OGH 7Ob12/90

OGH7Ob12/907.6.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Michael Zsizsik, Rechtsanwalt in Bruck/Mur, wider die beklagte Partei Ö*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Ferdinand Graf, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 421.200 (Revisionsstreitwert S 240.000 sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. November 1989, GZ 5 R 220/89-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. Juni 1989, GZ 29 Cg 847/86-19, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 9.268,28 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.544,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin erbrachte ab 1973 aufgrund jährlicher Vertragsabschlüsse technische Beratungsleistungen für die Firma Carlo T***** S.p.a. in Italien. Im für das Jahr 1983 abgeschlossenen Vertrag wurde hiefür ein Pauschalhonorar von 1,8 Mill. S zahlbar in Monatsraten a S 150.000 vereinbart. Da die Fa. T***** längere Zahlungsziele (10 Monate) in Anspruch nahm, erfolgte die Finanzierung der Klägerin durch die Volksbank Kapfenberg. Da diese Bank einer Betriebsprüfung unterworfen wurde, verlangte sie von der Klägerin erstmals 1983 den Abschluss einer Ausfallsversicherung. Dr. H*****, der Geschäftsführer der klagenden Partei, beantragte mit dem ihm von dieser Bank zugesendeten Antragsformular bei der beklagten Partei eine Ausfall-(Einzel-)Versicherung (nur) für die in der zweiten Jahreshälfte 1983 ab Versicherungsbeginn noch fällig werdenden 6 Monatsraten (Rechnungen) zu den beigeschlossenen Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Exportkreditversicherung mit Rückgarantie nach dem Ausfuhrförderungsgesetz durch die Österreichische Kontrollbank AG. Er legte dem Antrag den mit der Fa. T***** abgeschlossenen Beratungsvertrag bei (aus dem dessen Geltungsdauer nur für das Jahr 1983 hervorging). Trotz der Ausstreichung des Vordruckes "Einzel-"(Versicherung) unter Belassung des vorgedruckten Wortes "Rahmen-"(Versicherung) wollte Dr. H***** keine derartige Versicherung wie auch aus der Beantwortung der im Folgetext gestellten Fragen hervorgeht und teilte dies auch so dem zuständigen Sachberater der beklagten Partei namens W***** über dessen telefonisches Befragen mit. Dennoch ging W***** davon aus, dass auch die Honorare für die in den nächsten Jahren zu erwartenden Vertragsabschlüsse mitversichert sein sollten. Dementsprechend wurde in der Versicherungspolizze kein Bezug mehr auf die 6mal 150.000 S genommen, sondern eine auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Versicherung mit einer Versicherungssumme von S 900.000 ausgewiesen. Ein Hinweis auf diese Änderung gegenüber dem Versicherungsantrag unterblieb. Dass sich aus der Polizze eine Laufzeit auf unbestimmte Zeit ergab, störte den Geschäftsführer der Klägerin nicht, weil nach seiner Auffassung die langen Zahlungsziele des italienischen Kunden (hier ist in Ergänzung der durch ein Versehen unvollständigen Feststellung des Erstgerichtes anzuführen:) ohnedies spätere (d.h. nicht zeitlich bestimmbare) Eingänge zu erwarten ließen.

Tatsächlich wurde auch für das Jahr 1984 zwischen der Klägerin und der Fa. T***** ein neuer Beratungsvertrag abgeschlossen. Danach sollte nur mehr eine schriftliche und telefonische Beratung zu einem Jahrespauschale von S 400.000, wovon jeweils S 100.000 zu Beginn eines Quartals zahlbar waren, erfolgen. Dieser Folgevertrag für das Jahr 1984 wurde von der klagenden Partei nicht mehr ausfallversichert.

Ab Versicherungsbeginn legte die Klägerin nachstehende Fakturen an ihren italienischen Auftraggeber:

Nr. 380 30.6.1983 S 150.000,--

Nr. 386 29.7.1983 S 150.000,--

Nr. 391 30.8.1983 S 150.000,--

Nr. 402 30.9.1983 S 150.000,--

Nr. 413 28.10.1983 S 150.000,--

Nr. 422 30.11.1983 S 150.000,--

Zwischensumme S 900.000,--

Nr. 431 30.12.1983 S 150.000,--

Nr. 443 12.3.1984 S 175.000,--

Nr. 451 2.4.1984 S 175.000,--

Gesamtsumme S 2,150.000,--

(richtig S 1,400.000,--; der vom Erstgericht unbekämpft festgestellte Betrag von S 2,150.000,-- enthält auch den Rechnungsbetrag von 5 Fakturen der klagenden Partei an die Fa. T***** über insgesamt S 750.000,--, die aber unbestrittenermaßen vor Versicherungsbeginn gelegt worden sind und nicht von der Versicherung umfasst sind Ävgl. Beil./CÜ)

- Zahlung S 89.500,--

Endsumme S 2,060.500,--.

richtig S 1,310.500,--).

