Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird. Die klagende und gefährdete Partei hat ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die klagende und gefährdete Partei (im folgenden Klägerin) begehrte mit ihrer auf § 1118 ABGB gestützten Klage, den Beklagten und Gegner der gefährdeten Partei (im folgenden Beklagter) schuldig zu erkennen, die Liegenschaft Mödling, Schubertstraße 10, zu räumen. Sie brachte im wesentlichen vor, sie sei vom Beklagten und insbesondere von dessen Ehegattin wiederholt beschimpft und mißhandelt worden, sie habe dabei auch schwere Verletzungen erlitten und lebe in ständiger Todesangst.
Mit Schriftsatz vom 9.3.1990, ON 6, begehrte die Klägerin, dem Beklagten und den mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen mit einstweiliger Verfügung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Prozesses die weitere Benützung und auch das Betreten der Liegenschaft zu verbieten. Sie brachte vor, sie sei von der Ehegattin des Beklagten neuerlich schwer verletzt worden, der Beklagte habe gedroht, das Haus anzuzünden, seine Familie habe auch Gegenstände, die der Klägerin gehörten, aus dem Haus fortgeschafft. Das Erstgericht untersagte mit einstweiliger Verfügung dem Beklagten und den mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen, insbesondere der Ehegattin Eva N***, die weitere Benützung sowie das Betreten der Liegenschaft und des Hauses Schubertstraße 10, 2340 Mödling, binnen 8 Tagen ab Zustellung dieser einstweiligen Verfügung. Die einstweilige Verfügung wurde für die Dauer des Rechtsstreites bis zu seiner rechtskräftigen Entscheidung erlassen. Die Kostenentscheidung behielt das Erstgericht der Endentscheidung vor. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Die Klägerin wohnt ebenso wie die Familie N*** im Haus Mödling, Schubertstraße 10, wobei sich die Gattin des Beklagten, seitdem sie wegen eines Vorfalles vom 30.1.1990 einige Tage in Untersuchungshaft war, jetzt jedoch nicht mehr regelmäßig im gegenständlichen Haus aufhält, sondern mehr in einer Wohnung in 1030 Wien. Auch die gefährdete Partei befindet sich derzeit nicht im Haus Mödling, Schubertstraße 10, sondern in der Kuranstalt Schloß Liechtenstein in Maria Enzersodrf. Bei einem Gespräch, das Eva N*** und der Beklagte am 28.1.1990 führten, und das von Gabriele S*** und zum Teil auch von der Klägerin - die sich in einem Nebenzimmer befanden - zufällig mitgehört wurde, sagte Eva N***, sie werde der gefährdeten Partei alle Zähne ausschlagen. Anläßlich dieses Gespräches machte der Beklagte die Äußerung, sie würden das Haus anzünden. Da die Klägerin aufgrund früherer Vorkommnisse und aufgrund dieses Gesprächs Angst hatte, beauftragte sie ein Detektivbüro, das in den nächsten Tagen regelmäßig Kontrollen bei ihr durchführen sollte. Eine solche Kontrolle fand auch am 30.1.1990 statt, wobei die dabei eingesetzten Detektive S*** und D*** kurz vor Verlassen des Hauses gegen 11 Uhr Eva N*** im Haus sahen. Nachdem die beiden Detektive das Haus verlassen hatten, wurde die Klägerin von der Ehegattin des Beklagten durch zwei Fußtritte zwischen die Beine derart verletzt, daß sie einen Bruch des oberen Schambeinastes erlitt. Die Klägerin wurde am Morgen des 31.1.1990 in das Landeskrankenhaus Mödling eingeliefert, wo sie bis 10.2.1990 blieb. Schon vor dem erwähten Vorfall kam es insbesondere von Seiten Eva N*** immer wieder zu verbalen und körperlichen Angriffen gegenüber der Klägerin. So wurde diese am 28.10.1989 am Nachmittag von Eva N*** in der Küche attackiert und zu Boden geworfen, wobei sie einen Bruch des linken Handgelenkes erlitt. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, die Voraussetzungen des § 381 Z 2 EO seien gegeben. Wegen der tatsächlich erfolgten Gewaltanwendung bestehe eine konkrete Gefährdung. Die einstweilige Verfügung sei auch zur Abwendung eines unwiederbringlichen Schadens zu erlassen gewesen. Das Rekursgericht änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, der bescheinigte Sachverhalt werde als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens übernommen, ausgehend von diesem Sachverhalt sei aber die Rechtsrüge berechtigt. Durch ein Verbringen von Gegenständen entstehe kein unwiederbringlicher Schaden, zumal nicht ersichtlich sei, inwiefern die Inventargegenstände nicht durch Geldleistungen ersetzt werden könnten. Die Gefahr, daß der Beklagte tatsächlich das Haus anzünde, bestehe nicht. Hinsichtlich psychischer und insbesondere physischer Gewalteinwirkung sei auszuführen, daß bei der Prüfung der Frage, ob sich die einstweilige Verfügung im Rahmen des Hauptanspruches halte, nicht engherzig vorgegangen werden dürfe. Der