OGH 1Ob537/91

OGH1Ob537/9110.4.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) mj. Daphne V*****, 2.) mj. Ares V*****, 3.) Elisabeth V*****, erst- und zweitklagende Partei vertreten durch Dr. K*****, und die drittklagende Partei, sämtl. vertreten durch Dr. Robert Krepp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Leopoldine Z*****, 2.) Edith B*****, beide vertreten durch Dr. Friedrich Pechtold, Rechtsanwalt in Wien, wegen Übergabe eines Mietobjektes, infolge ao Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landegerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 14.März 1990, GZ 48 R 228/89-12, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15.Februar 1989, GZ 45 C 121/88-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe wieder hergestellt wird, daß sie zu lauten hat: "Die beklagten Parteien sind schuldig, den klagenden Parteien das an die Wohnung top 17 des Hauses W***** grenzenden Eckzimmer der Wohnung top 16 gegen Vorschreibung eines nach Größe, Art, Beschaffenheit, Lage, Ausstattung und Erhaltungszustand angemessenen Mietzinses zu übergeben."

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit S 5.931,26 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 989,54 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Mietvertrag aus dem Jahr 1958 mietete Dr. Helmuth T***** von den damaligen Eigentümern des Hauses W*****, die Wohnung Nr.17. Der Mietzins wurde auf der Grundlage des Jahresfriedenkronenzinses 1914 berechnet, gemäß § 16 Abs 2 und 3 MG wurde aber ein Zuschlag von S 2,-- pro Friedenskrone vereinbart. Weiters wurde der Mietzins für den Fall einer beträchtlichen Minderung des Geldwertes wertgesichert. Punkt 11 Abs 2 dieses Mietvertrages hat folgenden Wortlaut: "Dem Mieter wird ein Optionsrecht hinsichtlich der Vermietung des an seine Wohnung angrenzenden Eckzimmers eingeräumt. Sollte das Mietverhältnis mit dem Nachbarmieter enden oder mit diesem seitens des Mieters ein entsprechendes Übereinkommen getroffen werden, so wird dem Mieter die zusätzliche Vermietung dieses Eckzimmers zugesichert. Der Mieter ist für diesen Fall jedoch verpflichtet, neben einer dann noch festzusetzenden Entschädigung alle Kosten zu tragen, die mit der Abtrennung des Eckzimmers von der jetzigen Wohnung und seine Verbindung mit der Wohnung des Mieters entstehen. Die Abtrennung des Eckzimmers von der derzeitigen Wohnung und seine Verbindung mit der Wohnung des Mieters ist überdies nur dann vorzunehmen, soferne es nach den einschlägigen Vorschriften zulässig erscheint. Die Vermieter sind bereit, alle hiefür notwendigen Eingaben und Gesuche an die zuständigen Behörden auf Kosten des Mieters zu unterfertigen."

Anläßlich der Scheidung seiner Ehe übertrug Dr. Helmuth T***** seine Mietrechte an seine Gattin Dionysia T*****; dies wurde von der Hausverwaltung mit Schreiben vom 9.7.1973 zur Kenntnis genommen. Mit Schreiben vom 7.4.1987 teilte Dionysia T***** der Hausverwaltung mit, daß sie die Wohnung auf Dauer verlassen und ihre Hauptmietrechte an ihre Tochter Elisabeth V***** und ihre Enkelkinder Daphne und Ares, die im gemeinsamen Haushalt gelebt haben, abgetreten habe. Der Mieter der Wohnung Nr.16, Franz M***** verstarb ohne eintrittsberechtigte Personen am 1.9.1987. Mit Erbschaftskaufvertrag vom 8.August 1988 erwarb Prof. Othmar K***** vom unbedingt erbserklärten Erben Franz P***** im Verlassenschaftsverfahren nach Franz M***** das Erbrecht.

