OGH 6Ob576/90

OGH6Ob576/9028.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Anton W***, Rechtsanwalt, Sebastian Hörl-Straße 7, 5700 Zell am See, wider die beklagte Partei Josef W***, Gastwirt, Alpengasthof G***, 5733 Bramberg, vertreten durch Dr. Michael Kinberger, Rechtsanwalt in Zell am See, wegen S 134.991,56 sA (Revisionsinteresse S 51.825,23 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 5. März 1990, GZ 2 R 24/90-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 27. Oktober 1989, GZ 12 Cg 193/88-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache gemäß § 510 Abs 1 ZPO zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte zuletzt S 146.144,46 sA an Anwaltshonorar mit dem Vorbringen, er habe den Beklagten in verschiedenen Rechtssachen vertreten, darunter auch bei Verkäufen von Grundstücken aus der Liegenschaft des Beklagten EZ 21 KG Mühlberg, welche in einem sogenannten Zweitwohnaufschließungsgebiet der Gemeinde Bramberg liege. Die Verkäufe seien auf Grund der Erklärung der Gemeinde Bramberg, daß einer Bebauung der Grundstücke nichts im Wege stehe, erfolgt. Im nachhinein sei es zu einer Bürgerinitiative gekommen, die versucht habe, die Bebauung zu verhindern. Dies habe die Gemeinde bewogen, ihre ursprüngliche Zusage nicht einzuhalten und dem Ansuchen um Umwidmung von Bauerwartungsland in Bauland entgegenzutreten. Es habe sogar die Rückwidmung in Grünland gedroht. Der Beklagte habe daraufhin den Kläger beauftragt, ihn in diesem Verfahren zu vertreten und auch mit den Käufern der einzelnen Grundstücke, die bereits mit Vertragsrücktritten gedroht hätten, Kontakt aufzunehmen, um sie zur Beteiligung am Verfahren zu bewegen. Der Wert der betroffenen Liegenschaften liege bei etwa 4,5 Millionen Schilling, unter Zugrundelegung einer entgegenkommend angenommenen Bemessungsgrundlage von S 2,500.000,- ergebe sich der Klagsbetrag für die vom Kläger erbrachten Leistungen.

Der Beklagte bestritt die Bemessungsgrundlage ebenso wie den Umfang und teilweise auch die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der einzelnen verzeichneten Leistungen des Klägers. Unter Berücksichtigung des Verkehrswertes der noch dem Beklagten gehörigen Grundstücke des Zweitwohnaufschließungsgebietes ergebe sich eine Bemessungsgrundlage von maximal S 300.000,-, für die notwendigen vom Beklagten anerkannten Leistungen des Klägers sei ein Honorar von S 11.152,90 angemessen. Über diesen Betrag erfloß ein Teilanerkenntnisurteil.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, S 86.624,50 sA zu bezahlen und wies das Mehrbegehren von S 48.367,06 sA ab. Es ging im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:

Der Beklagte ist Eigentümer der EZ 21 KG Mühlberg, welche im Gemeindegebiet von Bramberg am Wildkogel in eine mit Beschluß des Gemeinderates vom 6. 2. 1976 als Zweitwohnaufschließungsgebiet gewidmeten Region liegt. Durch die Liegenschaft führt der Güterweg Entscharrn, der von der im Jahre 1966 gebildeten Güterweggenossenschaft Entscharrn errichtet und erhalten wird. Nach der Satzung der Weggenossenschaft sind die jeweiligen Eigentümer der darin aufgezählten Liegenschaften, darunter auch der EZ 21 KG Mühlberg, Mitglieder der Weggenossenschaft. In der Satzung ist auch festgehalten, daß der Erwerber einer solchen Liegenschaft anstelle des bisherigen Eigentümers Mitglied der Genossenschaft wird. Für eine etwaige Aufschließung waren vor allem die Frage der Abwasserentsorgung sowie die Benützung des Güterweges von wesentlicher Bedeutung. Im Vertrauen darauf, daß diese Punkte einer Lösung zugeführt, also die Freigabe des Aufschließungsgebietes zur Bebauung erreicht werden könne, verkaufte der Beklagte im Jahre 1986 mindestens 15 Grundstücke der EZ 21 KG Mühlberg, in erster Linie an deutsche Staatsbürger, welche beabsichtigten, auf den Grundstücken Zweitwohnhäuser zu bauen. Alle Kaufverträge wurden im Vertrauen darauf geschlossen, in absehbarer Zeit Wohnhäuser bauen zu können. Der Beklagte als Verkäufer vereinbarte mit einigen der Käufer, daß diese die Auflösung des Kaufvertrages erklären könnten, wenn nicht innerhalb von zwei Jahren die Umwidmung in ein Zweitwohnsitzgebiet und damit eine Bebauung erreicht werde. Insgesamt erreichten die Kaufpreise für die vom Beklagten verkauften Grundstücke den Betrag von knapp 4,5 Millionen Schilling. Der Beklagte erwartete keine Schwierigkeiten bezüglich der Freigabe, zumal die Gemeinde Bramberg selbst ein Projekt für die Abwasserversorgung für diesen Ortsteil erstellte.

Im November 1986 entstand in der Gemeinde Bramberg eine Bürgerinitiative gegen die Verbauung des gegenständlichen Gebietes. Dies hatte zur Folge, daß innerhalb der Gemeindevertretung sogar überlegt wurde, das Aufschließungsgebiet in Grünland rückzuwidmen. Dieser Punkt wurde auf die Tagungsordnung der Gemeinderatssitzung für den 25. 4. 1987 gesetzt, in welcher darüber ein Beschluß gefaßt werden sollte.

Der Beklagte, der seine Grundstücke mit der Zusicherung der baldigen Bebauungsmöglichkeit verkauft hatte, wollte zum einen die Rückwidmung in Grünland verhindern, zum anderen die Freigabe des Aufschließungsgebietes zur Bebauung erreichen. Zu diesem Zweck suchte er am 24. 3. 1987 den Kläger mit dem Ersuchen auf, ihn in diesem Behördenverfahren zu vertreten und unterfertigte eine schriftliche Vollmacht. Es war vereinbart, daß der Kläger vor Einleitung rechtlicher Schritte ein persönliches Gespräch mit dem Bürgermeister führen und überprüfen sollte, ob die Aufnahme der Grundstückskäufer in die Weggenossenschaft erzwungen werden könne. Nach dem Wunsch des Beklagten sollten auch die Käufer der Liegenschaften in die Verhandlungen eingebunden werden, einerseits um mehr Gewicht gegenüber der Gemeinde zu erhalten, andererseits im Hinblick auf die Verfahrenskosten. Der Kläger entfaltete in der Folge (vom Erstgericht hinsichtlich Art und Dauer im einzelnen festgestellt) eine Reihe von Tätigkeiten für den Beklagten, Gespräche mit dem Bürgermeister, dem zuständigen Referenten für Raumordnungsfragen in der Landesregierung, Teilnahme an Gemeinderatssitzungen, Schriftsätze, Anträge und Stellungnahmen an die Gemeinde und die Weggenossenschaft, Briefe, Konferenzen und Telefonate. Da der Beklagte dem Kläger keinen Kostenvorschuß leistete, beendete dieser seine Tätigkeit mit der Absendung seiner Kostennote am 12. 4. 1988.

Für die Abwasserregelung liegt ein rechtskräftiger Bescheid vor, die Finanzierung ist jedoch noch ungewiß, das Problem des Zufahrtsweges zu den einzelnen Grundstücken ist noch immer ungeklärt. Inzwischen haben einige Käufer mangels Bebaubarkeit von ihrem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht, bei einigen kam es "zu gar keiner Zahlung des Kaufpreises". Allein die nicht bezahlten Kaufpreise machen insgesamt S 2,275.445,- aus. Daneben drohen noch weitere Rücktritte, falls die Bebaubarkeit nicht in absehbarer Zeit erreicht wird.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Kläger sei entsprechend § 5 Z 4 lit c - Großprojekte in Bausachen - der auch ohne besondere Vereinbarung anwendbaren Autonomen Honorar-Richtlinien des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages zur Zahlung eines angemessenen Honorares auf der Bemessungsgrundlage von S 2,5 Millionen verpflichtet. Das Interesse des Beklagten sei nicht nur mit jenen Grundstücken anzusetzen, die noch in seinem Eigentum stünden, weil Vertragsrücktritte der Käufer bereits erfolgt seien und weitere drohten, eine Bemessungsgrundlage von S 2,5 Millionen sei durchaus angemessen. Wenn auch einzelne verzeichnete Leistungen nicht anerkannt werden könnten, sei die Tätigkeit des Klägers im übrigen durchaus sinnvoll und zielführend im Interesse des Beklagten gewesen, wenn sich auch mit Rücksicht auf die komplizierte Situation die Lage für den "Kläger" (richtig: Beklagten) auch nach zwei Jahren nach der Beendigung der Tätigkeit des Klägers kaum verändert darstelle.

