OGH 1Ob638/90

OGH1Ob638/9028.11.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas M***, Student, Wördern, Greifensteinerstraße 100 a, vertreten durch Dr. Hannes Pflaum, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B***-A*** K***, Hahnenkammstraße 1a,

vertreten durch Dr. Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck wegen S 229.416,22 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 3. April 1990, GZ 1 R 412/89-40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. September 1989, GZ 8 Cg 397/87-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.195,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.699,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger benützte am späteren Nachmittag des 5. Februar 1987 unter Verwendung einer gültigen Liftkarte die von der beklagten Partei betriebene Aufstiegshilfe "Schlepplift Fleckhochalm". Er befuhr die talwärts gesehen rechts von der Lifttrasse gelegene Schiabfahrt in Richtung zur Talstation dieses Schleppliftes mit Schiern. Es handelt sich dabei um eine steile, nicht präparierte Buckelpiste, die als Schiroute Nr. 35 bezeichnet ist. Bei der Bergstation der Fleckalmbahn weist ein pfeilartiges Querschild auf den Fleckhofalmlift mit der Zusatztafel "Diese Piste wird vom Rettungsdienst nicht überwacht! Nur in Gruppen abfahren" hin. Der Kläger kannte dieses Zusatzschild. Er legte als sehr guter Schifahrer Wert auf anspruchsvolle Pisten. Die in Nähe der Lifttrasse verlaufende Schiroute hatte keine Randmarkierungen. Die befahrene Route hob sich aber vom Tiefschnee deutlich ab. Schon nahe der Talstation müssen die in der Nähe der Lifttrasse auf der Schiroute 35 abfahrenden Schifahrer oberhalb eines zur Information der Liftbenützer dienenden, aus zwei Tafeln (2 x 1 m und 1 x 0,8 m) bestehenden Hinweisschildes, dessen Unterkante 50 cm aus dem Schnee ragte, einen langgezogenen Reihtsschwung setzen, um anschließend in einem Linksschwung in den durch einen Holzzaun abgegrenzten Einstiegsbereich der Aufstiegshilfe zu gelangen. Das Hinweisschild befand sich etwa 1 m unterhalb des ausgefahrenen Teiles der Schiroute. Diese Doppeltafel war bei Annäherung von oben auf mindestens 80 m Entfernung zu sehen. Die Tafel war weder abgesichert noch durch Fangnetze gesichert. Dies war dem Kläger bekannt. Die seit 1966 dort befindliche Tafel stand bisher in keinem Zusammenhang mit dem Unfall eines die Schiroute 35 abfahrenden Schifahrers. Der Kläger wedelte auf der Schiroute 35 in der Fallinie nahe der Liftspur talwärts. Etwa 10 m oberhalb der Tafel wollte er zum Rechtsschwung ansetzen. Er kam aber in Rücklage, so daß er geradlinig auf die Tafel zufuhr. Er stieß mit dem linken Fuß gegen eine der Befestigungsstangen der Tafel, wodurch er schwer verletzt wurde.

Der Kläger begehrt an Schmerzengeld, Transport- und Heilungskosten den Betrag von S 229.416,22 samt Anhang. Er habe eine präparierte Piste benützt, das nicht abgesicherte Schild sei unmittelbar in der Piste aufgestellt gewesen.

Die beklagte Partei wendete ein, die Tafel sei 10 bis 15 m von der Talstation entfernt, sie sei seit 1966 niemals ein Hindernis gewesen, in die "Einstellschlange" einzufahren. Die Abfahrt sei keine Piste, sondern nur eine Route, die Tafel sei kein atypisches Hindernis, es wäre daher nicht erforderlich gewesen, sie abzusichern. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Auch wenn die Piste nicht präpariert sei, reiche zwar die Pistensicherungspflicht über den Pistenrand hinaus, dies aber nur zum Schutz vor atypischen Gefahrenstellen. Das Schild sei schon von weitem sichtbar und nicht zu übersehen gewesen. Es sei dort postiert, wo schon wegen der Nähe der Liftspur und der Talstation besonders vorsichtig und langsam gefahren werde. Ein Anfahren an diese Tafel sei bei verantwortungsbewußter Benützung der Piste sehr unwahrscheinlich. Eine Absicherung der Tafel (Gewährung eines Sturzraumes) sei daher nicht erforderlich gewesen.

