Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.706,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 617,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Sie haben am 21.1.1985 vor dem Standesamt Wien-Hietzing
die - beiderseits - zweite Ehe geschlossen, welche kinderlos blieb. Die Vorehen der Parteien wurden jeweils geschieden. Ehepakte sind nicht errichtet worden. Die Streitteile hatten ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz in Wien.
Die Klägerin begehrte mit der am 27.6.1988 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten. Sie brachte vor, der Beklagte habe bei ihr durch mangelnde eigene Hygiene, insbesondere nach der Sportausübung, allergische Ausschläge hervorgerufen. Er habe sich sowohl der Allergie der Klägerin als auch der ihr ärztlicherseits gebotenen Zurückhaltung von schweren Arbeiten gegenüber uneinsichtig gezeigt und sich geweigert, sich oder seine Kleidung nach der Sportausübung zu waschen. Seit längerer Zeit lese der Beklagte nicht nur Kontaktanzeigen in Zeitungen, sondern beantworte diese auch und treffe sich wohl mit anderen Frauen. Zuletzt habe der Beklagte auch für die Klägerin inseriert, damit sie sich mit fremden Männern treffe. Er gebe ihr nur unzureichendes Wirtschaftsgeld und habe nach Einbringung der Scheidungsklage jegliche Haushaltsgeldzahlungen eingestellt. Der Beklagte trat dem Ehescheidungsbegehren nicht entgegen, stellte jedoch den Antrag, das überwiegende Verschulden der Klägerin an der Zerrüttung der Ehe auszusprechen. Er brachte vor, seine allfälligen Eheverfehlungen seien durch solche der Klägerin hervorgerufen worden. Die Klägerin habe ihn ständig grundlos beschimpft und finanzielle Forderungen gestellt. Er habe die Kontaktinserate im März 1987 aus Ärger über die Beschimpfungen der Klägerin und als Trotzreaktion nur deshalb aufgegeben, um die Klägerin zu ärgern. Der Beklagte habe aber nie ernstlich beabsichtigt, damit für sich oder die Klägerin einen Partner zu finden.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Klägerin zog etwa ein halbes Jahr nach der Eheschließung in die Wohnung des Beklagten. Bald danach traten bei ihr Kopfschmerzen, Durchfall und Hautausschläge auf, weshalb sie sich in die Behandlung des praktischen Arztes Dr. Peter S*** begab, welcher eine Durchuntersuchung veranlaßte. Aufgrund der eingeholten Befunde waren die Krankheitserscheinungen der Klägerin durch eine auf eine Lebensmittelunverträglichkeit zurückzuführende Dickdarmreizung hervorgerufen. Die Klägerin selbst führte sie aber auf die mangelnde Hygiene des Beklagten zurück, dem sie insbesondere vorwarf, daß er sich zu selten dusche und seine Kleidungsstücke zu wenig reinige. Nach ihrer Kritik wurde auch die Wohnung zu wenig gelüftet. Nach der Arztdiagnose bestand aber tatsächlich kein erkennbarer Zusammenhang zwischen dem Krankheitsbild der Klägerin und der Körperpflege des Beklagten. Dieser begann jedenfalls aufgrund der Vorhaltungen seiner Frau, sich täglich am Abend zu duschen und er wusch sich auch öfter den Kopf. Die Klägerin setzte jedoch ihre Vorwürfe fort und es kam deshalb immer häufiger zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen den Ehegatten, aus deren Anlaß auch von beiden Seiten verletzende und herabsetzende Äußerungen fielen. Die Klägerin suchte wegen ihrer Allergie auch einen Therapeuten auf und strebte eine Familientherapie an, an der sich der Beklagte aber nicht beteiligte. Grund für weitere, ähnlich verlaufende Auseinandersetzungen war die Tatsache, daß die Klägerin häufig ihren Arbeitsplatz wechselte, weshalb ihr der Beklagte Arbeitsscheu vorwarf.
All dies führte in zunehmendem Maße zu einer Entfremdung der Parteien. Der Beklagte begann, um seine Frau zu ärgern, in ihrer Gegenwart Heirats- und Kontaktanzeigen in den Zeitungen zu lesen. Die Klägerin, die immer wieder die Sachen ihres Mannes durchsuchte, fand in seiner Aktentasche auch die Schreiben von Frauen, die über solche Kontaktinserate einen Partner gesucht hatten. Es war aber nicht feststellbar, ob der Beklagte tatsächlich versucht hat, mit diesen Frauen intime Kontakte aufzunehmen, oder ob er die Korrespondenz nur deshalb führte, um die Klägerin zu ärgern und zu verletzen. Im März 1987 gab er je ein Kontaktinserat für sich und für die Klägerin auf und übergab dieser dann die gesammelten Antwortschreiben. Dabei forderte er die Klägerin mit dem Hinweis darauf, wie viele Männer aufgrund der Kontaktanzeige mit ihr in Verbindung treten wollten, auf, sich scheiden zu lassen. Danach versöhnte sich das Ehepaar aber wieder und die Ehe verlief einige Zeit hindurch "einigermaßen harmonisch".