Für die einzelnen zu honorierenden Leistungen habe der Beklagte unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von S 2,5 Millionen abzüglich des mit Teilanerkenntnisurteil bereits zugesprochenen Betrages, insgesamt S 86.624,50 zu ersetzen.

Der Kläger ließ die Abweisung seines Mehrbegehrens unbekämpft, der Beklagte wandte sich in seiner Berufung nicht nur gegen die Annahme einer Bemessungsgrundlage von S 2,5 Millionen, sondern auch gegen einzelne, vom Erstgericht als berechtigt angesehene Leistungen des Klägers.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und erkannte diesen schuldig, dem Kläger S 25.102,30 sA zu bezahlen und wies das Mehrbegehren ab. Es führte rechtlich aus, eine ausdrückliche Honorarvereinbarung zwischen den Parteien bestehe nicht. Der Kläger habe daher Anspruch auf angemessene Entlohnung. Bei der Beurteilung der Angemessenheit des Honorares sei von den Autonomen Honorar-Richtlinien des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages auszugehen, welche als kodifiziertes Sachverständigengutachten für jene anwaltlichen Leistungen anzusehen seien, die im Rechtsanwaltstarif nicht geregelt seien. Die vom Kläger entfaltete Tätigkeit sei vorwiegend im Bereich des Raumordnungsrechtes, welches auf eine planmäßige Gestaltung und Nutzung des Raumes - raumplanende Maßnahmen unter Berücksichtigung verschiedenster Gesichtspunkte - abziele, gelegen. Es bestehe zwar eine besonders enge Bindung zum Baurecht, dessen Kernbereich bildeten aber die Regelungen, die die Sicherheit und einwandfreie Beschaffenheit von Bauwerken in technischer, sanitärer und hygienischer Hinsicht gewährleisten sollten.

Die Tätigkeit des Klägers im Rahmen des Raumordnungsrechtes, um eine möglichst rasche Bebauungsmöglichkeit herbeizuführen, müsse als Verwaltungssache mit weittragender Bedeutung eingestuft werden, für welche nach dem damals in Geltung gestandenen § 5 Z 33 AHR 1976 eine Bemessungsgrundlage von mindestens S 200.000,- vorgesehen gewesen sei. Berücksichtige man, daß die Tätigkeit des Klägers darüber hinaus noch die Auseinandersetzung mit der Güterweggenossenschaft umfaßt habe, erscheine eine Bemessungsgrundlage von S 300.000,-, welche auch der Beklagte seinem Teilanerkenntnis zugrundegelegt habe, im vorliegenden Fall als angemessen.

Nach Auflistung der nach Ansicht des Berufungsgerichtes zu honorierenden Einzelleistungen des Klägers ergebe sich ein Gesamthonorar von S 36.255,20, abzüglich des mit Teilanerkenntnisurteil zuerkannten Betrages daher ein Betrag von S 25.102,30.

