Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Auf Antrag der ehelichen Mutter bestellte das damals zuständige Bezirksgericht Gloggnitz am 14. Dezember 1977 die Bezirkshauptmannschaft N*** zum besonderen Sachwalter der am 2. Juli 1973 geborenen Martina B*** zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den Vater. Zufolge Nichtzahlung der Unterhaltsbeiträge durch den Vater wurden dem Kind gemäß §§ 3, 4 Z 1, 18 UVG Unterhaltsvorschüsse gewährt. Die Minderjährige ehelichte am 4. Jänner 1990 Bernhard R***.
Am 16. Jänner 1990 beantragte der Jugendwohlfahrtsträger seine Enthebung als Sachwalter, weil er schon ab 1. Februar 1989 dem Vater wegen der damals eingetretenen Selbsterhaltungsfähigkeit des Kindes keine weiteren Unterhaltsbeiträge in Rechnung gestellt habe und nur noch mit der Einbringung eines Rückstandes von derzeit 42.978,28 S, wovon 7.283,28 S der Sozialabteilung der Bezirkshauptmannschaft N*** und 35.695 S dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes WIEN für gewährte Unterhaltsvorschüsse gebührten, befaßt sei. Durch die Eheschließung der Minderjährigen sei für die weitere Tätigkeit des Sachwalters weder Notwendigkeit noch Legitimation gegeben. Das Erstgericht wies den Antrag ab, weil sich die aus § 175 Abs 2 ABGB ergebende Eigenberechtigung der Minderjährigen nur auf ihre persönlichen und nicht auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse beziehe. Da noch ein größerer Unterhaltsrückstand einzutreiben sei, müsse die Minderjährige weiterhin vom Sachwalter vertreten werden. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Sachwalters nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs (gemäß §§ 13 Abs 1 Z 3, 14 Abs 1 AußStrG idF der WGN 1989) zu, weil zur Frage, ob bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 212 Abs 5 ABGB auf die aus § 9 Abs 3 zweiter Satz UVG ersichtlichen Wertungen des Gesetzgebers Bedacht zu nehmen sei, noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.
Im vorliegenden Fall wurde der (nunmehrige) Jugendwohlfahrtsträger als Sachwalter nicht aus dem Grunde des § 9 Abs 2 UVG, sondern nach § 22 JWG, BGBl 1954/99, bestellt. Nach der Übergangsbestimmung des Art VI § 4 Abs 2 KindRÄG sind die gesetzlichen Amtssachwalterschaften nach dem JWG, BGBl 1954/99, bei Vorliegen von dessen Voraussetzungen nach der Neuordnung ab dem 1. Juli 1989 als gesetzliche Sachwalterschaften nach § 215 Abs 1 zweiter Satz ABGB idF des KindRÄG fortzuführen. Die Vertretungsmacht des Jugendwohlfahrtsträgers in Angelegenheiten der Geltendmachung, Durchsetzung und Regelung der dem Kind zustehenden gesetzlichen Unterhaltsansprüche beruht auf § 215 Abs 1 ABGB. Diese Vertretungsmacht endet nach § 212 Abs 5 idF gemäß Art I Z 30 KindRÄG unter anderem dann, wenn das Gericht den Jugendwohlfahrtsträger auf dessen Antrag als Sachwalter enthebt, weil er zur Wahrung der Rechte und zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes nach Lage des Falles nichts mehr beizutragen vermag. Die zweite Instanz ist davon ausgegangen, daß der Sachwalter durch die Einbringung der noch offenen Unterhaltsbeträge rechtlich - wenn auch nicht wirtschaftlich - namens des Kindes dem Unterhaltspflichtigen noch etwas zur Durchsetzung der Ansprüche des Kindes beizutragen vermöge.
Die Revisionsrekurswerberin begründet ihr Rechtsmittel dagegen wie schon vor den Vorinstanzen damit, daß einerseits die Minderjährige selbsterhaltungsfähig sei (§ 140 Abs 3 ABGB, § 7 Abs 1 Z 2 UVG) und andererseits durch ihre Verehelichung nach § 175 Abs 2 ABGB hinsichtlich ihrer persönlichen Verhältnisse, wozu auch die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zähle, einem Volljährigen gleichstehe.
