OGH 2Ob553/90

OGH2Ob553/9024.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*** G***, Wienerbergstraße 15- 19, 1101 Wien, vertreten durch Dr. Robert Amhof und Dr. Heinz Damian, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Karl N***, Geschäftsführer, 6393 St. Ulrich 110, vertreten durch Dr. Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 393.008,58 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 6.2.1990, GZ 1 R 378/89-84, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8.9.1989, GZ 40 Cg 28/87- 79, teilweise abgeändert wurde in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.981,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 5.760,-- und Umsatzsteuer von S 2.370,30) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Peter B*** G*** m b H (in der Folge als Firma B*** bezeichnet) wurde am 6.3.1979 gegründet und am 16.3.1979 ins Handelsregister des Handelsgerichtes Wien eingetragen. Vom 8.10.1979

bis zur Eröffnung des Konkurses über dieses Unternehmen am 24.5.1982 zu S 94/82 des Handelsgerichtes Wien war der Beklagte alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer.

Die Firma B*** zahlte die Löhne ihrer Arbeitnehmer bis einschließlich Februar 1982; danach wurden bis zur Konkurseröffnung keine Löhne mehr ausbezahlt. Für die Monate März und April 1982 wurde keine Dienstnehmermeldung mehr erstattet, weshalb die Klägerin dann in Selbsteinschätzung die Beiträge zur Sozialversicherung vorschrieb und dabei S 68.620,19 als Dienstnehmerbeiträge in Anschlag brachte. Dieser Betrag ist in der Klagsforderung von S 393.008,58 (die Forderung der Klägerin in gleicher Höhe gegen die Gemeinschuldnerin wurde im Konkursverfahren vom Masseverwalter anerkannt) enthalten. Diese Forderung der Klägerin resultiert zum Teil aus Sozialversicherungsbeiträgen für laufendes Entgelt; zum Teil handelt es sich um Sozialversicherungsbeiträge aus Entgeltansprüchen der Dienstnehmer der Firma B***, die sich aus der Beendigung der Dienstverhältnisse im Zusammenhang mit der Konkurseröffnung ergaben. Eine Beitragsprüfung, die während des Konkursverfahrens bie der Firma B*** durchgeführt wurde, ergab einen weiteren Rückstand von S 175.966,29, der ebenfalls in der Klagsforderung enthalten ist.

Am 14.2.1984 wurde das Konkursverfahren mangels Deckung der Verfahrenskosten gemäß § 166 Abs 2 KO aufgehoben. Im Konkurs fanden nur Dienstnehmerforderungen aus laufenden Dienstverhältnissen teilweise Befriedigung. Die Klägerin ging - wie alle anderen Masse- und Klassegläubiger - leer aus. Sie erhielt auch von anderer Seite keine Zahlung auf ihre Forderungen.

Der Beklagte wurde von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe in den Monaten März und April 1982 als Dienstgeber die Beiträge seiner Dienstnehmer zur Sozialversicherung in der Höhe von insgesamt S 68.620,19 einbehalten und der Klägerin vorsätzlich vorenthalten, rechtskräftig freigesprochen. Ein gegen ihn wegen §§ 159 ff StGB eingeleitetes Strafverfahren wurde gemäß § 90 StPO eingestellt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 393.008,58 s.A. im wesentlichen mit der Begründung, der Beklagte habe den Deliktstatbestand des § 114 ASVG verwirklicht; er habe auch gegen die Gläubigerschutzbestimmungen des § 159 Abs 1 Z 1 und Z 2 StGB und des § 85 GmbHG (aF) verstoßen und hafte daher für den der Klägerin entstandenen Schaden als Geschäftsführer der insolvent gewordenen Firma B***. Diese sei von Anfang an unterkapitalisiert gewesen und habe daher unverhältnismäßig Kredit benützen müssen. Bereits am 30.9.1980 sei für den Beklagten die eingetretene Überschuldung erkennbar gewesen. Trotzdem habe er bis zur Konkurseröffnung 19 Monate verstreichen lassen. Dadurch seien weitere Beitragsverbindlichkeiten aufgelaufen und sei der den Gläubigern zur Verfügung stehende Befriedigungsfonds laufend weiter verringert worden, sodaß schließlich nicht einmal mehr das zur Deckung der Konkurskosten erforderliche Mindestvermögen vorhanden gewesen sei. Der Beklagte habe in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Firma B*** neue Schulden gegenüber der Klägerin begründet, indem er weiterhin Dienstnehmer beschäftigt und damit weitere Beitragsforderungen der Klägerin auflaufen lassen habe. Bei der Klagsforderung handle es sich ausschließlich um ab März 1982 fällig gewordene Sozialversicherungsbeiträge. Ein Teil der Klagsforderung entfalle auf Beiträge, die zufolge Auflösung der Dienstverhältnisse gemäß § 25 KO aus Kündigungsentschädigungen und ähnlichen Leistungen resultierten. Daß diese Beiträge in gleicher Höhe auch entstanden wären und daß die Klägerin auch diesbezüglich keine Befriedigung erlangt hätte, wäre vom Beklagten die Konkurseröffnung rechtzeitig beantragt worden, habe der Beklagte zu beweisen.

