Spruch:
Beiden Rekursen wird stattgegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, über die Berufung der klagenden Partei unter Abstandnahme vom angenommenen Nichtigkeitsgrund zu entscheiden.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Der Beklagte verkaufte als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen einer Handelsgesellschaft der Klägerin das von der Gemeinschuldnerin betriebene Entsorgungsunternehmen. In der über diesen Unternehmenskauf errichteten Vertragsurkunde vom 21.Juli 1988 (mit konkursgerichtlichem Genehmigungsvermerk vom 28.Oktober 1988) wurde der Kaufgegenstand sachlich durch die der Unternehmensführung zugrundeliegenden gewerberechtlichen Konzessionen und räumlich durch das Mietrecht an der Betriebsliegenschaft sowie durch eine Auflistung der Gegenstände des Anlagevermögens, darunter die auf dem Mietgegenstand errichtete Mehrzweckhalle, aber auch die "auf dem Grundstück ... getätigten Investitionen, Aufschließungs- und Erhaltungskosten", und durch Erwähnung der Vorräte, Forderungen und Geschäftsunterlagen umschrieben. Dabei wurde festgehalten, daß die Übergabe des Unternehmens und seiner Bestandteile bereits am 16.Juni 1988 erfolgt wäre und die Käuferin bei Schad- und Klagloshaltung der Masse verpflichtet sei, ab diesem Zeitpunkt den monatlichen Mietzins an die Eigentümerin des Betriebsgrundstückes zu bezahlen. Der vierte Vertragspunkt enthält in seinem dritten Absatz folgende Regelung:
"Die Käuferin übernimmt durch diesen Vertrag auch keine wie immer geartete Haftung für die Entsorgung der im Betrieb der Gemeinschuldnerin entstandenen Altlasten, welche durch sachgerechte oder unsachgemäße Ablagerung von Altöl oder sonstigen welchen Namen immer habenden Müll oder Sondermüll auf dem im Alleineigentum der Frau ... stehenden und von der Gemeinschuldnerin gemieteten
Grundstück ... entstanden sind."
Mit wasserechtsbehördlichem Kostenbescheid vom 14.November 1988 wurde die Unternehmenskäuferin unter ausdrücklicher Verwerfung ihrer Einwendung, für die von den (auf dem gemieteten Betriebsgrundstück befindlichen) Betonbecken ausgehenden Gewässerverunreinigungen nicht verantwortlich zu sein, "als Unternehmensnachfolger" der gemeinschuldnerischen Anlagenbetreiberin gemeinsam mit der Eigentümerin der Betriebsliegenschaft verpflichtet, die Kosten einer Bodenluftuntersuchung in der Höhe von 135.060 S zu zahlen. Mit einem weiteren wasserrechtlichen Bescheid vom 12.April 1989 wurden die Gemeinschuldnerin, die Unternehmenskäuferin und die Eigentümerin des Betriebsgrundstückes zur ungeteilten Hand verpflichtet, in Ansehung der auf dem Mietgrundstück in Verwendung gestandenen Betonbecken verschiedene Maßnahmen durchzuführen sowie die Verfahrenskosten im Betrag von 7.750 S zu ersetzen.
Der Masseverwalter hatte in dem schon vor dem Abschluß des Unternehmenskaufes anhängig gewesenen Wasserrechtsverfahren mitgeteilt, daß das von der Gemeinschuldnerin betriebene Unternehmen (aus dem Titel des Kaufes) an die nunmehrige Klägerin übergeben worden sei. Daraufhin wurde diese von der Behörde dem wasserrechtlichen Verfahren beigezogen.
Die Klägerin forderte daraufhin den Masseverwalter zur schriftlichen Bestätigung auf, daß die (auf dem gemieteten Betriebsgrundstück eingebauten und zur Ablagerung von Problemstoffen in Verwendung gestandenen) Betonbecken kein Gegenstand des Kaufvertrages vom 21.Juli 1988 und einer Übergabe gewesen wären. Der Masseverwalter lehnte aus rechtlichen Erwägungen die Abgabe der begehrten Erklärung ab.
Die Klägerin begehrte klageweise die Feststellung, daß die auf dem näher beschriebenen Betriebsgrundstück befindlichen Betonbecken nicht Gegenstand des am 21.Juli 1988 zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Kaufvertrages gewesen, diese Betonbecken der Klägerin auch nicht übergeben worden seien und die Klägerin daher nicht Eigentümerin dieser Betonbecken geworden sei. Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung, daß die mit Altlasten behafteten Betonbecken nicht Gegenstand des Kaufvertrages gewesen seien, begründete die Klägerin damit, daß der Masseverwalter nach der Begründung des wasserbehördlichen Bescheides vom 14.November 1988 in einer Berufung ausgeführt habe, das gesamte Unternehmen sei an die Klägerin verkauft worden, und die Behörde die Kostenersatzpflicht der Klägerin auf die Unternehmensnachfolge gegründet habe und dabei "offensichtlich davon ausgeht, daß die kontaminierten Becken mitübergeben" worden seien, was aber nicht zuträfe.