Im Sommer 1987 verbrachten die Streitteile einen gemeinsamen Urlaub am Faaker-See. Dort zog sich die Klägerin anläßlich eines Radausfluges bei einem Sturz einen Bruch der Nasenscheidewand zu, den der Beklagte aber kaum beachtete. Nach dem Urlaub begannen wieder die Auseinandersetzungen über die Hygiene des Beklagten. Die Klägerin begann damit, beim Beklagten "Reinigungskontrollen" durchzuführen. Sie fand unter seinen Sachen immer wieder Briefe, die im Zusammenhang mit Kontaktanzeigen geschrieben worden waren. Auch hier war nicht feststellbar, ob der Beklagte die Klägerin mit diesen Briefen nur provozieren oder kränken wollte oder ob er wirklich intime Kontakte zu anderen Frauen gesucht hat.
Zu Ostern 1988 fuhren die Parteien noch gemeinsam auf Schiurlaub, wobei es aber zu Auseinandersetzungen kam, weil die Klägerin mit der Urlaubsgestaltung nicht zufrieden war. Als sie unmittelbar nach dem Urlaub wieder eine "Reinigungskontrolle" des Beklagten durchführte, verwies sie dieser aus dem ehelichen Schlafzimmer. Seither schlafen die Parteien getrennt in verschiedenen Zimmern. Zu Pfingsten 1988 fuhr die Klägerin für einige Tage fort, ohne den Beklagten vorher von dieser Reise zu verständigen. Sie hinterließ nur eine schriftliche Nachricht und nahm 1.200 S aus der "Wirtschaftskasse". Der Beklagte war nun nicht mehr bereit, die Ehe mit der Klägerin fortzusetzen. Er strebte eine einvernehmliche Scheidung an, doch konnte eine Einigung nicht erzielt werden. Seither leben die Parteien praktisch nur nebeneinander und sprechen kaum mehr miteinander. Beide wollen die Scheidung und sind nicht mehr bereit, die Ehe fortzusetzen. Während der aufrechten Ehe wurde der Haushalt (Wohnungsreinigung, Wäschewaschen, Kochen etc) im wesentlichen von der Klägerin geführt. Der Beklagte trug die Wohnungskosten und stellte der Klägerin Wirtschaftsgeld zur Verfügung. Die Regelung der finanziellen Angelegenheiten entsprach im wesentlichen dem Einkommen und den Lebensverhältnissen der Parteien. Nur nach Einbringung der Scheidungsklage stellte der Beklagte der Klägerin für kurze Zeit zu wenig Wirtschaftsgeld zur Verfügung.
Das Erstgericht war der Ansicht, daß beide Parteien schwere Eheverfehlungen begangen hätten. Mit ihren unbegründeten Vorwürfen wegen der mangelnden Hygiene des Beklagten habe die Klägerin eine wesentliche Ursache für die entstandene Entfremdung gesetzt. Ihr sei auch die Pfingstreise 1988 als Eheverfehlung vorzuwerfen, wenngleich zu diesem Zeitpunkt die Ehe schon weitgehend zerrüttet gewesen sei. Der Beklagte habe durch seine Kontaktinserate und die diesbezügliche Korrespondenz äußerst schwere Eheverfehlungen begangen. Der Abbruch der ehelichen Beziehungen nach dem Osterurlaub 1988 sei von ihm ausgegangen. Weil die vermeintlichen Hygieneprobleme offenbar zu einem guten Teil psychisch bedingt gewesen sein dürften, hätte der Beklagte der Klägerin entgegenkommen und bei der angestrebten Familientherapie mitwirken müssen. Sein lange Zeit hindurch fortgesetztes Verhalten in bezug auf die Kontaktinserate sei jedenfalls nicht durch die Auseinandersetzungen wegen der Hygiene-Vorwürfe der Klägerin gerechtfertigt. Aus der Gegenüberstellung dieser Eheverfehlungen ergebe sich das überwiegende Verschulden des Beklagten an der Ehezerrüttung. Der Scheidungsausspruch erwuchs in Rechtskraft.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Verschuldensausspruch dahin ab, daß das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe beide Parteien gleichteilig treffe. Es führte aus, nur die Feststellungen zu den als Scheidungsgrund geltend gemachten Eheverfehlungen seien beachtlich, nicht aber die überschießenden Feststellungen, die das Erstgericht darüber hinaus noch aufgrund der Parteiaussagen getroffen habe. Danach könne aber nicht gesagt werden, daß das Verschulden des Beklagten gegenüber jenem der Klägerin offenkundig hervortrete. Das gelte selbst bei Einbeziehung der überschießenden Feststellungen, weil diesen Eheverfehlungen kein besonderes Gewicht zukomme und subtile Abwägungen nicht vorzunehmen seien.