Der Beklagte wendete im wesentlichen ein, er hafte nicht wegen eines Verstoßes gegen § 114 ASVG, weil ab Ende Februar 1982 keine Gehälter mehr an die Dienstnehmer der Firma B*** ausbezahlt worden seien. Auch einen Verstoß gegen § 159 Abs 1 Z 1 oder Z 2 StGB habe er nicht begangen. Im Juni 1979 habe die Firma B*** nicht mehr über das nötige Kapital zum Fortbetrieb verfügt; zu diesem Zeitpunkt habe das Unternehmen des Beklagten gegenüber der Firma B*** offene Forderungen von ca 1 Million Schilling gehabt. Die Firma N*** sei daher vor der Alternative gestanden, entweder ihre Forderung zur Gänze abzuschreiben oder die Gesellschaftsanteile der Firma B*** zu übernehmen. Nach den damaligen Prognosen wäre die Firma B*** durch eine kräftige Kapitalspritze rasch in die Gewinnzone zu bringen gewesen. Diese Prognosen hätten sich allerdings als falsch erwiesen. Die Firma N*** habe der Firma B*** zwar laufend Darlehen gewährt; die im Jahr 1980 auf diese Weise der Firma B*** zugeflossenen Beträge von mehr als 3 Millionen Schilling hätten aber letztlich kaum für die Verlustabdeckung ausgereicht. Infolge einer chaotischen Computerumstellung im Jahr 1980 seien erst im April 1981 konkrete Zahlen über den Jahresverlust 1980 vorgelegen. Auf Grund des katastrophalen wirtschaftlichen Ergebnisses habe der Beklagte im Sommer 1981 ein in dieser Branche spezialisiertes Beratungsbüro mit einer genauen Untersuchung beauftragt. Obwohl nach dem Bericht dieses Beratungsunternehmens für 1981 ein positives wirtschaftliches Ergebnis zu erwarten gewesen wäre, habe sich im Jahr 1981 wieder ein Verlust von 3 Millionen Schilling ergeben. Als dann diese Zahlen an die Hausbank (die CA-BV) weitergeleitet worden seien, habe diese empfohlen, das Unternehmen sofort zu liquidieren. Ein betriebsinternes Konzept, das unter anderem einen Personalabbau von 16 auf 4 Personen vorgesehen habe, habe nicht mehr durchgeführt werdee können, weil die CA-BV von einem Tag auf den anderen den Kreditrahmen von 9 Millionen auf 4,3 Millionen Schilling herabgesetzt habe. Dadurch sei die Firma B*** nicht mehr in der Lage gewesen, die Zölle rechtzeitig zu entrichten, was das sofortige Ende bedeutet habe. Daraufhin habe der Beklagte sofort seinen Anwalt beauftragt, die Konkurseröffnung zu beantragen. Der Beklagte habe daher weder fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der Firma B*** herbeigeführt noch verspätet den Konkurs beantragt. Er habe bis zur Reduzierung des Kreditrahmens durch die CA-BV ernstlich an den Erfolg seiner Sanierungsbemühungen geglaubt. Dies ergebe sich schon daraus, daß er laufend, und zwar auch noch in den Jahren 1981 und 1982, für erhebliche Kapitalzufuhren durch die Firma N*** an die Firma B*** gesorgt habe. Insgesamt habe er in Form von Kapitalzuschüssen und Kostenübernahmen S 8,210.199,96 zur Verfügung gestellt und Frachtleistungen für die Firma B*** in der Höhe von ca S 3,700.000,-- erbracht, die ebenfalls wirtschaftlich als Kapitalzuschuß zu werten seien. Dem Beklagten könne nicht vorgeworfen werden, daß sein Sanierungsversuch von vornherein keine Aussicht auf Erfolg gehabt habe. Aus dem Bericht der Betriebsberaterfirma habe sich ergeben, daß für 1981 eine erhebliche Umsatzsteigerung (plus 43 %) und eine Steigerung der Transportleistung vonf 82,5 % gegenüber dem Vorjahr zu erwarten gewesen seien. Der zum 30.6.1981 ausgewiesene Verlust habe sich demnach nurmehr auf S 675.572,41 belaufen; insgesamt sei für das Jahr 1981 ein knapp positives Betriebsergebnis prognostiziert worden. Die zum 15.9.1981 durchgeführten Kündigungen innerhalb der Firma B*** hätten eine Verringerung des Personalaufwandes von S 340.169,-- erbracht. Insgesamt sei daher die Prognose des Wirtschaftsberichtes günstig gewesen. Zahlungsunfähigkeit der Firma B*** sei bis Ende Februar 1982 nicht vorgelegen; es sei gegen sie bis zur Konkurseröffnungtkeine einzige Exekution geführt worden. Auch eine Überschuldung sei bis zur Einschränkung des Kredites der Firma B*** bei der CA-BV angesichts der günstigen Fortbestehensprognose nicht vorgelegen.

Abgesehen davon bestehe aber offenbar der größte Teil des Klagsbetrages aus Sozialversicherungsbeiträgen, die auch bei fristgerechter Konkurseröffnung entstanden wären, nämlich aus Kündigungsentschädigungen, Urlaubsabfindungen und Abfertigungen. Da die Zahl der Angestellten in den Jahren 1980 und 1981 höher gewesen sei als 1982, wären bei früherer Konkurseröffnung diese Sozialversicherungsbeiträge nicht nur in gleicher, sondern in größerer Höhe zu zahlen gewesen. Da auch bei früherer Konkurseröffnung diese Beiträge in der Konkursmasse keine Deckung gefunden hätten, sei insoweit vom Beklagten der Klägerin kein Schaden verursacht worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte war seit 1.10.1978 Geschäftsführer der Karl N*** GMBH (in der Folge als Firma N*** bezeichnet), eines sehr erfolgreichen Transportbetriebes mit 35 Lastkraftwagen. Dieses Unternehmen stand in Geschäftsbeziehungen zur Firma B***. Im Sommer 1979 teilte der damalige Geschäftsführer der Firma B***

dem Beklagten mit, daß die Firma B*** über zu wenig Kapital verfüge. Sie schuldete damals der Firma N*** aus Transportleistungen einen Betrag von ca. 1 Million Schilling; die Firma N*** war Hauptgläubiger der Firma B***. Da die Firma N*** ohnehin die Absicht hatte, eine Niederlassung in Wien zu gründen, entschloß sie sich, die Geschäftsanteile der Firma B***

