OGH 9ObA199/90

OGH9ObA199/9029.8.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. phil. Eberhard Piso und Dr. Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Barbara R***, Graz, Schilfgasse 27, vertreten durch Dr. Peter Kolar, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Diethard B***, Kaufmann, Graz, Premstätter Straße 165, vertreten durch Dr. H. Klement und andere Rechtsanwälte in Graz, wegen 38.478,22 S sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Mai 1990, GZ 8 Ra 49/90-10, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. März 1990, GZ 31 Cga 204/89-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten des erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13. 12. 1989 wurde vom Erstgericht in Anwesenheit beider anwaltlich vertretenen Parteien das dem Klagebegehren stattgebende Urteil verkündet.

Am 1. 3. 1990 beantragte die beklagte Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsanmeldung (§ 461 Abs 2 ZPO) und meldete die Berufung gegen das Urteil vom 13. 12. 1989 an. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages wurde ausgeführt, die Beklagtenvertreterin habe es durch ein Versehen unterlassen, die Frist zur Berufungsanmeldung nach Rückkehr in ihre Kanzlei in das Fristenbuch einzutragen. Der Akt sei außer Evidenz geraten, und erst am 19. 2. 1990 sei sie durch eine Mitteilung des Klienten auf das Fristversäumnis aufmerksam geworden.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab. Es könne wohl nicht von der Hand gewiesen werden, daß der Beklagtenvertreterin durch ein Versehen ein Fristversäumnis unterlaufen sei, doch sei es nicht glaubhaft, daß diese erst am 19. 2. 1990 vom Fristversäumnis erfahren habe. Der Antrag sei daher verspätet gestellt.

Das Berufungsgericht gab dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei. Die Frage der Rechtzeitigkeit der Antragstellung könne auf sich beruhen, da ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund nicht geltend gemacht werde. Das Vergessen der Eintragung einer Frist durch einen Rechtsanwalt übersteige den Grad eines minderen Versehens. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei daher ausgeschlossen.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Beschluß richtet sich der zwar zulässige, aber unberechtigte Rekurs der beklagten Partei.

Zur Vermeidung der sich aus der früheren Rechtslage immer wieder ergebenden Härten hat die Zivilverfahrens-Novelle 1983 den § 146 ZPO dahin gemildert, daß ein minderer Grad des Versehens der Partei die Wiedereinsetzung nicht hindert. Eine solche leichte Fahrlässigkeit liegt aber nur dann vor, wenn ein Fehler begangen wird, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft. Der Wiedereinsetzungswerber (bzw sein Vertreter: § 39 ZPO) darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben; er darf somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in diesem Sinne außer acht gelassen haben. An berufliche rechtskundige Parteienvertreter ist ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. War die Versäumung voraussehbar und hätte sie durch ein der Partei zumutbares Verhalten abgewendet werden können, ist die Wiedereinsetzung zu verweigern (Fasching ZPR2 Rz 580 mwN).

Die Unterlassung der Evidenzhaltung einer Rechtsmittelfrist durch einen Rechtsanwalt, an den diesbezüglich ein besonderer Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist, beruht, auch wenn sie - wie hier - auf ein an sich ohne weiteres vermeidbares und daher vorwerfbares Vergessen zurückzuführen ist, grundsätzlich auf einem besonders auffallend sorglosen Handeln, dessen Folgen voraussehbar sind. Es ist daher als grobe Fahrlässigkeit zu qualifizieren, die der Bewilligung der Wiedereinsetzung entgegensteht. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 154 ZPO.

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