Der Beklagte vertrat dagegen den Standpunkt, keine unrichtige Erklärung abgegeben zu haben und zur Abgabe der von der Klägerin begehrten Erklärung nicht verpflichtet zu sein. Bejahendenfalls bestünde aber ein mit Leistungsklage verfolgbarer Anspruch, der das erhobene Feststellungsbegehren ausschlösse. Überdies seien Tatschen nicht feststellungsfähig. Erklärungen des Verkäufers im Sinne der begehrten Feststellung wären auch für die Verwaltungsbehörde ohne jede Bedeutung.
Das Prozeßgericht erster Instanz wertete das Klagebegehren als auf Feststellung nicht feststellungsfähiger Tatsachen gerichtet. Aber auch bei Umdeutung des Begehrens dahin, daß die Feststellung angestrebt würde, die Klägerin sei nicht Käuferin der auf dem gemieteten Betriebsgrundstück befindlichen Betonbecken, wäre durch die Formulierung in der Kaufvertragsurkunde (deren Richtigkeit der Beklagte nie in Abrede gestellt hätte) hinreichend klargestellt, daß Kaufgegenstand das Unternehmen der Gemeinschuldnerin gewesen sei. Daraus folgerte das Prozeßgericht erster Instanz, daß das Feststellungsbegehren mangels Feststellungsinteresses unbegründet sei, und wies das Klagebegehren mit Urteil ab.
Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der von der Klägerin ergriffenen Berufung das erstinstanzliche Urteil sowie das gesamte erstinstanzliche Verfahren als nichtig auf und wies die Klage zurück. Es nahm das Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges an: Die Klägerin strebe gegenüber dem Beklagten die Klärung der Rechtswirkungen eines zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrages durch gerichtlichen Feststellungsausspruch an, habe aber konkret kein anderes Interesse an der Klarstellung der Rechtslage behauptet, als daß die festzustellende Rechtslage im anhängigen Verwaltungsverfahren von der zuständigen Verwaltungsbehörde als bürgerlich-rechtliche Vorfrage zu beurteilen sei. Die Verwaltungsbehörden wären aber an ein nur zwischen den Prozeßparteien wirkendes Feststellungsurteil nicht gebunden. Für eine solche Feststellung sei der Rechtsweg unzulässig.
Beide Streitteile fechten diesen berufungsgerichtlichen Nichtigerklärungs- und Klagszurückweisungsbeschluß mit dem Antrag auf seine ersatzlose Aufhebung an.
Rekursbeantwortungen haben sie demgemäß nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsmittel sind gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig. Sie sind auch berechtigt:
Das Berufungsgericht hat die mit dem Feststellungsbegehren angestrebte Klärung der aufgrund eines zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Unternehmungskaufvertrages eingetretenen Rechtswirkungen in Ansehung von Einbauten in das gemietete Betriebsgrundstück selbst zutreffend als privatrechtliche (Vor-)Frage qualifiziert. Daß sie von einer Verwaltungsbehörde als Vorfrage zu beurteilen wäre, ändert nichts daran, daß die begehrte spruchmäßige Hauptfragenlösung als bürgerliche Rechtssache den Gerichten vorbehalten bleibt. Das vom Berufungsgericht angenommene Prozeßhindernis der Unzulässigkeit des Rechtsweges besteht nicht (vgl zB SZ 44/62, implizit auch JBl 1988, 662). Eine Deutung des Klagebegehrens als Begehren auf Feststellung eines vor die Verwaltungsbehörden gehörenden Anspruches, wie das in dem in SZ 19/54 veröffentlichten Rechtsfall erfolgte, schneidet nach der Formulierung des Urteilsbegehrens im vorliegenden Fall aus. Das verkannte auch die vom Berufungsgericht zitierte unter Arb 7662 veröffentlichte zweitinstanzliche Entscheidung.
Es bleibt danach noch von Amts wegen zu prüfen, ob nicht etwa ein anderes Prozeßhindernis der Sachentscheidung entgegenstünde. In diesem Zusammenhang ist die Qualität des Feststellungsinteresses als einer rein verfahrensrechtlich zu beurteilenden besonderen Prozeßvoraussetzung oder als einer materiell zu prüfenden Anspruchsvoraussetzung klarzustellen.