zu erwerben, was mit 1.8.1979 erfolgte. Die Übernahmsbilanz per 31.7.1979 ergab einen Verlust von etwa S 300.000,--. Die Geschäfte in Wien führte in der Folge der Prokurist Franz B*** praktisch allein. Der Beklagte begab sich alle sechs Wochen nach Wien und ließ sich von Buchner über die Geschäftsbelange berichten. In dieser Zeit investierte die Firma N*** regelmäßig größere Beträge, wobei der Beklagte diese Zuschüsse als Kapitalaufstockungen betrachtete. Allein 1981 investierte die Firma N*** S 3,710.000,-- in die Firma B***. Daneben erbrachte die Firma N*** auch Transportleistungen für die Firma B***, die nicht bezahlt wurden. Der Beklagte war sich im klaren darüber, daß die Firma B*** Kapitalaufstockungen benötigte. Er war auch der Meinung, daß er durch die erwähnten Barleistungen der Firma N*** die erforderlichen Mittel der Firma B*** zukommen lasse. Im übrigen verließ er sich darauf, daß das Unternehmen ohnehin positiv arbeite. Er bekam erstmals Bedenken, als die Bilanz für 1980 vorlag, was wegen einer Umstellung des Rechnungswesens auf EDV erst im Frühjahr 1981 der Fall war. Im April 1981 war sich der Beklagte im klaren darüber, daß der Jahresverlust 1980 ca S 3,000.000,-- betragen hatte. Unschlüssig darüber, was nunmehr geschehen sollte, wandte er sich an das Betriebsberatungsunternehmen Martin M*** in Salzburg mit dem Auftrag zur Durchführung einer betriebswirtschaftlichen Untersuchung der Firma B***. M*** war selbst gelernter Spediteur und vor seiner Tätigkeit als Betriebsberater beim Großkonzern Danzas tätig. Er war daher ein Fachmann für Betriebe wie die Firma B***. Sein Auftrag lautete, die wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Situation des Unternehmens zu durchleuchten, eventuelle Schwachstellen aufzuzeigen und geeignete Maßnahmen zu deren Beseitigung vorzuschlagen. Die Betriebsanalyse ergab, daß der Gesamtumsatz der Firma B*** von S 37,065.800,-- im Jahr 1979 auf S 55,745.900,-- im Jahre 1980

angestiegen war, was eine Prognose für 1981 von S 80,000.000,-- erlaubte. Tatsächlich konnte 1981 auch ein Umsatz von S 85,000.000,-

- erreicht werden.

M***, der vom 24. bis 28.8.1981 seine Untersuchungen mit mehreren Mitarbeitern durchführte, erachtete die Erreichung eines Jahresumsatzes von S 120,000.000,-- in den Jahren 1982 und 1983 für notwendig. Um eine derartige Umsatzsteigerung zu erreichen, wäre eine Aufstockung des bestehenden Kreditrahmens auf S 10,000.000,-- erforderlich gewesen. Das gewünschte Umsatzvolumen erachtete er für durchaus erreichbar, was er auch gegenüber dem Beklagten äußerte. Für 1981 erwartete er ein knapp positives Betriebsergebnis. Als Schwachstelle führte er eine durch die Einführung der EDV vorübergehend bedingte Vernachlässigung des Mahnwesens an, welche zu Außenständen von damals S 16,000.000,-- geführt hatte, die mit teuren Bankkrediten finanziert werden mußten. Bereits eine telefonische Mahnaktion während der wenigen Tage im August 1981 brachte erhebliche Geldmittel ein und bewies die Unhaltbarkeit der bisherigen Zustände im Bereich des Mahnwesens. M*** führte auch aus, daß die gesamte kaufmännische Verwaltung als sehr improvisiert erscheine, das Rechnungswesen stiefmütterlich behandelt werde, daß ein Finanzplan fehle und daß die Unterkapitalisierung des Unternehmens unhaltbar sei. Er empfahl schlußendlich die Umwandlung der Forderungen der Firma N*** von damals S 8,000.000,-- in langfristige Darlehen.

Per 15.9.1981 wurden diverse Kündigungen durchgeführt, die eine Verringerung des Personalaufwandes um S 340.169,-- pro Jahr erwarten ließen. Bei gleichbleibendem Personalstand war eine erhebliche Tonnagenerhöhung erreicht worden.

Im Anschluß an die Erstellung dieser Betriebsanalyse suchten der Beklagte und Martin M*** gemeinsam Dr. Sattler, den Kreditdirektor der CA-BV, auf. Auf Grund des Berichtes des Betriebsberaters zeigte sich Dr. Sattler bereit, die Außenstände der Firma B*** ohne Prüfung der Bonität der Schuldner 100 %ig zu belehnen. Er stellte außerdem sofort einen Kredit von S 3,000.000,-- zur Verfügung. Darüber hinaus wurde dem Beklagten in Aussicht gestellt, den Zessionskredit entsprechend aufzustocken, sobald der Forderungsstand steige, was auf Grund des ansteigenden Umsatzes absolut zu erwarten war.

Auf Grund welcher Umstände Martin M*** nicht darüber informiert war, daß die CA nicht sofort S 10,000.000,-- zur Verfügung stellen wollte, konnte nicht geklärt werden. Hätte M***

gewußt, daß die CA vorerst nur S 3,000.000,-- zur Verfügung stellte, hätte er dem Beklagten jedenfalls erklärt, daß es zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes zusätzlich noch eines weiteren Kredites von zumindest 2 bis 3 Millionen Schilling bedürfe. Vom 15.2. bis 18.3.1982 hat die Firma N*** noch knapp S 3,000.000,-- in das Unternehmen der Firma B*** investiert.

Als im März 1982 die Bilanz 1981 vorlag, ergab sich wiederum ein Verlust von ca. S 2,000.000,--. Am 24.3.1982 kürzte die CA-BV den Kreditrahmen der Firma B*** von einem Tag auf den anderen von S 9,000.000,-- auf S 4,300.000,--; sie nahm die zwei besten Kunden aus der Belehnung und belehnte die übrigen Forderungen lediglich noch mit 70 %. Deshalb beauftragte der Beklagte den Anwalt Dr. B***, die Zahlungseinstellung der Firma B*** bekanntzugeben und die Konkurseröffnung zu beantragen. Dr. B*** brachte den mit 2.4.1982 datierten Konkurseröffnungsantrag am 6.4.1982 beim Handelsgericht Wien ein.

Bis zu diesem Zeitpunkt waren keine Klagen gegen die Firma B*** anhängig und wurden auch keine Exekutionsverfahren gegen sie angestrebt. Größere Forderungen gegen die Firma B*** sind erst im vierten Quartal 1981 entstanden.

