Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 16.437,88 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.739,65 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 15.Juli 1988 ereignete sich um 11.50 Uhr in Bregenz-Vorkloster auf der Kreuzung der Rheinstraße (B 202) mit der Heldendankstraße im Ortsgebiet ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Radfahrerin und der Erstbeklagte als Lenker des dem Zweitbeklagten gehörigen und bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten LKW der Marke MAN beteiligt waren. Wegen dieses Unfalls, bei dem die Klägerin schwer verletzt wurde, wurde der Erstbeklagte des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster SatzStGB rechtskräftig schuldig erkannt, weil er bei seinem Rechtsabbiegemanöver von der Rheinstraße in die Heldendankstraße die gebotene besondere Aufmerksamkeit dadurch außer Acht gelassen habe, daß er sich jedenfalls nicht entsprechend vom etwaigen Nachfolgeverkehr bzw Verkehr auf gleicher Höhe vergewissert habe.
Mit der am 2.Mai 1989 erhobenen Klage begehrte die Klägerin aus dem Titel des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall - vom alleinigen Verschulden des Erstbeklagten ausgehend - nach Ausdehnung des Klagebegehrens den Zuspruch von 300.000 S an Schmerzengeld und für die Abgeltung der Ansprüche für die Verwendung einer Haushaltshilfe zuletzt den Betrag von 52.000 S für die Vergangenheit und einer monatlichen Rente in der Höhe von 1.500 S für die Zukunft; darüber hinaus stellte sie ein entsprechendes Feststellungsbegehren. Sie sei mit ihrem Fahrrad auf dem Fahrradstreifen der Rheinstraße in Richtung Hard gefahren. Vor der Haltelinie der Kreuzung Rheinstraße mit der Heldendankstraße sei sie stehen geblieben, weil die Ampel Rot gezeigt hätte. Nach dem Umschalten auf Grün sei sie in Richtung Hard losgefahren und kurz darauf vom LKW des Zweitbeklagten niedergestoßen worden. Den Erstbeklagten treffe das Alleinverschulden an dem Unfall, weil er sich bei seinem Einbiegemanöver nicht vom Verkehr auf dem Fahrradstreifen vergewissert und ihren Vorrang verletzt habe.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Klägerin ungeachtet der strafgerichtlichen Verurteilung des Erstbeklagten das überwiegende Mitverschulden an dem Unfall treffe. Der LKW sei bereits rechtsblinkend vor der Kreuzung gestanden, als sich die Klägerin auf dem Fahrradstreifen in derselben Richtung der Kreuzung genähert habe. Nach Umschalten der Ampel auf Grün seien sowohl der Erstbeklagte als auch die Klägerin angefahren, wobei die Klägerin weder das Blinkzeichen des LKWs beachtet noch ihrer Wartepflicht entsprochen hätte. Nach der zur Unfallszeit geltenden Fassung des § 16 Abs 6 StVO sei nämlich den Fahrzeugen im Fließverkehr der Vorrang gegenüber Fahrzeugen, die von Radfahrstreifen kommen, zugekommen.
Mit Teilanerkanntnisurteil vom 7.Juni 1989 (ON 5 dA) wurde festgestellt, daß die Beklagten - die Drittbeklagte jedoch nur bis zur Höhe der Versicherungssumme des LKW - zur ungeteilten Hand der Klägerin zu einem Viertel für sämtliche Unfallsschäden haften. Am 6.Juni 1989 leistete die Drittbeklagte zur Abgeltung eines Viertels des der Höhe nach mit 130.000 S anerkannten Schmerzengeldanspruches und der Haushaltshilfekosten von 32.000 S einschließlich darauf entfallender Zinsen eine Zahlung von
41.175 S.
Das Erstgericht verpflichtete die beklagten Parteien im ersten Rechtsgang - unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 140.500 S sA - zur Zahlung von 159.500 S sA sowie zur Leistung einer monatlichen Rente von 1.500 S ab 1.Dezember 1989 an die Klägerin; dem - nach dem Teilanerkenntnis noch
offenen - Feststellungsbegehren gab es vollinhaltlich statt. Rechtlich vertrat es unter Hinweis auf die Entscheidung ZVR 1976/217 die Auffassung, daß der Klägerin der Vorrang vor dem nach rechts einbiegenden LKW zugekommen sei. Diesen Vorrang habe der Erstbeklagte mißachtet. Die Klägerin habe den Unfall nicht mehr verhindern können.
