OGH 8Ob612/90

OGH8Ob612/9028.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes

Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Graf und Dr. Jelinek als Richter in der Rechtsache der klagenden Partei Klaus M*** Gesellschaft mbH, Halbgasse 3-5, 1070 Wien, vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** B*** Handelsgesellschaft mbH,

Laxenburgerstraße 1-3, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Guido Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert: S 95.750,--) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Dezember 1989, GZ 3 R 198/89-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 22. Mai 1989, GZ 25 Cg 102/89-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden abgeändert und das Klagebegehren, "es wird zwischen den Streitteilen festgestellt, daß die beklagte Partei der klagenden Partei für jeden Schaden, der daraus entsteht, daß die Bezirksjournale Zeitungs-, Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH im Verfahren 35 Cg 609/87 des Handelsgerichtes Wien obsiegt, nämlich Kapital, Zinsen und Kosten auf seiten der klagenden sowie der beklagten Partei haftet und diesbezüglich die klagende Partei vollkommen schad- und klaglos zu halten hat", abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.487,-- bestimmten Kosten des Verfahrens (einschließlich der Barauslagen von S 9.000,-- und der Umsatzsteuer von S 1.414,50) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für jeden Schaden, der daraus entstehe, daß die Bezirksjournale Zeitungs-, Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH im Verfahren 35 Cg 609/87 des Handelsgerichtes Wien obsiege. Sie habe im Namen und für Rechnung der beklagten Partei bei der Bezirksjournale Zeitungs-, Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH eine Annonce bestellt. Dieser Auftrag sei nicht ordnungsgemäß abgewickelt worden. In der Folge sei die klagende Partei von der Bezirksjournale Zeitungs-, Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH zu 35 Cg 609/87 des Handelsgerichts Wien auf Bezahlung der diesen Auftrag betreffenden Faktura geklagt worden. Die klagende Partei habe mangelnde Passivlegitimation eingewendet, weil sie als direkte Stellvertreterin der beklagten Partei aufgetreten sei. Die beklagte Partei habe die klagende Partei hinsichtlich des Prozeßausganges schad- und klaglos zu halten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Versäumungsurteil statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 60.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und ließ die Revision nicht zu, weil es der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt sei:

Bei der Prüfung der Zulässigkeit materiell-rechtlicher Feststellungsklagen sei nicht am starren Wortlaut des Begehrens festzuhalten, sondern vielmehr festzustellen, welchen Ausspruch des Gerichtes der Kläger im Zusammenhalt mit dem Sachvorbringen seinem Sinngehalt nach begehrt. Auch bedingte Rechte oder Rechtsverhältnisse könnten dann festgestellt werden, wenn der ganze rechtserzeugende Sachverhalt vorliegt, die Bedingung festgesetzt und beides erweislich ist und nur mehr der Eintritt der Bedingung offen steht. Die Rechtsprechung lasse Feststellungsklagen dann zu, wenn das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien Klarheit zu schaffen und einen künftigen Leistungsprozeß abzuschneiden. Die klagende Partei habe vorgebracht, von der Bezirksjournale Zeitungs-, Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH auf Bezahlung einer Annonce in Anspruch genommen worden zu sein, obwohl sie als direkte Stellvertreterin der beklagten Partei nicht passiv legitimiert sei. Sollte sich diese Behauptung im Verfahren 35 Cg 609/87 als richtig erweisen, wäre in diesem Fall die Klage gegen die hier klagende Partei abzuweisen, weil ein direkter Anspruch gegen die hier beklagte Partei besteht. Die klagende Partei habe daher ihr Feststellungsbegehren zu Recht nur unter der (zulässigen) Bedingung erhoben, daß sie im Verfahren 35 Cg 609/87 des Handelsgerichtes Wien unterliegt und zur Zahlung verurteilt wird. In diesem Fall stünden ihr gegen die beklagte Partei ihre Aufwendungen als Geschäftsbesorger zu. Nur diesen mit dem Entstehen der Verbindlichkeiten fällig gewordenen Aufwandsersatzanspruch mache aber die klagende Partei nach dem Inhalt ihres Vorbringens geltend. Das Klagevorbringen könne daher sinnvollerweise nur dahin ausgelegt werden, daß die klagende Partei den Ersatz ihrer Aufwendungen, nicht aber einen allfälligen Schadenersatz begehrt. Die Verwendung dieses Ausdruckes im Klagebegehren schade nicht. Ein Leistungsbegehren könne noch nicht erhoben werden, weil nicht feststeht, ob die klagende Partei überhaupt im eigenen oder im fremden Namen aufgetreten ist und ihr daher ein Anspruch gegen die beklagte Partei zusteht. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei. Geltend gemacht wird der Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, die Urteile der Vorinstanzen abzuändern und das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt in der Revisionsbeantwortung, deren Erstattung ihr anheimgestellt worden war, der außerordentlichen Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig und berechtigt. Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage nach § 228 ZPO beruht auf den Grundstäzen des Rechtsschutzbedürfnisses und der Prozeßökonomie. Ihre daraus resultierende Aufgabe besteht darin, die Rechtslage zwischen den Parteien klarzustellen, vorbeugenden Rechtsschutz zu gewähren, Rechtsverletzungen zu vermeiden und die Basis für die weiteren Rechtsbeziehungen der Streitteile zu bilden (Fasching, Kommentar III, 48; SZ 60/140; 8 Ob 522/80 ua). Aus dem Erfordernis des rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung ergibt sich, daß eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre der klagenden Partei vorausgesetzt wird (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1072; SZ 60/140; 8 Ob 603/89 uza). Auch bedingte Rechte oder Rechtsverhältnisse können festgestellt werden (vgl. Stohanzl, ZPO5 Anm. zu § 228), dies allerdings nur, wenn der gesamte übrige rechtserzeugende Sachverhalt feststeht und nur die bereits genau und bestimmt festgesetzte Bedingung noch nicht eingetreten ist (5 Ob 641/88 ua). Nur die konkrete Möglichkeit des Eintrittes von Schäden oder von Leistungsverpflichtungen aus anderen Rechtsgründen ist eine ausreichende Interessengrundlage (7 Ob 786/79; 8 Ob 230/79; 8 Ob 522/80 ua); die bloße theoretische Möglichkeit eines abstrakt-hypothetischen Schadenseintrittes (vgl. ZVR 1962/257; 8 Ob 522/80 ua) oder der Entstehung allfälliger sonstiger Ansprüche reicht zur Begründung des Feststellungsinteresses nach § 228 ZPO nicht aus.

Die klagende Partei steht auf dem Standpunkt, in dem von der Bezirksjournal Zeitungs-, Verlags- und Vertriebsgesellschaft mbH gegen sie angestrebten Verfahren passiv nicht legitimiert zu sein, weil sie den zur Klage führenden Auftrag als direkte Stellvertreterin der beklagten Partei erteilt habe; um aber auf jeden Fall "schad- und klaglos" zu bleiben, begehrt sie für den - hypothetischen - Fall, daß das Gericht ihrem Standpunkt nicht Rechnung tragen sollte, die Feststellung, daß ihr diesfalls die

beklagte Partei "für jeden Schaden ... nämlich Kapital, Zinsen und Kosten ... haftet ... und sie schad- und klaglos zu halten" habe.

Damit stellt sie in Wirklichkeit ein Klagebegehren, dessen Beurteilung derzeit bloß theoretischen Charakter hat und dessen Behandlung lediglich auf eine antizipierende Wertung eines theoretisch möglichen anderen Beweisergebnisses hinausläuft, als auf Grund ihres eigenen Standpunktes über den wirklichen Sachverhalt zu erwarten wäre. Dies widerspricht eindeutig den eingangs dargestellten Grundsätzen des Rechtsschutzbedürfnisses und der Prozeßökonomie, wie sie in den weiters angeführten Literatur- und Judikaturzitaten ihren sinnfälligen Ausdruck finden. Die dargelegten Erwägungen haben zur Folge, daß die diese Rechtslage verkennenden Urteile der Vorinstanzen abgeändert werden mußten und das zur Fällung eines Versäumungsurteiles nicht geeignete Klagebegehren abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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