Geht man davon aus, daß eine Überschuldung bereits dann vorliegt, wenn die Passiven die Aktiven überteigen, hätte die Überschuldung der Firma B*** für den Beklagten am 30.9.1980

subjektiv erkennbar sein müssen. Am 31.12.1980 war die Firma B*** mit S 5,900.000,-- überschuldet, am 10.5.1982 mit S 3,313.000,--. Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, dem Beklagten könne ein Verstoß gegen § 114 ASVG nicht zur Last gelegt werden, weil ab März 1982 keine Löhne mehr ausbezahlt worden seien. Es sei ihm aber auch kein Verstoß gegen § 159 StGB vorzuwerfen. Eine Überschuldung sei nämlich nicht immer schon dann anzunehmen, wenn bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Passiven die Aktiven überstiegen. Sie setze vielmehr zusätzlich voraus, daß eine Fortbestandsprognose die Sanierung des Unternehmens als unwahrscheinlich darstelle. Zum 30.9.1980 habe in diesem Sinne keine Überschuldung vorgelegen; diese habe sich vielmehr erst mit dem Tag ergeben, an dem die Kreditkürzung durch die CA-BV vorgenommen worden sei. Der Beklagte habe weder leichtsinnig oder unverhältnismäßig Kredit benutzt, noch sei er fahrlässig neue Schulden eingegangen. Er habe davon ausgehen können, daß die Betriebsberatungsprognose zuverlässig sei. Die tatsächliche gewaltige Umsatzsteigerung innerhalb von zwei Jahren habe Anlaß zur Hoffnung geben dürfen. Auch erscheine ein Verlust von S 2,000.000,-- bei einem Umsatz von S 85,000.000,-- von nicht allzu großer Bedeutung. Es scheine auch so zu sein, daß die CA-BV die Kredite nicht deshalb gekürzt habe, weil eben dieser Verlust trotz der Betriebsberatungsprognose eingetreten sei, sondern deshalb, weil damals allgemein eine kritische Situation auf dem Transportmarkt gegeben gewesen sei, was allerdings mangels konkreter Beweisergebnisse nicht habe festgestellt werden können. Da sich die Überschuldung vom 31.12.1980 bis zum 10.5.1982 von S 5,900.000,-- auf rund 3,300.000,-- verringert habe, stehe ja auch fest, daß sich die Situation für die Gläubiger insgesamt verbessert und nicht verschlechtert habe.

Da dem Beklagten kein Verstoß gegen die Gläubigerschutznorm des § 159 StGB vorzuwerfen sei, brauche auch nicht berechnet zu werden, welche Beitragsschulden gegenüber der Klägerin aufgelaufen wären, wenn der Beklagte zu einem früheren Zeitpunkt die Eröffnung des Konkurses beantragt hätte.

Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes, die es nur hinsichtlich der Abweisung eines geringfügigen Zinsenmehrbegehrens bestätigte, im übrigen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei.

Das Berufungsgericht übernahm nach teilweiser Beweiswiederholung die Feststellungen des Erstgerichtes, wobei es darauf hinwies, daß die Feststellung des Erstgerichtes, daß zur Erreichung einer Umsatzsteigerung auf 120 Millionen Schilling im Jahr eine Aufstockung des bestehenden Kreditrahmens auf 10 Millionen Schilling erforderlich gewesen wäre, offenkundig irrtümlich formuliert worden sei und richtig lauten müsse, daß eine Aufstockung des bestehenden Kreditrahmens um 10 Millionen Schilling erforderlich gewesen wäre. Daß auch das Erstgericht eigentlich dies ausdrücken habe wollen, ergebe sich aus den weiteren Feststellungen in Seite 11 (unten) des Ersturteiles. Da sich die getroffenen Feststellungen auf die Aussage des Zeugen M*** stützten, könnten sie nur so gemeint sein, weil dieser Zeuge ausdrücklich angeführt habe, daß zur Umsatzsteigerung auf 120 Millionen Schilling die Aufstockung des Kreditrahmens um 10 Millionen Schilling erforderlich gewesen wäre bzw daß zur Sanierung Kredite in der Höhe von etwa 10 Millionen Schilling notwendig gewesen wären. Soferne nicht diese Feststellung des Erstgerichtes ohnehin im erwähnten Sinne zu verstehen sei, werde sie hiemit in diesem Sinne korrigiert.

Im übrigen traf das Berufungsgericht folgende ergänzende Feststellungen:

Aus den Jahresbilanzen bzw. dem Status zum 10.5.1982 ergeben sich folgende Zahlenvergleiche zur Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung der Firma B***:

Vermögensaufbau absolut 31. Dez. 31. Dez.

31. Dez.

1979 1980 1981

Anlagevermögen 271.000 998.000 984.000

Umlaufvermögen 9,468.000 12,427.000 20,707.000

Gesamtvermögen 9,739.000 13,425.000 21,691.000

10. Mai 1982

Anlagevermögen 170.000

Umlaufvermögen 16,118.000

Gesamtvermögen 16,288.000

Kapitalaufbau absolut 31. Dez. 31. Dez. 31.

Dez.

1979 1980 1981

Eigenkapital - 683.000 - 5,457.000 - 8,834.000

Fremdkapital 10,422.000 18,882.000 30,525.000

Gesamtkapital 9,739.000 13,425.000 21,691.000

10. Mai 1982

Eigenkapital - 11,523.000

Fremdkapital 27,811.000

Gesamtkapital 16,288.000

Dazu ist zu erklären, daß unter "Eigenkapital" jeweils das Ausmaß der Überschuldung, wie es sich aus den Bilanzen ergibt, unter "Fremdkapital" die Bilanzpassiva ohne Stammkapital und unter "Gesamtkapital" das Anlagevermögen und das Umlaufvermögen laut Bilanz verstanden wird.

Die vom Erstgericht festgestellte wirtschaftliche überschuldung per 10.5.1982 beträgt nur unter der Voraussetzung S 3,313.000,--, daß die zwischen 31.12.1981 und 10.5.1982 vorgenommene Umwandlung der bestehenden Verbindlichkeiten der Firma B*** an die Firma N*** in Höhe von S 8,210.199,96 in ein Gesellschafterdarlehen einer Eigenkapitalzuführung gleichgestellt wird.

Die vom Erstgericht mit ca. S 5,900.000,-- festgestellte Überschuldung zum 31.12.1980 trifft nur dann zu, wenn einerseits die Forderungen der Firma N*** (aus Verrechnungskonto Nothegger und Darlehen Nothegger) gegenüber der Firma B***, die damals mit S 2,949.200,-- aushafteten, nicht einer Eigenkapitalzufuhr gleichstellt und wenn eine Bewertung des Unternehmens zu Liquidationswerten vorgenommen wird (was den Vermögenswert von ca. S 13,425.000,-- auf ca. S 13,000.000,-- reduziert). Hinsichtlich der Entwicklung des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses und des "Cash flow" ergibt sich folgende Entwicklung:

Rumpfjahr 1.1.-31.12. 1.1.-31.12.