Die Kläger begehren die Fällung des Urteiles, die Beklagten seien schuldig, ihnen das an die Wohnung 17 des Hauses W*****, grenzende Eckzimmer der Wohnung 16 gegen Vorschreibung eines angemessenen Mietzinses zu übergeben in eventu mit den Klägern über dieses Objekt einen Mietvertrag zu angemessenem Mietzins abzuschließen, allenfalls das mit der Verlassenschaft nach Franz M***** bestehende Hauptmietverhältnis an dem an die Wohnung Nr.17 angrenzenden Eckzimmer der Wohnung Nr.16 im Hause W***** im Wege der Teilkündigung zum ehestmöglichen Zeitpunkt aufzukündigen. Die Kläger, auf die alle Rechte aus dem ursprünglich mit Dr. Helmuth T***** abgeschlossenen Mietvertrag, daher auch das Optionsrecht auf das Eckzimmer übergegangen seien, hätten die Beklagten vergeblich aufgefordert, ihnen dieses Eckzimmer gegen Vorschreibung eines angemessenen Mietzinses zu übergeben. Sie hätten damit das ihnen eingeräumte Optionsrecht ausgeübt. Zugesichert sei worden, daß die Mieter das Optionsrecht dann ausüben können, sobald der Mieter der Wohnung top 16 Franz M***** verstorben sei oder ein Übereinkommen mit Franz M***** getroffen worden sei. Franz M***** habe keine eintrittsberechtigten Personen hinterlassen. Eine Aufkündigung der Verlassenschaft nach dem Tod des Franz M***** hätte daher ohne weiteres erfolgen können. Die Unterlassung der Aufkündigung sei wider Treu und Glauben erfolgt, so daß der Untergang des Mietrechtes zu fingieren wäre.

Die Beklagten wendeten ein, das Optionsrecht könne erst ausgeübt werden, sobald das Hauptmietrecht an dem Mietobjekt, zu dem das Eckzimmer gehöre, untergegangen sei. Die Verlassenschaft nach Franz M*****, sei weiterhin Mieter.

Das Erstgericht gab dem Hauptbegehren statt. Parteienabsicht sei es gewesen, daß die Bedingung für die Ausübung der Option dann eintreten solle, wenn Franz M***** die Wohnung nicht mehr benütze, sei dies wegen einvernehmlicher Auflösung des Mietverhältnisses, wegen Aufkündigung oder nach seinem Tod. Bei der gewählten Formulierung sei den Parteien nicht bewußt gewesen, daß im Fall des Todes vorerst zumindest die Verlassenschaft als Hauptmieter vorhanden sei. Franz M***** sei Junggeselle gewesen und habe die Wohnung Nr.16 allein bewohnt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Hauptbegehren und die Eventualbegehren abwies. Nach Beweiswiederholung stellte es fest, der Vertragserrichter des Mietvertrages aus dem Jahr 1958 habe bei der Formulierung des Punktes 11 Abs 2 daran gedacht, daß das Optionsrecht dann fällig werde, wenn entweder der Mieter der Nachbarwohnung Franz M***** sterbe, wenn er das Mietverhältnis aufkündige, wenn er aufgekündigt werde oder wenn das Mietverhältnis mit ihm einvernehmlich beendet werde. Diesen Standpunkt habe der Vertragsverfasser Dr. Heinrich G***** auch beiden Vertragsparteien erklärt. An die Möglichkeit, daß jemand anderer außer Franz M***** Nachbarmieter sein könnte, habe der Vertragsverfasser nicht gedacht. Es sei ihm aber bewußt gewesen, daß ein Mietverhältnis nicht mit dem Tode des Mieters erlösche. Er habe aber die Bestimmung dahin verstanden, daß nach dem Tod des Franz M***** das Mietverhältnis aufgekündigt oder sonst beendet werde. Die Fälligkeit der Option sei für den Vertragsverfasser immer daran gebunden gewesen, daß das Mietverhältnis aus welchen Gründen und wie auch immer beendet sei. Nach dem Verständnis des Vertragsverfassers sei es im Sinn dieser Vereinbarung nicht im Belieben des Hauseigentümers gestanden, nach dem Tod des Franz M***** das Mietverhältnis mit der Verlassenschaft oder einem Erben oder Erbschaftskäufer aufrecht zu erhalten.

Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht diesen Sachverhalt dahin, daß nach dem Parteiwillen der Anspruch der Hauptmieter der Wohnung Nr.17 auf Hinzumietung des Eckzimmers der Nachbarwohnung Nr.16 erst mit der Beendigung des mit dem Mieter Franz M***** über die Wohnung Nr.16 abgeschlossenen Mietvertrages fällig sein sollte. Da die Hauptmietrechte an der Wohnung Nr.16 nach dem Tode des Franz M***** bisher nicht aufgekündigt worden seien, würden sie gemäß § 14 MRG durch die Verlassenschaft bzw. die Erben fortgesetzt, soferne nicht eintrittsberechtigte Personen das Mietverhältnis nach § 14 Abs 2 MRG fortsetzten. Da das Mietverhältnis an der Wohnung Nr.16 aber bisher nicht aufgelöst worden sei, sei die Fälligkeit des Optionsrechtes der Kläger nicht gegeben.

