Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind als weitere
Verfahrenskosten zu behandeln.
Text
Begründung
Am 10. November 1986 ereignete sich gegen 5,15 Uhr auf der Bundesstraße 70 bei Km 142.511 östlich der Gurkerbrücke ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen K 176.594 und der Erstbeklagte als Halter und Lenker des LKW mit dem Kennzeichen K 72.212 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Der in Richtung Völkermarkt fahrende Kläger kam mit dem von ihm gelenkten PKW auf der vereisten Fahrbahn ins Schleudern, geriet auf die Gegenfahrbahn und stieß dort mit dem entgegenkommenden LKW des Erstbeklagten zusammen. Dabei wurde eine im PKW des Klägers mitfahrende Person getötet; der Kläger und der Erstbeklagte wurden verletzt, beide Fahrzeuge beschädigt.
Das wegen dieses Verkehrsunfalles gegen die beiden beteiligten Lenker zu 9 E Vr 3341/86 des Landesgerichtes Klagenfurt eingeleitete Strafverfahren wurde gegen den Erstbeklagten gemäß § 90 StPO eingestellt. Der Kläger wurde mit Urteil vom 24. März 1987 der Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, daß er durch unvorsichtiges Fahren, insbesondere dadurch, daß er für die Witterungs- und Fahrbahnverhältnisse eine zu hohe Geschwindigkeit einhielt, mit dem von ihm gelenkten PKW ins Schleudern und auf die Gegenfahrbahn geriet, wo er gegen den bereits stehenden LKW des Erstbeklagten stieß. Eine vom Kläger gegen dieses Strafurteil erhobene Berufung blieb erfolglos.
Im Verfahren 15 C 2117/87 des Bezirksgerichtes Klagenfurt machte Ferdinand R*** mit der Behauptung, daß das Alleinverschulden Ing. Helmut R*** treffe, seine Schadenersatzansprüche aus diesem Verkehrsunfall gegen Ing. Helmut R*** und dessen Haftpflichtversicherer, DER A*** Allgemeine Versicherungs-AG, geltend. Ing. R*** behauptete ein Mitverschulden des R***, weil er nicht rechtzeitig angehalten habe, und wendete Schadenersatzforderungen aus diesem Verkehrsunfall (Fahrzeugschaden S 21.000, Schmerzengeld S 100.000) aufrechnungsweise gegen die Klagsforderung ein. Mit Urteil vom 18. März 1988 gab das Bezirksgericht Klagenfurt (abgesehen von der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens) der Klage statt, wobei es davon ausging, daß der Haftpflichtversicherer des Ing. R*** dessen Schadenersatzpflicht dem Grunde nach anerkannt habe. Die von Ing. R*** und dessen Haftpflichtversicherer gegen dieses Urteil erhobene Berufung blieb erfolglos. Über die eingewendete Gegenforderung des Ing. R*** wurde in diesem Verfahren nicht abgesprochen.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger mit der Behauptung, daß den Erstbeklagten ein mit einem Drittel zu bewertendes Mitverschulden am Verkehrsunfall vom 10. November 1986 treffe, weil er den LKW, der bei der Kollision noch in Bewegung gewesen sei, nicht rechtzeitig angehalten habe, die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 108.333,30 sA (das ist ein Drittel der behaupteten Schäden aus den Titeln des Fahrzeugschadens, des Schmerzengeldes und des Verdienstentganges); überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand - der Zweitbeklagten im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages - für ein Drittel seiner künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren.
Die Beklagten wendeten im wesentlichen ein, daß nach den Feststellungen im Strafverfahren der Erstbeklagte rechtzeitig angehalten und keine sonstigen Möglichkeiten, den Unfall zu verhindern, gehabt habe und daß der Haftpflichtversicherer des Klägers im Verfahren 15 C 2117/87 des Bezirksgerichtes Klagenfurt die Ansprüche des Erstbeklagten zur Gänze, also auch dem Grunde nach, anerkannt habe, sodaß dem Kläger Ansprüche wegen eines Mitverschuldens des Erstbeklagten nicht zustünden.