1979 1980 1981

Bilanzergebis - 783.000 - 4,774.000 - 3,204.000

+ a.o. Aufwand 192.000 35.000

+ VZ-AfA 21.000

- a.o. Ertrag 12.000 312.000 7.000

Betriebsw.Ergebnis -774.000 - 4,894.000 - 3,176.000

+ AfA 35.000 163.000

Brutto CF nach Zinsen -739.000 - 4,731.000 -

3,176.000

+ Zinsen 82.000 698.000 1,260.000

Brutto CF vor Zinsen -657.000 - 4,033.000 -

1,916.000

Es wurden also in jedem Jahr hohe bilanzielle und betriebswirtschaftliche Verluste und immer ein negativer Cash flow nach Zinsen erwirtschaftet. Dies bedeutet, daß der Betrieb nicht in der Lage war, die Zinsbelastungen zu verdienen. Da auch der Cash flow vor Zinsen negativ war, hätte das Unternehmen auch bei gänzlicher Eigenmittelfinanzierung Verluste in Millionenhöhe erwirtschaftet.

Laut Status vom 10.5.1982 wurde im Rupfjahr 1982 ein Verlust in Höhe von S 2,512.667,14 erwirtschaftet.

Die liquiditätsmäßige Situation der Firma B*** war nie positiv und

hat sich folgendermaßen entwickelt:

31. Dez. 31. Dez. 31. Dez.

1979 1980 1981

Zahlungsmittel 91.000 86.000 80.000

- kurzfristige Verbindlichkeiten 6,639.000 14,821.000 23,294.000

Illiquidität I. Grades 6,548.000 14,735.000 23,214.000

+ Forderungen 9,303.000 12,250.000 20.627.000

Über- oder Unterdeckung + 2,755.000 - 2,485.000 - 2,587.000

+ Restliches Umverlaufvermögen 63.000 90.000 0

Working capital 2,818.000 - 2,395.000 - 2,587.000

10. Mai 1982

Zahlungsmittel 9.000

- kurzfristige Verbindlichkeiten 18,360.000

Illiquidität I.Grades 18,351.000

+ Forderungen 16,023.000

Über- oder Unterdeckung - 2,328.000

+ Restliches Umlaufvermögen 86.000

Working capital - 2,242.000

Dazu ist zu erläutern, daß wiederum zwischen dem 31.12.1981 und dem 10.5.1982 die Umwandlung der Verbindlichkeiten der Firma B*** an die Firma N*** in Höhe von S 8,210.199,96 in ein Gesellschafterdarlehen als Eigenkapitalzuführung berücksichtigt wurde.

Soweit die im Konkurs S 94/82 des Handelsgerichtes Wien angemeldeten Forderungen ihrem Entstehungszeitpunkt nach zugeordnet werden konnten, ergibt sich folgendes Bild:

Forderungen aus I. Hj. 1981 S 7.500,--

" " 3. Qu. 1981 " 17.500,--

" " 4. Qu. 1981 " 200.400,--

" " 1. Qu. 1982 " 1.473.500,--

" " 2. Qu. 1982 " 238.700,--

" nicht zuordenbar " 4,440.600,--

Summe der unbestrittenen Konkursforderungen " 6,378.200,--.

Die Firma N*** hat keinerlei Forderungen im Konkurs der Firma B*** angemeldet.

Wird bei der Frage der Überschuldung die Fortbestehensprognose nicht berücksichtigt, ergab sich diese bereits per 31.12.1979 aus den dargelegten Bilanzwerten zu diesem Zeitpunkt. Diese Bilanz war von der Steuerberatungsgesellschaft der Firma B*** im Laufe des Monats September 1980 zugemittelt worden.

Ob und in welchem Ausmaß die Klägerin bei früherer Beantragung und Eröffnung des Konkursverfahrens, insbesondere bei Beantragung des Konkursverfahrens im September 1981, mit ihren Forderungen gegenüber der Gemeinschuldnerin auf Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge jedweder Art (also auch aus Kündigungsentschädigungen, Abfertigungen und ähnlichem resultierend) in der Konkursmasse Deckung gefunden hätte, kann nicht festgestellt werden. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß die Klägerin volle Deckung erhalten hätte.

Rechtlich führte das Berufungsgericht im wesentlichen aus, daß die Zahlungsunfähigkeit der Firma B*** erst mit der Kreditkürzung durch die CA-BV am 24.3.1982 eingetreten sei. Da der Beklagte zumindest innerhalb weniger Tage danach seinem Anwalt den Auftrag erteilt habe, den Konkurs zu beantragen (dies müsse vor dem 2.4.1982 gewesen sein, weil der Konkurseröffnungsantrag des Anwaltes bereits dieses Datum trage), könne ihm nicht der Vorwurf gemacht werden, er habe in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit fahrlässig die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen (der Klägerin) vereitelt oder geschmälert, indem er etwa eine neue Schuld einging oder die Eröffnung des Konkurses nicht rechtzeitig beantragte. Der Auftrag an den Rechtsanwalt sei offenbar innerhalb einer Woche erteilt worden, was noch nicht als verspätete Anmeldung des Konkurses gewertet werden könne. Der Konkurs sei zwar erst wesentlich später eröffnet worden; es seien aber keine Umstände festgestellt, aus denen diesbezüglich dem Beklagten ein Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden könne. Die Betrauung eines Anwaltes mit der Einbringung eines Konkursantrages könne als geschäftsüblich angesehen werden; es lägen keine Hinweise auf ein Auswahlverschulden oder ähnliches vor. Auch der Vorwurf, der Beklagte habe den Tatbestand des § 159 Abs 1 Z 1 StGB erfüllt, bestehe nicht zu Recht. Es müsse berücksichtigt werden, daß die Entwicklung der Zahlungsunfähigkeit der Firma B*** ein bereits im Gründungsjahr einsetzender sukzessiver Prozeß gewesen sei und daß ihre liquiditätsmäßige Situation nie positiv zu beurteilen gewesen sei. Es sei nichts hervorgekommen, aus dem sich ableiten ließe, daß der Beklagte in der Zeit seit der Übernahme diese stets schlechte Liquiditätssituation durch mangelnde kaufmännische Sorgfalt bewirkt hätte.

