OGH 9ObA98/91

OGH9ObA98/918.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Robert Renner und Franz Kulf als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hildegard L*****, vertreten durch Dr. Peter Kaltschmid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Gertraud B*****, vertreten durch ihren Sohn Ekkehard B*****, als Sachwalter, dieser vertreten durch Dr. Eberhard Molling, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 75.086,56 brutto und S 5.444,79 netto je sA, infolge Revisionsrekurses der Beklagten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Jänner 1989, GZ 5 Ra 4/91-16, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 30. November 1990, GZ 43 Cga 43/90-12, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt für ihre Tätigkeit als Krankenpflegerin von der Beklagten, die im Sommer 1989 einen Schlaganfall erlitten hat, ein Entgelt von S 75.086,56 brutto und S 5.444,79 netto je sA. Da sich bei der Beklagten Anzeichen für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 273 ABGB (und damit auch des Fehlens der Prozeßfähigkeit) ergaben, verständigte das Erstgericht gemäß § 6 a ZPO das Pflegschaftsgericht, das mit Beschluß vom 10.4.1990 den Sohn der Beklagten zum einstweiligen Sachwalter und mit Beschluß vom 2.7.1990 zum Sachwalter gemäß § 273 Abs 3 Z 3 ABGB zur Erledigung aller Angelegenheiten der Beklagten bestellte. Der vom Sachwalter bevollmächtigte Beklagtenvertreter genehmigte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 9.11.1990 die bisherige Prozeßführung nicht.

Das Erstgericht erklärte das Verfahren einschließlich der Zustellung der Klage an die Beklagte für nichtig und wies die Klage mit der Begründung zurück, die Beklagte sei schon im Zeitpunkt der Klagezustellung nicht prozeßfähig gewesen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin teilweise Folge; es erklärte das erstinstanzliche Verfahren nur hinsichtlich der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 12.3.1990 (in der der damals noch nicht wirksam bevollmächtigte Beklagtenvertreter die Frage der Prozeßunfähigkeit der Beklagten aufgeworfen hatte) für nichtig, wies aber den Antrag der Beklagten, das gesamte erstinstanzliche Verfahren für nichtig zu erklären und die Klage zurückzuweisen, ab.

Bei der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 9.11.1990 sei für die Beklagte der damals bereits vom Sachwalter bevollmächtigte Beklagtenvertreter eingeschritten. Die Klagezustellung an die Beklagte sei zwar ursprünglich unwirksam gewesen. Dieser Mangel sei jedoch mit der Bestellung des Sachwalters dadurch geheilt worden, daß dieser damals bereits im Besitz der Klage gewesen sei. Es könne nicht Sinn des Gesetzes sein, die Klagezustellung für nichtig zu erklären, um einer Partei ein Schriftstück, das sie bereits besitze, neuerlich auszuhändigen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Aus § 519 Abs 1 Z 2 ZPO idF vor der WGN 1989 ergibt sich für das Berufungsverfahren, daß eine Entscheidung des Berufungsgerichtes, mit der die wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen wird oder zwar die Nichtigkeit des angefochtenen Urteils ausgesprochen, die Klage aber nicht zurückgewiesen wird, der Rechtsschutz also nicht (abschließend) verweigert wird, nicht angefochten werden kann. § 519 Abs 1 Z 1 ZPO idF der WGN 1989 faßt die bisherigen Z 1 und 2 ohne inhaltliche Änderung zusammen. Nach Ansicht der bisherigen Rechtsprechung war § 519 ZPO nur auf Beschlüsse des Berufungsgerichtes anzuwenden, auf zweitinstanzliche Beschlüsse im Rekursverfahren aber unanwendbar (SZ 18/69; RZ 1961, 143; ebenso Fasching Komm IV 406). Daran ist auch weiterhin festzuhalten, soweit der Rekurs die Funktion einer reinen Verfahrensbeschwerde hat, die auf die Überprüfung verfahrensrechtlicher Zwischenentscheidungen gerichtet ist. Richtet sich aber der Rekurs gegen einen Beschluß, mit dem über einen Sachantrag einer Partei oder über ein von ihr gestelltes Rechtsschutzbegehren entschieden wurde, dann entspricht der Rekurs in seiner Funktion einem Rechtsmittel in der (Haupt-)Sache, und es sind ergänzend auch die Vorschriften über Berufung und Revision heranzuziehen (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1969). Dem ist auch der Oberste Gerichtshof gefolgt. So wurde etwa (vor der WGN 1989) ausgesprochen, daß ein Beschluß, mit dem ein als Rekursgericht angerufenes Gericht zweiter Instanz das Verfahren nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen hat, wie ein gleichartiger berufungsgerichtlicher Beschluß anfechtbar ist, ohne daß die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 528 Abs 2 ZPO (idF vor der WGN 1989) vorliegen müßten (EvBl 1987/58 = SZ 59/28; ebenso 5 Ob 653/89). Der Oberste Gerichtshof hat es als Wertungswiderspruch angesehen, die Anfechtung eines solchen Beschlusses anderen Zulässigkeitsbeschränkungen zu unterwerfen als sie für die Anfechtung eines gleichartigen berufungsgerichtlichen Beschlusses gelten. Entscheidend für die Zulässigkeit des Rekurses in diesen Fällen war somit ohne Rücksicht darauf, ob ein Berufungsgericht oder ein Rekursgericht entschieden hatte, die Zurückweisung der Klage, also die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes.

Die Vorschriften über die Anfechtbarkeit von Beschlüssen des Berufungsgerichtes müssen aber dann auch in jenen Fällen herangezogen werden, in denen über ein solches Rechtsschutzbegehren, das auf die abschließende Erledigung des Verfahrens durch Zurückweisung der Klage gerichtet ist, nicht von einem Berufungsgericht, sondern von einem Rekursgericht abweisend entschieden wird. Auch das hat der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf Fasching (aaO Rz 1969) ausgesprochen: Auch eine Nichtigkeit, die ein Rekursgericht als nicht gegeben angesehen hat, könne in dritter Instanz nicht mehr wahrgenommen werden (RZ 1989/50 = JBl 1989, 389; anders aber im Ergebnis noch 5 Ob 205/71; 8 Ob 184/77). Der erkennende Senat schließt sich dieser Ansicht für die Fälle, in denen über die abschließende Verweigerung des Rechtsschutzes negativ erkannt wird, an. Es wäre ein unüberbrückbarer Wertungswiderspruch, wenn zwar im Berufungsverfahren die Verwerfung einer wegen Nichtigkeit erhobenen Berufung und die Ablehnung der Zurückweisung der Klage nicht angefochten werden könnte, ein inhaltsgleiches Rechtsschutzbegehren aber im Rekursverfahren einer Überprüfung in dritter Instanz zugänglich wäre.

Die hier gebotene analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO führt daher dazu, daß die Ansicht des Rekursgerichtes, der geheilte Mangel der Prozeßfähigkeit der Beklagten ergreife die Einbringung und die Zustellung der Klage nicht, vom Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüft werden kann.

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