Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 617,70, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 13.9.1952 geborene Klägerin und der am 24.10.1953 geborene Beklagte haben am 16.2.1980 vor dem Standesamt Lichtenwörth die Ehe geschlossen. Es handelte sich für die Klägerin um die zweite, für den Beklagten um die erste Ehe. Der Ehe der Streitteile entstammt ein Kind, nämlich der am 5.8.1980 geborene Sohn Peter. Beide Streitteile sind österreichische Staatsangehörige. Sie hatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Lichtenwörth. Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten im wesentlichen mit der Begründung, daß er unter Alkoholeinfluß sie am 2.4.1988 schwer beschimpft, bedroht und mehr oder weniger vor die Tür gesetzt habe. Deswegen sei sie mit dem Sohn zu ihrer Schwester gezogen. Der Beklagte komme nicht für den Unterhalt des Kindes auf. Im Verlauf der Ehe habe der Beklagte begonnen, dem Alkohol zuzusprechen und an Glücksspielen teilzunehmen. 1983 habe er gemeinsam mit einem Bekannten in Ternitz ein Cafehaus eröffnet. Ab diesem Zeitpunkt sei er immer öfter betrunken gewesen. Der Beklagte habe regelmäßig die Tageslosung des Cafehauses verspielt, sodaß die Klägerin gemeinsam mit dem Sohn und ihrer Tochter aus erster Ehe von Ersparnissen leben habe müssen. In alkoholisiertem Zustand habe der Beklagte gegen die Klägerin Morddrohungen ausgestoßen; wüste Beschimpfungen seien an der Tagesordnung gewesen. Nachdem der Beklagte die Klägerin gezwungen habe, die eheliche Wohnung zu verlassen, habe sie am nächsten Tag in der Hoffnung, der Beklagte sei wieder nüchtern, zurückkehren wollen. Sie sei jedoch in der Ehewohnung vom Beklagten tätlich angegriffen worden und habe sie fluchtartig verlassen müssen. Der Beklagte sei grundlos eifersüchtig gewesen und habe die Klägerin auch am 16.2.1988 gefährlich bedroht.
Die Klägerin stellte auch ein auf Zahlung von S 1.490,-
monatlich ab 21.2.1989 gerichtetes Unterhaltsbegehren. Der Beklagte bestritt die ihm zur Last gelegten Eheverfehlungen und beantragte in erster Linie Abweisung des Klagebegehrens. Für den Fall der Scheidung beantragte er den Ausspruch des "alleinigen" bzw überwiegenden Verschuldens der Klägerin. Er brachte im wesentlichen vor, dem Vorfall vom 2.4.1988 liege zugrunde, daß er damals die Klägerin mit ihrem Freund erwischt habe und daher sehr aufgebracht gewesen sei. Der Beklagte habe feststellen müssen, daß die Klägerin zu Johann M*** ein Verhältnis gehabt habe. Sie habe den Beklagten auch immer mit der Bemerkung, wenn ihm etwas nicht passe, gehe sie zu ihrem Freund, eifersüchtig gemacht und sich ihm gegenüber lieblos verhalten. Nunmehr unterhalte sie eine Beziehung zu Franz S***. Der Beklagte bestritt auch die Berechtigung des von der Klägerin gestellten Unterhaltsbegehrens.
Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten und wies das Unterhaltsbegehren der Klägerin ab.