Das Ersgericht wies das Klagebegehren ab.
Es stellte - abgesehen von dem bereits eingangs wiedergegebenen
Sachverhalt - im wesentlichen folgendes fest:
Mit Schreiben vom 23. April 1987 teilte der Haftpflichtversicherer des Klägers dem Vertreter des Erstbeklagten mit: "Vorfall vom 10.11.1986, Ing. R***/R***. Sehr geehrter Herr Doktor ! Die Schadenersatzansprüche Ihres Mandanten können wie folgt anerkannt werden: Fahrzeugschaden laut in Kopie beiliegendem Gutachten - es liegt Totalschaden vor - brutto S 28.000,-, das sind netto S 23.333,- abzüglich Restwert netto S 1667,-, verbleiben S 21.666,- zuzüglich Kosten An- und Abmeldung ohne Nachweis S 1000,-, zusammen S 22.666,-. Den angeführten Betrag überweisen wir Ihnen unter einem. Mit freundlichen Grüßen. DER A*** Allgemeine Versicherungs-AG, Landesdirektion Kärnten-Osttirol". Im Zuge des durchgeführten Schriftwechsels teilte der Haftpflichtversicherer des Klägers dem Vertreter des Erstbeklagten am 5.6.1987 mit: "..... Nach derzeitiger Aktenlage sind wir nach wie vor der Meinung, daß die Abrechnung auf Totalschadensbasis vorzunehmen ist. Bevor wir die endgültige Beurteilung vornehmen, ersuchen wir um Überlassung des Gutachtens des Herrn K*** ...". Rechtlich führte das Erstgericht im wesentlichen aus, daß es an die in dem gegen den Kläger ergangenen Strafurteil getroffene Feststellung, daß der Kläger mit seinem PKW gegen den bereits stehenden LKW des Erstbeklagten gestoßen sei, gebunden sei. Darüber hinaus liege ein konstitutives Anerkenntnis der Schadenersatzpflicht des Klägers durch dessen Haftpflichtversicherer vor, das auch den Kläger binde. Dem Klagebegehren könne daher nicht stattgegeben werden.
Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluß Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.
Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, der Zivilrichter sei, wenn die Entscheidung von dem Beweis und der Zurechnung einer strafbaren Handlung abhänge, an den Inhalt eines hierüber ergangenen rechtskräftigen verurteilenden Erkenntnisses des Strafgerichtes gebunden. Diese Bindung erstrecke sich auf alle den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen, also auf alle vom Strafgericht festgestellten Tatumstände, die in ihrer Gesamtheit den strafbaren Tatbestand ergäben, und zwar gleichgültig, ob sie im Spruch oder in den Gründen des Strafurteiles enthalten seien. Als der Verurteilung zugrundeliegende Tat seien jene Handlungen und Unterlassungen anzusehen, die nach dem Inhalt des Strafurteiles den Tatbestand derjenigen strafbaren Handlung (Unterlassung) darstellten, deretwegen die Verurteilung erfolgt sei. Im vorliegenden Fall sei dem Kläger unvorsichtiges Fahren, insbesondere durch Einhaltung einer für die Witterungs- und Fahrbahnverhältnisse zu hohen Geschwindigkeit, vorgeworfen worden, weshalb er schleudernd auf die Gegenfahrbahn geraten sei, wo er gegen den bereits stehenden LKW des Erstbeklagten gestoßen sei. Als strafrechtlich zu ahndendes Verschulden sei dem Kläger also eine überhöhte Geschwindigkeit angerechnet worden; daran sei der Zivilrichter gebunden. Die Frage, ob der LKW des Erstbeklagten im Unfallszeitpunkt bereits gestanden sei oder nicht, habe auf den strafrechtlichen Tatbestand keinen Einfluß. Der Zivilrichter sei an ein verurteilendes Straferkenntnis insoweit gebunden, als er von einem zivilrechtlichen Verschulden des Verurteilten ausgehen müsse. Darüber hinaus bestehe keine Bindung an die rechtliche Beurteilung des Strafgerichtes. Die strafgerichtliche Verurteilung des Klägers enthebe somit das Erstgericht nicht der Verpflichtung, ein allfälliges Mitverschulden des Erstbeklagten infolge Reaktionsverspätung