OGH 3Ob584/90

OGH3Ob584/9020.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Dr.Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josefine P*****, vertreten durch Dr.Dieter Wille, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wider die beklagte Partei Kurt R*****, vertreten durch Dr.Peter Pfarl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 18.Juni 1990, GZ R 379/90-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bad Ischl vom 22.Feber 1990, GZ 3 C 50/90-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Rechtliche Beurteilung

Begründung

Sowohl zur Frage des Eigenbedarfs nach § 30 Abs 2 Z 8 MRG als auch zu der bei diesem Kündigungsgrund vorzunehmenden Interessenabwägung liegt im Grundsätzlichen eine umfangreiche und einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor, von der das Berufungsgericht auch ausgegangen ist. Die Kritik, die in jüngerer Zeit von Gimpel-Hinteregger (JBl 1988, 16) und - ihr folgend - von Würth-Zingher (Miet- und WohnR19 Rz 47 zu § 30 MRG) an der Rechtsprechung zum Eigenbedarf geübt wurde, kommt hier nicht zum Tragen, weil sie sich nur zugunsten der Klägerin auswirken könnte; der hier zu entscheidende Fall bietet daher keinen Anlaß, hierauf näher einzugehen.

Die die Entscheidung des Berufungsgerichtes tragenden Argumente bestehen darin, daß der Sohn der Klägerin in unzumutbaren Wohnverhältnissen lebe, daß der Klägerin nicht zuzumuten sei, den Wohnbedarf ihres Sohnes durch Neuverteilung der vorhandenen Räume zu befriedigen, weil dies mit den Interessen ihrer Tochter nicht im Einklang stünde, und daß es schließlich dem Beklagten möglich und zumutbar sei, sich eine andere Wohngelegenheit zu beschaffen. Bei all diesen Überlegungen standen die Verhältnisse des hier zu entscheidenden Falls im Vordergrund. Die Kasuistik des Einzelfalls schließt aber in der Regel die Zulässigkeit der Revision aus (VersRdSch 1989, 188 ua; vgl auch VersRdSch 1988, 364).

Zur Interessenabwägung ist es ständige Rechtsprechung, daß alle Umstände des Einzelfalls und vor allem die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten zu berücksichtigen sind (MietSlg 25.295, 26.256; JBl 1985, 238 ua). Es ist selbstverständlich, daß bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch das Eigentum an einem Grundstück ins Gewicht fällt, und die Beantwortung dieser Frage vermag für sich allein die Zulässigkeit der Revision nicht zu begründen, zumal sich das Gesagte für die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vermieters schon aus der Entscheidung MietSlg 21.459 ergibt. Der Beklagte beruft sich zu Unrecht auf diese Entscheidung, weil darin der Ehefrau des Vermieters die Veräußerung ihres Liegenschaftsanteils nur wegen des hohen Alters ihres Mannes und der bei seinem Ableben zu erwartenden geringen Witwenrente nicht zugemutet wurde. Die Entscheidung zeigt im übrigen deutlich, wie sehr die Interessenabwägung von den Umständen des Einzelfalls abhängt.

Das Berufungsgericht hat vom Beklagten entgegen der von ihm in der Revision vertretenen Auffassung auch nicht im Sinn einer "Anspannungstheorie" verlangt, daß er einem anderen Erwerb nachgehe; es ist nur zur Ansicht gekommen, daß es ihm leichter als der Klägerin oder ihrem Sohn fällt, die für die Besorgung einer angemessenen Unterkunft notwendigen Mittel zu beschaffen. Dies stimmt auch mit dem Revisionsvorbringen überein, weil der Beklagte darin selbst darauf hinweist, daß er ein "hoffnungsvolles" Unternehmen aufbaue.

Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Revision damit begründet, daß der hier zu entscheidende Fall ein Grenzfall sei. Der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs kommt aber auch in einem solchen Fall eine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nur zu, wenn die Grenzen klarzustellen sind, innerhalb deren die Entscheidung liegen muß. Ist hiefür aber schon eine Rechtsprechung vorhanden, hängt die Entscheidung also nur mehr von einer Wertung des Einzelfalles ab, und findet die vom Gericht zweiter Instanz vorgenommene Wertung im Gesetz und in der hiezu ergangenen Rechtsprechung Deckung, so kommt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende und damit keine erhebliche Bedeutung im Sinn der angeführten Gesetzesstelle zu (ähnlich zum Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 8 MRG Würth in WoBl 1991/70 und OGH in WoBl 1988, 92).

Unrichtig ist die in der Revision vertretene Auffassung, daß in einem "Grenzfall" immer zugunsten des Mieters entschieden werden müßte. Nach der vom Beklagten angeführten Rechtsprechung (neben MietSlg 33.352 etwa noch MietSlg 34.435 und JBl 1985, 238) kann zwar die Interessenabwägung nur dann zugunsten des Vermieters ausfallen, wenn seine gefährdeten Interessen gegenüber jenen des Mieters ohne jeden Zweifel überwiegen. Diese Frage ist aber für sich zu lösen. Das Berufungsgericht ist dabei ohnedies von der angeführten Rechtsprechung ausgegangen und hat die erwähnte Frage im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles bejaht.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung der Klägerin war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, weil sie darin die Unzulässigkeit der Revision nicht geltend machte.

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