Da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage, welche Bemessungsgrundlage dem Honoraranspruch des Klägers für Leistungen der beschriebenen Art zugrundezulegen sei, nicht vorliege und dieser Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme, sei die ordentliche Revision zuzulassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, sie ist auch berechtigt. Daß mangels besonderer Vereinbarung einem Rechtsanwalt eine angemessene Entlohnung zusteht und zur Beurteilung der Angemessenheit die vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag beschlossenen Autonomen Honorar-Richtlinien heranzuziehen sind, ist unbestritten. Diesen Richtlinien, insbesondere deren Auslegung und Anwendung der dort angeführten Bemessungsgrundlagen für bestimmte Leistungen eines Rechtsanwaltes kommt, auch wenn im konkreten Honorarprozeß immer die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

§ 5 AHR enthält folgenden Einleitungssatz: "Als Bemessungsgrundlage für Honoraransätze sind, soweit sich nicht auf Grund des Interesses des Auftraggebers oder aus der Sache selbst ein anderer Wert ergibt, nachstehende Beträge, wenigstens jedoch die angegebenen Mindestbeträge angemessen". Danach folgt die Anführung ganz bestimmter Zivil- und Verwaltungssachen und die Zuordnung von Bemessungsgrundlagen hiefür.

Aus diesem Wortlaut ergibt sich klar, daß die im einzelnen angeführten Bemessungsgrundlagen als Mindestbeträge nur dann herangezogen werden sollen, wenn sich nicht schon - also primär - auf Grund des Interesses des Auftraggebers oder aus der Sache selbst ein bestimmter Wert als Bemessungsgrundlage ergibt. Erstes Beurteilungskriterium zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage ist daher immer das Interesse des Auftraggebers. Nur wenn dieses nicht eindeutig in Geld beziffert werden kann, sind sekundär die für einzelne Angelegenheiten angeführten Mindestbemessungsgrundlagen als Hilfsmittel heranzuziehen. Im vorliegenden Fall muß daher gar nicht darauf eingegangen werden, ob die Leistungen des Klägers unter § 5 Z 4 (Bausachen) oder unter Z 33 der AHR in der Fassung vom 14. 3. 1986 (sonstige Verwaltungssachen) fallen, weil das Interesse des Beklagten, welches zur Auftragserteilung an den Kläger führte, auch ohne Zuhilfenahme dieser Subsidiärbestimmungen feststeht. Grundsätzlich ist das Interesse des Verkäufers am Verkauf einer Sache in Höhe des Kaufpreises anzunehmen. Der Beklagte, der keine Schwierigkeiten hinsichtlich der Bebauungsmöglichkeiten erwartete, hatte für die Grundstücksverkäufe nach den Feststellungen einen Gesamtverkaufspreis von insgesamt rund 4,5 Millionen Schilling vereinbart. Durch die geänderte Situation machten nicht nur einzelne Käufer, die ein Rücktrittsrecht ausdrücklich vereinbart hatten, hievon Gebrauch, sondern darüber hinaus zahlten eine ganze Reihe von Käufern, die im Vertrauen auf die Bebaubarkeit Grundstücke erworben hatten, den vereinbarten Kaufpreis von zusammen S 2,275.445,- nicht, weitere Rücktritte drohen. Ganz abgesehen davon, daß die dem Beklagten verbliebenen Grundstücke durch die drohende Umwidmung in Grünland, zumindest aber durch die Verzögerung der Umwidmung in Bauland eine Wertminderung erfuhren, welche, wie der Sachverständige ausführte, wohl die vom Kläger angewandte Bemessungsgrundlage übersteige, war dessen Interesse vor allem darauf gerichtet, die schon abgeschlossenen Kaufverträge aufrechtzuerhalten. Wenn daher das Erstgericht, dem eingeholten Sachverständigengutachten folgend, seiner Honorarberechnung eine Bemessungsgrundlage von S 2,5 Millionen zugrundelegte, erscheint dies durchaus angemessen. Für die vom Berufungsgericht angenommene Bemessungsgrundlage nach § 5 Z 33 lit c der AHR (in der Fassung vom 14. 3. 1986) bleibt daher kein Raum.

Der Oberste Gerichtshof war nur berufen, über die Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO zu entscheiden, während zur abschließenden Entscheidung über den strittigen Anspruch eine eingehende Berechnung der einzelnen Honoraransätze in der Kostennote des Klägers erforderlich ist, sodaß gemäß § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO mit einer Aufhebung des Berufungsurteiles vorzugehen war.

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