Die beiden Rechnungen 451 und 443 wurden aufgrund des Vertrages vom 21.2.1984, die übrigen aufgrund des Vertrages vom 21.2.1983 gelegt. Die Fa. T***** stellte im April 1984 ihre Zahlungen ein und wurde unter Zwangsverwaltung gestellt (administratione controllata). Sie schloss in der Folge mit ihren Gläubigern einen außergerichtlichen Vergleich (dem auch die Klägerin zustimmte), in dem sie sich zur Zahlung einer Quote von 48 % ihrer Schulden verpflichtete. Tatsächlich zahlte sie bis 4.9.1985 auf die Gesamtforderung der klagenden Partei S 989.040,--.

Die klagende Partei hat die beklagte Partei von den im einzelnen vom Erstgericht festgestellten Vorgängen jeweils unmittelbar in Kentnnis gesetzt und hat deren Weisungen, mit Ausnahme einer, der im Revisionsverfahren aber keine Bedeutung mehr zukommt, befolgt. Die beklagte Partei hat bereits mit ihrem Schreiben vom 29.9.1984 gegenüber der Klägerin den Eintritt des Versicherungsfalles anerkannt. Mit der Mitteilung des Einganges der Ausgleichsquote von S 989.040 machte die klagende Partei gegenüber der beklagten Partei einen Schaden von insgesamt S 468.000 geltend. Die beklagte Partei lehnte unter Hinweis auf eine im einzelnen festgestellte Abrechnung eine Zahlung ab.

Mit Schreiben vom 3.9.1987 begründete die beklagte Partei ihre Ablehnung für die beiden Rechnungen vom 12.3.1984 (Nr. 443) und 2.4.1984 (Nr. 451) über je S 175.000 eine Versicherungsleistung zu erbringen, damit, dass diese nicht unter den Versicherungsvertrag fielen, weil sie sich auf ein anderes Projekt (gesonderter Vertrag) bezögen.

Art. 10 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Exportkreditversicherung mit Rückgarantie nach dem Ausfuhrförderungsgesetz durch die Österreichische Kontrollbank AG, genehmigt mit Erlass des BM für Finanzen vom 23.10.1981, GZ 95 2043/1-V/6/81, trägt die Überschrift: "Abtretung von Forderungen nach Eintritt des Versicherungsfalles; Kostenersatz." Abs 3 dieser Bestimmung lautet: "Alle Eingänge sind ungeachtet ihrer Widmung durch den ausländischen Vertragspartner vorerst zur Abdeckung der vom Versicherer anerkannten Forderungen zu verwenden. Ist ein Selbstbehalt in der Polizze festgelegt, können Eingänge zwischen dem Versicherer und Versicherungsnehmer im Verhältnis der gegen den ausländischen Versicherungspartner bestehenden Forderungen des Versicherers und jenen des Versicherungsnehmers aus dem Selbstbehalt aufgeteilt werden."

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei die Bezahlung von S 421.200 und brachte vor, sie habe am 10.6.1983 Forderungen für Beratungsleistungen in der Höhe von S 900.000 gegenüber ihrem italienischen Auftraggeber bei der Beklagten gegen Uneinbringlichkeit versichert. Der Versicherungsfall sei eingetreten, was die beklagte Partei auch anerkannt habe. Der von der Versicherung verlangte Betrag errechne sich wie folgt:

Versicherte Forderung S 900.000.--

Ausgleichsquote von 48 % - S 432.000,--

S 468.000,--

- Selbstbehalt 10 % S 46.800,--

zusammen S 421.200,--.

