OGH 9ObA51/91

OGH9ObA51/9113.3.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Köck und Mag. Michael Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L***** B*****, Angestellter, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei A***** GmbH, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen S 208.702,50 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Dezember 1990, GZ 32 Ra 121/90-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. August 1990, GZ 17 Cga 151/89-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.518,40 (darin S 1.586,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten seit über 16 Jahren als Monteur beschäftigt. Am 12. Oktober 1989 wurde er entlassen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger S 208.702,50 sA an Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung und Abfertigung. Er sei zu Unrecht entlassen worden, da er lediglich irrtümlich am 6. Oktober 1989 eine längere Arbeitszeit eingetragen habe als er tatsächlich gearbeitet hätte.

Die Beklagte beantragte, daß Klagebegehren abzuweisen. Mit dem Kläger habe es wiederholt Unstimmigkeiten wegen falscher Zeiteintragung auf seiner Stempelkarte gegeben. Überdies habe er sich wiederholt durch einen anderen Monteur mit dem Firmenauto nach Hause bringen lassen. Dadurch sei die Beklagte sowohl hinsichtlich der Arbeitszeit des Chauffeurs als auch hinsichtlich der Kilometerkosten für den PKW geschädigt worden. Am 6. Oktober 1989 sei der Kläger von der "Firmenleitung" aufgefordert worden, die unrichtig eingetragene Arbeitszeit richtigzustellen. Er habe die Arbeitszeit aber nur um eine Stunde berichtigt, obwohl er gewußt habe, daß er seine Arbeit früher beendet habe. Trotz eines diesbezüglichen Vorhalts unter Androhung der Entlassung habe er sich geweigert, eine weitere Korrektur vorzunehmen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

In den 16 Jahren, in denen der Kläger als Monteur für die Beklagte arbeitete, gab es keinerlei Beanstandungen wegen unrichtiger Zeiteintragungen. Am 6. Oktober 1989, einem Freitag, verrichtete der Kläger gemeinsam mit dem Arbeitskollegen F***** Montagearbeiten in W***** und in P*****. Sie beendeten ihre Tätigkeit in P***** zwischen 13.00 Uhr und 13.15 Uhr. F***** brachte den Kläger, der üblicherweise mit dem Firmenauto nach Hause fahren durfte, zu dem etwa 35 km entfernten Wohnsitz des Klägers in R*****, wo der Kläger gegen 14.00 Uhr bis 14.15 Uhr eintraf. Der Weg bis zum Betrieb und zurück galt als Arbeitszeit.

In der Folge (Dienstag) trug der Kläger irrtümlich auf seinem Arbeitsschein zweieinhalb Stunden mehr ein als seiner tatsächlichen Arbeitszeit entsprach. Diese Eintragung differierte mit seiner Stempelkarte um eine Stunde. Vom Geschäftsführer der Beklagten zur Rede gestellt, war er bereit, den Fehler zu korrigieren. Er berichtigte den Arbeitsschein um eine Stunde. Als der Geschäftsführer meinte, daß die Zeit noch immer nicht stimme, fragte ihn der Kläger, warum die Zeitangabe trotz der Korrektur nicht richtig sein sollte. Der Geschäftsführer erwiderte, daß die Zeiten "anders ausschauen" würden und erklärte den Kläger für entlassen. Der Beklagten entstand kein Schaden, da sie dem Kläger die irrtümlich zu viel verzeichnete Arbeitszeit nicht bezahlte.

Erst nach Ausspruch der Entlassung wies der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger darauf hin, daß er in P***** schon um ca. 13.15 Uhr weggefahren sei.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Entlassung des Klägers ungerechtfertigt erfolgt sei. Er habe sich während seiner Tätigkeit bei der Beklagten nie etwas zuschulden kommen lassen. Der Geschäftsführer der Beklagten habe dem Kläger nicht einmal die Möglichkeit geboten, bei der Kundschaft anzurufen bzw. mit seinem Arbeitskollegen, der nicht entlassen worden sei, Rücksprache zu halten, um eine allfällige Zeitdifferenz korrigieren zu können. Wegen des einmaligen Fehlverhaltens sei der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zumutbar gewesen. Davon, daß der Kläger unwillig gewesen sei, eine von ihm als falsch erkannte Arbeitszeit zu berichtigen, könne keine Rede sein. Ihm sei keine wirkliche Chance zur Rechtfertigung gegeben worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen - entgegen dem § 500 a ZPO gab es die Feststellungen nicht wieder, sondern beschränkte sich unzulässigerweise auf einen Hinweis auf das erstgerichtliche Urteil -, ging aber auf die Rechtsrüge nicht ein, da sie diese als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt ansah.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß eine vom Berufungsgericht als nicht gegeben erachtete Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens in der Revision nicht neuerlich als Mangel des Berufungsverfahrens geltend gemacht werden kann (vgl. RZ 1989/16; ÖBl. 1984, 109; SZ 27/4 uva).

Entgegen der im Berufungsverfahren vertretenen Auffassung der Beklagten reichen die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen für eine erschöpfende rechtliche Beurteilung aus. Die von ihr in der Berufung geltend gemachte sekundäre Mangelhaftigkeit ist nicht gegeben. Soweit die Revisionswerberin auch in der Revision einwendet, der Kläger sei nicht bereit gewesen, seine irrige Zeiteintragung zu korrigieren und habe sich dadurch einer Vertrauensunwürdigkeit "in Analogie zu § 27 AngG" schuldig gemacht, geht sie nicht vom maßgeblichen Sachverhalt aus. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen trifft es eben nicht zu, daß der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger vor der Entlassung auf das tatsächliche Arbeitsende aufmerksam gemacht habe. Ein solcher Hinweis erfolgte erst nach der Entlassung. Sämtliche Ausführungen über die "Unverfrorenheit" des Klägers, der trotz "erdrückender Beweislage", seine leugnende Verantwortung aufrecht erhalten habe, sind ohne jegliches durch Feststellungen gedecktes Substrat. Durch das einmalige, auf einem Irrtum beruhende Fehlverhalten des Klägers wurde ein Entlassungsgrund im Sinne des § 82 GewO 1859 nicht verwirklicht.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 50 und 41 ZPO begründet.

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