OGH 5Ob580/90

OGH5Ob580/9026.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Renate N***, medizinisch-technische Assistentin, Innsbruck, Hinterwaldnerstraße 5, vertreten durch Dr. Hubert Tramposch und Dr. Paul Bauer, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Firma Josef P***, Transportunternehmen, Innsbruck, Tiergartenstraße 131, vertreten durch Dr. Richard Larcher, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 322.716,17 S samt Anhang infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4. Dezember 1989, GZ 4 R 297/89-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 14. Mai 1989, GZ 11 Cg 159/88-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 12.364,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 2.060,70 S an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung von 322.716,17 S samt Anhang mit der Begründung, sie habe die Beklagte mit der Durchführung von Erdarbeiten beim Haus Innsbruck, Hinterwaldnerstraße 5, betraut, welche zur Errichtung eines Fundamentes hätten dienen sollen. Ein Arbeiter der Beklagten habe am 10.6.1986 begonnen, das Fundament freizulegen. Im Zuge abschließender "Ausputzarbeiten" habe er unter das Fundament gegraben, sodaß sich dieses schließlich trotz einer Information und Kontrolle durch den Gatten der Klägerin 60 bis 80 cm über dem Aushubniveau befunden habe. Dadurch sei es zu einem teilweisen Einsturz einer Nachbarmauer sowie zu einer Beschädigung des Mauerwerkes des Hauses Hinterwaldnerstraße 5 gekommen. Der Schaden sei der Klägerin einzig und allein durch das schuldhaft unsachgemäße Arbeiten des Baggerfahrers der Beklagten entstanden. Jeder mit Grabarbeiten befaßten Person sei bekannt, daß das Untergraben des Fundamentes eines Hauses zu schwersten Schäden führen könne. Dem Baggerfahrer sei vom Bauleiter Dipl.-Ing. Peter L*** eine Zeichnung über die ungefähre Form des Grabens übergeben und mitgeteilt worden, daß eine bestimmte Grabentiefe ins Auge gefaßt werde, daß jedoch niemals unter das Fundament gegraben werden dürfe, zumal keine Probebohrungen durchgeführt worden seien, die Fundamenttiefe daher nicht bekannt sei und es sich um ein altes Haus handle, weshalb besondere Vorsicht am Platze sei. Die Untergrabung des Fundamentes durch den Baggerfahrer sei auf 15 m mit freiem Aug sichtbar gewesen.

Die Beklagte, die nicht bestreitet, daß die Klägerin zwecks Sanierung der behaupteten Schäden Aufwendungen in der Höhe des Klagebegehrens gehabt habe, beantragt Klageabweisung und wendet u.a. ein, der Fahrer der Beklagten sei an Ort und Stelle von Dipl.-Ing. K*** und einem Polier über die auszuführenden Arbeiten in Kenntnis gesetzt worden. Die vorgenommenen Aushubarbeiten seien von den genannten Personen überprüft worden. Dem Fahrer der Beklagten seien konkrete Anweisungen, insbesondere hinsichtlich der Aushubtiefe, erteilt worden. Am teilweisen Einbrechen einer Grenzmauer treffe den Fahrer der Beklagten keinerlei Verschulden, weil sämtliche Arbeiten genau nach Anweisung und unter Aufsicht durchgeführt worden seien. Am Mauerwerk des Hauses Hinterwaldnerstraße 5 seien gar keine Schäden aufgetreten. Das Erstgericht wies die Klage ab. Es traf nachstehende wesentliche Feststellungen:

