OGH 3Ob516/91 (3Ob517/91)

OGH3Ob516/91 (3Ob517/91)8.5.1991

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Erika H*****, vertreten durch Dr. Roman Moser, Rechtsanwalt in Thalgau, wider die beklagte und widerklagende Partei Peter H*****, vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ehescheidung, infolge Rekurses der beklagten und widerklagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 6. Feber 1991, GZ 22 a R 171, 172/90-65, womit ihr Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Thalgau vom 25. Oktober 1990, GZ C 335/88 t-59, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte und widerklagende Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Zwischen den Streitteilen ist seit dem 6. Mai 1988 ein Scheidungsprozeß anhängig. In seiner Widerklage machte der Mann unter anderem als Scheidungsgrund geltend, die Frau habe sich in der letzten Woche des Monats Feber 1988 nach Wien begeben, um dort eine offenbar durch eine ehebrecherische Beziehung eingetretene Schwangerschaft abbrechen zu lassen. Zum Beweis dieser Behauptung berief sich der Mann auf die Vernehmung zweier Ärzte als Zeugen und auf die Krankengeschichte des Ambulatoriums und verlangte, die Frau möge die Ärzte von ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung entbinden und der Beischaffung der Krankengeschichte zustimmen.

Nachdem die Frau in der Verhandlungstagsatzung am 2. Mai 1990 die beiden Ärzte von ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden und der Erstrichter am 23. Mai 1990 ein Rechtshilfeersuchen um Vernehmung der einen Ärztin an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien gerichtet hatte, hielt der ersuchte Richter am 21. Juni 1990 fest, daß der erkennende Richter damit einverstanden sei, die Zeugenvernehmung durch die Ablichtung der Krankengeschichte zu ersetzen, und sandte das Rechtshilfeersuchen mit dem Hinweis auf die (offenbar dort eingelangte) Krankengeschichte unerledigt zurück. In der Verhandlungstagsatzung am 28. Juni 1990 brachte die Frau vor, ihre Erklärung beziehe sich nur auf die Zeit von Jänner bis Feber 1988, und berief sich ihrerseits auf den Zeugenbeweis dafür, daß sie in dieser Zeit weder einen Schwangerschaftsabbruch noch eine Sterilisation vornehmen ließ.

Der erkennende Richter hielt am 6. Juli 1990 in einem Vermerk fest, daß sich die Krankengeschichte nicht auf den Zeitraum beziehe, für den die Zeugin von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden wurde, daß es sich daher um einen unzulässigen Urkundenbeweis handle und die Krankengeschichte aus den Akten entnommen wurde. Zugleich wiederholte er das Rechtshilfeersuchen um Vernehmung der Zeugin, die am 22. August 1990 vom ersuchten Richter im Rahmen ihrer (eingeschränkten) Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht vernommen wurde.

In der Verhandlungstagsatzung am 18.Oktober 1990 stellte der Mann den Antrag, ihm Akteneinsicht in die Krankengeschichte zu gewähren; die Frau beantragte, diese Urkunde aus den Prozeßakten zu entfernen und der Zeugin zurückzustellen, weil sonst gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen würde. Sie habe die Zeugin nur im Umfang des auf den Zeitraum Jänner bis Feber 1988 abgestellten Beweisantrages des Mannes von der Verschwiegensheitspflicht entbunden.

Das Erstgericht ordnete an, daß die von der Zeugin dem ersuchten Richter vorgelegte Ablichtung einer Krankengeschichte aus dem Akt ausgeschieden und der Zeugin zurückgestellt werde. Es sprach aus, daß sich ein Recht auf Akteneinsicht nicht auf diese Urkunde erstrecke. Die Urkunde sei von der Ärztin mit einem Begleitschreiben am 27. Juni 1990 dem Rechtshilfegericht übersendet und von diesem dem Prozeßgericht übermittelt worden. Sie beziehe sich nicht auf eine im Jänner oder Feber 1988 an der Frau vorgenommene Abtreibung oder Sterilisation. Die Frau habe keine Zustimmung zur Vorlage ihrer Krankengeschichten gegeben. Die Verwertung der Urkunde verstoße gegen das Beweismethodenverbot, weil dadurch die staatlich anerkannte Pflicht zur Verschwiegenheit des Arztes umgangen und mittelbar verletzt würde.

Gegen diesen Beschluß erhob der Mann Rekurs. Zugleich lehnte er den Prozeßrichter als befangen ab.

Der Ablehnung wurde nicht stattgegeben.

Das Rekursgericht wies den Rekurs zurück und sprach aus, daß der ordentliche "Revisions-"Rekurs zulässig sei. Das Erstgericht habe damit, daß es die vorgelegte Krankengeschichtenablichtung als unzulässiges Beweismittel "ausschied" und die Zurückstellung an die Person, die dem Gericht die Urkunde vorgelegt hatte, anordnete, das Beweisanbot zurückgewiesen und damit im Sinne des § 275 ZPO entschieden. Gegen diesen Beschluß sei nach § 291 Abs 1 ZPO ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Mannes gegen diesen Zurückweisungsbeschluß ist nicht berechtigt.