Es stellte, soweit für die im Revisionsverfahren noch allein strittige Entscheidung über das Scheidungsbegehren von Bedeutung, im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Beklagte betrieb seit etwa 1982 ein Cafe in Ternitz in der Rechtsform einer Gesellschaft m.b.H. gemeinsam mit einem Gesellschafter namens G***. Nachdem dieser 1985 aus der Gesellschaft ausgeschieden war, übernahm die Klägerin 82 % der Anteile. Die Arbeit im Cafehaus besorgte der Beklagte unter Mitwirkung von angestellten Kellnern. Er bediente auch Gäste und besorgte die Verrechnung mit den Lieferanten. Vor allem an den Wochenenden ab Freitag Abend arbeitete die Klägerin mit bzw. an seiner Stelle. Sie war über die Lokaleröffnung ursprünglich nicht erfreut, weil sie die Neigung ihres Gatten zum Alkohol kannte. Tatsächlich trank der Beklagte vor allem seit dem Ausscheiden des Gesellschafters G*** mehr, als ihm zuträglich war, sodaß er mehrfach im Cafehaus bereits betrunken war. Besonders arg wurde sein Alkoholkonsum seit 1987 nach dem Tod seiner Mutter. Er trank vielfach Bier oder Cola-Rum, Wein, zuletzt auch Rossbacher. Vorwiegend in alkoholisiertem Zustand spielte er mit Cafehausgästen Karten, wobei der Verlierer eine Runde Getränke zahlen mußte. Vor allem die Stammgäste des Lokales erfaßten bald, daß die Spielneigung des Beklagten mit zunehmendem Alkoholkonsum stieg; mit zunehmender Trunkenheit häuften sich auch seine Verluste. Die besonders seit Frühjahr 1987 steigenden Verluste führten schließlich dazu, daß er nicht mehr wie früher die Tageslosung nach Hause brachte und am folgenden Tag öfter nicht erklären konnte, wo das Geld hingekommen sei, außer daß es ihm Spielpartner aus der Tasche gestohlen hätten. Fallweise versicherte er der Klägerin bei diesbezüglichen Aussprachen, er werde in Hinkunft nicht mehr trinken und spielen, konnte diesen Vorsatz aber nie durchhalten. Da im Verlauf des Jahres 1987 die offenen Zahlungen nicht mehr regelmäßig geleistet werden konnten und auch die Trinkgewohnheiten des Beklagten ärger wurden, was mit zunehmendem Verfall von Ordnung im Lokal und Respekt dem Chef gegenüber verbunden war, fuhr die Klägerin nicht mehr ins Lokal. Nachdem die Geschäftsgebarung immer mehr in Unordnung geraten war (Ordnungsstrafen seitens des Finanzamtes und dergleichen), wurde über die Gesellschaft m.b.H. am 25.6.1987 der Konkurs eröffnet (S 42/87 des KG Wiener Neustadt).
Das Ehepaar lebte in der Folge von der Arbeitslosenunterstützung des Beklagten, Alimentationszahlungen für die Tochter der Klägerin aus erster Ehe und Unterstützungen seitens des Vaters des Beklagten. Seit Jänner 1988 arbeitet die Klägerin als Raumpflegerin bei der Firma G*** mit einer grundsätzlichen Dienstzeit von 15,00 bis 19,00 Uhr bei gelegentlichen Zeitüberziehungen aus dienstlichen Anlässen. Ihre - durch Besuche bei der Mutter fallweise um etwa eine Stunde verlängerte - berufsbedingte Abwesenheit schürte die schon zur Zeit des Cafehausbetriebs sehr leicht erregbare Eifersucht des Beklagten weiter. Über seine diesbezüglichen Vermutungen und Vorhalte gab sie unbestimmte zynische Antworten. Als sie etwa vor Ostern 1988 von ihrer Mutter ein Auto erhielt, erwiderte sie auf seine Vermutung, daß sie das von einem Freund bekommen hätte, "das ist möglich". Über Fragen, wo sie gewesen sei (wenn sie über ihre normale Arbeitszeit hinaus weg blieb oder früher zur Arbeit fuhr), antwortete sie öfter kühl und abweisend, das ginge ihn nichts an; sie ließ bei solchen Gelegenheiten auch die Möglichkeit offen, daß sie "vielleicht bei einem Freund" gewesen sei. Der Beklagte reagierte in derartigen Situationen mit der Frage, ob sie blöd sei oder ähnlich. Die Klägerin hatte ihm öfters erklärt, daß ihr die Äußerungen seiner Eifersucht unangenehm seien. Wenn er nüchtern war, hat er dies eingesehen; wenn er betrunken war, äußerte er sich abermals unangenehm. In der Folge ging sie dazu über, auf seine Anspielungen mit zynischen Äußerungen zu reagieren. Die Eifersucht des Beklagten richtete sich im Lauf des Jahres 1988 vor allem gegen Johann M***, einen seiner Jugendfreunde. Dessen Landwirtschaft befindet sich nahe dem Haus des Vaters des Beklagten, in welchem auch die Streitteile zuletzt gemeinsam wohnten. Johann M*** besuchte fallweise den Vater des Beklagten zur Erledigung von Schmiedearbeiten oder zum Ackern; die Familie V*** holte ihrerseits von seinem Gehöft die Milch. Infolge der Freundschaft der beiden Männer kam es öfter auch zu Besuchen des Johann M*** in der Wohnung der Streitteile, vor allem in Lichtenwörth, ein- oder zweimal aber auch in Wiener Neustadt. Fallweise besuchte Johann M*** auch das Cafehaus in Ternitz, gemeinsam mit dem Beklagten aber auch andere Gasthäuser. Dabei wurde auch Karten gespielt. Bei einem Gasthausbesuch am Neujahrstag 1988 waren beide Männer betrunken.