Die Anrechnung des Einganges von S 989.040 auf die versicherte Forderung von S 900.000 durch die Beklagte erfolge zu Unrecht, weil die nicht garantierten Forderungen in keinem Zusammenhang mit den garantierten Forderungen stünden, sohin die Quote von 48 % aliquot auf die Gesamtforderung anzurechnen sei, weil ein Einzelversicherungsvertrag vorliege. Es sollte das Risiko eines konkreten Exportgeschäftes abgedeckt werden.

Die beklagte Partei beantragte die Klagsabweisung und wendete unter anderem (eine Reihe von Einwendungen sind im Revisionsverfahren nicht mehr von Belang) ein, dass infolge der im Art. 10 Abs 3 AVB festgelegten Rückführungspflicht die Beklagte nicht mehr hafte. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass nur Leistungen für Lieferungen nach Deckungsbeginn versichert worden seien, ergebe sich ein versicherter Saldorahmen von S 1,4 Mill. (d.i. Summe aller Rechnungen der klagenden Partei gegenüber der Fa. T***** ab 17.6.1983). Auf Grund der von der klagenden Partei abgeschlossenen Rahmenversicherung sei gemäß Art. 1, Abs 3 b AVB nicht das Risiko eines bestimmten Vertrages, sondern seien sämtliche Leistungen ab Versicherungsbeginn versichert gewesen. Der Schaden sei aber mit der Versicherungssumme begrenzt. Von der Gesamtforderung der Klägerin im Umfang von 2,060.500 S seien nur S 900.000, sohin nur 43,68 % versichert worden. Ziehe man den entsprechenden Anteil von den S 475.000, für welche wegen verspäteter Betreibung Leistungsfreiheit bestehe, in Höhe von S 207.480 ab, so verblieben S 672.520. Davon sei der vereinbarte Selbstbehalt von 10 % abzuziehen, sodass die Versicherung S 623.268 zu leisten hätte. Vom Kunden seien 48 % hereingekommen, das seien für S 1,4 Mill. S 672.000. Diesen Betrag hätte die Klägerin rückführen müssen, sodass keine Zahlungsverpflichtung der Beklagten bestünde.

Im zweiten Rechtsgang brachte die beklagte Partei ergänzend vor, dass bei einer Rahmenversicherung für alle Rechnungen ab 17.6.1983, sohin für eine Gesamtsumme von 1,4 Mill. S, eine Unterdeckung gegenüber der Versicherungssumme von S 900.000 um 43,68 % bestehe. Hinsichtlich der letzten Rechnung Nr. 451 vom 2.4.1984 bestehe Leistungsfreiheit, da das Gesamtzahlungsziel überschritten worden und daher ein Lieferstopp eingetreten sei. Dieser Umstand finde quotenmäßig Berücksichtigung, sodass Versicherungsdeckung hinsichtlich S 823.560 abzüglich des Selbstbehaltes, somit hinsichtlich S 741.204 bestehe. Da gemäß Art. 10 Abs 3 der AVB alle Eingänge zur Abdeckung der vom Versicherer anerkannten Forderungen zu verwenden seien, müsse sich die Klägerin 48 % von S 741.207 und auch 48 % von S 658.796, insgesamt daher S 672.000 anrechnen lassen, sodass selbst unter Zugrundelegung der Behauptungen der klagenden Partei dieser nur S 69.204 zustünden.