Aus § 85 GmbHG (aF), der auf den vorliegenden Fall anzuwenden sei, sei allerdings die Verpflichtung des Geschäftsführers abzuleiten, auch bei Überschuldung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung den Konkursantrag zu stellen.

Nach den getroffenen Feststellungen sei die Überschuldung der Firma B***, werde die Fortbestehensprognose außer Acht gelassen, längst vorgelegen. Eine insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung liege aber nicht schon beim Überwiegen der Passiven über die Aktiven vor. Selbst eine unter Verwendung von Liquidationswerten sich ergebende (rechnerische) Überschuldung verpflichte noch nicht zur Eröffnung des Konkurses über eine Kapitalgesellschaft. Die rechnerische Überschuldung bilde zwar eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für die Einleitung des Insolvenzverfahrens, weil in dieser Phase der Überschuldungsprüfung noch keine Aussage darüber möglich sei, ob eine Kapitalgesellschaft ihren Verpflichtungen nicht im Rahmen ihrer laufenden Betriebstätigkeit werde nachkommen können. Die Überschuldungsprüfung sei daher durch eine Fortbestehensprognose zu ergänzen, in deren Rahmen mit Hilfe sorgfältiger Analysen von Verlustursachen, eines Finanzierungsplanes sowie der Zukunftsaussichten der Gesellschaft die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit und damit der Liquidation der Gesellschaft zu prüfen sei. Die Auswirkungen geplanter Sanierungsmaßnahmen seien in diese Überlegungen einzubeziehen. Der Überschuldungstatbestand sei daher wesentlich ein Prognosetatbestand, der auf die Gefahr künftiger Illiquidität abstelle. Eine insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung liege demnach nur vor, wenn die Fortbestehensprognose ungünstig sei. Der Überschuldungstatbestand sei auf jene Fälle zu reduzieren, in denen die Lebensfähigkeit der Gesellschaft unter Bedachtnahme auf eingeleitete Sanierungsmaßnahmen nicht hinreichend, das heißt mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit, gesichert sei, eine rechnerische Unterbilanz daher nicht durch eine geschätzte zukünftige positive Entwicklung ausgeglichen werden könne. Allerdings seien, wenn lediglich auf Grund von Sanierungsplänen eine günstige Fortbestehensprognose (aus damaliger Sicht) erstellt werden könne, strenge Anforderungen in bezug auf Hilfe von dritter Seite zu stellen.

Davon ausgehend ergebe sich zunächst, daß die laufende Zuführung finanzieller Mittel durch die Firma N*** an die Firma B*** bei der Frage, ab wann letztere als überschuldet anzusehen sei, zu berücksichtigen sei, auch wenn sie keine förmliche Zuführung von Eigenkapital dargestellt habe. Die daraus bis zum 31.12.1981 resultierenden Forderungen der Firma N*** von rund S 8,200.000,-- seien in langfristige Gesellschafterdarlehen umgewandelt worden. Ab diesem Zeitpunkt seien wegen haftungsrechtlicher Gleichstellung mit dem Eigenkapital diese Gesellschafterdarlehen aus der Sicht des Gläubigerschutzes wie Eigenkapital zu behandeln. Da erwiesen sei, daß die Firma N***

die finanziellen Zuschüsse an die Firma B*** (durch Sachleistungen und Geldüberweisungen) stets als Kapitalaufstockungen betrachtet habe, sie nicht zurückgefordert, sondern schließlich in langfristige Gesellschafterdarlehen umgewandelt und folgerichtig im Konkurs auch keinerlei Forderungen angemeldet habe, seien im Rahmen der Fortbestehensprognose diese finanziellen Zuschüsse stets wie eine Zufuhr von Eigenkapital zu bewerten. Dies ändere allerdings nichts daran, daß auch dann bereits zum 31.12.1980 eine Überschuldung (ohne Berücksichtigung der Fortbestehensprognose) von etwa S 2,500.000,-- vorgelegen sei. Per 31.12.1981 habe die Überschuldung bei dieser Berechnung allerdings nur ca S 600.000,--

betragen, erst per 10.5.1982 dann rund S 3,300.000,--. Betrachte man diese Entwicklung, könne dem Beklagten wohl noch als der kaufmännischen Sorgfaltspflicht entsprechend zugestanden werden, daß r nicht bereits 1979 und 1980 ein Insolvenzverfahren angemeldet, sondern versucht habe, ein solches durch Zuführung weiterer Gesellschaftermittel zu verhindern. Noch im August 1981 sei die Fortbestehensprognose keineswegs absolut aussichtslos gewesen. Angesichts der außerordentlichen Umsatzsteigerungen bis zu diesem Zeitpunkt habe es durchaus sinnvoll erscheinen müssen, die Sanierung der Firma B*** zu versuchen. Allerdings habe der Beklagte aus den Informationen, die er vom Betriebsberater M*** im August 1981 erhalten habe, entnehmen können, daß zur Sanierung a) eine weitere Umsatzsteigerung auf 120 Millionen Schilling pro Jahr unbedingt erforderlich und b) zur Erreichung dieser Umsatzsteigerung eine weitere Kreditmittelzuführung von 10 Millionen Schilling notwendig gewesen wäre. Da es dem Beklagten in seinen Verhandlungen mit Dr. Sattler von der Hausbank nur gelungen sei, zusätzliche Kreditmittel in der Höhe von 3 Millionen Schilling zu erhalten und da keine neuere rechtsverbindliche Zusage auf weitere Kreditgewährung im erforderlichen Ausmaß vorgelegen sei (selbst eine Ausdehnung der Kreditgewährung entsprechend weiterer Umsatzsteigerung sei lediglich in Aussicht gestellt worden; da aber eine zur Sanierung ausreichende Umsatzsteigerung ihrerseits die Gewährung von rund weiteren 7 Millionen Schilling an Kredit zur Voraussetzung gehabt hätte, habe ohne solche vorherige Kreditierung eine Umsatzsteigerung im erforderlichen Ausmaß keineswegs erwartet werden können), habe dem Beklagten ab diesem Zeitpunkt klar sein müssen, daß der Sanierungsplan der Firma M*** nicht durchführbar sei. Es habe daher dieser Sanierungsversuch bereits ab September 1981 nicht als aussichtsreich angesehen werden können;