Eine Begegnung zwischen Johann M*** und der Klägerin allein fand Anfang 1988 bei einem Gschnasfest des Tauchvereines in Zillingdorf statt, dessen Mitglied die Klägerin ist. Ihrem Mann legte sie dar, daß sie nicht daran interessiert sei, daß er sie begleite, weil Nichtmitglieder unerwünscht seien. Vor allem wollte sie aber seine Begleitung nicht, weil sie mit seinem damaligen Äußeren unzufrieden war und weil sie von ihr befürchtete familiäre Szenen in der Öffentlichkeit vermeiden wollte. Gegen 22,00 Uhr erschien auch Johann M*** auf dem Fest und tanzte mit der Klägerin, obwohl sie ihm erklärte, daß ihr Mann auf ihn eifersüchtig sei. Gegen 2,00 Uhr kehrte sie alleine nach Hause zurück, nachdem Johann M*** das Fest bereits früher verlassen hatte. Am Tag nach dem Gschnasfest sprach es sich im Gasthaus, welches ihr Mann besuchte, herum, daß sie alleine auf dem Gschnas war und daß es in der Familie etwas geben müßte. Als er vom Wirtshaus nach Hause kam, machte er ihr Vorhaltungen und fragte, ob sie mit Johann M*** dort gewesen sei, was sie verneinte.
Zu einem weiteren zufälligen Zusammentreffen der beiden kam es im Frühjahr 1988 vor dem Kaufhaus Kleiderbauer in Wiener Neustadt. Johann M*** antwortete der Klägerin auf ihre Frage, was er hier mache, er müsse noch schnell eine Hose kaufen bzw. abholen. Da dies nicht lange dauern sollte, wartete sie auf ihn; anschließend gingen sie - vor dem Mittagessen - noch auf einen Kaffee.
In der Nacht zum 2.4.1988 feierte Johann M*** ausgiebig seinen 30.Geburtstag. Weil er erst in den frühen Morgenstunden nach nicht unerheblichem Alkoholkonsum nach Hause gekommen war, schlief er länger als üblich. Im Lauf des Vormittags kam die Klägerin auf sein Anwesen, weil sie ihm zum Geburtstag gratulieren und eine Flasche Wein bringen wollte. Seine Mutter teilte ihr mit, daß er noch schlafe. Sie betrat sein Schlafzimmer und begrüßte den noch halb Schlafenden. Gleich darauf betrat der Beklagte, der ihr nachgefahren war, ebenfalls das Zimmer und fand Johann M*** im Bett unter der Tuchent liegend und seine Frau neben dem Bett stehend vor. Seiner Äußerung "aha, so ist das" folgte die Frage seiner Gattin "was ist was?", nach der er aber das Zimmer gleich wieder verließ. Auch die Klägerin verließ gleich nach ihm das Zimmer und fuhr hinter ihm nach Hause. Dort gab es von ihm schon Vorwürfe, und sie forderte ihn auf, er solle M*** anrufen und die Sache besprechen. Bereits im Zuge dieser Auseinandersetzung faßte sie den Entschluß auszuziehen, und sagte ihrer Tochter, sie solle deshalb zusammenpacken.
Nach dem Mittagessen rief der Beklagte M*** an, er möge zu ihnen herunterkommen. Danach kam es zwischen den beiden Männern zu einer Aussprache, bei der Johann M*** erklärte, der Beklagte - der bei diesem Gespräch bereits ziemlich alkoholisiert und wütend war - möge sich den Blödsinn, daß seine Frau und er ein intimes Verhältnis hätten, nicht einreden, das sei ein Blödsinn. Ihm gegenüber erklärte der Beklagte zwar schließlich, er glaube es ohnedies nicht, daß er so etwas mache, aber mit der Klägerin kam es weiterhin zu heftigen Auseinandersetzungen, in deren Zug der Beklagte die Klägerin beschimpfte und schließlich aufforderte, sie solle sich zusammenpacken und schleichen. Die Klägerin, die schon vor dem Weggang des Johann M*** zu packen begonnen hatte, fuhr schließlich zu ihrer Schwester Ulrike P***, wo sie seither mit den Kindern wohnt.