Das Erstgericht sprach auch im zweiten Rechtsgang der klagenden Partei S 421.200 sA zu. Es gelangte rechtlich zum Ergebnis, dass die Klägerin nur die restlichen Teilforderungen des Honorars für 1983 versichern wollte. Da der Geschäftsführer der Klägerin nicht damit gerechnet habe, dass auch die Junirechnung von der Versicherung erfasst werde, habe er die für die weitere Jahreshälfte noch anfallenden 6 Rechnungen a S 150.000 im Versicherungsantrag angegeben. Tatsächlich habe sich erst aus der Polizze ergeben, dass die Beklagte den Versicherungsbeginn mit dem Tag des Einlangens angesetzt habe. Die von der Klägerin im Versicherungsantrag ausgedrückte Willenserklärung sei am Empfängerhorizont zu messen, wobei dafür auch die Versicherungsbedingungen unabhängig davon heranzuziehen seien, inwieweit sie der Geschäftsführer der Klägerin gelesen habe. Diese Auslegung lasse aber nur den Schluss zu, dass die Klägerin einen (ganz bestimmten) Saldo, also die Differenz zwischen Forderung und Zahlung auf das restliche Jahreshonorar 1983 versichert haben wollte, nicht jedoch einen Versicherungsvertrag auf unbestimmte Zeit, sohin auch noch ungewisse Vertragsabschlüsse umfassend, abschließen wollte. Dementsprechend hätte die beklagte Partei als Erklärungsempfänger davon ausgehen müssen, dass die Klägerin nur 6 Fakturen a S 150.000 aufgrund des Beratungsvertrages vom 21.2.1983 versichern habe wollen, der dem Versicherungsantrag beigelegen sei. Die Anführung einer unbestimmten Vertragsdauer in der Polizze stelle gegenüber dem Versicherungsantrag eine inhaltliche Änderung dar, auf die nicht hingewiesen worden sei, sodass gemäß § 5 Abs 3 VersVG der Inhalt des Antrages gelte. Die Auffassung, dass Art. 10 Abs 3 AVB auch Zahlungseingänge auf später abgeschlossene, sohin von der Versicherung nicht umfasste, Geschäfte erfasse, könne nicht geteilt werden. Durch derartige Bedingungen sollen nur Verabredungen unter den Parteien über eine vorrangige Befriedigung des Versicherten zum Nachteil des Versicherers verhindert werden. Die Klägerin habe im Sinne der zumindest für den Selbstbehalt im Art. 10 Abs 3 AVB vorgesehenen verhältnismäßigen Zurechnung ohnehin die Eingänge nicht voll, sondern anteilsmäßig den nicht versicherten Forderungen zugerechnet. Die Ausgleichsquote sei daher verhältnismäßig und gleich auf alle offenen Forderungen der klagenden Partei, gleich ob versichert oder nicht, aufzuteilen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nur teilweise Folge, bestätigte deren Zahlungsverpflichtung über S 181.200 sA, wies jedoch das Mehrbegehren von S 240.000 sA ab. Es verpflichtete die klagende Partei zum anteiligen Kostenersatz. Das Berufungsgericht teilte aufgrund der vom Erstgericht übernommenen Feststellungen dessen Rechtsansicht, dass nur eine Einzelversicherung für 6 Monatszahlungen aus dem Beratungsvertrag für das Jahr 1983 a S 150.000 vorliege. Die der klagenden Partei von der beklagten Partei übersendete Polizze habe nicht dem Versicherungsantrag entsprochen. Die beklagte Partei wäre gemäß § 5 Abs 2 VersVG verpflichtet gewesen, auf die Abweichung der Polizze vom Versicherungsantrag aufmerksam zu machen. Zufolge dieser Unterlassung sei es daher gemäß § 5 Abs 3 VersVG zu einem dem Antrag entsprechenden Versicherungsvertrag gekommen. Nach Art. 10 Abs 3 der AVB seien aber alle Eingänge ungeachtet ihrer Widmung durch den ausländischen Vertragspartner vorerst zur Abdeckung der vom Versicherer anerkannten Forderung zu verwenden. Nur Eingänge, die Leistungen, die vor Versicherungsbeginn verrechnet worden seien, beträfen, seien davon ausgenommen, wohl aber seien Eingänge auf nicht versicherte Leistungen, die erst nach Versicherungsablauf in Rechnung gestellt worden seien, von der vereinbarten Anrechnungsregel betroffen. Durch Art. 10 Abs 3 AVB solle verhindert werden, dass nach Deckungsbeginn entstandene Forderungen, die dem Versicherer unbekannt seien, der versicherten Forderung vorgehen, etwa indem der Versicherungsnehmer mit seinem ausländischen Vertragspartner eine vorrangige Befriedigung der später entstandenen, nicht versicherten Forderungen vereinbare. Aber auch durch den Abschluss zahlreicher weiterer, nicht versicherter Geschäfte könne es zu einer Erhöhung des Risikos des Versicherers kommen. Erbringe der ausländische Vertragspartner des Versicherungsnehmers nur Teilleistungen, die sowohl auf die versicherten Geschäfte, als auch auf die von der Versicherung nicht mehr umfassten späteren Geschäfte anzurechnen wären, so erhöhe sich dadurch der Ausfallsbetrag für die versicherten Leistungen. Eine gröbliche Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB durch Art. 10 Abs 3 AVG liege nicht vor, weil auch sonst im Versicherungsvertragsgesetz dem Versicherer Möglichkeiten eingeräumt werden, sich gegen nachträgliche Erhöhungen des Risikos abzusichern (§§ 23 ff VersVG). Art. 10 Abs 3 AVB verstoße aber auch nicht gegen § 864 a ABGB, da derartige Bestimmungen in diesem Versicherungszweig (Exportkreditversicherung) keineswegs überraschend und auch nicht unüblich seien. Die klagende Partei müsse sich daher nicht den Anteil der ihr zugegangenen Ausgleichsquote zugunsten der ihr vor Versicherungsbeginn entstandenen Forderungen von S 660.500 auf die Versicherungsentschädigung anrechnen lassen (d.s. S 317.040), wohl aber jenen, der die Forderungen beträfe, die nach Deckungsbeginn entstanden seien und nicht mehr von der Versicherung erfasst seien (d.s. S 240.000). Es sei daher vom versicherten Schadensbetrag (d.s. S 900.000 - 10 %) unter Abzug der auf diese Summe entfallenden bezahlten Ausgleichsquote von 48 %, was S 388.800 ergebe, ein weiterer Abzug von S 240.000 vorzunehmen.

