Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Der Oberste Gerichtshof war mit der vorliegenden Vormundschaftssache bereits einmal (Entscheidung vom 26.11.1987, 7 Ob 713/87-104) befaßt. Gegenstand der Entscheidung war ein Antrag der mütterlichen Großmutter Franziska H*** gewesen, daß die Kinder sie "zu den hohen Festen und mindestens drei Wochen während der großen Schulferien" besuchen dürfen. Der Oberste Gerichtshof vertrat damals die Ansicht, das angestrebte Besuchsrecht entspreche "derzeit" nicht dem Wohl der Kinder, weil nach einem eigenmächtigen Vorgehen der Großmutter zu Ostern 1987 - als sie die Kinder ohne Erlaubnis von ihrem Pflegeplatz zu einem 10tägigen Besuch abgeholt habe - die Beziehungen der Kinder zu ihren Pflegeeltern durch Wochen hindurch in einem Ausmaß gestört gewesen seien, das den Verbleib der Mädchen bei ihrer Pflegefamilie gefährdet habe.
Die beiden Kinder befinden sich seit 1.4.1987 ständig bei den Pflegeeltern Peter und Gudrun B*** in Königsstetten, Niederösterreich. Sie haben sich dort gut eingelebt, es gibt keinerlei Probleme (ON 157, 164, 175 und 178).
Dies führte zu einer gewissen Beruhigung der Situation. So wurde einer Tante der Kinder (einer Schwester ihrer Mutter), Franziska E***, wohnhaft in Kuchl, ein Besuchsrecht für die Zeit vom 18. bis 24.7.1988 derart eingeräumt, daß den Minderjährigen gestattet wurde, nach Kuchl zu fahren, wobei Franziska E*** die Kinder von ihrem Pflegeplatz abholte und auch wieder dorthin zurückbrachte (ON 125).
Auch einer anderen Tante der Kinder (einer weiteren Schwester ihrer Mutter), Pauline D***, wohnhaft in Peuerbach, Oberösterreich (auch Mutter und Großmutter wohnen in Peuerbach, jedoch unter verschiedenen Anschriften), wurde ein Besuchsrecht, und zwar für die Zeit vom 2.1.1989 bis 4.1.1989 - auszuüben in der selben Art wie jenes der Franziska E*** - eingeräumt, wobei im Spruch dieses Beschlusses hervorgehoben wurde, das Besuchsrecht diene "insbesondere auch dazu, Kontakt zwischen den Kindern und der Kindesmutter bzw. der mütterlichen Großmutter herzustellen" (ON 133). Beide Besuche und auch die Kontakte der Kinder zu ihrer mütterlichen Großmutter verliefen positiv. Ein Kontakt der Kinder mit ihrer Mutter scheiterte allerdings am ablehnenden Verhalten der Mutter (ON 142).
Auf Grund der gewonnenen Erfahrungen wurde für die Sommerferien 1989 Pauline D*** ein Besuchsrecht für die Zeit vom 10.7. bis 12.7., Franziska E*** ein solches für die Zeit vom 12.7. bis 19.7.1989 eingeräumt, das jeweils so wie die vorangegangenen auszuüben war und auch ausgeübt wurde. Pauline D*** wurde ein Besuchsrecht überdies für die Zeit vom 2.1. bis 4.1.1990 zugestanden (ON 146). Ein Antrag der Kindesmutter, ihr ein Besuchsrecht zu den Kindern in den Sommerferien 1989 einzuräumen, wurde dagegen abgewiesen, weil weiterhin Bedenken einer negativen Einflußnahme auf die Kinder bestünden. Ein Besuchsrecht würde nicht nur nicht zum Wohle der Minderjährigen, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wegen damit verbundener psychischer Belastungen zu ihrem Nachteil sein (ON 151).
Pauline D*** und einem Onkel der Kinder, Josef
H*** (einem Bruder ihrer Mutter), der gleichfalls in Peuerbach wohnt, wurde (auch) für die Zeit vom 18.7. bis 1.8.1990 sowie vom 27.12. bis 31.12.1990 ein Besuchsrecht dergestalt eingeräumt, daß sie die Kinder bei ihren Pflegeeltern abzuholen und auch dorthin wieder zurückzubringen haben. Die bisherigen Besuche hätten gezeigt, daß die Mädchen einen Aufenthalt in Peuerbach (gut) verkraften (ON 180).
