OGH 9ObA239/90

OGH9ObA239/9010.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Bauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Mag.Ernst Löwe in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Marianne M***, Angestellte, Feldkirch, Bahnhofstraße 33, vertreten durch Dr.Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei L*** V*** (L*** F***), vertreten durch Dr.Reinhold Moosbrugger, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen 16.653,06 S (in eventu Feststellung), im Revisionsverfahren wegen Feststellung (Streitwert 30.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24.April 1990, GZ 5 Ra 175/89-16, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Arbeits- und Sozialgericht vom 14.Juni 1989, GZ 35 Cga 6/89-9, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.087,-- S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 514,50 S USt) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin wurde mit Wirkung vom 1.9.1988 in den Landesdienst als Landesangestellte mit Verwendung als teilzeitbeschäftigte Schreibkraft im L*** F*** aufgenommen und war dann

im Schreibbüro "West" des L*** tätig. Am 6.1.1989

richtete die Klägerin ein Schreiben mit folgendem Inhalt an die Personalabteilung des L***:

"Leider mußte ich feststellen, daß von mir Wochenenddienste gefordert werden, die von den Einstellungsvereinbarungen erheblich abweichen. Ihre Personalchefin Frau B*** sprach zwar von vierstündigen Wochenenddiensten, die im Rahmen meiner Halbtagsschreibtätigkeit im Schreibbüro West in Intervallen von 10 bis 12 Wochen anfallen würden. In Wirklichkeit sieht es so aus, daß ich alle 7 bis 8 Wochen 10- bis 12stündige Dienste in der ambulanten Aufnahme zu leisten habe. In Solidarität zu meinen Arbeitskolleginnen habe ich 2 dieser Sonderdienste übernommen, die mir inzwischen als absolut unzumutbar erscheinen. Bei meinem letzten 12-Stunden-Samstagdienst hatte ich blutüberströmte, schwerverletzte und bewußtlose Personen wachzurütteln, um diese nach ihren persönlichen Daten interviewen zu können. Abgesehen davon, daß ich durch meinen Wechsel ins L*** berufliche Überlastung durch Reduktion der Arbeitszeit abbauen wollte, sehe ich mich aus psychischen Gründen nicht in der Lage, jemals wieder einen solchen Dienst übernehmen zu können. Ich habe meine diesbezügliche Beschwerde bereits unserem unmittelbaren Vorgesetzten Herrn Dkfm. E*** vorgetragen, der jedoch, ich zitiere: 'Mit Personen, die erst einige Wochen im Haus sind, gar nicht diskutiert'. Nachdem mein nächster Wochenenddienst unmittelbar bevorsteht (22.1.1989) erachte ich es als meine Pflicht, Sie über die Notwendigkeit der erforderlichen personellen Umbesetzung zu informieren. Ich bin selbstverständlich bereit, den vereinbarten Wochenenddienst (4 Stunden vormittags alle 10 bis 12 Wochen) im Schreibbüro West wahrzunehmen."

Dieses Schreiben kam dem Verwalter des L*** etwa

um den 12.1.1989 zu. Inzwischen wurde die Klägerin vertretungsweise für den Dienst am Sonntag, dem 15.1.1989 eingeteilt. Darauf reagierte die Klägerin mit einem weiteren, mit 12.1.1989 datierten Schreiben, in dem sie unter anderem ausführte:

"Obwohl ich keinerlei medizinische Ausbildung habe, wurde ich in der Folge einmal in jeweils 7 Wochen zu Wochenenddiensten in der ambulanten Aufnahme eingeteilt. Zuletzt erfolgte meine Einteilung für Sonntag, dem 22.1.1989 bzw muß ich nunmehr vertretungsweise diesen Dienst am Sonntag, dem 15.1.1989 ausüben. Im Hinblick darauf, daß ich als Schreibkraft aufgenommen wurde und über keinerlei medizinische Kenntnisse verfüge, lehne ich die Verrichtung eines derartigen Dienstes, somit auch die Arbeit am 15.1.1989, ab."

