu gerichtlichem Protokoll erklärten Antrag begehrte der Vater die Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtung für das inzwischen 15 1/2 Jahre alte Mädchen für die Zeit ab 1.September 1990 auf 1.100 S. Dieses Begehren begründete er mit der teilweisen Selbsterhaltungsfähigkeit seiner Lehrlingsentschädigung beziehenden Tochter.

Das Pflegschaftsgericht setzte unter Abweisung des darüber hinausgehenden Begehrens die monatliche Unterhaltspflicht des Vaters für seine Tochter für die Zeit ab 1.September 1990 von 2.100 S auf 1.600 S herab.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Herabsetzung erhobenen Rekurs des Unterhaltssachwalters nicht statt, wohl aber dem Rekurs des Vaters insoweit, als es dessen monatliche Unterhaltsverpflichtung um weitere 400 S auf 1.200 S verminderte. Dazu sprach es aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil das Rekursgericht sich der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen Bedachtnahme auf den Richtsatz des § 293 Abs 1 lit a/bb ASVG zur Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit eines in das Erwerbsleben eintretenden jungen Menschen nicht anzuschließen vermöchte.

Das durch seinen Unterhaltssachwalter vertretene Mädchen ficht die Rekursentscheidung wegen qualifiziert unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf völlige Abweisung des Herabsetzungsbegehrens zielenden Abänderungsantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Rekursgericht in bewußter Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung dargelegte Ablehnung des Richtsatzes nach § 293 Abs 1 lit a/bb ASVG auch als bloße Orientierungshilfe für die Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit stellt für die angefochtene Rekursentscheidung keine tragende Begründung dar. Das Rekursgericht selbst bezeichnete diese Frage für den zur Entscheidung vorliegenden Fall als "nur von untergeordneter Bedeutung", betonte und beachtete auch das Gebot, jede Unterhaltsbemessung unter Vermeidung schematischer Behandlung nach den Umständen des konkreten Einzelfalles vorzunehmen, wobei der nicht durch Ausbildungs- und Werbekosten verbrauchte Teil einer Lehrlingsentschädigung als eigene Einkünfte im Sinne des § 140 Abs 3 ABGB zu behandeln sei und auch für den bloß ergänzenden Unterhaltsanspruch eines Kindes, dessen Lebenshaltungsaufwand teilweise durch eigene Einkünfte gedeckt sei, der im § 140 Abs 1 ABGB normierte Grundsatz des angemessenen Teilhabens an den Lebensverhältnissen der Eltern uneingeschränkt zu gelten habe.

Auf dieser zutreffenden und mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in vollem Einklang stehenden grundsätzlichen Beurteilung gelangte das Rekursgericht - in der unbestrittenen Annahme einer in mehrfacher Beziehung eingetretenen wesentlichen Änderung der Bemessungsgrundlagen seit der im Frühjahr 1988 ergangenen Entscheidung - zu einer Neubemessung des Unterhaltes, die nach den festgestellten Lebensverhältnissen beider Elternteile (die ebenfalls wiederverehelichte Mutter der Minderjährigen hat ein Kind aus ihrer zweiten Ehe zu betreuen und bezieht nur als teilzeitbeschäftigte Verkäuferin ein bescheidenes Einkommen) in erkennbarer und nachvollziehbarer Weise bemüht war, den vom Vater seiner im ersten Lehrjahr stehenden Tochter zu leistenden Unterhalt so auszumitteln, daß der Unterhaltsbetrag einem angemessenen Teilhaben entspreche. Dabei hat das Rekursgericht in anschaulicher Weise die rein rechnerischen Ergebnisse einer Mittelverteilung im Sinne der nach dem Standpunkt der Revisionsrekurswerberin aufrecht zu erhaltenden bisherigen Unterhaltsverpflichtung von 2.100 S monatlich einerseits der vom Rekursgericht als angemessen erachteten Verteilung andererseits gegenübergestellt. Darin lag die tatsächliche, die angefochtene Rekursentscheidung allein tragende Begründung, deren Ergebnis augenscheinlich keinen anerkannten Unterhaltsbemessungsgrundsatz vernachlässigt.

Es besteht daher im vorliegenden Fall keine Notwendigkeit zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den vom Rekursgericht im Gleichklang mit anderen Entscheidungsbegründungen entwickelten Thesen zur Beurteilung der Selbsterhaltungsfähigkeit eines in das Berufsleben eintretenden Jugendlichen, in Sonderheit eines Lehrlings. Das Revisionsrekursgericht hat dazu im übrigen bereits in seiner Entscheidung vom 20.März 1991, 1 Ob 521/91, deutlich Stellung bezogen. Im vorliegenden Fall bestand dazu aber mangels Erheblichkeit der rekursgerichtlichen Thesen für die zu treffende Entscheidung kein Anlaß.

Damit erweist sich aber der Revisionsrekurs im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG als unzulässig.

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