Einen (neuerlichen) Antrag der mütterlichen Großmutter, ihr "in den großen Sommerferien vier Wochen" und "zu den Weihnachtsferien eine volle Woche" ein Besuchsrecht zu den Kindern einzuräumen, wies das Erstgericht - das bereits einen Antrag der Großmutter auf Einräumung eines Besuchsrechtes für die Zeit vom 10.4. bis 16.4.1990 abgelehnt hatte (ON 182) - ab. Die Kinder hätten stark belastete Beziehungen zur Mutter und zur mütterlichen Großmutter. Sie befänden sich in einem Loyalitätskonflikt, und zwar Sandra zur Mutter und Corinna zur Großmutter. Ein weitergehendes Besuchsrecht, als es Pauline D*** und Josef H*** bereits eingeräumt worden sei und das auch für die mütterliche Großmutter wirke, könne nicht zugestanden werden. Dem Begehren der mütterlichen Großmutter könne auch aus "terminlichen" Gründen nicht nachgekommen werden, weil die Mädchen für die Ferien bereits andere Pläne hätten (ON 191). Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist. Das Besuchsrecht der Großeltern sei schwächer als jenes der Eltern. Es dürfe weder die Ehe der Eltern noch deren Familienleben oder deren Beziehungen zu den Kindern stören. Demnach dürfe es daher auch nicht die Beziehungen der Pflegeeltern zu den Kindern stören. Nun dauerten die Sommerferien neun Wochen; hievon verbrächten die Kinder zwei Wochen mit der Pro-Juventute und zwei Wochen in Peuerbach und flögen sodann mit ihren Pflegeeltern nach Ibiza. Sie seien damit fünf bis sechs Wochen außerhalb der gewohnten Umgebung. Ein weiterer, wochenlanger Aufenthalt bei der Großmutter hätte zur Folge, daß die Kinder praktisch die ganzen Ferien unterwegs wären. Dies würde zu einer empfindlichen Störung ihrer Beziehungen zu den Pflegeeltern führen und wäre daher nicht im Interesse des Wohls der Kinder gelegen, zumal die Sommerferien insbesondere der Erholung der Kinder dienen sollten. Aus diesen Gründen könne nicht (auch) noch der Großmutter ein Besuchsrecht eingeräumt werden. Bei einigem guten Willen aller Beteiligter müsse es möglich sein, daß die mütterliche Großmutter in der Zeit, in welcher sich die Kinder in Peuerbach aufhielten, Kontakt mit den Kindern aufnehmen könne. Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 AußStrG für die Zulässigkeit eines Rekurses lägen nicht vor; der Entscheidung komme auch keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der mütterlichen Großmutter ist zulässig und berechtigt.
Nach § 148 Abs. 2 ABGB haben Großeltern das Recht, mit dem Kind persönlich zu verkehren, soweit dadurch nicht die Ehe oder das Familienleben der Eltern (eines Elternteils) oder deren Beziehungen zu dem Kind gestört werden. Das Besuchsrecht darf auch nicht die Beziehungen der Pflegeeltern zu dem Kind derart beeinträchtigen, daß hiedurch diese Beziehungen in einem unerträglichen Ausmaß gestört würden, etwa durch negative Beeinflussung (vgl. 7 Ob 713/87 und Pichler in Rummel, ABGB2, Rz 4 zu § 148). Das Besuchsrecht der Großeltern ist schwächer als das der Eltern, das Kindeswohl hat hier eindeutig Vorrang (EvBl. 1979/32). Ein Besuchsrecht steht nur leiblichen Eltern und Großeltern zu. Eine Erweiterung des Kreises der zum persönlichen Verkehr mit einem Minderjährigen berechtigten Personen durch Einbeziehung weiterer Personen lag offensichtlich nicht in der Absicht des Gesetzgebers (EFSlg. 44.668, EFSlg. 48.351). Im Schriftttum und nach der Rechtsprechung wird allerdings die Ansicht vertreten, ein Besuchsrecht könne in Ausnahmefällen auch einer sonst dem Kinde nahestehenden Person gewährt werden (EFSlg. 44.668), wenn dies im Interesse des Kindes liegt und die Eltern-Kind-Beziehung bzw. Ehe- und Familienleben der Eltern dadurch nicht gestört wird (EFSlg. 53.956).