Dieses Schreiben übergab die Klägerin am 12.1.1989 der Mitarbeiterin des Verwalters, die es am nächsten Tag an den Verwalter weitergab. Daraufhin fand am 13.1.1989 eine Besprechung statt, an der die Betriebsratsvorsitzende, ein Betriebsratsmitglied, zwei Angestellte der beklagten Partei und der Verwalter sowie die Klägerin teilnahmen. Gegenstand dieses Gespräches war das Schreiben vom 12.1.1989. Der genaue Verlauf des Gespräches steht nicht fest. Der Verwalter fragte die Klägerin jedenfalls, ob sie auf ihrem im Schreiben vom 12.1.1989 dargelegten Standpunkt beharre. Als dies die Klägerin bejahte, erklärte der Verwalter sinngemäß: "Wenn Sie den Dienst am 15. nicht antreten, muß ich Sie entlassen" oder: "Dann müßte ich Sie entlassen". Die Klägerin, der schon vor der Besprechung durch die Mitarbeiterin des Verwalters gesagt worden war, daß sie im Fall des Nichtantrittes des Dienstes mit einer Entlassung zu rechnen habe, betrachtete sich hierauf als entlassen. Im weiteren Verlauf des Gespräches warf die Betriebsratsvorsitzende ein, daß man ja um eine andere Stelle im Bereich des L*** F*** schauen könne. Der Verwalter

entgegnete, daß im Moment nichts in Sicht sei. Das Gespräch "ging dann noch längere Zeit hin und her" und wurde dadurch beendet, daß die Klägerin aufstand, zur Tür ging und sagte: "Ich bin ja entlassen". Daraufhin entgegnete die Betriebsratsvorsitzende, die Klägerin solle doch warten und bleiben; auch der Verwalter forderte die Klägerin auf, zu warten. Daraufhin erwiderte die Klägerin: "Was soll ich, soll ich Ihnen noch die Hand geben?" und verließ den Raum. Die Klägerin stellte ursprünglich das Begehren auf Feststellung, daß die von der beklagten Partei mit Wirkung vom 13.1.1989 ausgesprochene Entlassung rechtsunwirksam sei; sie sei bei dem Gespräch vom 13.1.1989 vom Verwalter zu Unrecht entlassen worden. Im weiteren brachte sie vor, nicht mehr auf der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses zu bestehen und begehrte die Zahlung eines Betrages von 16.653,06 S sA als Kündigungsentschädigung und anteiligen Sonderzahlungen; in einem späteren Verfahrensstadium erhob sie letztlich das Eventualbegehren auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis noch aufrecht sei. Sollte eine rechtswirksame Auflösungserklärung durch den Verwalter nicht abgegeben worden sein, komme diesem Begehren Berechtigung zu.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Eine Entlassung sei nicht erfolgt. Die Klägerin sei vielmehr bei dem Gespräch am 13.1.1989 vorzeitigt ausgetreten. Allenfalls noch offene Ansprüche der Klägerin seien durch die Weiterzahlung des Gehaltes über den Austrittszeitpunkt hinaus bis 31.1.1989 abgegolten. Das Erstgericht verpflichtete die beklagte Partei, der Klägerin einen Betrag von 2.753,40 S brutto sA zu zahlen, und wies das Mehrbegehren ab. Die Äußerung des Verwalters des L*** könnte nur dahin verstanden werden, daß er die Klägerin darauf hinwies, daß sie mit ihrer Entlassung zu rechnen habe, wenn sie den Dienst am 15.1. nicht antrete. Eine Entlassung habe er nicht ausgesprochen. Das Verhalten der Klägerin, die das Gespräch abgebrochen habe, aus dem Büro gegangen sei und im weiteren das Krankenhaus unter Mitnahme ihrer persönlichen Gegenstände vor Ende der Dienstzeit verlassen habe, sei als vorzeitiger Austritt zu qualifizieren. Da ein Verschulden der beklagten Partei an diesem Austritt nicht vorliege, stehe ein Anspruch auf Kündigungsentschädigung nicht zu; auch das Eventualbegehren sei daher nicht berechtigt. Lediglich das Begehren auf Leistung der anteiligen Sonderzahlungen bestehe im Umfang eines Teilbetrages von 2.753,40 S zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und änderte über Berufung der beklagten Partei dieses Urteil im Sinn einer gänzlichen Klageabweisung ab. Dadurch, daß die Klägerin vor Verlassen des Besprechungszimmers erklärt habe, "ich bin ja entlassen", habe sie zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht vorzeitig austreten wolle, sondern den Arbeitsplatz deshalb verlasse, weil sie davon ausgehe, daß sie entlassen sei. Das Verlassen des Betriebes könne daher nicht als konkludenter Austritt verstanden werden. Der Verwalter habe es auch unterlassen, den erkennbaren Irrtum der Klägerin über den Inhalt seiner Erklärung aufzuklären. Auch eine Entlassungserklärung liege nicht vor. Dies führe aber nicht zum Ergebnis, daß mangels einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Parteien dieses weiterhin aufrecht sei. Die Klägerin habe nämlich im Verfahren (anläßlich der Umstellung des ursprünglich erhobenen Feststellungsbegehrens auf das Begehren auf Zahlung von Kündigungsentschädigung) erklärt, daß sie "unbeschadet ihres Rechtsstandpunktes bzw der angezogenen Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes im Rahmen ihrer Optionsmöglichkeit nicht mehr auf der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses" bestehe. Diese Erklärung sei nicht nur als Prozeßhandlung zu sehen, sondern darüber hinaus als materiellrechtliche Erklärung des Inhaltes, daß sie davon ausgehe, daß das Arbeitsverhältnis am 13.1.1989 beendet worden sei. Damit seien beide Parteien von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an diesem Tag ausgegangen. Dies sei dem vorliegenden Verfahren zugrunde zu legen. Da nicht klargestellt sei, auf welche Weise das Arbeitsverhältnis geendet habe, träten weder die Wirkungen einer Entlassung noch eines (ungerechtfertigten) vorzeitigen Austrittes ein. Das Begehren der Klägerin auf Kündigungsentschädigung sei daher nicht berechtigt. Durch die Zahlung des Gehaltes über den 13.1.1989 hinaus bis Ende Jänner 1989 seien der Klägerin Beträge zugekommen, in denen auch ihre Ansprüche auf aliquote Sonderzahlungen Deckung fänden, sodaß ihrem Zahlungsbegehren insgesamt keine Berechtigung zukomme. Das Feststellungsbegehren sei wegen der Erklärung der Klägerin, auf dem aufrechten Bestand des Dienstverhältnisses nicht mehr zu bestehen, abzuweisen. Der Klägerin sei es nicht freigestanden, zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen ihrer "Optionsmöglichkeiten" ihre frühere Erklärung zurückzunehmen und davon auszugehen, daß das Arbeitsverhältnis weiterhin aufrecht sei.