Gemäß § 9 Abs 3 UVG ist die Einstellung der Vorschüsse - so auch nach § 20 Abs 1 Z 4 lit b UVG - kein Grund zur Beendigung der Sachwalterschaft nach Abs 2. Im Fall der Vorschußgewährung bloß nach § 4 Z 2 oder 3 UVG - hier wurden dem Kind zwischen 1978 und 1984 wiederholt Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG gewährt - ist der Jugendwohlfahrtsträger zu entheben, wenn er zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs des Kindes nach der Lage des Falles nichts mehr beizutragen vermag. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage 276 BlgNR 15. GP, 12 und dem Bericht des Justizausschusses 199 BlgNR 14. GP, 4 hatte die Betrauung der Bezirksverwaltungsbehörde mit der Hereinbringung der Unterhaltsvorschüsse unter anderem den Zweck, eine Doppelgleisigkeit bei der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche zu vermeiden. Würde die Sachwalterschaft nach § 9 Abs 2 UVG mit der Einstellung der Vorschüsse enden, ginge die Aufgabe der Einbringung der Unterhaltsforderungen, für welche Vorschüsse gewährt worden seien, gemäß § 30 UVG auf den Bund über, hinsichtlich Unterhaltsrückständen, für welche keine Vorschüsse gewährt worden seien, würde die Einbringung auch einem Kind, vertreten durch die Mutter, obliegen. Eine solche Doppelgleisigkeit könnte den Einbringungsvorgang nicht nur im Falle der Vorschußeinstellung nach § 20 UVG, sondern in Fällen gleicher Weise bei Einstellungen zufolge Fristablaufes (§§ 8, 18 UVG) erheblich erschweren. Zur Vermeidung dieser Folgen sollte nach der Absicht des Gesetzgebers die Bezirksverwaltungsbehörde auch in diesem Falle weiterhin Sachwalter des Kindes bleiben. Auch die Rechtsprechung ist überwiegend diesen Erwägungen gefolgt. Die Einstellung der Unterhaltsbevorschussung sei kein Grund zur Beendigung der Sachwalterschaft. Die Bezirksverwaltungsbehörde habe eben alle Unterhaltsinteressen des Kindes wahrzunehmen. Nur so könne eine unerwünschte Aufspaltung der Vertreterschaft vermieden und gesichert werden, daß rückständige titulierte Beträge, auf die schon dem Kind Vorschüsse gewährt worden seien, vom Unterhaltspflichtigen eingetrieben und auftragsgemäß an den Bund abgeführt würden. Solange daher die Eintreibung rückständigen bevorschußten Unterhalts ausstehe, sei eine Beendigung der gesetzlichen, alle Unterhaltsinteressen erfassenden Sachwalterschaft nach § 9 Abs 2 UVG nicht gerechtfertigt (5 Ob 526/90).
Die Neuregelung des § 212 Abs 5 ABGB durch das KindRÄG erfolgte in Anlehnung an § 9 Abs 3 zweiter Satz UVG (Bericht des Justizausschusses 887 BlgNR 17. GP, 9); diese Regelung entspricht inhaltlich auch völlig der des § 9 Abs 3 zweiter Satz UVG, sodaß die für die zuletzt genannte Bestimmung entwickelten Grundsätze auch hier anzuwenden sind. Beide Bestimmungen ordnen nicht ausdrücklich an, unter welchen konkreten Voraussetzungen eine Enthebung des besonderen Sachwalters zu erfolgen hat, sondern machen dies von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig (8 Ob 725/89 zu § 9 Abs 3 UVG). Angesichts der inhaltlich gleichen Regelung zu § 9 Abs 3 zweiter Satz UVG wird die auch von der Rechtsprechung vertretene Auffassung, eine Sachwalterenthebung komme erst dann in Frage, sofern nicht andere Gründe wie Großjährigkeit etc vorliegen, wenn der Unterhaltsvorschuß auch eingebracht ist, weil dies im Interesse des Kindes und überdies zweckmäßig ist. Die Revisionsrekurswerberin erkennt selbst, daß durch die Beanspruchung von Unterhaltsvorschüssen bis dato (nur) wesentliche, aber eben nicht alle Schritte zur Unterhaltssicherung unternommen worden seien (5 Ob 526/90; 2 Ob 600/85 = EFSlg 49.108; MGA AußStrG2, § 9 UVG Anm 3; Knoll, Kommentar zum UVG in ÖAV, § 9 UVG Rz 1, 14 mwN). Bezüglich der Frage, ob eine minderjährige Ehefrau unter 18 Jahren ihren Unterhaltsanspruch "selbständig" geltend machen kann, wird auf die zutreffenden Ausführungen der zweiten Instanz verwiesen, wonach die im § 175 Abs 2 ABGB normierte Gleichstellung der minderjährigen Ehefrau unter 18 Jahren ihre vermögensrechtliche Verfügungs- und Verpflichtungsfähigkeit nicht einschließt (SZ 49/156 = EvBl 1977/150; Pichler in Rummel2 § 175 ABGB Rz 2; Schwind in Ehrenzweig3, Das Familienrecht 177; Schlemmer in Schwimann, § 175 ABGB Rz 3; Pichler, Der Unterhaltsanspruch der Ehefrau unter 18 Jahren in ÖAV 1985, 68 f; gegenteilig Edlbacher in Kann eine Ehefrau unter 18 Jahren selbständig ihren Unterhaltsanspruch geltend machen ? in ÖAV 1984, 56 f). Zufolge § 175 ABGB zieht die Heirat, wenn sie vor Vollendung des 18. Lebensjahres wie hier erfolgt, nur in persönlicher Angelegenheit die Volljährigkeit nach sich. Dem Revisionsrekurs kann daher kein Erfolg beschieden sein.
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