OGH 9ObA73/91

OGH9ObA73/918.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Robert Renner und Franz Kulf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei F***** T*****, Angestellter, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei K***** S*****, Autohändler, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen S 140.618 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Jänner 1991, GZ 31 Ra 125/90-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 22. Juni 1990, GZ 6 Cga 6/90-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 17.471,80 (darin S 1.245,30 Umsatzsteuer und S 10.000 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 1.Juni 1985 beim Beklagten als Kundendienstberater angestellt. Das Dienstverhältnis endete am 20. September 1989 durch vorzeitigen Austritt.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den der Höhe nach außer Streit gestellten Betrag von S 140.618 brutto sA an restlichem Gehalt, Kündigungsentschädigung und Abfertigung. Der Beklagte habe ihm das Gehalt für August 1989 trotz Nachfristsetzung nicht auf sein Gehaltskonto überwiesen.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Da sich der Kläger ständig in den Krankenstand begeben habe, ohne daß hiefür erkennbar genügende Gründe vorhanden gewesen seien, habe sich der Beklagte entschlossen, das Gehalt des Klägers durch Barzahlung zu berichtigen. Aus diesem Grunde sei das Gehalt nicht wie bisher auf das Gehaltskonto des Klägers überwiesen, sondern im Unternehmen für den 31. August 1989 zur Barauszahlung bereitgehalten worden. Der Kläger sei an diesem Tag jedoch nicht zur Arbeit erschienen, sondern habe sich krank gemeldet. Er habe das in einem Kuvert befindliche Geld auch in der Folge trotz entsprechenden telefonischen Hinweises nicht abgeholt. Dazu wäre er aber in der Lage gewesen, da er die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht habe. Erst am 22.September 1989 habe der Kläger eine Bescheinigung übermittelt, aus der zu ersehen gewesen sei, daß er bis 20.September 1989 arbeitsunfähig geschrieben gewesen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:

Im Betrieb des Beklagten wurde den Dienstnehmern je nach Vereinbarung das Gehalt entweder bargeldlos überwiesen oder bar ausgezahlt. Der Kläger erhielt sein Monatsgehalt seit seinem Eintritt in das Unternehmen des Beklagten über das von ihm bekanntgegebene Girokonto. Am 30. August 1989 erklärte der Beklagte dem Kläger im Zuge einer Auseinandersetzung, daß sein Gehalt ab sofort zur Abholung (am 31.August 1989) im Betrieb bereit liege. Am 31.August 1989 erschien der Kläger nicht zur Arbeit; er wurde krank geschrieben. Der Beklagte überwies das August-Gehalt nicht mehr auf das Gehaltskonto des Klägers, sondern hielt es in seinem Safe zur Abholung bereit.