Gegen den die Abweisung des Eventualbegehrens betreffenden Teil dieses Urteils richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Eventualbegehren stattgegeben und ausgesprochen werde, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur beklagten Partei nach wie vor aufrecht sei; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Aus den Feststellungen der Vorinstanzen ergibt sich, daß der Verwalter des L*** der Klägerin bei dem Gespräch am 13.1.1989 erklärte, daß er sie dann, wenn sie den Dienst, zu dem sie eingeteilt worden war, nicht antrete, entlassen müsse. Diese Erklärung war nur als Androhung der Konsequenz für den Fall eines Zuwiderhandelns gegen die dienstliche Anordnung zu verstehen; sie war klar und konnte keinen objektiv berechtigten Zweifel offenlassen. Wohl erklärte die Klägerin vor Verlassen des Besprechungsraumes, daß sie gehe, "weil sie entlassen sei", doch war eine solche Annahme nicht berechtigt.

Die Klägerin konnte aufgrund des vorangegangenen Gespräches nicht der berechtigten Ansicht sein, es sei eine Entlassung ausgesprochen worden. Die Möglichkeit, den Sachverhalt noch einmal in diesem Sinn klarzustellen, hat die Klägerin dadurch vereitelt, daß sie ungeachtet der Aufforderung zu bleiben, den Raum mit anmaßenden Worten verließ. Da eine Entlassung nicht ausgesprochen wurde und der Klägerin dies auch klar sein mußte, ist das Verlassen des Arbeitsplatzes durch sie unter Mitnahme ihrer persönlichen Gegenstände entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes als vorzeitiger Austritt aus dem Dienstverhältnis zu qualifizieren. Durch diesen ungerechtfertigten Austritt - Austrittsgründe wurden von der Klägerin nicht behauptet - wurde das Dienstverhältnis beendet, sodaß das allein den Gegenstand des Revisionsverfahrens bildende Begehren auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses nicht berechtigt ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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