Am nächsten Tag fuhr die Klägerin nochmals nach Lichtenwörth, damit ihr Bub seinen Großvater wieder sieht und Ostereier suchen kann. Bei diesem Besuch kam es in der Küche wieder zu "Schreiereien" seitens des Beklagten, sie sei die ganze Nacht fort gewesen, und er versuchte sie mit dem Besen zu attackieren, was ihre Tochter allerdings verhinderte.
Seither hat die Klägerin das Interesse an der Fortsetzung der Ehe verloren.
Bereits im Mai 1988 knüpfte sie eine Bekanntschaft mit Franz S***, welche sich etwa ab Juli 1988 zu einem intimen Verhältnis entwickelte.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, dem Beklagten sei als schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG sein immer wieder über einen langen Zeitraum praktizierter übermäßiger Alkoholkonsum und das damit verbundene verlustträchtige Kartenspielen anzulasten, was letztlich zum Verlust der Existenzgrundlage der gesamten Familie geführt habe. Die Beschimpfungen und die Aufforderung an die Klägerin, sich zusammenzupacken und zu schleichen, seien nur noch das letztlich auslösende Moment für die endgültige Aufgabe jeglicher ehelicher Gesinnung seitens der Klägerin gewesen. Der Klägerin hingegen sei als Eheverfehlung die von ihr zugestandene Beziehung zu Franz S*** vorzuwerfen, weil die eheliche Treuepflicht auch nach Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft bis zur rechtskräftigen Scheidung bestehe. Weiters müsse ihr vorgeworfen werden, daß sie ihr Verhalten nicht immer ausreichend auf die beim Beklagten auftretende Eifersucht abgestellt habe; sie habe diese vielmehr noch durch zynische Äußerungen gesteigert. Der entscheidende erste Beitrag zur Zerrüttung der Ehe sei vom Beklagten gesetzt worden. Die ehewidrige Beziehung der Klägerin zu Franz S*** habe erst zu einem Zeitpunkt begonnen, als die Ehe der Streitteile bereits tiefgreifend zerrüttet gewesen sei. Auch die die Eifersucht des Beklagten schürenden Äußerungen der Klägerin seien zu einem Zeitpunkt gefallen, als vom Beklagten durch seinen Alkoholmißbrauch und den Zusammenbruch des Geschäftes der Klägerin schwere Belastungen zugemutet worden seien. Sowohl die zeitliche Aufeinanderfolge der beiderseitigen Eheverfehlungen als auch die Intensität der Verfehlungen des Beklagten rechtfertigten daher den Ausspruch seines überwiegenden Verschuldens.
Diese Entscheidung des Erstgerichtes wurde von beiden Streitteilen (von der Klägerin nur hinsichtlich der Abweisung ihres Unterhaltsbegehrens) mit Berufung bekämpft.
Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil beiden Berufungen keine Folge.
Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte zum Scheidungsbegehren rechtlich im wesentlichen aus, daß eine Verletzung der ehelichen Beistandspflicht durch die Klägerin im Verfahren erster Instanz zur Begründung des vom Beklagten gestellten Mitschuldantrages nicht geltend gemacht worden sei, sodaß seine diesbezüglichen Behauptungen in der Berufung dem Neuerungsverbot widersprächen. Im übrigen könne aus den getroffenen Feststellungen eine Verletzung der ehelichen Beistandspflicht durch die Klägerin nicht abgeleitet werden, weil daraus nicht hervorgehe, auf welche Art und Weise die Klägerin dem Beklagten bei seinen Alkoholproblemen hätte helfen können und den finanziellen Ruin des gemeinsam geführten Cafehausbetriebes hätte abwenden sollen.
Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß dem Beklagten schwere Eheverfehlungen anzulasten seien. Der Beklagte habe häufig in alkoholisiertem Zustand mit Gästen seines Cafehauses Karten gespielt und die Tageslosung verspielt, sei ohne Geld nach Hause gekommen und habe bei entsprechenden Vorhalten der Klägerin erklärt, dies nicht mehr zu tun. Er sei seinem Vorsatz jedoch untreu geworden, sodaß im Verlauf des Jahres 1987 die offenen Zahlungen nicht mehr regelmäßig geleistet werden konnten. In der Folge sei dann im Juni 1987 über die von der Klägerin und dem Beklagten betriebene Gesellschaft mbH der Konkurs eröffnet worden. Durch dieses Verhalten habe der Beklagte den Verlust der finanziellen Existenzgrundlage der Familie herbeigeführt, was als schwere Eheverfehlung anzusehen sei. Wenn auch die Klägerin ebenso wie der Beklagte an der das Cafehaus betreibenden Gesellschaft mbH beteiligt gewesen sei, könne auch den Berufungsausführungen nicht entnommen werden, auf welche Weise die Klägerin den finanziellen Ruin hätte verhindern können. Sie habe dem Beklagten seine Spielleidenschaft und die daraus resultierenden finanziellen Verluste ohnehin mehrfach vorgehalten. Der Beklagte habe ihr versprochen, in Hinkunft nicht mehr zu trinken und zu spielen, diesen Vorsatz aber nicht gehalten. Daß unter dem übermäßigen Alkoholkonsum des Beklagten auch das Familienleben der Streitteile gelitten habe, könne nicht zweifelhaft sein, zumal der Beklagte der Klägerin in betrunkenem Zustand zumindest unberechtigte Eifersuchtsvorhalte gemacht habe.
Diese Umstände reichten aus, um dem Scheidungsbegehren der Klägerin stattzugeben.
Bei der Verschuldensabwägung komme es in erster Linie darauf an, wer mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe den Anfang gemacht und wer den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Ehezerrüttung geleistet habe. Im vorliegenden Fall träfen diese Kriterien auf den Beklagten zu. Es könne dahingestellt bleiben, ob die zypnischen Reaktionen der Klägerin auf die Eifersuchtsvorhalte des Beklagten als entschuldbare Reaktionshandlung anzusehen seien oder nicht. Selbst bei Beurteilung dieses Verhaltens als Eheverfehlung müßte diese deshalb in einem milden Licht gesehen werden, weil jeweils unberechtigte Vorhalte des Beklagten vorangegegangen seien. Bei dem Vorfall vom 2.4.1988 handle es sich um eine harmlose Geburtstagsgratulation der Klägerin an einen gemeinsamen Bekannten. Die anschließende Eifersuchtsszene des Beklagten sei schon deshalb als ungerechtfertigt der Klägerin gegenüber anzusehen, weil der Beklagte Johann M*** gegenüber selbst erklärt habe, er glaube gar nicht an ein Verhältnis der Klägerin mit diesem Mann. Wenn die Klägerin sodann im Anschluß an diese Eifersuchtsszene, wenn auch vor der Aufforderung des Beklagten, sie solle sich zusammenpacken und schleichen, den Entschluß zum Auszug aus der ehelichen Wohnung gefaßt habe, so könne darin eine schwere Eheverfehlung nicht erblickt werden.
Habe dieses und das dem Auszug der Klägerin aus der ehelichen Wohnung nachfolgende Verhalten des Beklagten (Schreien mit der Klägerin, Versuch, sie zu attackieren) entscheidend zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe beigetragen, so komme dem Umstand, daß die Klägerin nach eingetretener Zerrüttung ein intimes Verhältnis zu Franz S*** eingegangen sei, bei Abwägung des beiderseitigen Verschuldens insofern keine entscheidende Bedeutung mehr zu. Es sei daher vom überwiegenden Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe auszugehen.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten. Er bekämpft sie im Umfang der Entscheidung über das Scheidungsbegehren aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens, allenfalls der Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin, zumindest aber aus dem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile, abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Beklagten keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Der Beklagte versucht in seiner Rechtsrüge darzutun, daß auf Grund der Feststellungen der Vorinstanzen die Ehescheidungsklage der Klägerin abzuweisen gewesen wäre; jedenfalls sei der Klägerin das überwiegende Verschulden, zumindest aber ein gleichteiliges Verschulden an der Zerrüttung der Ehe anzulasten.
Dem ist nicht zu folgen.