vielmehr hätte ein sorgfältiger Kaufmann bereits zu diesem Zeitpunkt erkannt, daß die Firma B*** nicht mehr zu sanieren war. Da also ab September 1981 keine positive Fortbestehensprognose mehr gestellt habe werden können, hätte der Beklagte ab diesem Zeitpunkt angesichts der bestehenden rechnerischen Überschuldung das Insolvenzverfahren beantragen müssen. Da er dies nicht getan habe, habe er gegen die Schutznorm des § 85 GmbHG (aF) verstoßen. Diese Vorschrift schütze auch den sogenannten Neugläubiger. Ihm sei aber wie dem sogenannten Altgläubiger bloß der Schaden zu ersetzen, den er durch Quotenverkürzung erlitten habe. Ein Sozialversicherer sei hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge, die nach dem Zeitpunkt aufgelaufen seien, ab dem die Antragstellung auf Konkurseröffnung schuldhaft unterlassen worden sei, Neugläubiger in diesem Sinne. Die Klägerin mache hier ausschließlich Schadenersatz mangels Deckung ihrer Ansprüche im Konkursverfahren gegen die Firma B*** auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nach dem Zeitpunkt geltend, zudem das Insolvenzverfahren hätte beantragt werden müssen. Sie sei also Neugläubiger und könne als solcher lediglich den Quotenschaden ersetzt verlangen.

In ihrer Forderung sei ein Betrag an Sozialversicherungbeiträgen enthalten, der Folge der Konkurseröffnung und der damit verbundenen Auflösung der Dienstverhältnisse sei. Es sei dies ein Betrag, der auf Ansprüche zurückgehe, die also - wenigstens grundsätzlich - auch bei einer früheren Konkurseröffnung entstanden wären. So betrachtet sei der Schaden der Klägerin nur die Differenz zwischen den Dienstgeberbeiträgen, die bei rechtzeitiger Konkurseröffnung und Kündigung der Arbeitsverhältnisse nicht mehr aufgelaufen wären und dem, was sie auf Grund dieser Beitragsschuld aus der Konkursmasse tatsächlich erhalten habe. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin im Konkursverfahren überhaupt keine Deckung gefunden. Der Schaden, den sie durch die verspätete Konkurseröffnung erlitten habe, könne daher auch darin liegen, daß sie bei früherer Konkurseröffnung teilweise oder gar volle Deckung erhalten hätte.

Der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung habe, wenn er ein Schutzgesetz übertreten habe, den Beweis zu erbringen, daß der Schaden auch bei vorschriftsmäßigem Verhalten in gleicher Weise eingetreten wäre. Stehe fest, daß der Geschäftsführer die Konkurseröffnung nicht pflichtgemäß beantragt und der Gläubiger einen Ausfall erlitten habe, rechtfertige es die Undurchsichtigkeit der Schuldnersphäre für den Gläubiger, dem Geschäftsführer die Beweislast dafür aufzuerlegen, daß der Schaden des Gläubigers zur Gänze oder zumindest teilweise auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Dem Geschäftsführer obliege also der Beweis, daß der geschädigte Gläubiger auch bei pflichtgemäßem Verhalten einen Ausfall erlitten hätte.

Diesen Beweis habe der Beklagte nicht erbracht. Er sei daher so zu behandeln, als hätte die Klägerin bei pflichtgemäßer früherer Konkursanmeldung mit ihren Forderungen volle Deckung gefunden, während sie tatsächlich überhaupt nichts erhalten habe. Der Beklagte habe daher der Klägerin den gesamten Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden sei, daß sie hinsichtlich ihrer ab März 1982 entstandenen Sozialversicherungsbeitragsforderungen keinerlei Deckung erhalten habe. Dies bedeute, daß das gesamte Klagebegehren zu Recht bestehe.

Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründet das Berufungsgericht im wesentlichen damit, daß zur Frage, ob bei Beurteilung der Überschuldung Gesellschafterdarlehen an eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung wie Eigenkapital zu behandeln seien, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege und daß zu der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht über die dem Beklagten obliegende Beweislast widersprechende Judikatur vorzuliegen scheine.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft sie (in ihrem klagsstattgebenden Teil) aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben. Die Revision ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Ausgehend von der der Entscheidung des Berufungsgerichtes zugrundeliegenden Sachverhaltsgrundlage, deren sachliche Richtigkeit im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg bekämpft werden kann, erweist sich auch die Rechtsrüge des Beklagten als unberechtigt. Der Beklagte bestreitet hier zunächst nicht, daß die Firma B*** im September 1981 rechnerisch überschuldet war und daß ihm dies auch bekannt war; er versucht nur darzutun, daß eine konkursrechtlich relevante Überschuldung der Firma B*** bis zur Kürzung des Kreditrahmens durch die Hausbank im März 1982 nicht gegeben gewesen sei, weil bis zu diesem Zeitpunkt die eingeleiteten Sanierungsversuche, insbesondere im Hinblick auf mögliche weitere Kapitalzufuhr durch die Firma N*** bzw den Beklagten selbst, objektiv aussichtsreich gewesen seien.

Dem ist nicht zu folgen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes können Gläubiger einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die für ihre Forderung im Vermögen der Gesellschaft keine ausreichende Deckung gefunden haben, den Geschäftsführer nach den allgemeinen Grundsätzen des ABGB über den Schadenersatz direkt für ihren Schaden in Anspruch nehmen, der ihnen vom Geschäftsführer durch schuldhafte Verletzung eines Gesetzes, das gerade den Schutz der Gesellschaftsgläubiger bezweckt, verursacht wurde (EvBl 1989/122 mwN uva). Ein solches Schutzgesetz stellte auch der im vorliegenden Fall noch anzuwendende § 85 Abs 1 GmbHG (aF) dar (siehe dazu Reich-Rohrwig, GmbH-Recht 141), wonach der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung iVm § 25 Abs 3 Z 2 GmbHG bereits im Zeitpunkt der Überschuldung der Gesellschaft verpflichtet war, die Einleitung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (GesRZ 1981, 183 mwN; EvBl 1989/122 ua).