Gegen das Berufungsurteil richtet sich die Revision der Klägerin aus den Anfechtungsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteiles im Verschuldensausspruch.
Der Beklagte stellt in seiner Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch die gemäß § 60 Abs 3, letzter Satz, EheG vorzunehmende Verschuldensabwägung im Sinne des Abs 2 dieser Gesetzesstelle. Die Klägerin vertritt hiezu zusammenfassend die Ansicht, daß die Eheverfehlungen des Beklagten sowohl nach ihrer Schwere als auch ihrem Umfang nach die weitaus überwiegende Ursache für die Ehezerrüttung gewesen seien. Demgegenüber trete ihr eigenes Verhalten in den Hintergrund, weil es auf psychische Probeleme zurückzuführen sei. Dem ist jedoch folgendes entgegenzuhalten:
Bei der Verschuldensabwägung im Sinne des § 60 Abs 2 EheG kommt es nicht auf eine Gegenüberstellung der einzelnen von den Ehegatten begangenen Verfehlungen an, sondern auf ihr Gesamtverhalten in seinem Zusammenhang (EFSlg 43.684, 46.231, 51.642, 57.211 ua). Das überwiegende Verschulden eines Teiles ist nur auszusprechen, wenn sein Verschulden erheblich schwerer wiegt als das des anderen. Der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile muß augenscheinlich hervortreten (EFSlg 43.691, 46.243, 51.660, 57.230 ua), sodaß es subtiler Abwägungen nicht bedarf (Schwind, Eherecht2, 251; EFSlg 51.662, 57.232 ua). Vor allem ist darauf Bedacht zu nehmen, welcher Ehegatte die Zerrüttung der Ehe schuldhaft eingeleitet hat und wie weit spätere Eheverfehlungen des einen Ehegatten Folge der bereits durch das Verschulden des anderen Ehegatten heraufbeschworenen Zerrüttung der Ehe waren (EFSlg 43.678, 46.234, 46.235, 48.818, 48.819, 51.645, 57.214 ua). Die Ursächlichkeit der Verfehlungen für den Eintritt der unheilbaren Zerrüttung ist von ausschlaggebender Bedeutung (EFSlg 43.677, 57.213 ua). Eheverfehlungen, die in den Zeitraum nach dem Eintritt der völligen Zerrüttung der Ehe fallen, spielen bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle (EFSlg 46.237, 48.829, 51.653, 57.220 ua).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht entgegen der Meinung der Klägerin im Ergebnis zutreffend erkannt, daß das Verschulden des Beklagten an den von ihm begangenen Eheverfehlungen gegenüber jenem der Klägerin keineswegs augenscheinlich hervortritt. Dies umso weniger, als die Klägerin mit ihren unbegründeten Hygienevorwürfen, die später sogar in "Reinigungskontrollen" des Beklagten gipfelten, die Zerrüttung der Ehe nicht bloß eingeleitet, sondern zu deren Eintritt auch den maßgeblichen Beitrag geleistet hat. Wenngleich das Verhalten des Beklagten im Zusammenhang mit den Kontaktinseranten als schwere Eheverfehlung gewertet werden muß, die durch das vorangegangene ehewidrige Verhalten der Klägerin nicht gerechtfertigt war, so ist es doch erst dessen Folge gewesen und zu einem Zeitpunkt begonnen worden, als bereits von der Klägerin der entscheidende Keim für die Ehezerrüttung gelegt worden war. Daß das Verhalten der Klägerin aber ausschließlich psychisch bedingt und ihr daher nicht als Verschulden zurechenbar gewesen wäre, wurde in erster Instanz weder behauptet noch kann dies den Feststellungen entnommen werden. Schon aus diesen Gründen kann in der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß das Verschulden der Klägerin gegenüber jenem des Beklagten keineswegs weitgehend in den Hintergrund tritt und daher das gleichteilige Verschulden an der Ehezerrüttung auszusprechen war, keine Fehlbeurteilung erblickt werden.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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