Wurde deshalb von den Vorinstanzen - da doch nicht nur ein Besuchsrecht der Mutter der Kinder, sondern auch, zumindest kurz nach der Unterbringung der Kinder bei Pflegeeltern im Jahr 1987, der mütterlichen Großmutter als nicht dem Wohl der Kinder entsprechend abgelehnt wurde - ab dem Sommer des Jahres 1988 in vorsichtiger Weise ein Besuchsrecht von Geschwistern der Mutter aufgebaut, war dies in jeder Hinsicht gerechtfertigt und überdies so weit erfolgreich, daß in jenem Beschluß, mit welchem Pauline D*** ein Besuchsrecht für die Zeit vom 2.1. bis 4.1.1989 eingeräumt wurde, ausdrücklich (spruchmäßig) ausgesprochen wurde, daß der Besuch "insbesondere auch dazu dient, Kontakt zwischen den Kindern und ....... der mütterlichen Großmutter herzustellen". Auch diese Kontaktaufnahme verlief durchaus zufriedenstellend (ON 142) und belastete die Beziehungen der Kinder zu ihren Pflegeeltern kaum (vgl. ON 143).
Da diese Kontakte in der Folgezeit ohne negative Auswirkungen fortgesetzt wurden (vgl. den Bericht ON 175, wonach die Mädchen im Jänner 1990 auch einen Kontakt mit ihrer Mutter sehr gut verkraftet haben), kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß durch die Einräumung eines Besuchsrechtes an die mütterliche Großmutter die Beziehungen der Kinder zu ihren Pflegeeltern in der oben näher festgehaltenen Weise gestört würden.
Diese Ansicht wird im angefochtenen Beschluß aber auch gar nicht vertreten. Das Rekursgericht meint vielmehr, es liege nicht im Interesse der Kinder, den gesamten Urlaub außer Haus zu verbringen, was aber mit Rücksicht auf die weiteren Ferienpläne der Kinder der Fall wäre.
Bei dieser Sachlage darf jedoch nicht übersehen werden, daß im § 148 ABGB außer den Eltern lediglich den Großeltern ein Besuchsrecht zugestanden wird, nicht auch anderen Verwandten des Kindes. Mag ein Besuchsrecht anderer Verwandter des Kindes daher zwar gerechtfertigt und insbesondere dann im Interesse der Kinder gelegen sein, wenn ein Besuchsrecht der Eltern und Großeltern nicht ihrem Wohl entspräche, ist es doch verfehlt, das von einem Großelternteil begehrte Besuchsrecht mit der Begründung abzulehnen, es sei einer Tante der Kinder ohnedies bereits ein zweiwöchiges Besuchsrecht eingeräumt worden, und im Rahmen dieses Besuchsrechtes könnten die Kinder "bei einigem gutem Willen aller beteiligten Personen" auch ihre Großmutter besuchen. Das Besuchsrecht der Großeltern geht nämlich jenem weiter entfernter Verwandter, sofern es nicht dem Wohl der Kinder widerspricht, jedenfalls vor. Da bisher keine entsprechenden Erfahrungen bestehen, kommt allerdings die Einräumung eines Besuchsrechtes in dem von der mütterlichen Großmutter begehrten Ausmaß zweifellos nicht in Betracht. Gegen einen Besuch der Mädchen bei ihrer Großmutter während der Sommerferien oder sonstiger Schulferien in der Dauer einiger Tage, längstens einer Woche, können nach der Aktenlage aber keine Bedenken gefunden werden.
Wann ein derartiger Besuch mit Rücksicht auf die weiteren Urlaubspläne der Kinder stattfinden kann, wird vom Erstgericht zu erheben sein, das auch zu regeln haben wird, in welcher Form dieses Besuchsrecht ausgeübt werden kann (Abholen und Zurückbringen der Kinder).
Es war deshalb dem Revisionsrekurs Folge zu geben und die Sache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
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