OGH 9ObA159/90

OGH9ObA159/9027.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Alfred Mayer und Mag. Wilhelm Patzold als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut E***, Angestellter, Wien 23, Rosenhügelstraße 231, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei H*** A*** Musikinstrumentenvertriebsgesellschaft mbH, Wien 11, Hauffgasse 24, vertreten durch Dr. Martin Binder ua Rechtsanwälte in Wien, wegen S 605.535,35 brutto (Streitwert im Rechtsmittelverfahren S 54.456,90 brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Februar 1990, GZ 32 Ra 138/89-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 30. Mai 1989, GZ 10 Cga 2213/87-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 3.606,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der seit 2. 11. 1965 bei der Beklagten angestellte Kläger wurde am 1. 7. 1987 entlassen, weil er in die von der Beklagten vertriebenen VOX 4-Geräte ohne ihre Zustimmung in mehreren Fällen sogenannte "Midi-Platinen" (- Midi ist eine Abkürzung von Musical Instrument Digital Interface -) eingebaut hat. Das VOX 4-Gerät ist eine - nicht mit einer Midi-Platine versehene - Kombination zwischen Akkordeon und elektronischer Orgel, mit der der Klang von bis zu vier Instrumentengruppen nachgeahmt werden kann. Im Februar 1986 wurde das Nachfolgemodell VOX 5 vorgestellt, bei dem eine Midi-Platine in Serie eingebaut ist, die die Koppelung weiterer Instrumentengruppen ermöglicht. Die Beklagte hat dieses Modell in Österreich im März 1987 auf den Markt gebracht.

Obwohl der Kläger davon wußte, daß eine Verbesserung der VOX 4 bevorstand, besorgte er sich im Sommer 1986 auf Wunsch mehrerer VOX 4-Spieler in der BRD 8 Midi-Platinen zum Preis von S 2.500,- pro Stück und baute 3 davon entgeltlich (eine zum Preis von S 6.000,-, die zweite zum Preis von S 5.000,-, die dritte zu einem nicht mehr feststellbaren Preis) und eine unentgeltlich in Kundengeräte ein. Eine weitere Midi-Platine verkaufte er am 29. 6. 1987 an die Musikalienhändlerin E*** um S 4.000,-. Er behinderte dadurch mit großer Wahrscheinlichkeit den von der Beklagten forcierten Verkauf der VOX 5, weil die Eigenschaften jener VOX 4-Geräte, in die er Midi-Platinen einbaute, technisch den neuen VOX 5-Geräten weitgehend angenähert waren, so daß die Benützer der umgebauten VOX 4-Geräte nur ein gemindertes Interesse am Erwerb der neu entwickelten VOX 5 hatten. Die Beklagte vertrieb die Midi-Platine selbst nicht. Beide Vorinstanzen wiesen das Begehren des Klägers auf Urlaubsentschädigung in Höhe von S 54.456,90 brutto - den Mehrbetrag an Urlaubsabfindung hat er erhalten - mit der Begründung ab, daß er wegen Vertrauensunwürdigkeit gerechtfertigt entlassen worden sei. Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Kläger hat in der Klage selbst vorgebracht, daß eine Bestellung der Midi-Platinen nicht einmal bei der Muttergesellschaft der Beklagten in der BRD möglich gewesen wäre. Auf das unzulässige neue Vorbringen des Klägers in der Berufung, die Muttergesellschaft der Beklagten in der BRD fördere selbst den Umbau von VOX 4-Geräten, war vom Berufungsgericht nicht einzugehen.

Die rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht, daß die Beklagte aus wichtigem Grund zur vorzeitigen Entlassung des Klägers berechtigt war, ist zutreffend (§ 48 ASGG). Es liegt allerdings nicht nur Vertrauensunwürdigkeit, sondern der speziellere Entlassungstatbestand des § 27 Z 3 zweiter Fall AngG vor (vgl. dazu Kuderna, Entlassungsrecht 93). Der Kläger hat dadurch, daß er in VOX 4-Geräte von Kunden gegen Entgelt Midi-Platinen einbaute, was nahezu denselben technischen Effekt wie die Anschaffung einer VOX 5 hatte, im Geschäftszweig des Dienstgebers Handelsgeschäfte (iS des Art 271 Z 1 AHGB; vgl dazu SZ 58/135 = Arb 10.452) gemacht. Auch wenn die Beklagte selbst solche Umbauten nicht vornimmt und die dazu notwendigen Midi-Platinen nicht einmal über das Stammwerk der Beklagten in der BRD bezogen werden können, handelte der Kläger mit der Durchführung dieser Umbauten im Geschäftszweig der Beklagten, hat er doch Leistungen erbracht, durch die das von der Beklagten angebotene neue Gerät VOX 5 weitgehend substituiert wurde. Da der Kläger von den bevorstehenden Verbesserungen der VOX 4 durch eine neue VOX 5 wußte, handelte er mit dem ohne Zustimmung der Beklagten mehrmals vorgenommenen Einbau von Midi-Platinen in die alten Geräte gegen die geschäftlichen Interessen seiner Dienstgeberin, die solche Umbauten nicht vornahm, weil sie den Verkauf der neuen VOX 5 fördern wollte. Der Eintritt eines konkreten Schadens ist für die Erfüllung des Entlassungstatbestandes nicht erforderlich (Kuderna aaO). Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

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