Nur gegen die Abweisung von S 240.000 sA richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Ersturteiles.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Dem Rechenverstoß des Erstgerichtes bei der Summierung der Leistungen der klagenden Partei ab Versicherungsbeginn kommt keine Bedeutung zu, weil sowohl die Vorinstanzen als auch beide Parteien stets von den richtigen Summierungen ausgegangen sind.

Auszugehen ist von einer Einzelversicherung für 6 Teilleistungen. Dies wird von der beklagten Partei im Revisionsverfahren nicht mehr bestritten. Abgesehen davon erfolgte die Auslegung der vorgelegten Urkunden im Zusammenhang mit der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Geschäftsführers der klagenden Partei und des Zeugen W*****, des Sachbearbeiters der beklagten Partei, sodass keine Prüfung der damit von den Unterinstanzen endgültig gelösten Tatfrage durch das Höchstgericht Platz zu greifen hat (so zuletzt JBl 1989, 61 mwN). Ebenfalls nicht mehr strittig sind die Fragen des Zessionsverbotes, der Verfristung sowie allfälliger Obliegenheitsverletzungen der klagenden Partei. Strittig ist nur mehr, ob auch die Ausgleichsquote der Fa. T***** für nicht versicherte Leistungen, die nach Versicherungsablauf von der klagenden Partei erbracht worden sind, auf die Versicherungsentschädigung anzurechnen ist, wie dann die Berechnung zu erfolgen hat und ob diese Bestimmung sittenwidrig ist. Zur Nichtanwendbarkeit derartiger Klauseln auf Zahlungen des Schuldners für Leistungen des Versicherten, die vor Versicherungsbeginn geltend gemacht worden sind, wird auf die Begründung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 16. Dezember 1986, 2 Ob 628/85 (veröffentlicht in RdW 1987, 122 = ÖBA 1987, 409), verwiesen. Auszugsweise sei davon hervorgehoben, dass es dem Zweck der vom Bund übernommenen Garantie widersprechen würde, wenn sich der Garantienehmer im Haftungsfalle zunächst alle Leistungen anrechnen lassen müsste, die er aufgrund früherer Exportgeschäfte und insbesondere aufgrund der für Forderungen aus solchen früheren Exportgeschäften bestehenden Sicherheiten erlangt habe. Die Bundesgarantie soll im Rahmen einer Einzelgenehmigung das Risiko eines konkreten Exportgeschäftes abdecken und dadurch im Interesse der Leistungsbilanz (§ 1 AusfuhrförderungsG) zu Geschäftsabschlüssen mit ausländischen Geschäftspartnern anregen. Dieser Zweck kann nicht erfüllt werden, wenn für den Exporteur Unsicherheit hinsichtlich der Bezahlung seiner früheren Exportgeschäfte geschaffen würde.

Der Oberste Gerichtshof vertrat ab den Sechzigerjahren eine Zeit lang die in der deutschen Lehre und Judikatur vertretene Rechtsansicht, allgemeine Versicherungsbedingungen seien wie Gesetze auszulegen (vgl. zuletzt SZ 54/73). Er hat sich jedoch in der Folge unter Berücksichtigung der kritischen Literatur (vgl. Bydlinski in Rummel zu § 6 ABGB Rz 1, Ertl, RZ 1973, 113; Jabornegg, Das Risiko des Versicherers 16 f) von dieser Rechtsansicht deutlich distanziert, ohne sie jedoch eindeutig abzulehnen.

