OGH 15Os107/90

OGH15Os107/9030.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Oktober 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Privatanklage- und Mediensache des Dkfm. Ferdinand L*** gegen 1) Johannes V*** und 2) FPÖ-Bundesparteileitung wegen 1) Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1 und 2 StGB und 2) Entgegnung nach § 14 Abs. 1 MedG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10.Oktober 1990, GZ 9 b E Vr 4673/89-28 sowie gegen den Vorgang, daß Mag. Peter U*** in der Hauptverhandlung vom 10.Oktober 1990, dieses Aktenzeichens, zur Ablegung des Zeugnisses verhalten wurde, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generanwalt Dr. Raunig jedoch in Abwesenheit aller Verfahrensbeteiligten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In den (zur gemeinsamen Beweisaufnahme verbundenen) Verfahren zu den AZ 9 b E Vr 4673/89 und 9 b E Vr 8663/89 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ist in der Hauptverhandlung vom 10.Oktober 1989 dadurch, daß Mag. Peter U***

  1. 1. zur Ablegung des Zeugnisses verhalten und
  2. 2. durch die beschlußmäßige Verhängung einer Beugestrafe zur Beantwortung bestimmter Fragen angehalten wurde,

    das Gesetz in den Bestimmungen (zu 1.) des § 153 Abs. 1 StPO und (zu 2.) des § 160 StPO verletzt worden.

    Diese Beschlüsse werden aufgehoben.

Text

Gründe:

In den im Spruch bezeichneten von Dkfm. Ferdinand L*** gegen Johannes V*** wegen § 111 Abs. 1 und Abs. 2 StGB einerseits sowie gegen die FPÖ-Bundesparteileitung wegen § 14 Abs. 1 MedienG andererseits angestrengten und vom Gericht zur gemeinsamen Beweisaufnahme verbundenen Verfahren wurde in der Hauptverhandlung vom 10.Oktober 1989 Mag. Peter U*** als Zeuge vernommen. Dieser ist auch Angeklagter im Strafverfahren zum AZ 30 Vr 305/87 des Landesgerichtes Linz wegen der §§ 12, 320 Z 3 StGB. Ersichtlich im Hinblick auf die weitgehende Identität des gegen ihn erhobenen Anklagevorwurfs mit dem Gegenstand seiner Zeugenaussage verweigerte Mag. U*** die Beantwortung an ihn gestellter Fragen (S 109 ff). Demgegenüber hielt das Gericht, welches Mag. U*** das Vorliegen von Zeugnisverweigerungsgründen gemäß § 153 Abs. 1 StPO an sich zubilligte, dessen Aussage als unerläßlich im Sinne der zitierten Gesetzesstelle. Die in diesem Zusammenhang vorzunehmende Interessenabwägung orientierte dabei das Gericht nicht am Anklagevorwurf (§ 111 StGB) bzw. an der Berechtigung des Entgegnungsbegehrens, sondern an der im Rahmen des Wahrheitsbeweises zu ermittelnden Tat nach § 320 StGB, und des an deren Aufklärung bestehenden öffentlichen Interesses. Nachdem die Versuche des Gerichtes, den Genannten zum Zeugnis zu verhalten, erfolglos geblieben waren, verhängte es über ihn gemäß § 160 StPO eine Beugestrafe in der Höhe von 8.000 S (ON 28).

Die Bestimmung des § 153 Abs. 1 StPO räumt dem Gericht zwar das Recht ein, einen Zeugen trotz des Vorliegens eines in dieser Gesetzesstelle angeführten Befreiungsgrundes dennoch zur Aussage zu verhalten, wenn dies wegen deren besonderer Bedeutung unerläßlich ist. Die Beurteilung der Unerläßlichkeit einer Aussage stellt eine Ermessensentscheidung dar. Bei dieser Ermessensausübung ist das Gericht, mag ihm auch ein verhältnismäßig weiter Spielraum offenstehen, an die vom Gesetz vorgegebenen Beurteilungskriterien gebunden. Deren Nichtbeachtung verletzt das Gesetz (§ 33 Abs. 2 StPO).

Rechtliche Beurteilung

Eine derartige Gesetzesverletzung ist dem Gericht im vorliegenden Fall unterlaufen. Die Beweismittelfunktion einer Zeugenaussage bezieht sich nämlich im Strafprozeß ausschließlich auf die Stichhältigkeit des Anklagevorwurfes und im Entgegnungsverfahren allein auf die Berechtigung des Entgegnungsbegehrens. Die Bedeutung der Zeugenaussage des Mag. Peter U*** wäre daher an Hand des Gewichts der vorliegendenfalls zu treffenden (allein verfahrensrelevanten) Entscheidungen über den Anklagevorwurf wegen übler Nachrede (§ 111 StGB) und über das Entgegnungsbegehren (§ 15 MedG) zu beurteilen gewesen. Das Gericht hat somit unrichtige Kriterien beim Abwägen der Bedeutung der in Rede stehenden Zeugenaussage herangezogen und hiedurch § 153 Abs. 1 StPO und in dessen Gefolge auch § 160 StPO verletzt (vgl. zum fast identen Sachverhalt: 15 Os 27-30/90).

Diese Gesetzesverletzung war in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes festzustellen und gemäß dem letzten Satz des § 292 StPO zu beheben.

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