Die Klägerin hatte Dipl.-Ing. Peter L*** mit der Planung und Ausschreibung der Sanierung ihres Altbauobjektes in der Hinterwaldnerstraße beauftragt. Die Besprechungen und Vertragsverhandlungen führte ihr Ehegatte Georg N*** in ihrem Auftrag. Die Bauleitung und Tätigkeit des Poliers übernahm Georg N***. Für Bauleitungsfragen sollte Dipl.-Ing. Peter L*** nur zugezogen werden, wenn Probleme auftauchten. Mit den Bauarbeiten wurde die Firma Ing. K*** beauftragt. Da diese über keinen Maschinenpark für Grabungs- und Planierungsarbeiten verfügte, riet Dipl.-Ing. Peter K***, damit die Beklagte zu beauftragen. Dipl.-Ing. Peter K*** rief nun im Auftrag Georg N*** für die Klägerin Josef P***, den Inhaber der Beklagten, an und fragte, ob er Zeit zum Wegführen von Schutt habe. P*** sagte gegen Verrechnung in Regie zu. Nachdem der Schutt verladen war, gab Georg N*** dem Fahrer des Caterpillars, Anton T***, den Auftrag, südlich des Gebäudes eine Grube auszuheben, und erläuterte an Hand einer Skizze die näheren Umstände. Bei den Oberlichtfenstern des Hochparterres am Südwesteck war ein Waagriß, an dem die Tiefe mit einer abgepaßten Latte ausgemessen wurde. Als T*** am Südwesteck die Tiefe von 3,2 m erreicht hatte, erhielt er den Auftrag, südlich des Hauses in voller Breite bis zur Grenzmauer auszuheben. Bei diesen Arbeiten, die unter der Leitung und unter der Anweisung Georg N*** durchgeführt wurden, stürzte ein Teil der Grenzmauer zum Nachbargrundstück (infolge ihrer entgegen dem äußeren Anschein wenig stabilen Bauweise) ein. Dipl.-Ing. Peter L***, der über Ersuchen auf die Baustelle gekommen war, überprüfte die Baugrube am Südeck. Entgegen der N*** bekanntgegebenen Tiefe von 2,5 m war die Grube 3,2 m tief. Dipl.-Ing. L*** überprüfte das Fundament, das an dieser Stelle noch tiefer reichte. Er wies den Baggerfahrer an, die Grube auszuputzen und im Südwesten auf 3,5 m die Grube weiter auszuheben, aber nicht unter das Fundament. Anton T*** hob nun weiter aus. Georg N*** überprüfte von Zeit zu Zeit die Aushubtiefe und wies den Fahrer an, in dieser Tiefe weiterzugraben. Es kann nicht festgestellt werden, daß er den Baggerfahrer darauf hingewiesen hätte, diese Tiefe sei nur unter der Bedingung richtig, daß das Fundament nicht untergraben werde. Anton T*** hob präzise und sauber auf exakt 3,5 m rund 5 cm von der Hausmauer entfernt, aus. Der Baggerfahrer konnte den Verlauf des Fundamentes (offenbar gemeint: von seinem Arbeitssitz auf dem Bagger aus) nicht erkennen. Das Fundament verlief nicht waagrecht, sondern stieg schräg an. Damit hatte Dipl.-Ing. L*** nicht gerechnet. Nach Abschluß der Aushubarbeiten und Abbröckeln der nunmehr ausgetrockneten Lehmschicht an der Hauswand war zu erkennen, daß das Fundament am Südeck 10 cm, an der Südseite auf 60 cm und an der Südostseite auf rund 6 m ansteigend bis 60 cm frei lag. Die Baupolizei, die wegen des Einsturzes des Teiles der Grenzmauer des Nachbarn gekommen war, erkannte die Freilegung des Fundamentes, stellte die Bauarbeiten ein, verbot das Betreten des Gebäudes und ordnete die entsprechenden Sanierungsarbeiten an.

In rechtlicher Beziehung führte das Erstgericht aus:

