OGH 1Ob568/90

OGH1Ob568/9012.9.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner K***, Bilanzbuchhalter, Graz, Erzherzog-Johann-Straße 52 a, vertreten durch Dr. Manfred Schnurer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei prot. Firma Ernst F***, Autohaus, Graz, Kärntnerstraße 69-71, vertreten durch Dr. Ulrich Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen 300.000 S s.A, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 11. Dezember 1989, GZ 2 R 31/89-19, womit das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 30.November 1988, GZ 7 Cg 188/88-12, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 9.275,40 S (darin 1.545,90 S Umsatzsteuer) und 21.125,80 S (darin 10.000 S Barauslagen und 1.854,30 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungs- und Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger kaufte bei der beklagten Kraftfahrzeughändlerin am 5. Mai 1987 einen fabriksneuen PKW Buick Century um 359.000 S und übernahm ihn am 7.Mai 1987. Zwischen 18.Mai 1987 und 24.April 1988 traten am PKW folgende, von der beklagten Partei reparierte Mängel auf: Am 18.Mai 1987 konnte die erste Gangstufe des Automatikgetriebes nicht eingelegt werden, am 4.Juli 1987 entstand ein Kurzschluß im elektrischen Kabelstrang, am 18.Juli 1987 wurde durch den kaputten Park-Neutralschalter ein neuerlicher Kurzschluß verursacht, am 17.August 1987 quietschten die Dichtringe am Auspuffkrümmer bei Lastwechsel, am 3.November 1987 führte ungleichmäßiger Motorlauf, verursacht durch zwei verstopfte Einspritzdüsen, zu Vibrationen, ab 12.November 1987 kam es durch Unwucht im Drehmomentwandler zu Vibrationen, am 28.März 1988 wurde ein Fehler im Lichthubschalter behoben. Nach Beendigung dieser Reparatur kam es, als der Werkstättenleiter der beklagten Partei die Startvorrichtung des PKWs betätigte, zu einem Kurzschluß in der Ankerwicklung des Anlassers und am 25.April 1988 konnte der PKW nicht gestartet werden, weil sich die Batterie entladen hatte. Nachdem der Kläger schon mit Schreiben vom 14.Juli 1987 seinen Rücktritt vom Vertrag angedroht hatte, stellte er am 24. (richtig wohl: 25.)April 1988 den PKW an die beklagte Partei zurück und erklärte (mit Schreiben vom 25.April 1988) seinen Rücktritt vom Kaufvertrag. Anläßlich der Befundaufnahme einschließlich Probefahrt durch den gerichtlichen Sachverständigen konnten Mängel am Fahrzeug nicht festgestellt werden.

Der Kläger begehrt von der beklagten Partei die Bezahlung von 300.000 S sA als Rückzahlung des Kaufpreises für den PKW abzüglich eines Benützungsentgeltes von 59.000 S, weil er vom Vertrag zurückgetreten sei. Es seien mindestens 15 verschiedene Mängel am PKW aufgetreten, die meistens dazu geführt hätten, daß der PKW nicht in Gebrauch genommen hätte werden können. Nach dem Schreiben vom 14. Juli 1987 seien laufend wiederum Mängel aufgetreten. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, daß die Gewährleistungsfrist längst abgelaufen sei und sie alle ihr vom Kläger gemeldeten Mängel jeweils sofort kostenlos behoben habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, weil sämtliche Mängel behebbar und mehrheitlich unwesentlich gewesen und von der beklagten Partei behoben worden seien, weshalb sie trotz rechtzeitiger Geltendmachung der Gewährleistung keinen Wandlungsanspruch des Klägers begründen könnten.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. In der Rechtsprechung werde bei wiederholten erfolglosen Verbesserungsversuchen eine Unbehebbarkeit des Mangels (der Mängel) angenommen. Reischauer (in Rummel2 § 932 ABGB Rz 12), schlage jedoch vor und dieser Auffassung schließe sich der Berufungssenat an, die Lösung "in Einheit mit den Wertungen des § 918 ABGB und allgemeinen Grundsätzen" zu suchen. Aus dem Vorbringen des Klägers gehe hervor, daß er auch einen Vertragsrücktritt geltend mache. Die Rechtslage trete ins Stadium vor Ablieferung der gekauften Sache zurück, wenn der Verkäufer den Mangel, etwa durch einen Verbesserungsversuch, anerkannt habe. Deshalb sei dem Erwerber bis zur neuerlichen vorbehaltlosen Übernahme auch das Rücktrittsrecht des § 918 ABGB zuzubilligen. Das Recht, aus wichtigem Grund vom Vertrag zurückzutreten, beruhe auf dem Gedanken, daß dem Gläubiger aus einem solchen Grund die Aufrechterhaltung des Vertrages nicht mehr zumutbar sei und das sei bei einer erheblichen Schädigung durch Schlechtleistung der Fall; sei doch auch die Schlechtleistung nur ein Teilaspekt der Nichterfüllung. Die Mängel hätten den PKW für den bestimmten Verwendungszweck weitgehend, vor allem in nicht unerheblichen Zeiträumen, unbrauchbar gemacht und seien daher als wesentliche Mängel zu qualifizieren. Auch wenn alle Mängel von der beklagten Partei kostenlos behoben worden seien, müsse der Vertragsrücktritt des Klägers doch als gerechtfertigt angesehen werden, denn es sei dem Kläger nicht zumutbar, einen fabriksneu gekauften und durchaus nicht billigen, aber derart defektanfälligen PKW weiterhin zu behalten. Deshalb sei der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kaufpreises unter Abzug eines Benützungsentgeltes (Rückabwicklung gemäß § 921 zweiter Satz ABGB) berechtigt. Im fortzusetzenden Verfahren werde die Höhe des Klagsanspruches zu prüfen sein.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten ist gerechtfertigt.