Nur bei allgemeinen Versicherungsbedingungen, die im Verordnungsweg erlassen worden sind (AKB), stehen die gewöhnlich zur Erforschung des Willens des Gesetzgebers benützten Quellen, wie etwa Gesetzesmaterialien oder Beratungen in den gesetzgebenden Körperschaften zur Verfügung. Nach der nunmehr in der Bundesrepublik Deutschland herrschenden Praxis ist die Auslegung aller anderen Versicherungsbedingungen am Maßstab eines verständigen durchschnittlichen Versicherungsnehmers vorzunehmen (VersR 1983, 848, VersR 1982, 841), weshalb die Unklarheitsregeln des inzwischen eingeführten § 5 des Allgemeinen Geschäftsbedingungsgesetzes (AGBG) angewendet werden müssen, wenn die objektive Auslegung zu keinem Ergebnis führt (VersR 1980, 668; Prölss-Martin VVG24, 24 f). Eine derartige Auslegungsregel nähert sich aber weitgehend der Regelung der §§ 914 ff ABGB. Die nach objektivem Gesichtspunkt als unklar aufzufassenden allgemeinen Versicherungsbedingungen müssen so ausgelegt werden, wie dies der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer verstehen musste, wobei Unklarheiten zu Lasten des Versicherers gehen. Zu berücksichtigen ist in allen Fällen der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der allgemeinen Geschäftsbedingungen (Prölss-Martin aaO, EvBl 1982/94, zuletzt VersRdSch 1990, 57 mwN).

Stützt eine Prozesspartei ihren Prozessstandpunkt auf eine Bestimmung in einem Vertragsformblatt oder in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die bereits nach den Tatumständen, die nach dem Verfahrensstand keines weiteren Parteienvorbringens und keines Beweises bedürfen, bedenklich erscheinen, so hat das Gericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung auch ohne ausdrücklich darauf gerichtete Einwendung die Gültigkeit der Vertragsbestimmung nach § 864 a ABGB zu prüfen (vgl. RdW 1986, 334 = RZ 1987/19 = JBl 1987, 247).

Objektiv ungewöhnlich ist nur eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte (zuletzt EvBl 1989/149 = RdW 1989, 302 = BankArch 1990, 217). Ungewöhnliche Bestimmungen, mit denen man rechnen muss, werden Vertragsinhalt, sodass es in Wahrheit nicht auf die Gewöhnlichkeit, sondern nur darauf ankommt, ob man mit der Klausel rechnen musste. Der allgemeine Grundsatz, dass derjenige, der eine Urkunde unterfertigt, den durch seine Unterschrift gedeckten Text auch dann zum Inhalt seiner Erklärung machte, wenn er den Text nicht gekannt habe, erfährt daher durch die genannte Bestimmung eine Einschränkung (zuletzt SZ 60/52 = RdW 1987, 406 = WBl. 1987, 241 mwN). Die Frage der Ungewöhnlichkeit einer Vertragsbestimmung richtet sich auch nach dem Umfang der Abweichung vom dispositiven Recht. Eine auffallende Inäquivalenz der beiderseitigen Rechtspositionen kann die Sittenwidrigkeit der abweichenden Regelung begründen. Bei der Interessenabwägung ist das Gewicht der vom Verwender der Formblätter verfolgten Interessen dem Gewicht der Belastungen gegenüberzustellen, die eine solche Klausel für seinen Vertragspartner mit sich bringen könnte (vgl. JBl 1983, 534 = EvBl 1983/129).

