OGH 6Ob26/90

OGH6Ob26/9029.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Schlosser, Dr.Redl und Dr.Kellner als weitere Richter in den gemeinsam geführten Abhandlungen der Nachlässe A) nach der am 5.Dezember 1983 gestorbenen F*** (auch: F***) D*** F***, geboren am 4.Juli 1912, zuletzt Landwirtin in E*** 214, und B) nach ihrem am 28.September 1984 nachverstorbenen Ehemann H*** D*** F***, geboren am 9.Juli 1901, zuletzt Gewerbepensionist, E*** 214, wegen Bestimmung des Übernahmspreises gemäß § 11

AnerbG, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Anerben R*** D*** F***, Landwirt, E*** 214, vertreten durch Dr.Harald W.Jesser und DDr.Manfred Erschen, Rechtsanwälte in Leoben, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgericht vom 10. August 1990, GZ 3 R 225, 226/90-130, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 29.Mai 1990, GZ 1 A 30/84-122, in seinem Punkt 2 (Festsetzung des Übernahmspreises) bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Anerben wird stattgegeben. Der angefochtene Beschluß und Punkt 2 des erstinstanzlichen Beschlusses werden aufgehoben. Dem Gericht erster Instanz wird eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu fällende Entscheidung über die Festsetzung des Übernahmspreises aufgetragen.

Text

Begründung

Die Eltern von fünf großjährigen Geschwistern waren zu je einem Hälfteanteil Eigentümer einer steirischen Liegenschaft, deren Gutsbestand zu rund 7/9 aus Waldgrundstücken und nur zu rund 2/9 aus landwirtschaftlichen Nutzflächen besteht. Eine Reihe weiterer Liegenschaften stand im Alleineigentum des Vaters der fünf Geschwister.

Die Mutter starb am 5.Dezember 1983 im 72. Lebensjahr. Sie hatte ihren Ehemann zum Alleinerben eingesetzt und ihre Kinder ausdrücklich auf den Pflichtteil gesetzt. Der zum Alleinerben eingesetzte Witwer starb am 28.September 1984 im 84. Lebensjahr. Er hatte vor seinem Ableben weder nach seiner vorverstorbenen Ehefrau eine Erbserklärung abgegeben noch sich des Erbrechtes entschlagen. Sein Sohn und seine vier Töchter, die erwähnten fünf großjährigen Geschwister, sind seine gesetzlichen Erben. Diese fünf Kinder sind gleichzeitig auch die gesetzlichen Erben nach ihrer Mutter. Als Repräsentanten des Nachlasses nach ihrem Vater entschlugen sie sich des Erbrechtes nach dessen vorverstorbener Ehefrau. Das Abhandlungsgericht nahm die zu den Nachlässen beider Elternteile aufgrund des Gesetzes unter Inanspruchnahme der Rechtswohltat des Inventars abgegebenen Erbserklärungen sämtlicher fünf Geschwister an.

In den gemeinsam geführten Abhandlungen stellte das Abhandlungsgericht beschlußmäßig fest, daß die im gleichteiligen Eigentum der nacheinander verstorbenen Ehegatten gestandene Liegenschaft samt näher umschriebenen Teilen einer im Alleineigentum des Vaters der fünf Geschwister gestandenen Liegenschaft ein Erbhof im Sinne des § 1 Abs. 1 AnerbenG sei (ON 65). Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung (ON 69). Hierauf beantragte der einzige Sohn die Zuweisung des Erbhofes an ihn. Die Töchter stimmten diesem Antrag zu.

Mangels Einigung über den Übernahmspreis beantragten die vier weichenden Töchter dessen gerichtliche Festsetzung unter Bestimmung der Fälligkeit ihrer Abfindungsansprüche, Festsetzung einer angemessenen Verzinsung und einer Wertsicherung (ON 71). Der Anerbe beantragte die Festsetzung des Übernahmspreises mit Null (ON 83), seine weichenden Schwestern bezifferten hierauf ihr Begehren auf Festsetzung des Übernahmspreises mit einem Betrag in der Größenordnung von vier Millionen Schilling. Dem stellte der Anerbe seinen Standpunkt gegenüber, daß ein Abfindungsbetrag im Rahmen von 100.000 S für jede weichende Tochter angemessen erschiene.

Das Abhandlungsgericht bestellte einen Zivilingenieur für Forstwesen sowie einen ehemaligen Angestellten der B*** FÜR L***- UND F*** zu Sachverständigen zur Ermittlung des Übernahmspreises. Diese beiden Sachverständigen erstatteten aufgrund einer eingehenden Beschreibung der forstwirtschaftlich und landwirtschaftlich genutzten Grundflächen sowie der Wirtschaftsgebäude und deren erforderlichen Instandsetzung ein übereinstimmendes Gutachten, demzufolge ein Übernahmspreis von 300.000 S angemessen erschiene.

Versuche einer vergleichsweisen Erbteilung scheiterten. Die weichenden Schwestern beharrten auf einem Übernahmspreis von vier Millionen Schilling. Die Sachverständigen erstatteten ein Ergänzungsgutachten. Die in der Begründung des nachfolgenden Beschlusses entwickelten eigenen Erwägungen erörterte das Abhandlungsgericht mit den beiden Sachverständigen nicht. Das Abhandlungsgericht wies den Erbhof dem einzigen Sohn des Erblassers als Anerben zu und bestimmte den Übernahsmpreis mit zwei Millionen Schilling.

Das Rekursgericht gab dem vom Anerben gegen diese Wertfestsetzung erhobenen Rekurs nicht statt. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteigt.