zu untersuchen, zumal die Möglichkeit, den LKW schon früher anzuhalten, auch ein Mitverschulden begründen könnte. Daß der Kläger dem Erstbeklagten oder dessen Haftpflichtversicherer gegenüber ein Anerkenntnis abgegeben habe, werde nicht behauptet. Die Anerkennung einer Forderung wirke nur für und gegen jene Personen, die das Anerkenntnis abgegeben hätten. Nach § 9 Abs 1 AKHB 1988 (früher § 10 AKHB bzw. Art 9 Abs 1 AKHB 1967) sei der Versicherer allerdings bevollmächtigt, die ihm zur Befriedigung oder zur Abwehr der Entschädigungsansprüche des geschädigten Dritten zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers im Rahmen der Versicherungssumme und der übernommenen Gefahr abzugeben. In diesem Umfang stelle der Haftpflichtversicherer den Haftpflichtversicherten dar, aber auch nur insoweit, als es sich um Angelegenheiten handle, die in die Versicherungspflicht fielen. Bei der Haftpflichtversicherung sei gemäß § 149 VersVG der Versicherer verpflichtet, dem Versicherungsnehmer die Leistung zu ersetzen, die dieser auf Grund seiner Verantwortlichkeit für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache an einen Dritten zu erwirken habe. Ansprüche des Versicherungsnehmers gegen den geschädigten Dritten seien aber nicht Gegenstand der Haftpflichtversicherung. Da sich die Bestimmung des Art. 9 Abs 1 AKHB 1967 nur auf den Versicherungsumfang des § 149 VersVG beziehen könne, sei der Versicherer auf Grund der zuerst genannten Bestimmung nicht berechtigt, Aktivansprüche des Versicherten (durch Kompensation) geltend zu machen, könne daher auch darauf nicht verzichten oder durch ein Anerkenntnis diese Ansprüche präjudizieren. Das im Verfahren 15 C 2117/87 des Bezirksgerichtes Klagenfurt der Entscheidung zugrundegelegte (außergerichtliche) konstitutive Anerkenntnis des Haftpflichtversicherers des Klägers hinsichtlich der gesamten Ansprüche des Erstbeklagten aus dem Verkehrsunfall vom 10.November 1986 berühre daher den behaupteten Schadenersatzanspruch des Klägers nicht.
Auch der Einwand der entschiedenen Streitsache könne ihm nicht entgegengehalten werden. Nach § 411 Abs 1 zweiter Satz ZPO sei die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand einer vom Beklagten zur Kompensation geltend gemachten Gegenforderung der Rechtskraft bis zur Höhe des Betrages teilhaft, mit welchem aufgerechnet werden solle. Über die Gegenforderung werde also nur bis zur Höhe der Klagsforderung (im Verfahren 15 C 2117/87 des Bezirksgerichtes Klagenfurt S 20.426) entschieden. Im besonderen Fall sei aber die Gegenforderung im Urteilsspruch nicht behandelt worden. Gegenstand der Rechtskraft sei aber nur der Urteilsspruch. Dies müsse auch bezüglich der Gegenforderungen der Fall sein, über die im Verfahren 15 C 2117/87 des Bezirksgerichtes Klagenfurt nicht abgesprochen worden sei.
Da somit das Erstgericht aus vom Berufungsgericht nicht geteilten rechtlichen Erwägungen das Klagebegehren abgewiesen habe, ohne die vom Kläger angebotenen Beweise hinsichtlich seiner Ansprüche durchzuführen, sei die Sache an das Prozeßgericht erster Instanz zur Verhandlung und Urteilsfällung zurückzuweisen. Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof begründete das Berufungsgericht damit, daß oberstgerichtliche Judikatur zur Frage der Auswirkung einer Anerkennung von Entschädigungsansprüchen eines Dritten gegen den Versicherten auf die Ansprüche des Versicherten aus demselben Schadensfall gegen den Dritten nicht vorliege.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß "dahingehend abzuändern, daß der Berufung des Klägers keine Folge gegeben wird und das erstinstanzliche Urteil vollinhaltlich bestätigt wird".
