OGH 2Ob605/90

OGH2Ob605/9026.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Herbert T***, geboren am 18.April 1973, infolge Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgericht vom 10.Juli 1990, GZ 47 R 465/90-204, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 28.Februar 1990, GZ 7 P 70/87-199, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die dem mj. Herbert T*** gewährten Unterhaltsvorschüsse mit Ablauf des Monates September 1989 eingestellt werden.

Text

Begründung

Dem mj. Herbert T*** wurden mit Beschluß des Erstgerichtes vom 11.2.1987 (ON 126) gemäß den §§ 3 und 4 Z 1 UVG für die Zeit vom 1.1.1987 bis 31.12.1989 monatliche Unterhaltsvorschüsse von S 534,-- gewährt, weil die Mutter und Unterhaltsschuldnerin Ingeborg Z*** ihrer Unterhaltsverpflichtung nicht nachkam. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 16.6.1987 (ON 136) wurden diese Unterhaltsvorschüsse mit 1.1.1987 auf S 1.500,-- monatlich erhöht, weil die Mutter rechtskräftig zu einer Unterhaltsleistung in dieser Höhe verpflichtet worden war. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 9.2.1990 (ON 197) wurde die Mutter Ingeborg Z*** ab 1.9.1989 von ihrer Unterhaltsverpflichtung für das Kind entbunden. Daraufhin beantragte der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien die Einstellung der gewährten Unterhaltsvorschüsse mit 31.8.1989, weil ab 1.9.1989 keine Unterhaltspflicht der Mutter mehr bestehe. Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, daß der Vorschußgewährungszeitraum im Zeitpunkt seiner Beschlußfassung bereits abgelaufen gewesen sei und daß die Unterhaltsvorschüsse im guten Glauben als Unterhalt für das Kind verbraucht worden seien. Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien gab das Rekursgericht keine Folge. Es sprach aus, daß gegen seine Entscheidung der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen damit, daß eine rückwirkende Einstellung von Unterhaltsvorschüssen für bereits abgelaufene Vorschußperioden nicht möglich sei. Wegen divergierender Rechtsprechung der Gerichte zweiter Instanz zu dieser Frage sei der ordentliche Revisionsrekurs zuzulassen. Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß die gewährten Unterhaltsvorschüsse mit Ablauf des 31.8.1989 eingestellt werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch teilweise berechtigt. Unterhaltsvorschüsse sind nach § 20 Abs 1 Z 4 lit a UVG auf Antrag oder von Amts wegen einzustellen, wenn eine der Voraussetzungen der Gewährung der Vorschüsse, ausgenommen die des § 3 Z 2, wegfällt. Die Einstellung ist gemäß § 20 Abs 2 UVG gegebenenfalls rückwirkend mit Ablauf des Monats anzuordnen, in dem der Einstellungsgrund eingetreten ist. Gemäß § 3 Z 1 UVG setzt die Gewährung von Vorschüssen das Bestehen eines im Inland vollstreckbaren Exekutionstitels voraus.

Daß mit der Enthebung der Mutter von ihrer Unterhaltsverpflicht mit 1.9.1989 diese Voraussetzung weggefallen ist, bedarf keiner weiteren Erörterung.

Das Gesetz ordnet ausdrücklich eine rückwirkende Einstellung an und verwendet den Begriff der Vorschußperioden nicht. Dem § 20 UVG liegt die Erwägung zugrunde, daß dem Gericht, auch wenn die Unterhaltsvorschüsse jeweils nur auf bestimmte Zeit bewilligt werden, doch die Möglichkeit gegeben werden muß, die Vorschüsse auch vor Ablauf dieser Zeit aus bestimmten Gründen einzustellen. Diese Einstellung soll nicht erst mit der Beschlußfassung, sondern mit dem Eintritt des Einstellungsgrundes wirksam werden. Vorschüsse, die nach diesem Zeitpunkt geleistet werden, gelten als zu Unrecht gewährt; für ihren Ersatz gilt § 22 UVG (5 BlgNR 14. GP 18 f). Die Vorschüsse sind nach dem Gesetz für eine bestimmte Dauer, höchstens für drei Jahre, zu gewähren (§ 8 UVG) und unter den im § 18 UVG näher bezeichneten Voraussetzungen für jeweils drei Jahre weiter zu gewähren. Auch im Fall der Weitergewährung handelt es sich um "laufende Vorschüsse" (vgl. 276 BlgNR 15.GP 14). Nur wenn keine Weitergewährung erfolgt, etwa weil die Frist des § 18 Abs 1 Z 1 UVG nicht genützt wird und dann auf Grund eines neuen Antrages Vorschüsse gewährt werden, liegt keine Fortsetzung der Vorschußgewährung vor (vgl. 5 BlgNR 15. GP 17). Fraglich ist somit lediglich, ob eine Einstellung der Vorschüsse dann noch in Betracht kommt, wenn die Zeit, für die die Vorschüsse gewährt (bzw. weitergewährt) worden sind, bereits abgelaufen ist, weil dieser Fall vom üblichen allgemeinen Wortsinn des Begriffes der "Einstellung" nicht mehr erfaßt wird. "Einstellen" bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch und auch im Rechtsbereich die Beendigung eines laufenden Verfahrens oder einer noch zu erbringenden fortlaufenden Zahlung oder sonstigen Leistung (vgl. auch 5 BlgNR 14.GP 18). Wie der Oberste Gerichtshof aber bereits in einem ähnlich gelagerten Fall ausgesprochen hat (7 Ob 601/90), folgt aus der oben dargestellten Absicht des Gesetzgebers und der immanenten Teleologie des Gesetzes, daß eine Gesetzeslücke für den Fall vorliegt, daß erst nach Ablauf der Zeit, für die die Vorschüsse gewährt oder weitergewährt worden sind, ein während dieses Zeitraumes eingetretener Einstellungsgrund offenkundig wird, die durch Analogie zu schließen ist. Der § 20 UVG ist daher in einem solchen Fall analog anzuwenden und die Vorschüsse sind dann rückwirkend einzustellen.

Im vorliegenden Fall ist die Voraussetzung des § 3 Z 1 UVG für die Vorschußgewährung mit 1.9.1989 weggefallen. Die Einstellung der Vorschüsse war daher im Sinne des § 20 Abs 2 UVG mit Ablauf des Monates September 1989 rückwirkend anzuordnen, weil der Einstellungsgrund erst in diesem Monat eingetreten ist. In diesem Sinne waren in teilweiser Stattgebung des Revisionsrekurses des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern.

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