OGH 4Ob1032/90

OGH4Ob1032/9025.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Friedl als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*** Warenhandels-Aktiengesellschaft, Wiener Neudorf, Industriezentrum NÖ-Süd, Straße 2 Objekt 16, vertreten durch Dr.Hans Perner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D*** Warenhandelsgesellschaft m.b.H., Dornbirn, Wallenmahd 46, vertreten durch Dr.Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 600.000), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 30.Mai 1990, GZ 5 R 289/89-19, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Mit Urteil vom 17.10.1989, 19 Cg 15/89-15, erkannte der Erstrichter die Beklagte schuldig, es ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr beim Einzelhandel mit Waren aller Art, insbesondere beim Einzelhandel mit Kaffee, Waren im Sinne des § 3 a Abs 1 NVG, insbesondere Kaffee, zum oder unter dem Einstandspreis zuzüglich Umsatzsteuer und aller sonstigen Abgaben, die beim Verkauf anfallen, zum Verkauf anzubieten und zu verkaufen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Beklagten erhobene außerordentliche Revision ist unzulässig:

Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse voraus; es ist nicht Sache der Rechtsmittelinstanzen, rein theoretische Fragen zu entscheiden (SZ 49/22; SZ 53/86; SZ 61/6; MR 1990, 73 uva;

Heller-Berger-Stix 648; Fasching IV 13 f und LB Rz 1709 ff). Nach nunmehr herrschender Auffassung muß diese Beschwer zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen (SZ 61/6 mwN;

Heller-Berger-Stix aaO).

Mit Erkenntnis vom 15.6.1990, G 56/89-16, kundgemacht am 19.9.1990 in BGBl 1990/590 a, hat der Verfassungsgerichtshof § 3 a NVG in der derzeit gültigen Fassung als verfassungswidrig aufgehoben; da er für das Außerkrafttreten keine Frist bestimmt hat, ist diese Aufhebung mit dem Tag der Kundmachung in Kraft getreten (Art 140 Abs 5, Satz 3, B-VG). Seither kommt ein Verstoß gegen § 3 a NVG begrifflich nicht mehr in Frage. Wenngleich das aufgehobene Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles weiterhin anzuwenden ist, sofern der VfGH nicht etwas anderes ausspricht (Art 140 Abs 7 Satz 2, B-VG), kann im vorliegenden Fall doch eine Exekution auf Grund des Ersturteils nicht bewilligt werden, weil dem Exekutionstitel nach dem Eintritt seiner Vollstreckbarkeit nicht mehr zuwidergehandelt werden kann (§ 355 EO). Im übrigen könnte auch bei Verstößen gegen § 3 a NVG vor dem Wirksamwerden der Aufhebung (19.9.1990) die Exekution nach § 355 EO nicht bewilligt und eine Geldstrafe nicht verhängt werden, liegt doch der Zweck dieser Maßnahmen nicht darin, den Verpflichteten für begangene Delikte zu bestrafen, sondern darin ein künftiges Zuwiderhandeln zu verhindern (Heller-Berger-Stix 2579 f, 2591 mwN); ist aber das durch das aufgehobene Gesetz verbotene Verhalten nunmehr zulässig, dann darf die Unterlassung nicht erzwungen werden. Da somit auf Grund der Urteile der Vorinstanzen in der Hauptsache Exekution nicht geführt werden kann, ist die Beklagte durch diese Urteile nicht beschwert; gegen einen allenfalls zu Unrecht gefaßten Exekutionsbewilligungsbeschluß könnte sie sich mit rechtlichen Mitteln erfolgreich zur Wehr setzen. Eine Beschwer durch die Kostenentscheidung ist aber ohne Rücksicht darauf zu verneinen, ob es sich um Kosten erster oder zweiter Instanz handelt (SZ 61/6). Aus diesen Erwägungen war das Rechtsmittel zurückzuweisen.

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