Im vorliegenden Fall können die Bedenken Reischauers (in Rummel2, § 932 ABGB Rz 12) gegegen die ständige Rechtsprechung (SZ 53/63; EvBl 1974/97; SZ 43/152; 1 Ob 707/85 uva) und überwiegende Lehre (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 451, 517 f; Wahle in Klang2 IV/2, 86; Binder in Schwimann, § 918 ABGB Rz 36; Koziol-Welser, Grundriß8 I 239; zuletzt mit gewichtigen Argumenten Mayrhofer in Ehrenzweig, Schuldrecht, AT3 413 f mwN in FN 28 bis 31), daß der Erwerber nach der vorbehaltlosen Annahme der mangelhaften Sache als Erfüllung wie hier nur mehr Gewährleistungs- und nicht mehr Erfüllungsansprüche hat, auf sich beruhen, weil jeder Rücktritt vom Kaufvertrag nach § 918 ABGB eine hier weder behauptete noch festgestellte Nachfristsetzung oder zumindest Nachfristgewährung voraussetzt (JBl 1988, 317, 447, jeweils mwN; Binder aaO, Rz 91 f mwN; Reischauer aaO, § 918 ABGB Rz 10 a, 15 mwN; Mayrhofer aaO, 378 ff).

Es bleibt daher nur zu prüfen, ob dem Kläger ein Wandlungsanspruch zusteht, zumal er andere Gewährleistungsansprüche nicht erhoben hat. Im Rechtsmittelverfahren ist nicht mehr strittig, daß die Mängel des PKWs behebbar waren und auch behoben wurden. Nach § 932 Abs 1 ABGB kann Wandlung nur gefordert werden, wenn der die Gewährleistung begründende Mangel nicht behoben werden kann und den ordentlichen Gebrauch der Sache verhindert. In der Rechtsprechung wurde dies auch auf Fälle ausgedehnt, wenn zwar ein an sich behebbarer Mangel vorliegt, aber die zur Verbesserung erforderliche Zeit nicht abzusehen ist oder der Gewährleistungspflichtige den unverhältnismäßig großen Verbesserungsaufwand nicht tragen will (EvBl 1972/170; SZ 22/145) oder der Gewährleistungspflichtige trotz Aufforderung die Behebung des Mangels unterläßt (JBl 1980, 259; SZ 50/116, SZ 48/56 ua) oder die Verbesserung zunächst vergeblich versuchte, sich aber dann weigert, die zur Herstellung eines einwandfreien Zustandes erforderlichen Maßnahmen zu treffen (HS 7332 f; SZ 41/94 ua) oder der Verbesserungsversuch trotz deren objektiver Möglichkeit mißlang (JBl 1973, 529) oder dem Gewährleistungspflichtigen wiederholte mißglückte Verbesserungsversuche zur Last fallen (EvBl 1979/127, EvBl 1978/9). In solchen Fällen kann der Käufer den behebbaren Mangel als einen unbehebbaren behandeln und Wandlung begehren. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier nicht vor. Die beklagte Partei hat nicht wiederholt erfolglose Verbesserungsversuche vorgenommen, sondern mehrere behebbare Mängel am PKW tatsächlich behoben. Damit fehlt es aber an einer, den Wandlungsanspruch des Klägers rechtfertigenden Voraussetzung. Die in der Berufung des Klägers begehrte weitere Feststellung ist dann aber irrelevant.

Die Entscheidung der ersten Instanz ist daher wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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