OGH 10ObS417/90

OGH10ObS417/9026.2.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Wolf (Arbeitgeber) und Otto Schmitz (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Parteien 1.) Ana V*****, und

2.) Marjana V*****, beide vertreten durch Mag. DDr.Paul Hopmeier, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Gewährung der Witwen- und Waisenpension, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.September 1990, GZ 32 Rs 183/90-19, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 7.Juni 1990, GZ 22 Cgs 265/88-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, ab 1.10.1987 der Erstklägerin die Witwenpension und der Zweitklägerin die Waisenpension im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen, ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der am 18.8.1931 geborene Ehegatte der Erstklägerin und Vater der Zweitklägerin ist am 25.9.1987 verstorben. Er erwarb in der jugoslawischen Pensionsversicherung zwischen Oktober 1946 und Mai 1968 mit Unterbrechungen insgesamt 159 Versicherungsmonate, die sich folgendermaßen zusammensetzen: ein Jahr, sechs Monate und neun Tage aus der Zeit vom 18.10.1946 bis 26.4.1948; zwei Jahre, acht Monate und zwei Tage aus der Zeit vom 4.1.1949 bis 5.9.1951;

elf Monate und fünf Tage aus der Zeit vom 7.9.1953 bis 11.8.1954;

sechs Monate und zwanzig Tage aus der Zeit vom 12.8.1954 bis 1.3.1955; zwei Monate und achtzehn Tage aus der Zeit vom 3.6. bis 20.8.1956; vier Jahre aus der Zeit vom 1.1.1957 bis 31.12.1960;

fünf Monate und zwanzig Tage aus der Zeit vom 25.5. bis 15.11.1961; vier Tage aus der Zeit vom 16. bis 20.11.1961; vier Monate und elf Tage aus der Zeit vom 20.4. bis 31.8.1963; fünf Monate aus der Zeit vom 1.6. bis 31.10.1964; sechs Monate und zwanzig Tage aus der Zeit vom 4.11.1964 bis 24.5.1965; fünf Monate und vierundzwanzig Tage aus der Zeit vom 26.5. bis 20.11.1965; sieben Monate und fünfzehn Tage aus der Zeit vom 21.2. bis 7.10.1966; zwei Monate und zwanzig Tage aus der Zeit vom 11.10. bis 31.12.1966; zwei Monate und fünfundzwanzig Tage aus der Zeit vom 5.3. bis 30.5.1968.

In Österreich erwarb der verstorbene Versicherte zwischen 1968 und 1971 30 Beitragsmonate und in der Bundesrepublik Deutschland zwischen August 1971 und Dezember 1973 24 Beitragsmonate.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß die Wartezeit für die begehrten Leistungen nicht erfüllt sei. Der Versicherte habe in dem gemäß § 236 Abs 1 Z 1 lit b und Abs 2 Z 1 ASVG maßgebenden Zeitraum von 146 Kalendermonaten vor dem mit 1.10.1987 anzunehmenden Stichtag keine Versicherungszeiten und anstelle der gemäß § 236 Abs 4 ASVG iVm Art IV Abs 4 der 40.ASVGNov erforderlichen 216 Versicherungsmonate nur 213 erworben. Die in der Zeit von 1980 bis September 1987 erworbenen Versicherungsmonate seien dabei nicht zu berücksichtigen, weil der Erwerb auf die Tätigkeit als "individueller Landwirt als Vorstand des landwirtschaftlichen Haushalts" zurückgehe. Diese Tätigkeit sei vom AbkSozSi-Jugoslawien in der Stammfassung nicht erfaßt. Die Berücksichtigung sei (gemeint im Zweiten Zusatzabkommen) erst mit Wirksamkeit vom 1.7.1989 und somit für einen nach dem Stichtag liegenden Zeitpunkt vereinbart worden.

Das Berufungsgericht gab der von den Klägerinnen gegen dieses Urteil des Erstgerichtes erhobenen Berufung nicht Folge, wobei es die Rechtsansicht des Erstgerichtes billigte.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerinnen wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, es aufzuheben und (die Rechtssache) zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens an das Erstgericht oder das Berufungsgericht zurückzuverweisen oder es allenfalls im Sinn des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens haben die Klägerinnen allerdings nicht aufgezeigt. Sie haben das Unterbleiben der Einholung einer Auskunft des jugoslawischen Versicherungsträgers schon in ihrer Berufung als Mangel des Verfahrens erster Instanz geltend gemacht und das Berufungsgericht erachtete diesen Mangel nicht als gegeben. Ein solcher Mangel kann aber auch in Sozialrechtssachen nicht mehr mit Revision geltend gemacht werden (SSV-NF 1/32,3/115 uva).

Den Klägerinnen kann ferner nicht darin gefolgt werden, daß auch jene Versicherungszeiten zu berücksichtigen sind, die der verstorbene Versicherte als Landwirt erwarb. Der Oberste Gerichtshof hat diese Ansicht für Ansprüche auf eine Hinterbliebenenpension, deren Stichtag vor dem Inkrafttreten des Zweiten Zusatzabkommens zum AbkSozSi - Jugoslawien liegt, schon in seiner Entscheidung vom 29.1.1991, 10 Ob S 249/90, abgelehnt. Auf die Begründung dieser Entscheidung wird unter Hinweis auf den im § 15a OGHG idF BGBl 1991/20 festgelegten Anspruch, hievon Abdrucke zu erhalten, Bezug genommen. Die Revisionsausführungen bieten keinen Anlaß, von der in der Entscheidung vertretenen Meinung abzugehen, zumal die wesentlichen Argumente schon durch die Entscheidungen SSV-NF 2/117 und 3/134 widerlegt wurden.

Das Erstgericht hat aber die in Jugoslawien erworbenen Versicherungszeiten offensichtlich in der Weise berechnet, daß es die zusätzlichen Versicherungstage durch 30 teilte und die sich dadurch ergebende Zahl den festgestellten Versicherungsmonaten hinzuzählte. Der Oberste Gerichtshof hat diese Art der Berechnung jedoch in der Entscheidung SSV-NF 3/137 abgelehnt und dort die Ansicht vertreten, daß nicht in Versicherungsmonaten ausgedrückte jugoslawische Versicherungszeiten mangels besonderer Bestimmungen in einem Abkommen nach der innerstaatlichen Regelung des § 231 ASVG in Versicherungsmonate umzurechnen seien.

Da nicht auszuschließen ist daß bei dieser Art der Ermittlung der Versicherungsmonate unter Berücksichtigung der weiteren in Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland erworbenen Versicherungszeiten die Wartezeit für den Anspruch der Klägerinnen gemäß § 236 Abs 4 ASVG erfüllt ist (wofür gemäß Art IV Abs 4 der 40.ASVGNov im Hinblick auf den im Jahr 1987 liegenden Stichtag 216 Versicherungsmonate, davon 180 Beitragsmonate, erworben sein müßten), war das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben, wobei die Aufhebung im Hinblick auf § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO idF der WGN 1989 und im Hinblick auf die Rechtsprechung, wonach die Parteien nicht mit einer von ihnen nicht bedachten Rechtsansicht überrascht werden dürfen (JBl 1988, 730 ua), geboten schien.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 2 Abs 1 ASGG iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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