Ein Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes ist zutreffend unterblieben, denn dieser hängt unmittelbar mit den erhobenen Ansprüchen auf Scheidung der Ehe zusammen und hat keinen Geldeswert. Der Rechtsmittelausschluß nach § 528 Abs 2 Z 1 ZPO ist nicht anwendbar. Wegen erheblicher Rechtsfragen (§ 528 Abs 1 ZPO) ist im Rechtsstreit über die Ehe der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig, sofern nicht ausnahmsweise nur vermögensrechtliche Ansprüche den Entscheidungsgegenstand des Gerichtes zweiter Instanz bilden und deshalb die Wertabhängigkeit gilt (Petrasch, Der Weg zum Obersten Gerichtshof nach der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989, ÖJZ 1989, 751).

Auszugehen ist davon, daß dem Rechtshilfegericht von einer Person, die dazu nicht aufgefordert war, eine Urkunde zugegangen war, die nach der Feststellung des Erstrichters vom 6. Juli 1990 mit dem Beweisanbot des Mannes, das auf eine Zeit im Feber 1988 abgestellt war (Schriftsatz ON 3 AS 21 und Widerklage S 3), nicht zusammenhing, vom Erstrichter daher zunächst als unzulässiges Beweismittel angesehen und nicht zu den Prozeßakten genommen wurde, bis er nach widerstreitenden Anträgen der Parteien Beschluß faßte, daß diese Urkunde nicht angenommen und an die Person zurückgestellt werde, die sie an den ersuchten Richter geschickt hatte.

Eine Zulassung des Urkundenbeweises durch Einsicht in eine Krankengeschichte, deren Offenlegung die Frau in Verfolgung ihres achtenswerten Rechtes auf Wahrung der Verschwiegenheit (§ 26 ÄrzteG; § 9 KAG) ablehnt und die nicht einmal vom Beweisanbot des Mannes umfaßt wird, weil sie nicht Vorgänge im Jänner oder Feber 1988 betrifft, lehnte das Erstgericht damit ab. Dieser Urkundenbeweis wurde nicht im Beweisbeschluß zugelassen. Die Beschlußfassung, daß dieser Urkundenbeweis nicht zugelassen und daher die dem Prozeßgericht zugekommene Urkunde zurückgestellt wird, ohne durch ihre Verlesung und die Gewährung von Einsicht durch die Parteien den Beweis durch Urkunden aufzunehmen (vgl. Fasching, ZPR2 Rz 965), weil das Gericht annahm, daß sonst ein Beweismittelverbot verletzt würde, ist den im § 291 Abs 1 ZPO bezeichneten Beschlüssen, mit denen Beweisaufnahmen verweigert oder angeordnet werden, gleichzuhalten. Ein abgesondertes Rechtsmittel ist, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, nicht zulässig. Rechtsmittel gegen Entscheidungen im Zug des Beweisverfahrens sollen aus prozeßökonomischen Gründen möglichst beschränkt werden (Fasching, ZPR2 Rz 921). Es handelt sich bei den Entscheidungen anläßlich der Beweisaufnahme meist um vorbereitende und prozeßleitende Verfügungen, deren provisorischer Charakter die Tragweite in diesem Stadium nicht beurteilen läßt. Sie können mit der Hauptsache angefochten und auf ihre Relevanz gemeinsam mit ihr später geprüft werden (Fasching III 357). Es ist auch nicht erkennbar, daß der Mann dadurch beschwert sein könnte, daß der Urkundenbeweis, den er gar nicht angetreten hat, weil er außerhalb des Zeitraumes von Jänner und Feber 1988 keine durch eine solche Krankengeschichte nachweisbare Tatsachen vortrug, unterblieb. Mit seinem Anspruch auf Einsicht in die Prozeßakten (§ 219 Abs 1 ZPO) hat die erstrichterliche Entscheidung nichts zu tun, weil sie die Annahme der Urkunde ablehnte und diese daher gar nicht Bestandteil der Prozeßakten wurde. Mit dem Zeugenbeweis und dem Umfange der Entbindung der Zeugin von ihrer ärztlichen Verschwiegenheitspflicht hängt die Entscheidung auch nicht zusammen, denn die Verlesung und Einsichtnahme in eine Urkunde ist nicht nach den Vorschriften über den Zeugenbeweis zu beurteilen. Auch für von Zeugen vorgelegte Urkunden müssen ausschließlich die für den Urkundenbeweis geltenden Bestimmungen beachtet werden. Der Hinweis auf die Gemeinschaftlichkeit des Zeugenbeweises versagt daher ebenfalls.

Der Rekurswerber kann das Vorgehen des Erstrichters nur im Rahmen einer allfälligen Anfechtung der Sachentscheidung bekämpfen. Es bleibt ihm überlassen, neue Beweisanträge zu stellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

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