vom Bestandgeber erhobene und auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsanspruch stelle die Geltendmachung der Rückstellungsverpflichtung des Bestandnehmers nach § 1109 ABGB dar. Der Anspruch des Bestandgebers auf Rückstellung der Bestandsache könne dadurch gesichert werden, daß dem Bestandnehmer die weitere Benützung der Bestandsache verboten werde, wenn der gemäß § 349 EO durchzusetzende Rückstellungsanspruch des Bestandgebers gefährdet sei. Zweck einer einstweiligen Verfügung gemäß § 381 EO sei die Sicherung des konkreten mit der Klage geltend gemachten Anspruches. Die einstweilige Verfügung solle nur verhindern, daß der Verpflichtete - im Falle des § 381 Z 2 EO durch Ausübung von Zwang oder durch Zufügung eines unwiederbringlichen Schadens - den bevorstehenden richterlichen Ausspruch seines praktischen Erfolges beraube. Zweck solcher Sicherungsmaßnahmen sei daher ausschließlich, der Vereitelung der Anspruchsdurchsetzung entgegenzuwirken. Die gefährdete Partei habe nun in keiner Weise dargetan, inwiefern durch die Gewaltausübung die Durchsetzung des Räumungsanspruches in Frage gestellt sei. Es sei nicht erkennbar, inwiefern die beantragte, auf Unterlassung des Betretens der Liegenschaft gerichtete einstweilige Verfügung erforderlich sei, um den angestrebten Prozeßerfolg, nämlich die Räumung der Liegenschaft, zu sichern. Die Unterlassung des Betretens der Liegenschaft sei jedoch nicht Gegenstand des Hauptverfahrens.
Die Klägerin bekämpft den Beschluß des Rekursgerichtes mit Revisionsrekurs und beantragt die Wiederherstellung der vom Erstgericht erlassenen einstweiligen Verfügung.
Der Gegner der gefährdeten Partei beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig (§ 528 Abs 1 ZPO), er ist auch berechtigt.
Wie schon das Rekursgericht ausführte, ist bei Prüfung der Frage, ob sich die einstweilige Verfügung im Rahmen des Hauptanspruches hält, nicht engherzig vorzugehen (SZ 42/80; JBl. 1987, 728). Im vorliegenden Fall ist das Klagebegehren auf Räumung gerichtet. Wird diesem Begehren stattgegeben, dann sind der Beklagte und die in seinem Haushalt lebenden Personen nicht mehr berechtigt, die Liegenschaft zu benützen und zu betreten. Die einstweilige Verfügung hält sich daher, obwohl damit eine Unterlassung angestrebt wird, durchaus im Rahmen des auf Räumung gerichteten Hauptbegehrens (vgl. MietSlg 18.755 und JBl. 1987, 728, wo es bei einer Räumungsklage als zulässig angesehen wurde, mit einstweiliger Verfügung die Benützung und das Betreten zu verbieten). Den Ausführungen des Rekursgerichtes, Zweck der einstweiligen Verfügung sei ausschließlich, der Vereitelung der Anspruchsdurchsetzung entgegenzuwirken, ist entgegenzuhalten, daß § 381 EO zwei verschiedene Fälle regelt. Ziffer 1 hat zur Voraussetzung, daß die Verfolgung oder Verwirklichung des fraglichen Anspruches vereitelt oder erheblich erschwert werden würde. Nach Ziffer 2 soll hingegen nicht die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung eines Anspruches, sondern der gegenwärtige Zustand einer streitigen Rechtssphäre gegen drohende Gewalt oder gegen einen drohenden unwiederbringlichen Schaden gesichert werden (Holzhammer, Österreichisches Zwangsvollstreckungsrecht3 341). In einem derartigen Fall darf die einstweilige Verfügung sogar der endgültigen Entscheidung vorgreifen (SZ 27/317; MietSlg 18.753, 34.864 ua).
Bei Prüfung der Frage, ob im vorliegenden Fall die streng auszulegenden (5 Ob 37/82) Voraussetzungen des § 381 Z 2 ZPO vorliegen, ist davon auszugehen, daß die Klägerin immer wieder nicht nur verbal, sondern auch körperlich angegriffen wurde, wobei sie zweimal Knochenbrüche erlitt. Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist daher zur Verhütung drohender Gewalt nötig. Hinsichtlich des Umfanges der einstweiligen Verfügung ist zu berücksichtigen, daß die größte Gefahr für die Klägerin von der Ehegattin des Beklagten ausgeht. Da sich diese nicht mehr regelmäßig im Haus Mödling, Schubertstraße 10, aufhält, war es zur Vermeidung von Unklarheiten, gegen wen sich das Verbot richtet, zweckmäßig, die Ehegattin des Beklagten namentlich anzuführen. Berücksichtigt man, daß der Beklagte die wiederholten Angriffe seiner Ehegattin gegen die Klägerin duldete und sich dahin äußerte, sie würden das Haus anzünden, dann ergibt sich, daß die Klägerin nur geschützt ist, wenn auch dem Beklagten das Benützen und Betreten des Hauses verboten wird.
Aus diesen Gründen war dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die vom Erstgericht erlassene einstweilige Verfügung wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO.
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