Weiters sprach das Rekursgericht aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Rekursgericht billigte die erstrichterliche Vorgangsweise, der von den Sachverständigen dargelegten Methode zur Ermittlung des forstwirtschaftlichen Jahreseinkommens nicht zu folgen und diesbezüglich eigene Überlegungen anzustellen.

Der Anerbe ficht die bestätigende Rekursentscheidung wegen (qualifizierter) Mangelhaftigkeit des Verfahrens und (qualifizierter) unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Festsetzung des Übernahmspreises mit Null zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist zufolge Notwendigkeit einer Erörterung der im folgenden darzulegenden Rechtsfragen zulässig.

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Mangels Einigung der Miterben hat das Verlassenschaftsgericht nach § 11 AnerbenG den Übernahmspreis "unter Berücksichtigung aller auf dem Erbhof haftenden Lasten nach billigem Ermessen aufgrund des Gutachtens zweier bäuerlicher Sachverständiger so zu bestimmen, daß der Anerbe wohl bestehen kann. Hiebei ist auch auf die Interessen der übrigen Miterben gebührend Bedacht zu nehmen." Diese Regelung bindet die richterliche Ermessensübung bei der Festsetzung des Übernahmspreises einerseits in verfahrensrechtlicher Hinsicht an die Grundlage eines Gutachtens bäuerlicher Sachverständiger und in materieller Hinsicht an das Gebot, dem Anerben keine höheren Erbteilungsverpflichtungen aufzuerlegen, als bei betriebswirtschaftlich zweckmäßiger und emsiger Wirtschaftsführung aus den Erträgnissen des Erbhofes objektiv erzielbar sind, weil anders der Hof in seiner gegebenen Größe und Struktur nicht erhalten werden, der Anerbe mit den Worten des Gesetzes nicht wohl bestehen könnte. Die gesetzlich vorgesehene gebührende Bedachtnahme auf die Interessen der übrigen Miterben ist dem primären Zweck der anerbenrechtlichen Erbteilungsvorschriften, die Lebensfähigkeit mittlerer Bauerngüter nicht durch die Belastung des Hofübernehmers mit Erbteilsforderungen seiner weichenden Miterben zu gefährden, nachgeordnet und rechtfertigt lediglich, dem Anerben größtmögliche Anstrengungen und die Ausnützung aller objektiven Möglichkeiten zur effektiven Wirtschaftsführung zuzumuten, nicht aber ihn in einem solchen Ausmaß und in einer solchen Weise zu belasten, daß er wirtschaftlich unmittelbar oder auch nur mittelbar (etwa über eine aus den Erträgnissen nicht abzudeckende Kreditaufnahme) zum Abverkauf von Hofbestandteilen genötigt würde.

Sowohl im aufgezeigten verfahrensrechtlichen Grundsatz als auch in der dargelegten materiallrechtlichen Haupttendenz des Anerbengesetzes hat das Rekursgericht Verstöße des Abhandlungsgerichtes toleriert und seine eigene Entscheidung damit im Sinne des § 14 Abs. 1 AußStrG anfechtbar gemacht:

1. Das Gebot, aufgrund des Gutachtens zweier bäuerlicher Sachverständiger zu entscheiden, schließt zwar nicht aus, daß mit Einwilligung der an der Erbteilung Beteiligten außer oder anstelle der Begutachtung durch zwei bäuerliche Sachverständige andere Gutachten zur Gewinnung der Grundlagen für die richterliche Ermessensübung beigezogen würden, es gestattet dem Gericht aber nicht, ohne ausdrückliche Zustimmung der Verfahrensbeteiligten von der gesetzlich vorgesehenen Begutachtung entweder überhaupt abzusehen oder diese als Entscheidungsgrundlage praktisch zu negieren.

Dieser letztgenannte Mangel haftet aber der vorinstanzlichen Vorgangsweise an, die von den Sachverständigen angewandte Methode der Einkommens- und Wertermittlung ohne sachliche Widerlegung abzulehnen und anstelle der von den Gutachtern eingehend begründeten Vorschläge einer Wertfestsetzung von 300.000 S den Übernahmspreis mit zwei Millionen Schilling zu bestimmen.

2. Zur Überprüfung der Wertfestsetzung innerhalb der Grenzen des Wohlbestehenkönnens ist im Zweifelsfall, der im Anlaßfall vorliegt, darzulegen, welche realen Möglichkeiten für den Anerben offenstehen, die zur Auszahlung der Erbteilsforderungen unter Zugrundelegung des bestimmten Übernahmspreises bis zur äußersten zulässigen Fälligkeit aus den Betriebserträgnissen (nicht notwendig innerhalb der erwähnten Zeitspanne) abzustatten.

Das bisherige Verfahren zur Festsetzung des Übernahmspreises ist daher mit wesentlichen Mängeln behaftet, weil die Vorinstanzen davon abgesehen haben, den beigezogenen Sachverständigen die Zweifel an der Methode und am Ergebnis ihrer Berechnungen vorzuhalten oder die gewählte abweichende eigene Methode auf die Grundlage des Gutachtens anderer geeigneter Sachverständiger zu stellen. In materieller Hinsicht liegen die aufgezeigten Feststellungsmängel vor. Zur Behebung dieser Mängel ist eine Ergänzung des Verfahrens in erster Instanz unumgänglich.

Unter Aufhebung der Entscheidungen beider Vorinstanzen war daher die Abhandlungssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung nach § 11 AnerbenG an das Gericht erster Instanz rückzuverweisen.

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