Spruch:
Beide Revisionen werden zurückgewiesen.
Alle Parteien haben ihre Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung
Dem Rechtsstreit liegt ein Unfall auf einer Kreuzung zugrunde, bei der auf der Straße, von der der Kläger kam, früher das Verkehrszeichen "Vorrang geben" aufgestellt war. Bauarbeiter, die den Gehsteig erneuerten, hatten dieses Zeichen aber aus dem Boden gehoben und um 90 Grad verdreht an einen Telegraphenmast angelehnt. Der Kläger hatte keine Kenntnis von diesem Zeichen, der von links kommende Drittbeklagte wußte hingegen, daß er Vorrang habe und verließ sich darauf.
Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, den Drittbeklagten treffe kein Verschulden, weil die mit dem Verkehrszeichen kundgemachte Verordnung durch die Entfernung des Zeichens nicht außer Kraft getreten sei. Aber auch dem Kläger sei kein Verschulden anzulasten, weil er vom Verkehrszeichen unverschuldet keine Kenntnis gehabt habe. Weder der Kläger noch die Beklagten hätten einen Entlastungsbeweis angeboten oder erbracht, Halter und Haftpflichtversicherer des vom Drittbeklagten gelenkten PKW hafteten daher gemäß § 11 EKHG für die Hälfte des Schadens des Klägers, weil für ein deutliches Überwiegen der Betriebsgefahr des einen oder anderen PKW kein Anhaltspunkt vorhanden sei.
Das Gericht zweiter Instanz erklärte die Revision für zulässig, weil eine uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Thema Entfernung eines Verkehrszeichens ohne Zutun der Behörde vorliege, da der Oberste Gerichtshof in seiner in ZVR 1974/87 veröffentlichten Entscheidung ausspreche, daß eine ordnungsgemäß erlassene und durch Anbringung eines Verkehrszeichens kundgemachte Anordnung unwirksam sei, wenn das Verkehrszeichen so auf dem Boden liege, daß es für den Verkehrsteilnehmer nicht wahrnehmbar sei, während er in anderen Entscheidungen davon ausgehe, daß eine ohne Zutun der Behörde erfolgte Beseitigung eines Verkehrszeichens ein Außerkrafttreten einer Verordnung nicht auslösen könne (vgl ZVR 1976/100, ZVR 1987/51).
Die vom Kläger und von den beklagten Parteien erhobenen Revisionen sind unzulässig.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Berufungsgericht angeführten Entscheidungen sind nicht geeignet, eine Zulassung der Revision zu rechtfertigen, da sie keine uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aufzeigen. In ZVR 1974/87 hat der Oberste Gerichtshof in einem gleichgelagerten Fall die Ansicht vertreten, keinen der beteiligten Lenker treffe ein Verschulden, der Fall sei nach § 11 EKHG zu beurteilen. In ZVR 1987/51 wurde ausgeführt, den Lenker, der sich auf das Vorhandensein des ihm bekannten Verkehrszeichens verlassen habe, treffe kein Verschulden. Dem anderen Lenker wurde nur deshalb ein Verschulden angelastet, weil auch er von dem Verkehrszeichen und damit von seiner Wartepflicht Kenntnis gehabt habe. Die Entscheidung ZVR 1976/100 stammt von einem Strafsenat des Oberlandesgerichtes Wien.
Die Rechtsansicht, die das Berufungsgericht zur Frage des Vorranges vertreten hat, entspricht der nunmehr ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, so etwa den Entscheidungen ZVR 1983/338, 8 Ob 6/84 und ZVR 1987/51. Bereits in den zuletzt angeführten beiden Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof die Revisionen zurückgewiesen, weil die angefochtene Entscheidung der Rechtsprechung entsprach. Die Frage des Vorranges bei Entfernung eines Verkehrszeichens ohne Zutun einer Behörde führt daher auch im vorliegenden Fall nicht zur Zulässigkeit der Revision.
Den übrigen in den Revisionen angeführten Fragen (Anbieten und Erbringen des Entlastungsbeweises nach § 9 Abs 2 EKHG, Höhe der Verzugszinsen) kommt im vorliegenden Fall keine Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu.
Beide Revisionen waren daher zurückzuweisen, ohne daß dies einer näheren Begründung bedürfte (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
Da in den Revisionsbeantwortungen nicht auf die Unzulässigkeit der Revisionen hingewiesen wurde, besteht hiefür kein Anspruch auf Kostenersatz.
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