Das Gericht zweiter Instanz gab den von beiden Seiten erhobenen Berufungen Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Ansicht, daß die Klägerin im Kreuzungsbereich selbst, der keinen Radfahrstreifen im Sinne des § 2 Abs 2 Z 7 StVO aufgewiesen habe, ebenso wie der Erstbeklagte die Hauptfahrbahn der Rheinstraße benützt habe und diesem deshalb als "gleichberechtigter" Verkehrsteilnehmer gegenübergestanden sei; da es sich bei einem Radfahrstreifen um keine Nebenfahrbahn im Sinne des § 2 Abs 1 Z 4 StVO handle, sei dem Erstbeklagten die Ausnahmeregelung des § 38 Abs 4 letzter Satz StVO nicht zustatten gekommen und sei es ihm nach dem zweiten Satz der genannten Gesetzesstelle in der Fassung vor der am 1.März 1989 in Kraft getretenen 15.StVO-Novelle verboten gewesen, die Benützer der freigegebenen Fahrstreifen, zu denen auch die bei Grünlicht geradeaus weiterfahrende Klägerin gehört habe, zu behindern oder zu gefährden. Das Berufungsgericht billigte daher die Ansicht des Erstgerichtes, der wartepflichtige Erstbeklagte hätte die auf der freigegebenen Verkehrsfläche geradeaus fahrende bevorrangte Klägerin durch sein Einbiegen nicht zu einem unvermittelten Abbremsen ihres Fahrzeuges nötigen bzw behindern dürfen. Die in der Entscheidung ZVR 1976/217 dargelegten Grundsätze seien also ohne jede Einschränkung auf den vorliegenden Fall anwendbar, um so mehr, als die Klägerin nicht wie dort einen Radstreifen sondern im Kreuzungsbereich die gleiche Verkehrsfläche wie der Erstbeklagte befahren habe. Da die Feststellungen des Erstgerichtes zur endgültigen Bemessung des der Klägerin gebührenden Schmerzengeldes und der sogenannten "Hausfrauenrente" nicht ausreichten, sei die Rechtssache noch nicht spruchreif und daher an das Erstgericht zurückzuverweisen gewesen.
Im zweiten Rechtsgang verurteilte das Erstgericht die beklagten Parteien zur Zahlung von 190.825 S sA sowie zur Leistung einer monatlichen Rente von 1.500 S ab September 1990, wobei es das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 120.000 S sA abwies; im übrigen stellte es auch die Haftung der beklagten Parteien - über das genannte Teilanerkenntnisurteil hinaus - zu weiteren 3/4 der zukünftigen Schäden der Klägerin aus dem gegenständlichen Unfall fest. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im wesentlichen noch folgende für das Revisionsverfahren, in dem lediglich das Ausmaß des Mitverschuldens der Klägerin strittig geblieben ist, bedeutsame Feststellungen:
Die von Bregenz-Stadt in Richtung Hard führende Rheinstraße weist im Unfallskreuzungsbereich 3 Fahrspuren auf. Zu beiden Seiten der Fahrbahn befinden sich 1,20 m breite Fahrradstreifen, die durch eine Sperrlinie von der Hauptfahrbahn getrennt sind. Die Kreuzung der Rheinstraße mit der Heldendankstraße ist ampelgeregelt, wobei in Richtung Hard an der Rheinstraße 2 Verkehrsampeln angebracht sind, eine für den Linksabbiegeverkehr, die andere für geradeaus fahrende bzw rechtsabbiegende Verkehrsteilnehmer. Der - in Richtung Hard gesehen - an der Rheinstraße rechts befindliche Fahrstreifen endet an der Haltelinie vor der Ampel, wobei sich diese Linie 3 m vor dem über die Rheinstraße führenden 2,90 m breiten "Zebrastreifen" befindet. Die Heldendankstraße trifft schräg auf die Rheinstraße, wobei sich rechts von der gegenständlichen Ampel der spitze Winkel befindet. Nach der Kreuzung der beiden Straßen führt der Fahrradstreifen entlang der Rheinstraße Richtung Hard weiter, wobei er ebenfalls durch eine Sperrlinie von der Hauptfahrbahn getrennt ist und eine Breite von 1,20 m aufweist. Im Kreuzungsbereich selbst ist kein Fahrradstreifen vorhanden.
Vor dem gegenständlichen Verkehrsunfall war der Erstbeklagte mit dem LKW des Zweitbeklagten aus Richtung Bregenz-Stadt kommend auf der Rheinstraße Richtung Hard unterwegs; er beabsichtigte, an der späteren Unfallskreuzung nach rechts in die Heldendankstraße einzubiegen. Aufgrund der Ampelstellung auf "Rot" hielt der Erstbeklagte den LKW auf der Rheinstraße vor der Haltelinie desjenigen Fahrstreifens an, der für die geradeaus Richtung Hard fahrenden bzw für die nach rechts in die Heldendankstraße einbiegenden Verkehrsteilnehmer vorgesehen ist. Ob der Erstbeklagte am LKW zum Zeitpunkt des Stehenbleibens oder in der Folge den rechten Blinker eingeschaltet hatte oder nicht, konnte nicht festgestellt werden. Zur selben Zeit, als der LKW an der Haltelinie der Unfallskreuzung stand, befand sich die Klägerin mit ihrem Fahrrad auf gleicher Höhe vor der Haltelinie, aber auf dem rechts befindlichen Fahrradstreifen; sie wartete ebenfalls auf die Grünphase, um in der Folge geradeaus in Richtung Hard weiterzufahren. Ein allfälliges Blinkzeichen am LKW des Zweitbeklagten wäre für die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bei entsprechender Aufmerksamkeit erkennbar gewesen. Welches der beiden Fahrzeuge vor bzw nach dem jeweiligen anderen Fahrzeug zur Kreuzung gelangt ist bzw an der dortigen Haltelinie stehen geblieben war, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden. Nach dem Umschalten der Ampel auf "Grün" fuhren sowohl der Erstbeklagte mit dem LKW als auch die Klägerin mit ihrem Fahrrad los. Für den Erstbeklagten wäre die Klägerin mit ihrem Fahrrad sowohl zum Zeitpunkt, als sie an der Haltelinie stand, als auch beim Anfahren in dem am LKW angebrachten Rampenspiegel erkennbar gewesen. Ohne die Klägerin zu beobachten bzw zu bemerken, fuhr der Erstbeklagte an. Er mußte zuerst etwas geradeaus fahren, da er aufgrund der Länge des LKWs bei der gegebenen Verkehrssituation nicht gleich nach rechts einbiegen konnte. Nach Zurücklegung einer Wegstrecke von etwa 11 m, wozu der LKW ungefähr 5 sec benötigte, kam es zur Kollision mit dem Fahrrad bzw der Klägerin: Im Kollisionszeitpunkt befand sich der LKW bereits im Einbiegevorgang, und zwar mit einer Fahrgeschwindigkeit von etwa 12 km/h. Aufgrund der Schräglage des LKWs erkannte die Klägerin bzw konnte sie erst 1,5 sec vor der Kollision erkennen, daß der LKW nach rechts einbiegen werde. In der abzüglich einer Reaktionszeit von 1 sec verbliebenen Restzeit von 0,5 sec konnte die Klägerin keine wirksame Abwehrmaßnahme mehr setzen. Unmittelbar vor der Kollision stürzte die Klägerin nach links vor der Front zwischen den beiden vorderen Rädern des LKWs. Ob der Stabilitätsverlust der Klägerin auf eine Streifung durch den LKW oder auf eine versuchte Abwehrmaßnahme zurückzuführen ist, konnte auch nicht mehr festgestellt werden. Der LKW des Erstbeklagten überrollte mit dem rechten Vorderrad das Fahrrad der Klägerin, die unter demselben zu liegen kam. Der Erstbeklagte leitete in einer Reaktionszeit von 1 sec eine normale Bremsung ein und erreichte nach Zurücklegung einer Wegstrecke von ca 7,5 m die Unfallsendlage. Der Erstbeklagte bemerkte die Klägerin erst durch die Kollision mit ihr bzw beim Überrollen des Fahrrades und der Klägerin.
Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht im Hinblick auf die aus der Verurteilung des Erstbeklagten im Strafverfahren gemäß § 268 ZPO sich ergebende Bindung davon aus, daß der Erstbeklagte die bei seinem Rechtsabbiegemanöver gebotene besondere Aufmerksamkeit außer Acht gelassen habe, indem er sich nicht, jedenfalls nicht entsprechend, vom etwaigen Nachfolgeverkehr bzw Verkehr etwa auf der gleichen Höhe vergewissert habe. Der Klägerin sei kein Verschulden nachzuweisen. Da sie sich nicht auf einer Nebenfahrbahn im Sinne des § 2 Abs 1 Z 4 StVO, sondern auf einem Fahrradstreifen befunden habe, komme dem Erstbeklagten die Ausnahmeregelung des § 38 Abs 4 letzter Satz StVO nicht zustatten und es sei ihm nach dem zweiten Satz der genannten Gesetzesstelle in der Fassung der vor dem 1.März 1989 in Kraft getretenen
15. StVO-Novelle verboten gewesen, die Benützer der freigegebenen Fahrstreifen, zu denen auch die bei Grünlicht geradeaus weiterfahrende Klägerin gehört habe, zu behindern oder zu gefährden. Der wartepflichtige Erstbeklagte hätte daher die auf der freigegebenen Verkehrsfläche geradeaus fahrende bevorrangte Klägerin durch sein Einbiegen nicht zu einem unvermittelten Abbremsen ihres Fahrzeuges nötigen bzw behindern dürfen. Da für die Klägerin die Kollision nicht vermeidbar gewesen sei, habe der Erstbeklagte das Alleinverschulden an dem Unfall zu vertreten. Davon ausgehend sprach das Erstgericht der Klägerin ein Schmerzengeld von 180.000 S und aus dem Titel des Ersatzes für eine Haushaltshilfe für die Zeit bis 31.August 1990 einen Betrag von 52.000 S und ab 1.September 1990 für die Zukunft eine monatliche Rente von 1.500 S zu, wobei es die von den Beklagten geleistete Teilzahlung vom Kapitalbetrag in Abzug brachte und die Haftung der Beklagten - über das Teilanerkenntnisurteil vom 7. Juni 1989 hinaus - zu weiteren drei Viertel der zukünftigen Schäden der Klägerin aus dem Unfall vom 15.Juli 1988 feststellte (Pkt 1 bis 3 des Tenors), hingegen das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 120.000 S sA abwies.
Das Gericht zweiter Instanz verwarf die von den Beklagten erhobene Berufung, insoweit sie Nichtigkeit geltend machten und gab dieser Berufung im übrigen keine Folge. Hingegen änderte das Berufungsgericht in teilweiser Stattgebung der Berufung der Klägerin die Entscheidung des Erstgerichtes in seinem Ausspruch über das Leistungsbegehren dahin ab, daß es das der Klägerin zugesprochene Schmerzengeld auf insgesamt 250.000 S erhöhte und davon ausgehend der Klägerin einen Betrag von 260.825 S samt stufenweisen Zinsen unter Abweisung eines Mehrbegehrens von 50.000 S sA zusprach, in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung einer monatlichen Rente von 1.500 S ab September 1990 verurteilte und dem Feststellungsbegehren zu weiteren 3/4 für sämtliche zukünftigen Schäden aus dem gegenständlichen Unfall unter Beschränkung der Haftung der Drittbeklagten mit der Höhe der für den LKW bestehenden Versicherungssumme stattgab, wobei es die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig erklärte.
Dem von den Beklagten in ihrer Berufung wie im ersten Rechtsgang vertretenen Standpunkt, wonach nicht der Erstbeklagte, sondern die Klägerin wartepflichtig gewesen und deshalb eine Verschuldensteilung von 3 : 1 zu Lasten der Klägerin angemessen sei, hielt das Berufungsgericht entgegen, daß es diese Rechtsansicht bereits in seinem im ersten Rechtgang gefaßten Aufhebungsbeschluß abgelehnt habe, so daß es zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Ausführungen in diesem Beschluß verwies.
Bei Erledigung der in beiden Berufungen hinsichtlich der Höhe des Schmerzengeldes erhobenen Rechtsrügen ging das Berufungsgericht somit vom alleinigen Verschulden des Erstbeklagten an dem Unfall aus, wobei es zur Ansicht gelangte, daß doch ein Globalschmerzengeld von 250.000 S angemessen sei.