Der Sinn der Bestimmung des Art. 10 Abs 3 AVB liegt einerseits darin, den Versicherer benachteiligende Absprachen zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Schuldner unwirksam zu machen und andererseits eine nachträgliche Erhöhung des Risikos des Versicherers zu vermeiden. Das damit verfolgte Interesse des Versicherers ist durchaus legitim. Wie Graf (Kontrollbankgarantie - korrigierende Auslegung und Teilnichtigkeit in ÖBA 1987, 824) zutreffend ausführt, dient diese Klausel den berechtigten Interessen des Versicherers in der Weise, als sie das Risiko des Zahlungsausfalles, wie es zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages bestanden hat, konstant hält. Wenn der Versicherungsnehmer nämlich nach Abschluss der Versicherung eine Reihe weiterer Geschäfte eingeht, für die er keinen Versicherungsschutz hat, führt dies gerade im Insolvenzfall unweigerlich dazu, dass auf die versicherten Forderungen von allfälligen Eingängen ein geringerer Teil entfällt als er ohne die zusätzlichen nicht versicherten Geschäfte zu erwarten war. Durch diese Geschäfte erhöht sich das Ausmaß des versicherten Ausfallschadens, weil dieser im Insolvenzfall durch die nicht versicherten Forderungen größer wird. Die Rechtsmeinung des Erstgerichtes, dass die Zahlung einer alle Forderungen des Ausgleichsschuldners gleichmäßig kürzenden Quote keine Auswirkungen auf das Risiko des Versicherers habe, der versicherte Gläubiger auch im Falle, dass er keine weiteren Geschäfte mit dem Ausgleichsschuldner getätigt hätte, die gleiche Ausgleichsquote erhalten hätte, trifft nicht zu, weil eben um diese weiteren Geschäfte der Gesamtschuldenrahmen, der aus einem gleichbleibenden Kapital des Ausgleichsschuldners teilweise abgedeckt werden musste, erweitert wurde. Jede Erweiterung des Gesamtschuldenrahmens bewirkt daher eine Reduktion der Ausgleichsquote.

Da eine Exportkreditversicherung in erster Linie den Schaden aus einer Insolvenz abdecken soll, kann die Aufnahme einer Bestimmung wie sie Art. 10 Abs 3 beinhaltet, in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen keineswegs als unüblich angesehen werden. Der festgestellte Tatsachenablauf (insbesondere die schleppende Zahlungsweise des Schuldners) gehört zu den typischen Vorgängen vor und während eines Insolvenzverfahrens. Wählt der Versicherungsnehmer ganz bewusst einen Einzelversicherungsvertrag, obwohl er die Absicht hat, mit dem Schuldner noch weitere Geschäfte abzuschließen, die er letztlich nicht mehr versichert, so musste ihm erkennbar sein, dass er im Insolvenzfall bei einer entsprechenden Ausweitung der nachfolgenden nicht versicherten Geschäftsfälle das Versicherungsrisiko des Versicherers für die versicherten Fälle erhöht. Die Norm des § 864a ABGB gilt allgemein, also nicht nur beim Verbrauchergeschäft. Je nach dem Stand der Vertragspartner wird aber der Sorgfaltsmaßstab variieren. Von Kaufleuten ist mehr Aufmerksamkeit zu verlangen (vgl. Rummel in Rummel zu § 864a ABGB, Rz 3 mwN). Die Ungewöhnlichkeit eines Inhaltes ist nach dem Gesetzestext objektiv zu verstehen. Die Subsumtion hat sich an der Verkehrsüblichkeit beim betreffenden Geschäftstyp zu orientieren. Ein Abstellen auf die subjektive Erkennbarkeit gerade für den anderen Teil ist daher ausgeschlossen (vgl. Rummel aaO). In der Rechtsprechung wurde die Üblichkeit einzelner Bestimmungen in Allgemeinen Versicherungsbedingungen dann bejaht, wenn sie im Zusammenhang mit der Erhöhung des Versicherungsrisikos durch den Versicherer standen (vgl. SZ 57/78 = JBl 1985, 167 = RdW 1984, 370). Ein solcher Fall liegt hier vor, die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 864 a ABGB sind daher nicht gegeben. Art. 10 Abs 3 AVB ist aber auch nicht sittenwidrig. Eine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB ist nach herrschender Ansicht jedenfalls nur dann gegeben, wenn die fragliche Klausel keine sachliche Rechtfertigung aufweist (vgl. Krejci in Rummel zu § 879 ABGB Rz 242 mwN und Rz 246 k).

Auch der Vorwurf, dass die Selbstbehaltsregelung vom Berufungsgericht unzutreffend angewendet worden sei, trifft nicht zu, weil ein Selbstbehalt denknotwendig nur in Form eines Abzuges von der Versicherungsentschädigung vorzunehmen ist. Eine Miteinberechnung nicht versicherter Leistungen würde zu abwegigen Ergebnissen führen.

Zufolge der Bestätigung des Berufungsurteiles hat auch keine Überprüfung der Kostenentscheidung zu erfolgen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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