Anläßlich eines Telefonates Anfang September 1989 teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß er sein Gehalt abholen könne. Mit Schreiben vom 14.September 1989 setzte der Kläger dem Beklagten eine Frist bis 20.September 1989, 16.00 Uhr, bis zu der das Gehalt in seinen Händen zu sein habe, widrigenfalls er vorzeitig austreten werde. Der Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 18. September 1989, daß es nicht an ihm liege, daß er das Geld noch nicht in Händen habe, da der Kläger Ende des Monats nicht im Betrieb gewesen sei. Mit Schreiben vom 20.September 1989 erklärte der Kläger seinen vorzeitigen Austritt gemäß § 26 AngG. Er war vom 31.August 1989 bis 20.September 1989 ärztlich krank geschrieben. Sein August-Gehalt erhielt er erst mit der Endabrechnung im Oktober 1989.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Beklagte durch seine Vorgangsweise den Gehaltsanspruch des Klägers zumindest fahrlässig geschmälert habe. Der Beklagte habe dazu selbst erklärt, daß er die bisher geltende Vereinbarung der Gehaltsauszahlung auf das ihm bekanntgegebene Konto des Klägers eigenmächtig geändert habe. Abgesehen davon wandle sich die Lohnforderung von einer Holschuld zu einer Schickschuld im Sinne des § 905 Abs 2 ABGB, wenn der Dienstnehmer vom Dienstort abwesend sei. Der nach dem Setzen einer Nachfrist erklärte Austritt des Klägers sei daher als gerechtfertigt anzusehen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Beklagte dem Kläger das Gehalt nicht "ungebührlich" vorenthalten habe wollen. Das Geld sei für den Kläger vorbehaltlos zur Verfügung gestanden, die Meinungsdifferenz habe sich lediglich auf die Art der Auszahlung bezogen. Der Kläger hätte jedenfalls bereits am 31.August 1989 im Besitz des Geldes gewesen sein können, da es ihm möglich gewesen wäre, eine bevollmächtigte Hilfsperson in den Betrieb des Beklagten zu entsenden. Auch während der Dauer des Krankenstandes hätte er seine Bank nicht persönlich aufsuchen können. Ein Recht auf vorzeitigen Austritt habe er durch das Beharren auf seinen nicht begründeten "Justamentstandpunkt" nicht erworben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß zwischen den Parteien vereinbart war, daß die monatlichen Gehaltszahlungen durch Überweisung auf ein Girokonto des Klägers erfolgen sollten und sich der Beklagte durch mehr als vier Jahre ausnahmslos an diese Vereinbarung gehalten hat. Soweit er diesbezüglich in seiner Berufung einen "sekundären Verfahrensmangel" geltend macht, sind ihm die Feststellungen des Erstgerichts entgegenzuhalten. Während die Verpflichtung des Dienstgebers zur Zahlung des Arbeitsentgelts nach der Verkehrssitte an sich eine Holschuld ist, ist die Schuld des Beklagten zur Gehaltszahlung auf Grund dieser Überweisungsvereinbarung eine Schickschuld geworden (vgl. Arb 10.642 mwH). Das Kreditinstitut, das das Gehaltskonto des Klägers führte, ist zur Zahlstelle geworden, an die der Beklagte die Geldleistungen an den Kläger durch Überweisung zu erbringen hatte (vgl. auch Reischauer in Rummel, ABGB2 § 905 Rz 22 und § 918 Rz 1 f; WBl 1989, 125). Er war sohin, was er auch in der Revisionsbeantwortung einräumt, nicht berechtigt, die Art und Weise der Erbringung seiner Hauptleistung aus dem Dienstvertrag eigenmächtig zu ändern. Fragen der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 8 Abs 8 AngG) spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Daraus folgt andererseits, daß der Kläger entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht verpflichtet war, eine Hilfsperson zur Behebung seines Gehalts in den Betrieb des Beklagten zu entsenden oder dort trotz der ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit selbst zu erscheinen. Ob dem Kläger das fällige Entgelt in Benachteiligungsabsicht, aus Nachlässigkeit oder aus Unvermögen vorenthalten wurde, ist ohne rechtliche Bedeutung (Arb 10.147 ua). Der Beklagte kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, er habe nicht gewußt, daß er die Auszahlungsmodalitäten nicht einseitig ändern habe können (Arb 9.082 ua), da es ihm als Kaufmann bewußt sein mußte, daß Vereinbarungen nicht eigenmächtig abgeändert werden dürfen. Zufolge der ihm obliegenden Sorgfaltspflicht hätte er wissen müssen, daß seine Vorgangsweise unrechtmäßig war. Der vorzeitige Austritt des Klägers erweist sich sohin im Sinne des § 26 Z 2 AngG als gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet. Ein Kostenersatz für die Berufungsverhandlung steht dem Kläger nicht zu, da sein Vertreter vor Schluß der Berufungsverhandlung kein Kostenverzeichnis gelegt hat (§ 54 Abs 1 ZPO) und kein Fall des nachträglichen Entstehens von weiteren Kosten vorliegt (§ 54 Abs 2 ZPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte