OGH 7Ob542/91

OGH7Ob542/9118.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Christian und Herta W*****, beide vertreten durch Dr. Kuno Ther und Dr. Reinhard Köffler, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagten Parteien 1.) Barbara W*****, 2.) Petra W*****,

3.) mj. Christian Ewald W*****, alle vertreten durch Dr. Johann Quendler, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung des Bestehens eines Wohnungsrechtes und Einwilligung in eine Urkundenhinterlegung (Revisionsstreitwert S 50.000), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 22. November 1990, GZ 2 R 449/90-11, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 20. August 1990, GZ 7 C 1510/90f-5, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil, das in seinem Ausspruch über die Feststellung des Wohnungsrechtes als unbekämpft unberührt bleibt, wird in seinem Ausspruch über die Einwilligung der beklagten Parteien zur Urteilshinterlegung und im Kostenausspruch dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes insoweit wiederhergestellt wird.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit S 18.731,96 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 2.500 Barauslagen und S 2.705,32 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf der Liegenschaft des Erstklägers EZ 35 KG Töplitsch befindet sich ein Haus mit zwei Wohnungen. Es handelt sich um ein Superädifikat, das je zu einem Drittel im Eigentum der Beklagten steht. Die Kläger behaupten die Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes an einer Wohnung des Hauses samt Nebenräumen. Sie begehren dessen Feststellung und die Einwilligung der Beklagten zur Urteilshinterlegung.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen errichteten der Erstkläger und sein am 30. Dezember 1985 verstorbener Sohn Ewald gemeinsam das Haus in den Jahren 1971 bis 1978. Vereinbart wurde, daß das Eigentum an dem Haus dem Sohn zufallen soll. Der Erstkläger und seine Ehefrau sollten die Wohnung im Erdgeschoß, die Garage im Nordosten und die darüber befindliche Terrasse benützen, der Sohn sollte mit seiner Familie (den Beklagten) den ersten Stock bewohnen. Diese Vereinbarung war auch der Erstbeklagten und der Zweitbeklagten bekannt. Das Haus wird seit seiner Errichtung in der vereinbarten Weise benützt.

Außer Streit steht, daß der Nachlaß des Sohnes, in den das Haus einbezogen wurde, den Beklagten zu je einem Drittel eingeantwortet und die Einantwortungsurkunde bei Gericht hinterlegt wurde. Unstrittig ist ferner, daß die Kläger, ihr Sohn und dessen Familie vor Errichtung des Hauses in einer dem Erstkläger gehörigen Keusche in drei Räumen ohne Sanitäreinrichtungen zusammenlebten.

Das Erstgericht beurteilte die Vereinbarung der Kläger mit ihrem Sohn als Servitutsbestellungsvertrag. Die Beklagten, denen die Einräumung des Wohnungsrechtes an die Kläger bekannt gewesen sei, müßten dieses gegen sich gelten lassen. Die nicht verbücherte Servitut wirke gegen die Beklagten aber auch deshalb, weil sie offenkundig gewesen sei. Aus der Einräumung einer Dienstbarkeit folge im Zweifel auch ein Anspruch auf Verdinglichung.

Das Berufungsgericht bestätigte den Feststellungsausspruch, änderte jedoch den Ausspruch über die Einwilligung zur Urteilshinterlegung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteigt und die ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes setze die Einräumung eines Wohnungsrechtes in Form einer Dienstbarkeit die Absicht der Parteien voraus, ein dingliches Recht zu begründen. Für eine solche Absicht fehle es an Anhaltspunkten.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Kläger ist berechtigt.

Die in der Entscheidung SZ 44/41 vertretene Rechtsansicht, daß ohne Vereinbarung der Verbücherung der vertraglich eingeräumten Dienstbarkeit die Einwilligung in die Einverleibung nicht begehrt werden könne, weil ohne solche Vereinbarung nur ein obligatorisches Recht gegeben sei, ist auf Kritik gestoßen (Pfersmann in ÖJZ 1975, 174). Der Oberste Gerichtshof hat auch schon mehrfach ausgesprochen, daß aus der Einräumung der Dienstbarkeit (bzw. eines Rechtes mit dem typischen Inhalt einer Dienstbarkeit) auch ohne besondere Vereinbarung die Pflicht des Bestellers zur Einwilligung in die Einverleibung folgt (MietSlg 35.045; 7 Ob 605/89; 6 Ob 673/88; 1 Ob 629/81; 1 Ob 40/80 ua; so auch Petrasch in Rummel2 Rz 1 zu § 481). Von der Frage nach der Verpflichtung des Bestellers einer Dienstbarkeit zur Einwilligung in die Einverleibung zu trennen ist aber wohl die Frage, ob das dingliche Recht einer Dienstbarkeit vereinbart wurde. Die Rechtsprechung hat wiederholt, insbesondere im Zusammenhang mit der Einräumung eines Wohnungsrechtes, das auch ohne dingliche Wirkung begründet werden kann (MietSlg. 28.045; Petrasch aaO Rz 3 zu § 521), hervorgehoben, daß die Einräumung eines Wohnungsrechtes in der Form einer Dienstbarkeit die Absicht der Parteien voraussetzt, ein dingliches Recht zu begründen (MietSlg. 39.038, 29.057; EvBl 1970/190; EvBl 1962/366 ua). Nach den Auslegungsregeln des § 914 ABGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern es ist insbesondere die Absicht der Parteien zu erforschen. Hiezu sind nicht nur die Erklärungen der Parteien, sondern alle Umstände heranzuziehen, aus denen sich Schlüsse auf die Parteienabsicht ergeben, so auch die Entstehungsgeschichte des Vertrages (NZ 1980, 37; Gschnitzer in Klang2 IV/1 406). Für die von den Parteien verfolgte Absicht kommt auch dem Zweck des gesamten Geschäftes erhebliche Bedeutung zu (Rummel in Rummel2 Rz 4 zu § 914). Das Eigentum des Klägers an dem Gebäude, das bis zur Errichtung des neuen Bauwerkes den Wohnzwecken beider Parteien diente, der von den Parteien verfolgte Zweck, die bisherige Wohnanlage durch eine zeitgemäße zu ersetzen und der Beitrag des Klägers zur Errichtung des Bauwerkes rechtfertigen den Schluß, daß den Klägern ein gegen jedermann wirkendes Recht an der Wohnung und nicht bloß ein obligatorisches Recht eingeräumt werden sollte. Im Sinne der obgenannten Rechtsprechung besteht dann aber die Verpflichtung des Bestellers zur Zustimmung zur Einverleibung auch dann, wenn dies nicht ausdrücklich vereinbart wurde. Die Beklagten als Gesamtrechtsnachfolger des Vertragspartners der Kläger haben diese Verpflichtung zu erfüllen. Daß hier anstelle der Einverleibung die Urkundenhinterlegung der maßgebliche Akt ist, ist nicht strittig.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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