Für die Frage, ob eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG vorliegt, ist das Gesamtverhalten des betreffenden Ehegatten unter den konkreten Lebensumständen maßgebend (EFSlg 46.152, 57.091 ua). Nach ständiger Rechtsprechung stellen Trunksucht und Alkoholmißbrauch auch dann, wenn sie nicht öffentlich in Erscheinung treten, grundsätzlich eine schwere Eheverfehlung vom Gewicht eines Scheidungsgrundes dar, insbesondere dann, wenn dadurch der Unterhalt der Familie beeinträchtigt oder gefährdet wird und der andere Gatte die Achtung verlieren mußte (EFSlg 24.983, 57.096 uva). Zieht man im vorliegenden Fall in Betracht, daß der Beklagte durch Jahre hindurch Alkoholmißbrauch trieb, in betrunkenem Zustand mit den Gästen seines Cafehauses Karten spielte und dabei empfindliche finanzielle Verluste erlitt, die letztlich dazu führten, daß seine Erwerbsgrundlage, aus der er den Unterhalt seiner Familie zu bestreiten hatte, verlorenging, daß er in betrunkenem Zustand die Klägerin mit unbegründeten Eifersuchtsvorwürfen verfolgte, daß er sie am 2.4.1988 grundlos beschimpfte und zum Verlassen der Ehewohnung aufforderte und sie am folgenden Tag sogar körperlich zu attackieren versuchte, dann kann kein Zweifel daran bestehen, daß dieses Verhalten des Beklagten als schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG zu qualifizieren ist. Es führte zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe der Streitteile, die schon dann vorliegt, wenn der klagende Ehegatte die ehelichen Gesinnung vollständig verloren hat (EFSlg 48.764, 57.130 uva). Dies war nach den im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen auf Seiten der Klägerin jedenfalls nach ihrem Auszug aus der Ehewohnung der Fall. Die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe der Streitteile aus Verschulden des Beklagten im Sinne des § 49 EheG lagen daher entgegen den Revisionsausführungen vor. Die von den Vorinstanzen herangezogenen Ehescheidungsgründe finden auch im Vorbringen der Klägerin im Verfahren erster Instanz durchaus Deckung. Was aber die Entscheidung über den vom Beklagten im Sinne des § 60 Abs 3 EheG gestellten Mitschuldantrag anlangt, ist davon auszugehen, daß es bei der Verschuldensabwägung im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht auf eine Gegenüberstellung der einzelnen von den Ehegatten begangenen Verfehlungen ankommt, sondern auf ihr Gesamtverhalten in seinem Zusammenhang (EFSlg 43.684, 51.642; 2 Ob 504/88 uva). Maßgebend ist letztlich, welcher Ehegatte die Zerrüttung der Ehe schuldhaft einleitete und wie weit spätere Eheverfehlungen des einen Ehegatten Folge der bereits durch das Verschulden des anderen heraufbeschworenen Zerrüttung der Ehe waren (EFSlg 46.234, 51.645 ua). Wenn auch der Ehebruch als schwerste Eheverfehlung gegen die eheliche Treuepflicht grundsätzlich besonders schwer wiegt (EFSlg 51.652 ua), kommt es auch bei seiner Beurteilung darauf an, ob und inwieweit er zur Zerrüttung der Ehe beigetragen hat; hier kommt es letztlich auf die Umstände des Einzelfalles an (2 Ob 504/88).
Nach den im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen kann es keinem Zweifel unterliegen, daß es der Beklagte war, der durch seine Trunksucht und ihre Folgen die Zerrüttung der Ehe schuldhaft einleitete. Das der Klägerin anzulastende Fehlverhalten (zynische Bemerkungen zu den Vorwürfen des Beklagten, die seiner unbegründeten Eifersucht entsprachen, Aufgabe der ehelichen Gemeinschaft) wurde jeweils durch das vorangegangene ehewidrige Verhalten des Beklagten zumindest provoziert. Eine Verletzung der ehelichen Beistandspflicht durch die Klägerin wurde vom Beklagten im Verfahren erster Instanz nicht behauptet; überdies ist auch den Revisionsausführungen nicht zu entnehmen, in welcher Weise die Klägerin den durch das Verhalten des Beklagten bedingten Niedergang des Cafehausbetriebes aufhalten hätte können. Das ehebrecherische Verhältnis der Klägerin zu Franz S*** wurde von ihr erst zu einem Zeitpunkt eingegangen, als die Ehe der Streitteile infolge des ehewidrigen Verhaltens des Beklagten bereits unheilbar zerrüttet war; es spielt daher bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle mehr (EFSlg 43.688, 54.465 ua).
Unter diesen Umständen ist darin, daß die Vorinstanzen dem Beklagten das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe der Streitteile angelastet haben, eine unrichtige rechtliche Beurteilung nicht zu erkennen.
Der Revision des Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)