Gegen dieses Urteil des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen - von einer Verschuldensteilung im Verhältnis 3 : 1 zu Lasten der Klägerin - im Sinne des Zuspruches eines Betrages von 34.325 S samt stufenweisen Zinsen und einer monatlichen Rente von 375 S ab September 1990 sowie der Abweisung des über das Teilanerkanntnisurteil vom 7.Juni 1989 hinausgehenden Feststellungsmehrbegehren abzuändern; hilfsweise stellten sie im Umfang der Anfechtung einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin machte von der ihr eingeräumten Möglichkeit, eine Revisionsbeantwortung zu erstatten, Gebrauch und beantragte, der außerordentlichen Revision der Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage des Vorfahrtsrechtes auf ampelgeregelten Kreuzungen ohne durchgehenden Radfahrstreifen im Kreuzungsbereich zur Rechtslage nach der 10.StVO-Novelle nicht vorhanden ist und der Lösung dieser Rechtsfrage doch im Hinblick darauf erhebliche Bedeutung zukommt, daß die Notwendigkeit, noch gleichgelagerte Fälle zu entscheiden, nicht auszuschließen ist. Die Entscheidung ZVR 1988/13 erging zur Rechtslage vor der 10.StVO-Novelle, im Falle der Entscheidung ZVR 1976/217 war für Radfahrer auf der Kreuzung eine "markierte Verkehrsfläche" vorhanden. Die Revision ist aber nicht berechtigt.
Bei Lösung der im Revisionsverfahren allein strittig gebliebenen Frage, wem von den Unfallsbeteiligten das Vorfahrtsrecht zustand, ist von der zur Unfallszeit (15.Juli 1988) in Geltung stehenden Fassung der anzuwendenden Bestimmungen der StVO auszugehen. Nach § 68 Abs 2 zweiter Satz StVO id Fassung vor der am 1.Juli 1983 in Kraft getretenen 10.StVO-Novelle durften Radfahrer beim Einbiegen von Radwegen oder Radfahrstreifen auf die Fahrbahn andere Straßenbenützer weder gefährden noch behindern, wobei die Rechtsprechung keinen Unterschied machte, ob der Radfahrer in die gleiche Fahrtrichtung einbog oder die Fahrbahn überquerte (2 Ob 361/70; ZVR 1986/90 ua). Die 10.StVO-Novelle normierte im zweiten Satz des § 68 Abs 2 StVO hingegen ausdrücklich eine Wartepflicht des Radfahrers "im Sinne des § 19 Abs 7". Durch den Hinweis auf diese Bestimmung ist klargestellt, daß der Geltungsbereich des § 68 Abs 2 zweiter Satz StVO sich auf die Anwendung des § 19 StVO, somit ausschließlich auf die Vorrangregelung auf ungeregelten Kreuzungen bezieht (vgl Duschel, Vorrang für Radfahrer?, ZVR 1985/261), zumal die Vorrangregeln des § 19 StVO begrifflich nur dann anwendbar sind, wenn keine Verkehrsregelung durch Arm- oder Lichtzeichen erfolgt (vgl Haupfleisch, ZVR 1983, 232 f). Im vorliegenden Fall war aber die Unfallskreuzung durch Lichtzeichen geregelt. Da grünes Licht als Zeichen für "Freie Fahrt" gilt und Lenker von Fahrzeugen bei diesem Zeichen, wenn es die Verkehrslage zuläßt, weiterzufahren oder einzubiegen haben (§ 38 Abs 4 erster Satz StVO), war die Klägerin berechtigt, bei Grünlicht in die Kreuzung einzufahren und nicht "wartepflichtig iS des § 19 Abs 7 StVO". Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kam sie von einem gekennzeichneten Radfahrstreifen (§ 2 Abs 1 Z 7 StVO), weshalb die Bestimmung des § 38 Abs 4 letzter Satz StVO - wie das Berufungsgericht in seinem Aufhebungsbeschluß zutreffend erkannte - nicht anwendbar ist. Die Klägerin durfte daher als "Benützerin des freigegebenen Fahrstreifens" gemäß § 38 Abs 4 zweiter Halbsatz des zweiten Satzes StVO vom Erstbeklagten weder behindert noch gefährdet werden (ähnlich auch die Entscheidung 2 Ob 92/89, in der allerdings wegen Feststellungsmängeln keine abschließende rechtliche Beurteilung erfolgte). Gegen dieses Verbot hat der Erstbeklagte verstoßen.
Damit entsprechen die Entscheidungen der Vorinstanzen der Sach- und Rechtslage, weshalb der Revision kein Erfolg beschieden sein konnte.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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