OGH 14Os102/90

OGH14Os102/909.10.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Oktober 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Bauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Thomas T*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. März 1990, GZ 6 b Vr 8708/89-22, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Punkt 2) unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG (Punkt 1) sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 22-jährige Thomas T***

(1.) des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG als Beteiligter nach § 12 (dritter Fall) StGB und (2.) des Vergehens nach § 16 Abs. 1 SGG schuldig erkannt.

Das bezeichnete Verbrechen liegt ihm zur Last, weil er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider "zur Inverkehrsetzung von Suchtgift in einer großen Menge dadurch beigetragen hat, daß er den Verkauf von insgesamt zumindest 15 Gramm Heroin durch den abgesondert verfolgten - bereits rechtskräftig

abgeurteilten - Alexander K*** in der Zeit von Ende 1988 bis Anfang Juli 1989 in seiner Wohnung duldete und Alexander K*** in seiner Wohnung beherbergte".

Der Sache nach nur den Schuldspruch wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 5 und 9 lit. a - inhaltlich auch Z 10 - des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der Berechtigung zukommt. Das Schöffengericht stellte fest, daß der abgesondert verfolgte Alexander K***, den der - damals zum Haschischkonsum neigende - Beschwerdeführer in seiner Wohnung beherbergte und von dem er wußte, daß er Heroin konsumiert und in größerem Umfang weiterverkauft, in der Zeit von Ende 1988 bis Anfang Juli 1989 in der Wohnung des Angeklagten insgesamt zumindest 15 Gramm Heroin an verschiedene Interessenten verkauft hat. Daraus leitete es unter Bezugnahme auf die ständige Judikatur, wonach die Grenzmenge nach § 12 Abs. 1 SGG bei Heroin mit 1,5 Gramm anzunehmen ist, ab, daß von Alexander K*** solcherart eine die Grenzmenge weit übersteigende Menge Heroin in Verkehr gesetzt wurde und der Angeklagte, dessen Vorsatz die Suchtgiftmenge mitumfaßte, dies in seiner Wohnung gestattete (US 5, 8).

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht wendet die Beschwerde - verfehlt aus der Z 5, der Sache nach jedoch einen Feststellungsmangel nach der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO relevierend - ein, das Ersturteil enthalte keine Feststellung darüber, ob es sich bei der als erwiesen angenommenen Suchtgiftmenge um reines oder gestrecktes Heroin gehandelt habe; die Klärung dieser Frage wäre deshalb erforderlich gewesen, weil Alexander K*** auf Grund der Verfahrensergebnisse nur mit von ihm "gestreckten" Heroin gehandelt habe, wogegen sich die sogenannte Grenzmenge an der Reinsubstanz dieses Suchtgiftes orientiere. Das Ersturteil bringt zwar zutreffend zum Ausdruck, daß die Grenzmenge nach § 12 Abs. 1 SGG bei Heroin - abweichend von der Empfehlung des Suchtgiftbeirates, welcher die Beschwerde insoweit ersichtlich folgt - mit 1,5 Gramm anzunehmen ist. Diese Menge bezieht sich jedoch auf die Reinsubstanz, also auf den tatsächlichen

Wirkstoffgehalt an reinem Heroin (vgl. ÖJZ-LSK 1987/89 =

EvBl. 1988/3 = RZ 1987/48, EvBl. 1988/131 = RZ 1989/22). Da den Angaben des in der Hauptverhandlung als Zeugen vernommenen Alexander K*** zu entnehmen ist, daß er sich das Heroin zur Befriedigung seiner eigenen Sucht aus dem Handel mit diesem Suchtgift verschaffte, indem er von dem angekauften Heroin den selbst benötigten Teil wegnahm, den Rest mit Milchpulver bis zur ursprünglichen Menge streckte und das gestreckte Heroin sodann zum gleichen Preis weiterverkaufte (vgl. insbesondere S 33, 109) - dies steht auch mit der Verantwortung des Angeklagten im Einklang (S 63), wonach Alexander K*** seiner Sucht durch Weiterverkauf von Heroin nach "Strecken mit Milchzucker selbst finanziert" habe -, hätte es jedenfalls ausdrücklicher Feststellungen über die Qualität (mit Beziehung auf die Reinsubstanz) des von Klug in der Wohnung des Angeklagten verkauften Heroins bedurft. Für die Beurteilung der Frage, ob der Tatbestand des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG erfüllt ist, ist nämlich nicht allein die Quantität des Suchtgifts maßgebend, sondern auch dessen Qualität; es kommt sohin darauf an, ob die Suchtgiftquantität - bezogen auf reine Substanzen des betreffenden Suchtgifts - die sogenannte Grenzmenge erreicht oder übersteigt (ÖJZ-LSK 1985/72).

Mithin haftet dem Schuldspruch wegen des bezeichneten Verbrechens, wie die Beschwerde zutreffend rügt, ein Feststellungsmangel an, der eine abschließende Beurteilung des bezüglichen Tatverhaltens des Beschwerdeführers durch den Obersten Gerichtshof nicht zuläßt und daher im aufgezeigten Umfang zur Kassierung des Urteils zwingt, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden braucht. Nur der Vollständigkeit halber sei noch beigefügt, daß bloßes Wissen und Dulden einer von anderen begangenen Vorsatztat für sich allein zur rechtlichen Annahme eines Tatbeitrages (im Sinn des § 12 dritter Fall StGB), der zudem (objektiv) einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Förderung und der Tat erfordert, nicht ausreicht (vgl. insbesondere JBl. 1988, 800; Mayerhofer-Rieder StGB3 § 12 ENr. 86 a, § 164 ENr. 28; Kienapfel AT E 5 RN 8 ff; Leukauf-Steininger Komm.2 § 12 RN 39).

Da sich sohin zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst aber noch nicht einzutreten hat, war - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - der Nichtigkeitsbeschwerde schon in nichtöffentlicher Beratung Folge zu geben und die Erneuerung des Verfahrens im Umfang der Aufhebung anzuordnen (§ 285 e StPO). Mit ihren durch die Aufhebung des Urteils (auch im Strafausspruch) gegenstandslos gewordenen Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

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