Das Berufungsgericht gab der aus dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig. Bei der vom Kläger befahrenen Abfahrt handle es sich um eine Schiroute, bei der schon von vornherein eine mehr oder weniger deutliche Abgrenzung des organisierten Schiraumes vom freien Schigelände wie bei einer Schipiste nicht gegeben sei, so daß in erhöhtem Maß die Eigenverantwortlichkeit des Schifahrers gefordert werden müsse. Er habe auf einer Schiroute in viel stärkerem Maß der Beschaffenheit des Schigeländes und des angrenzenden Bereiches sein Augenmerk zuzuwenden und seine eigene Fahrweise dementsprechend einzurichten. Die Tafel sei im Tiefschnee gestanden. Die Organe der beklagten Partei hätten bei Berücksichtigung dieser örtlichen Gegebenheiten der Meinung sein dürfen, daß die etwa 1 m außerhalb des von den Schifahrern üblicherweise befahrenen Bereiches im Tiefschnee stehende Tafel kein gefährliches Hindernis für Schiläufer darstelle. Die Tafel sei kein atypisches Hindernis gewesen. Mit künstlich geschaffenen Gefahrenquellen, die zu beseitigen oder entsprechend abzusichern seien wie Liftstützen in der Piste oder am unmittelbaren Rand derselben, verschneiten Zäunen oder Betonsockeln, die bis koapp an die Schneeoberfläche heranreichten, umgestürzten Slalomstangen, im Schnee verborgenen Liftseilen udgl. lasse sich diese Hinweistafel nicht vergleichen. Für Art und Umfang der Pistensicherungspflicht sei die Gefahrenträchtigkeit eines Hindernisses bei Bedachtnahme auf das Verhalten eines verantwortungsbewußten Pistenbenützers und die Zumutbarkeit der Anbringung entsprechender Sicherungsmittel durch den Pistenhalter maßgebend. Das Berufungsgericht stimme mit dem Erstgericht darin überein, daß der beklagten Partei ein begründeter Schuldvorwurf durch Unterlassung einer entsprechenden Absicherung der Tafel oder durch die Wahl ihres Aufstellungsortes nicht gemacht werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Entgegen der vom Kläger noch in der Revision aufrecht erhaltenen Behauptung handelt es sich bei der von0shm benützten Abfahrt nicht um eine Schipiste, sondern um eine Schiroute. Unter Schirouten werden allgemein zugängliche, zur Abfahrt mit Schiern vorgesehene und geeignete Strecken verstanden, die nur vor Lawinengefahren gesichert sind, sonst aber weder präpariert noch kontrolliert werden (Ö-NORM S 4611; Pichler-Holzer, Handbuch des österreichischen Schirechts 33; Lamprecht-Schröckenthal-Wagner, Die Verkehrssicherungspflicht von Schiabfahrten 8; vgl. JBl 1979, 433). Bei Schirouten besteht keine Rand- , sondern nur eine Mittelmarkierung (Pichler-Holzer aaO; Dittrich-Reindl, ZVR 1984, 324), so daß ein vom Seilbahnunternehmer gekennzeichneter und die Abfahrt begrenzender Rand nicht existiert (Berghold in ZVR 1985, 359). Die Breite einer Schiroute ergibt sich daher nur aus den Abfahrtsgewohnheiten ihrer Benützer. In der Regel wird die Lawinensicherheit der Schiroute nur für einen Raum von etwa 5 m rechts und links der durch die Mittelmarkierung angegebenen Abfahrtslinie gewährleistet (Pichler-Holzer aaO 33). Die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht sind schon aus diesem Grund bedeutend geringer als an präparierte, kontrollierte und mit einer Randmarkierung versehene Schipisten. Schirouten sind nur ihrer Qualität entsprechend, hauptsächlich also gegen Lawinen abzusichern (Pichler-Holzer aaO 28; Dittrich-Reindl aaO 323). Die für Schipisten ausgesprochene Verpflichtung des Seilbahnunternehmens, knapp neben dem Pistenrand befindliche künstliche Hindernisse zu entfernen oder solche Gefahrenstellen entsprechend abzusichern, weil mit einem Sturz von Schifahrern über den Pistenrand hinaus gerechnet werden müsse (vgl. ZVR 1988/158 mwN), kann schon wegen des Fehlens einer Begrenzung des Randes einer Schiroute nicht ohne weiteres auf die Verkehrssicherungspflicht solcher Routen angewendet werden. Vielmehr gewinnt für die Benützung solcher Routen der Grundsatz an Bedeutung, daß ein Seilbahnunternehmer darauf vertrauen kann, daß Schirouten von durchschnittlich aufmerksamen und kontrolliert fahrenden Schifahrern benützt werden; von Schiroutenbenützern kann ein schifahrerisches Können erwartet werden, das über dem eines Schifahrers, der eine rot markierte Piste (= mittelschwere Piste) benützt, liegt (Dittrich-Reindl aaO). Solche Schifahrer sind in der Lage, auch eine allfällige Gefährlichkeit des angrenzenden Geländes wahrzunehmen (Hagenbüchler, Die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten als Ursache von Schi- und Wegunfällen 93). Der Seilbahnunternehmer kann dann aber berechtigterweise davon ausgehen, daß solche Schifahrer Hindernisse und Gefahren, die sich aus dem Wesen einer Schiabfahrt ergeben, bewältigen können (JBl 1981, 481). Jeder eine Schiroute benützende Schifahrer hat somit die sich aus der Überschätzung seines eigenen Könnens ergebenden Gefahren selbst zu tragen (vgl. ZVR 1988/142). Ausgehend von dieser Eigenverantwortlichkeit des Schifahrers bei Benützung von Schirouten besteht daher eine Pflicht, künstlich geschaffene Hindernisse in der Nähe des üblicherweise von den Schifahrern benützten Raumes nur dann zu entfernen oder, wie hier vom Kläger verlangt, abzusichern, wenn es sich um atypische gefährliche, schlecht sichtbare oder gar verborgene Hindernisse handelt (Hagenbüchler aaO 115; vgl. ZVR 1988/142; Pichler in ZVR 1989, 236). Eine solche Gefahrenquelle stellte aber nach dem vorliegenden Sachverhalt die auf 80 m sichtbare, zum Unfallszeitpunkt rund 2,3 m aus dem Tiefschnee neben dem befahrenen Teil der Abfahrt ragende Tafel in der Nähe der Talstation des Liftes nicht dar.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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