Die außerordentliche Revision der Kläger ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes, die gestellten Begehren seien schon deshalb nicht berechtigt, weil nach dem Parteiwillen der Anspruch der Kläger erst mit der Beendigung des mit Franz M***** über die Wohnung 16 abgeschlossenen Mietvertrages fällig sein sollte, dieses Mietverhältnis aber nicht beendet worden sei, kann nicht gefolgt werden. Nach den ergänzend vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen war den vertragschließenden Parteien des Jahres 1958 und auch dem Vertragsverfasser klar, daß zwar das Mietverhältnis mit Franz M*****, der damals allein wohnte und der auch zum Zeitpunkt seines Todes keine eintrittsberechtigten Personen hinterließ, nach dessen Tod zwar aufgekündigt werden müsse, daß gerade aber in einem Fall, als keine eintrittsberechtigten Personen vorhanden sind, die Ausübung des Optionsrechtes voraussetzt, daß die Vemieter den nach § 30 Abs 2 Z 5 MRG gegebenen Kündigungsgrund auch geltend machen. Daraus folgt, daß der Zweck des Vertrages (die Ausübung des eingeräumten Optionsrechtes) sohin nur dadurch erreicht werden konnte, daß die Vermieter eine ihnen zustehende Auflösungsmöglichkeit des Mietvertrages nach dem Tod des Franz M***** auch tatsächlich wahrnehmen. Eine am maßgeblichen wirtschaftlichen Vertragszweck (ImmZ 1990,90; EvBl.1987, 176; JBl.1985, 547 ua, zuletzt 1 Ob 658/90) orientierte, nach den Grundsätzen von Treu und Glauben vorzunehmende Auslegung des Punktes 11 Abs 2 des Mietvertrages aus dem Jahr 1958 ergibt daher, daß die Vermieter den Klägerinnen gegenüber eine Rechtspflicht zur Ausübung des Kündigungsrechtes traf. Unterließen die Beklagten treu- und vertragswidrig die ihnen obliegende Rechtspflicht zum Tätigwerden, führt dies, wie die Kläger zutreffend in der Revision ausführen, zur Fiktion des Bedingungseintrittes: Die Beklagten müssen sich so behandeln lassen, als wäre die Bedingung (Beendigung des Mietverhältnisses mit Franz M***** eingetreten (Spruch 234 = GlUNF 6838, 1 Ob 658/90; vgl. Rummel2 Rz 17 zu § 914 ABGB mwN; BGH LM Nr.3 zu § 163 BGB; JW 1927, 657, 658; Soergel-Wolf12 Rz 7 zu § 162 BGB; Dilcher in Staudinger12 Rz 5 zu § 162 BGB).

Entgegen den Ausführungen in der Revisionsbeantwortung mangelt es der Optionsvereinbarung auch nicht an der nötigen Bestimmtheit. Es mag zwar zutreffen, daß die Vereinbarung eines angemessenen Mietzinses ohne Beziehung auf objektivierbare Umstände nicht den Erfordernissen der Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Bestandzinses (und damit auch der abgegebenen Optionserklärung) entspricht (vgl. Würth in Rummel2 Rz 18 zu §§ 1092 bis 1094 ABGB mwN). Dem Bestimmtheitserfordernis entspricht eine Mietzinsvereinbarung aber jedenfalls dann, wenn der zukünftige Mietzins objektiv bestimmbar ist (JBl 1986, 38; MietSlg 36.151/46 ua; Meinhart, ImmZ 1984, 327 mwN), was der Fall ist, wenn die Angemessenheit auf Grund der in § 16 Abs 1 MRG genannten Umstände objektiv beurteilt werden kann (Würth aaO; vgl. RdW 1984, 339; die ablehnende Stellungnahme von Meinhart, ImmZ 1984, 327 und Würth, ImmZ 1985, 67 betraf nicht die Frage, ob ein nach § 16 Abs 1 MRG festzulegender angemessener Mietzins hinreichend bestimmbar ist). Die Kläger führten dazu in der Berufungsbeantwortung aus, das Gesetz gehe in § 16 MRG davon aus, daß es für jeden Mietgegenstand, sofern er nicht überhaupt von der Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes ausgenommen sei, einen angemessenen Mietzins gebe, der im Einzelfall ermittelt und verbindlich festgestellt werden könne. Verweisen die Kläger aber selbst auf einen angemessenen Mietzins im Sinne des Mietrechtsgesetzes, so kann darunter nur der in § 16 Abs 1 MRG durch verschiedene Umstände objektivierte gemeint sein, wären doch die Kläger andernfalls in der Lage gewesen, einen nach § 16 Abs 2 MRG für sonstige Mietverhältnisse festgesetzten Kategorienhöchstzins bei Ausübung der Option bezeichnen zu können. Darauf ist bei Stattgebung der Revision und Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes unter Präzisierung der den Klägern obliegenden Gegenleistung Bedacht zu nehmen.

Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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