Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die beklagte Partei begehrt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufung gegen das ihr am 10. Dezember 1990 zugestellte Urteil des Erstgerichtes. Letzter Tag dieser Frist war der 7. Jänner 1991.
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsantrages brachte die beklagte Partei vor, daß von der die Gerichtspost öffnenden Kanzleiangestellten auf die erste Seite des Urteils der Eingangsstempel und der Hinweis "Frist?" gesetzt worden sei. Nach dem Studium des Urteils habe der Vertreter der beklagten Partei den Fristvormerk selbst vorgenommen. Er habe die Absicht gehabt, die Frist für die Ausarbeitung der Berufung schon für Donnerstag, den 3. Jänner 1991, zu setzen, habe sich aber bei der Eintragung um eine Seite verblättert und die Eintragung erst für Donnerstag, den 10. Jänner 1991 vorgenommen. Im Vertrauen auf die Richtigkeit dieser Eintragung habe er die Ausarbeitung des Rechtsmittels aber bereits am 8. Jänner 1991 - an diesem Tag erfolgte die Zustellung der Berufung der klagenden Partei an den Beklagtenvertreter - begonnen und dabei die irrtümliche Fristeintragung bemerkt.
Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag ab, weil der Beklagtenvertreter die Fristversäumnis grob fahrlässig verschuldet habe.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und vertrat gleichfalls die Auffassung, die unrichtige Eintragung der Frist durch den rechtskundigen Beklagtenvertreter sei als grob fahrlässiges Verhalten zu werten.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß im Sinne der Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Berufung den stattgebenden Teil des Ersturteils abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 146 ZPO hindert ein minderer Grad des Versehens der säumigen Partei die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht. Eine solche leichte Fahrlässigkeit liegt aber nur dann vor, wenn ein Fehler begangen wird, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft. Handelt es sich um ein von einem Rechtsanwalt verschuldetes Versäumnis, ist der Maßstab die Sorgfalt eines gewissenhaften Rechtsanwaltes (vgl AnwBl 1991, 49 = EvBl 1991/18). Die Ermittlung des Endes der vierwöchigen Berufungsfrist durch bloßes Blättern in einem Kalender - in dem jeweils zwei Seiten eine Woche erfassen - ohne zusätzliche Kontrolle des auf diese Weise festgestellten Endtermins durch Vergleich mit dem Fristbeginn reicht bei Zugrundelegung dieses Sorgfaltsmaßstabes nicht aus, sodaß dem Vertreter der beklagten Partei nicht nur ein minderer Grad des Versehens anzulasten ist. Soweit sich die Rekurswerberin auf die Entscheidungen VfSlg 11.427 und 11.537 beruft, ist ihr zu erwidern, daß es sich dort um den Irrtum einer Kanzleiangestellten des Beschwerdevertreters handelte. Mit den von der Rekurswerberin weiters angeführten Entscheidungen VfSlg 11.842 und 11.959 hat der Verfassungsgerichtshof den Wiedereinsetzungsanträgen hingegen nicht Folge gegeben.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)