Dipl.-Ing. Peter K*** habe den gegenständlichen Auftrag im Namen der Klägerin erteilt. Nach § 1168 a ABGB sei der Unternehmer für den Schaden, der auf eine offenbar unrichtige Anweisung des Bestellers zurückzuführen sei, verantwortlich, wenn er den Besteller nicht gewarnt habe. Aus dieser Bestimmung lasse sich ableiten, daß der Unternehmer nicht verpflichtet sei, die Anweisungen zu überprüfen. Er könne vielmehr darauf vertrauen, daß sie richtig seien. Der Unternehmer habe den Besteller nur dann zu warnen, wenn die Unrichtigkeit der Anweisung offenbar sei, d.h., wenn er sie bei seiner Sachkenntnis wahrnehmen müsse. Dabei habe der Unternehmer dem Besteller gegenüber bei der Ausführung nur die Fähigkeit einer Fachfirma zu vertreten. Die Haftung des Unternehmers für das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen ergebe sich aus § 1313 a ABGB. Das Werk sei präzise und exakt nach den Anweisungen des Dipl.-Ing. Peter L*** und des Georg N*** ausgeführt worden. Weder für Dipl.-Ing. L*** noch für Georg N*** oder den mit der Durchführung der Arbeiten betrauten Bediensteten der Beklagten, Anton T***, sei erkennbar gewesen, daß das Fundament nicht waagrecht, sondern schräg verlaufe. Dabei hätten Dipl.-Ing. Peter L*** und Georg N*** die Lage des Fundamentes nach Beginn des Aushubes der Baugrube überprüft und nach dem Ergebnis dieser Prüfung die weiteren Anweisungen erteilt. Unter diesen Umständen könne nicht gesagt werden, daß für den Fahrer die Unrichtigkeit der Anweisungen offenkundig gewesen sei. Für Umstände auf Seite des Bestellers, die dem Unternehmer nicht erkennbar sein müßten, sei der Unternehmer im Rahmen seiner Warnpflicht nicht verantwortlich. Das folge schon aus der Verschuldensabhängigkeit der Warnpflichtverletzung. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens sowie einer unbedenklichen Beweiswürdigung und trat im wesentlichen auch der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes bei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Der Auffassung der Vorinstanzen, daß Anton T***, dem Baggerfahrer der Beklagten, eine schuldhafte Verletzung der im § 1168 a ABGB verankerten Warnpflicht (und auch ein sonstiges Verschulden) nicht anzulasten ist, ist beizupflichten, sodaß auf die von der Beklagten auch noch im Revisionsverfahren aufrecht erhaltenen Einwendungen, der Klägerin fehle die Aktivlegitimation, der zwischen der Beklagten und Dipl.-Ing. Peter K*** geschlossene Vertrag sei eine Sachmiete, verbunden mit einem Dienstverschaffungsvertrag, gewesen, nicht eingegangen zu werden braucht.

Die Klägerin vertritt zusammengefaßt die Ansicht, die Beklagte habe dafür einzustehen, daß ihr Erfüllungsgehilfe Anton T*** die aus dem zwischen den Streitteilen zustande gekommenen Werkvertrag sich ergebenden Sorgfaltspflichten, insbesondere die im § 1168 a ABGB normierte Warnpflicht sowie die daraus im Zusammenhalt mit den Umständen des gegenständlichen Falles folgende besondere Prüfungs- und Untersuchungspflicht, aber auch spezielle Erkundigungspflicht schuldhaft verletzt habe, zumal er nicht davon ausgehen habe dürfen, daß die Klägerin über die Mängel in ihrer Sphäre Bescheid wisse und das Risiko der Werkherstellung dennoch übernehme; gemäß § 1298 ABGB habe die Beklagte die Schuldlosigkeit ihres Baggerfahrers zu beweisen. Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:

