Spruch:
Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. November 1990, AZ 6 b Vr 10.471/85, womit der Antrag des Angeklagten auf Anordnung der stenographischen Aufzeichnung aller Aussagen und Vorträge der nächsten Hauptverhandlung (verbunden mit dem Ersuchen um umgehende Bekanntgabe der hiefür erforderlichen Kosten zwecks Erlags durch den Angeklagten) abgewiesen wurde, verletzt das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 3, 271 Abs. 4 (erster Satz zweiter Fall) StPO.
Dieser Beschluß wird aufgehoben; dem Landesgericht für Strafsachen Wien wird aufgetragen, dem Gesetz gemäß zu verfahren.
Text
Gründe:
Im Strafverfahren gegen Dr. Friedrich Wilhelm K***** wegen § 33 Abs. 1, Abs. 2 lit. a und § 13 FinStrG, AZ 6 b Vr 10.471/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, beantragte der Angeklagte am 31.Juli 1990 unter Berufung auf § 271 Abs. 4 ersten Satz StPO die stenographische Aufzeichnung aller Aussagen und Vorträge der nächsten Hauptverhandlung durch besonders befähigte Stenographen (ON 150). Er verwies darauf, daß einem solchen Antrag bei rechtzeitiger Antragstellung durch die Partei stets stattzugeben sei, und ersuchte um "umgehende Bekanntgabe der hiefür erforderlichen Kosten", damit deren Erlag in die Wege geleitet werden könne.
Dieser Antrag wurde mit dem Beschluß des Vorsitzenden des Schöffensenates vom 5.November 1990 abgewiesen. In der Begründung führte das Gericht aus, die Anordnung der stenographischen Aufzeichnung sei "besonders wichtigen und besonders schwierigen Prozessen" vorbehalten; zwar könnten auch die Parteien die stenographische Aufzeichnung aller Aussagen und Vorträge verlangen, jedoch nur dann, wenn der für die Zuziehung von besonders befähigten Stenographen erforderliche Betrag von ihnen erlegt werde; es sei nicht dargetan, daß es sich vorliegend um einen besonders wichtigen oder schwierigen Prozeß handle.
Gegen diesen Beschluß brachte der Angeklagte eine - allerdings unzulässige - Beschwerde ein (ON 166).
Der Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 5. November 1990 steht - wie der Generalprokurator zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 271 Abs. 4 erster Satz zweiter Fall StPO ist die stenographische Aufzeichnung aller Aussagen und Vorträge auf rechtzeitiges Verlangen einer Partei und gegen vorläufigen Erlag der Kosten stets zu verfügen, mithin zwingend vorgesehen und daher keineswegs dem Ermessen des Gerichtes anheim gestellt (vgl. S. Mayer Commentar zur Österreichischen Strafproceß-Ordnung Zweiter Theil III. Band Nr. 126 zu § 271 StPO; Lohsing-Serini Österreichisches Strafprozeßrecht4, 209; Foregger-Serini StPO4 Erl. III zu § 271; EvBl. 1947/710). Die rechtzeitige Stellung eines solchen Antrages allein - ohne gleichzeitigen Erlag des für die Beiziehung eines Stenographen voraussichtlich erforderlichen Betrages - reicht allerdings noch nicht hin, die Verpflichtung des Gerichtes zur Anordnung der stenographischen Aufzeichnung zu begründen (EvBl. 1947/710). Ist ein solcher Antrag jedoch - wie vorliegend - mit dem Ersuchen verbunden, das Gericht möge die Höhe des zu leistenden Vorschusses bekanntgeben, dann läuft seine sofortige Abweisung - ohne Berücksichtigung des mit ihm verbundenen Ersuchens um Kostenbekanntgabe - dem Sinn des zweiten Falles des § 271 Abs. 4 StPO, wie auch der richterlichen Anleitungspflicht (§ 3 StPO) zuwider; die Vorgangsweise des Angeklagten, welche ersichtlich dazu dient, ihm vor dem Erlag des Kostenvorschusses Klarheit über dessen als ausreichend anzusehende Höhe zu verschaffen, durfte demnach nicht zum Anlaß genommen werden, die Erfüllung der hier aktuellen Voraussetzung für die begehrte Verfügung vorweg auszuschließen.
Mag auch die somit (jedenfalls) verfrühte Verweigerung der Anordnung der stenographischen Aufzeichnung aller Aussagen und Vorträge nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, so beeinträchtigt sie doch die prozessualen Rechte des Angeklagten, zumal dessen berechtigtes Anliegen, die Höhe des nach Ansicht des Gerichtes ausreichenden Kostenbetrages vor dessen Erlag in Erfahrung zu bringen (um im Falle eines sofortigen vorläufigen Erlags nicht die Abweisung seines Begehrens wegen zu geringer Höhe gewärtigen zu müssen), unberücksichtigt blieb. In Erfüllung seiner Anleitungspflicht hätte das Erstgericht dem Angeklagten die Höhe der erforderlichen Kosten bekanntgeben und eine angemessene Frist für dessen Erlag setzen müssen. Erst bei Unterlassung des Erlags innerhalb dieser Frist hätte der Antrag zurückgewiesen werden dürfen.
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