Eine solche insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung ist jedoch nicht schon beim Überwiegen der Passiven über die Aktiven anzunehmen. Die rechnerische Überschuldung bildet zwar eine notwendige, aber noch keineswegs hinreichende Bedingung für die Einleitung eines Insolvenzverfahrens, weil in dieser Phase der Überschuldungsprüfung noch keine Aussage darüber möglich ist, ob eine Kapitalgesellschaft ihren Verpflichtungen nicht im Rahmen ihrer laufenden Betriebstätigkeit nachkommen können wird. Die Überschuldungsprüfung ist daher durch eine Unternehmensprognose zu ergänzen, in deren Rahmen mit Hilfe sorgfältiger Analysen von Verlustursachen, eines Finanzierungsplanes sowie der zukünftigen Aussichten der Gesellschaft die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit und damit der Liquidation der Gesellschaft zu prüfen ist. Solange demnach noch eine künftige positive Unternehmensentwicklung erwartet werden kann und die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft erhalten bleibt, fehlt es an einer konkursrechtlich relevanten Überschuldung. In diesem Rahmen sind bei der Prüfung der Überschuldung auch Sanierungsversuche miteinzubeziehen. Wenn daher ein Geschäftsführer Sanierungsversuche unternimmt, dann ist zu untersuchen, ob er bei Anwendung jener objektiv zu beurteilenden Sorgfalt (§ 25 GmbHG), die den Fähigkeiten und Kenntnissen, welche von einem Geschäftsführer in dem betreffenden Geschäftszweig üblicherweise erwartet werden kann, entspricht und die ein im kaufmännischen Leben erforderliches Eingehen wirtschaftlicher Risken nicht ausschließt, überzeugt sein durfte, daß sein Sanierungskonzept aussichtsreich und dessen Verwirklichung ernsthaft möglich sein werde (SZ 60/244 mwN), wobei allerdings das Vertrauen auf eine bloß erhoffte, rechtsverbindlich jedoch nicht konkretisierte Hilfe von dritter Seite den Anforderungen kaufmännischer Sorgfalt nicht gerecht wird (RdW 1989,270). Insgesamt wird in diesem Sinne eine Fortbestehensprognose nur dann als positiv zu beurteilen sein, wenn trotz bestehender rechnerischer Unterbilanz die Lebensfähigkeit des Unternehmens unter Bedachtnahme auf eingeleitete Sanierungsmaßnahmen hinreichend, das heißt mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit, gesichert ist (JBl 1989,53).

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann in der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß der Beklagte bei Anlegung des im § 25 GmbHG normierten Sorgfaltsmaßstabes im September 1981 keine positive Fortbestehensprognose mehr stellen hätte dürfen, ein Rechtsirrtum nicht erkannt werden. Denn das vom Betriebsberatungsunternehmen M*** im August 1981 erarbeitete Sanierungskonzept, das sich auch der Beklagte zu eigen machte, hätte nach den getroffenen Feststellungen die Erreichung eines Jahresumsatzes von 120 Millionen Schilling in den folgenden Jahren zur Voraussetzung gehabt, die ihrerseits wieder die Zuführung von zusätzlichen Kreditmitteln von 10 Millionen Schilling erforderlich machte. Der Beklagte erreichte aber nur bei der Hausbank einen zusätzlichen Kredit von 3 Millionen Schilling; darüber hinaus hatte die Firma B*** keinen rechtlich gesicherten Anspruch auf Zuführung weiteren Kapitals, auch nicht gegen die Firma N***

bzw den Beklagten selbst. Dies hat der Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht einmal behauptet. Auch die Tatsache, daß die Firma N*** in der Folge noch tatsächlich Geld in die Firma B*** investierte (was die Insolvenz des letztgenannten Unternehmens nicht verhindern konnte), ändert nichts daran, daß der Beklagte bereits im September 1981 erkennen hätte müssen, daß er keinesfalls über das zur Durchsetzung des von ihm in Aussicht genommenen Sanierungsversuches notwendige Kapital verfügte und daß die Firma B*** keinen rechtlich gesicherten Anspruch auf Zuführung dieses Kapitals durch andere hatte. In Wahrheit handelte es sich also darum, daß der Beklagte - in Kenntnis der bestehenden rechnerischen Überschuldung der Firma B*** - das vom Betriebsberatungsunternehmen M*** ausgearbeitete Sanierungskonzept durchzusetzen versuchte, ohne über die hiefür erforderlichen finanziellen Mittel zu verfügen oder auf Grund rechtlich begründeter Überlegungen mit ihrer Zuführung an das sanierungsbedürftige Unternehmen rechnen zu können. Unter diesen Gesichtspunkten ist das Berufungsgericht durchaus mit Recht davon ausgegangen, daß der Beklagte schon im September 1981 bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes hinsichtlich des überschuldeten Unternehmens der Firma B*** keine positive Fortbestehensprognose mehr stellen hätte dürfen und daß er daher bereits zu dieser Zeit die Einleitung des Insolvenzverfahrens beantragen hätte müssen. Im übrigen versucht der Beklagte in seiner Rechtsrüge darzutun, daß es nicht ihm oblegen wäre, zu beweisen, daß die Klägerin bei rechtzeitiger Einleitung des Konkursverfahrens den gleichen Schaden erlitten hätte. Dem ist lediglich zu entgegnen, daß der Oberste Gerichtshof bereits in einer in EvBl 1989/122 veröffentlichten Entscheidung mit ausführlicher Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, in einem ähnlich gelagerten Fall dargelegt hat, daß den Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung dann, wenn feststeht, daß er unter Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 85 GmbHG aF) die Konkurseröffnung nicht pflichtgemäß beantragt und der Gläubiger einen Ausfall erlitten hat, die Beweislast dafür trifft, daß der Schaden des Gläubigers zur Gänze oder zumindest teilweise auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Dem tritt auch der erkennende Senat bei; davon abzugehen bieten die Revisionsausführungen keinen Anlaß. Da der Beklagte diesen Beweis nicht erbracht hat, vermag er einen dem Berufungsgericht unterlaufenen Rechtsirrtum nicht aufzuzeigen.

Daß das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin nicht auf § 85 GmbHG (aF) stützen hätte dürfen, ist unzutreffend; die Klägerin hat diesen Anspruchsgrund ausdrücklich im Verfahren erster Instanz geltend gemacht.

Auf die Revisionsausführungen des Beklagten ist, soweit damit die Richtigkeit der Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes in Frage gestellt wird, nicht einzugehen.

Der Revision des Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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