Das Vorliegen des Feststellungsinteresses wertet der Oberste
Gerichtshof ungeachtet der in der Lehre überwiegend vertretenen
gegenteiligen Auffassung nicht als besondere Prozeßvoraussetzung, sondern als materielle Anspruchsvoraussetzung. Der erkennende Senat sieht sich nicht bestimmt, von dieser Auffassung abzugehen. Er hält seine, in der nicht veröffentlichten Entscheidung vom 28.Feber 1985, 6 Ob 651/83, dargelegten Erwägungen aufrecht, die er wie folgt formuliert hatte:
"Einem Begehren auf richterlichen Ausspruch über das Bestehen oder Nichtbestehen eines konkreten Rechtsverhältnisses oder Rechtes wohnt das Interesse an der Rechtsschutzgewährung nicht in gleich offenkundiger Weise inne wie einem Begehren auf richterliche Gestaltung einer Rechtsbeziehung oder auf richterlichen Leistungsbefehl. Soll der Beklagte nicht durch den Richterspruch in einer konkreten Rechtsstellung betroffen oder zu einer Leistung verpflichtet werden, ist es ein praktisches Gebot der Ökonomie, daß materielle Ansprüche oder die Eröffnung eines Weges zur Anspruchsdurchsetzung an positive Voraussetzungen geknüpft werden, weil vor allem bei absoluten Rechten einer Person Kollisionsfälle mit anderen Rechtspersönlichkeiten abstrakt in unabsehbarer Zahl denkbar erschienen, Rechtsschutz aber nur im Falle konkreter Akutalisierung der theoretischen Kollisionslage gewährt werden soll. In dieser Hinsicht liegt die Problemstellung beim Unterlassungs- und beim Feststellungsbegehren ähnlich. Der Verfahrensgesetzgeber hat in der Exekutionsordnung das Unterlassungsurteil ebenso vorausgesetzt wie das Leistungsurteil, ohne deren Zulässigkeit im besonderen zu normieren. Anders im Falle der bloßen Feststellung. Hier normiert er im § 228 ZPO ausdrücklich, daß "Klage erhoben werden kann", knüpft dies aber an die Voraussetzung eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung durch gerichtliche Entscheidung. Ungeachtet der systematischen Einordnung in ein Verfahrensgesetz und der Formulierung, es könne "Klage erhoben werden", darf nicht übersehen werden, daß die Eröffnung einer Möglichkeit zur Anspruchsverfolgung den zu verfolgenden Anspruch voraussetzt oder aber schafft. Wenn etwa nach Art XLII Abs 1 ZPO - dem im folgenden Absatz genannten Rechtssubjekt gegenüber - derjenige, der von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat, "mittels Urteiles" zu Angaben und der eidlichen Bekräftigung verhalten werden kann, stehen ebenfalls formal verfahrensrechtliche Kriterien im Vordergrund, was aber nicht hindert, aus der Erfüllung des Tatbestandes einen materiellrechtlichen Bekanntgabeanspruch abzuleiten. Ähnliches ist auch im Falle des § 228 ZPO geboten. Ist der Tatbestand erfüllt, besteht zwischen einer durch die Sachverhaltsgestaltung besstimmten Person als dem Berechtigten und einem Verpflichteten als Nebenverbindlichkeit zu einer bestehenden Rechtsbeziehung ein Anspruch, der nicht nur klageweise verfolgbar, sondern beispielsweise auch schuldhaft verletzbar ist. Das Revisionsgericht sieht sich aus dieser Sicht nicht bestimmt, der in der Lehre verbreitet und heftig verfochtenen Ansicht einer rein verfahrensrechtlichen Betrachtungsweise des Feststellungsinteresses als einer bloßen Zulässigkeitsvoraussetzung der Anspruchsverfolgung und den daraus gezogenen formellen Konsequenzen (vgl Fasching, Lehrbuch des Zivilprozeßrechtes, Rdz 1096) zu folgen."
Das Zitat kann für die zweite Auflage des Lehrbuches aufrechterhalten werden.
Die Beurteilung des Feststellungsinteresses ist daher ebenso wie die Prüfung der einzelnen Bestandteile des Begehrens auf die Feststellungsfähigkeit eine Frage der Sachbeurteilung. Das Berufungsgericht wird sich in Bindung an die hiemit dargelegte Verneinung des Vorliegens des vom Berufungsgericht angenommenen oder auch eines anderen, in jeder Lage des Rechtsstreites wahrzunehmenden Prozeßhindernisses einer Sachentscheidung über die Berufung der Klägerin gegen das klagsabweisende erstinstanzliche Urteil zu unterziehen haben. Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)