Der Kläger hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Rekurs der Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Soweit die Beklagten ausführen, das Berufungsgericht hätte davon ausgehen müssen, daß sich die Bindungswirkung des gegen den Kläger ergangenen Strafurteiles im Sinne des § 268 ZPO insbesondere auch darauf erstrecke, daß der LKW des Erstbeklagten im Unfallszeitpunkt bereits stand, ist ihnen zu entgegnen, daß sich nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung die Bindung nach dieser Gesetzesstelle auf die den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen erstreckt, daß aber vom Strafgericht festgestellte Tatsachen, die über den Straftatbestand hinausreichen, den Zivilrichter nicht binden (Fasching, Zivilprozeßrecht2 Rz 861; SZ 54/150 mwN; RZ 1989/12 uva). Ob der LKW des Erstbeklagten im Kollisionszeitpunkt bereits zum Stillstand gekommen war, mag für die Frage eines allfälligen Mitverschuldens des Erstbeklagten wegen einer verspäteten Reaktion auf die verkehrsordnungswidrige Fahrweise des Klägers von Bedeutung sein, ist aber völlig bedeutungslos für das dem Kläger angelastete schuldhafte Fehlverhalten, das zu seiner Verurteilung durch das Strafgericht führte. Es besteht daher, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, im Sinne des § 268 ZPO keine Bindung des Zivilrichters an die Feststellung in dem gegen den Kläger ergangenen Strafurteil, daß der LKW des Erstbeklagten im Kollisionszeitpunkt bereits zum Stillstand gekommen war. Entgegen den Rekursausführungen trifft es aber auch nicht zu, daß eine Anerkennung der Schadenersatzansprüche des Erstbeklagten gegen den Kläger aus diesem Verkehrsunfall dem Grunde nach durch den Haftpflichtversicherer des Klägers den Kläger daran hindern könnte, eigene Schadenersatzansprüche aus diesem Ereignis gegen den Erstbeklagten bzw. dessen Haftpflichtversicherer geltend zu machen. Denn die dem Versicherer im Sinne des § 9 Abs 1 AKHB 1988 (früher Art 9 Abs 1 AKHB bzw. § 10 Abs 1 AKHB) zustehende Legalvollmacht betrifft nicht die Aktivansprüche des Versicherungsnehmers aus dem Schadensereignis, sondern nur dessen Verpflichtungen, für die der Versicherer einzustehen hat. Diese Legalvollmacht gibt dem Versicherer keinesfalls die Möglichkeit, Aktivansprüche des Versicherten geltend zu machen oder über sie zu verfügen (SZ 56/121 mwN). Derartiges ist im vorliegenden Fall auch nicht geschehen. Wenn der Haftpflichtversicherer des Klägers die Schadenersatzansprüche des Erstbeklagten aus dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall dem Grunde nach uneingeschränkt anerkannte, steht dies daher, wie das Berufungsgericht gleichfalls zutreffend erkannte, der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus dem gleichen Schadensereignis durch den Kläger gegenüber dem Erstbeklagten und dessen Haftpflichtversicherer nicht entgegen.
Daß im Vorprozeß über die dort (vom nunmehrigen Kläger) eingewendete Gegenforderung nicht abgesprochen wurde, hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt. Im Rekurs der Beklagten wird dazu nichts mehr vorgebracht.
Die Entscheidung des Berufungsgerichtes entspricht somit durchaus der Sach- und Rechtslage, sodaß dem Rekurs der Beklagten ein Erfolg versagt bleiben muß.
Da dieses Rechtsmittel aber zur Klärung der Rechtslage beigetragen hat, ist die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens im Sinne des § 52 ZPO dem weiteren Verfahren vorzubehalten (EvBl 1958/28).
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