Grundsätzlich werden Stoffuntauglichkeit und unrichtige Anweisungen dem Besteller zugerechnet, sofern sie nicht offenbar sind und die Warnpflicht des Unternehmers auslösen. "Offenbar" bedeutet nicht "jedermann erkennbar". Die Stoffuntauglichkeit muß aber einem sachkundigen Unternehmer wahrnehmbar sein, wobei die ihm zumutbare Fachkenntnis vorausgesetzt wird, ohne daß damit besondere Untersuchungspflichten verbunden sind. "Offenbar" ist die Unrichtigkeit der Anweisung dann, wenn sie der Unternehmer bei der ihm zumutbaren Fachkenntnis wahrnehmen mußte. "Offenbar" bedeutet nicht, daß dem Unternehmer die Unrichtigkeit unabhängig von jeglicher Untersuchung "in die Augen" fallen muß, d.h., daß ihn keinerlei Untersuchungspflicht trifft. Es ist vielmehr sorgfältiges Vorgehen und damit eine den üblichen Gepflogenheiten eines ordentlichen Unternehmers entsprechende Untersuchung geboten (Krejci in Rummel, ABGB2, Rz 19 und 23 zu § 1168 a; Grillberger in Schwimann, ABGB, Rz 18 und 22 zu § 1168 a je mwN; zuletzt etwa 4 Ob 582,583/89). Grundsätzlich darf sich der Unternehmer aber darauf verlassen, daß die Anweisung des Bestellers richtig ist (JBl 1966, 562). Der Unternehmer ist im Rahmen seiner Warnpflicht nicht gehalten, sonst nicht übliche Prüfungen und Untersuchungen anzustellen. Es genügt, wenn der Unterenhmer jene Aufmerksamkeit an den Tag legt, die bei der Übernahme von Werkaufträgen für Fachleute seiner Art redlicherweise nach Treu und Glauben üblich ist. Vor Erfüllung der Warnpflicht müssen keine umfangreichen, technisch schwierigen und kostenintensiven Untersuchungen, die zur Werkleistung und zur Höhe des Werklohnes in keinem vernünftigen Verhältnis stehen, durchgeführt werden, sofern dies nicht besonders vereinbart ist (Krejci aaO Rz 33; Grillberger aaO Rz 18; 4 Ob 582,583/89). Die Warnpflicht des Unternehmers besteht zwar auch gegenüber einem sachkundigen oder sachverständig beratenen Besteller, sie entfällt aber dann, wenn sich der Besteller selbst von der Untauglichkeit des Stoffes oder der Unrichtigkeit der Anweisung überzeugen kann. Der Unternehmer wird entlastet, wenn er davon ausgehen darf, daß der Besteller über Mängel seiner Sphäre durchaus Bescheid weiß und das Risiko der Werkherstellung dennoch übernimmt (Krejci aaO Rz 32; Grillberger aaO Rz 26). Gegenüber einem sachkundigen oder sachverständig beratenen Besteller ist die Prüfungspflicht des Unterenhmers herabgesetzt; "augenfällige" Mängel hat der Unternehmer aber auch in diesen Fällen mitzuteilen (Grillberger aaO Rz 28). Die Warnpflicht des Unternehmers darf nicht überspannt werden (SZ 57/197).

Wendet man diese Grundsätze auf den von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt an, so kann in dem von den Vorinstanzen gefundenen rechtlichen Ergebnis keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Anton T*** konnte nach den für ihn zumutbarerweise erkennbaren Umständen des vorliegenden Falles auch bei Anwendung des vorauszusetzenden Fachwissens und der zu fordernden Aufmerksamkeit von der Tauglichkeit des Stoffes und der Richtigkeit der Anweisungen der für die Klägerin handelnden Personen, Dipl.-Ing. Peter L*** und Georg N***, welche die Funktionen eines Bauleiters/Poliers innehatten, bzw. davon ausgehen, daß die Klägerin die diesen Personen bekannten Risken der durchzuführenden Aushubarbeiten übernommen habe. Von Anton T*** angesichts der von den vorerwähnten Personen erhaltenen detaillierten Anweisungen und der von diesen ausgeübten Kontrolltätigkeit zu verlangen, sich vorher darüber zu erkundigen, ob der Verlauf des Hausfundamentes und die Standfestigkeit der Grenzmauer untersucht worden seien, und sodann vor Beginn des Aushubes oder während der Aushubarbeiten eigene diesbezügliche Untersuchungen anzustellen, hieße, die Warnpflicht des Unternehmers zu überspannen; dasselbe gilt für die Forderung der Klägerin, es hätten weitere Mitarbeiter und ein wesentlich kleinerer Bagger eingesetzt werden sollen.

Da somit die Beklagte die Schuldlosigkeit ihres Baggerfahrers bewiesen hat, war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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