OGH 4Ob520/90

OGH4Ob520/9024.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Kodek, Dr.Niederreiter und Dr.Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrude E***, Tanzcafe und Restaurant, Gössendorf, Lindenstraße 10, vertreten durch Dr. Richard Benda, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Herbert K***, Automatenverleih, Graz, Spielbergweg 27, vertreten durch Dr. Josef Friedrich, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 126.514 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 22.1.1990, GZ 3 R 189/89-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Handelsgericht vom 31.7.1989, GZ 8 Cg 222/88-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 6.172,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 1.028,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte stellte im Gastgewerbebetrieb der Klägerin vom 31.5.1980 bis 12.3.1982 einen Geldspielautomaten auf. Die Streitteile hatten vereinbart, daß die Klägerin 40 % und der Beklagte 60 % des Nettoeinspielerlöses erhalten sollte. Dazu vereinbarten die Parteien in der Erklärung vom 3.12.1981 (sog. "Nachtragsvereinbarung") folgendes:

"Nach unserer Abmachung hat die Automatenverleiherfirma K*** an mich den/die Automaten verliehen bzw. vermietet. Da ich laut Abrechnungsbeleg der Rechnungsleger bin, trage ich den Kasseninhalt zur Gänze ein und zahle der Fa. K*** einen prozentuellen Verleiheranteil/Miete je nach Kasseninhalt aus."

Die "Nachtragsvereinbarung" vom 3.12.1981 enthält ferner folgende weitere Erklärung:

"Sollten auf Grund unserer Abmachung betreff Rechnung der bei Ihnen aufgestellten Automaten Sie bei einer Betriebsprüfung einen sogenannten Vervielfacher/Faktor (zB 1.3, 1.4, 1.5 usw) bezahlen müssen, so verpflichtet sich die Fa. K*** für diese Mehrkosten in Höhe ihres Verleiheranteils laut Abrechnungsbeleg (zB 60 %) aufzukommen."

Auf Grund einer Betriebsprüfung für die Jahre 1980 bis 1985 wurde der Klägerin für den Betrieb des Geldspielautomaten unter Anwendung eines Vervielfacherfaktors von 2,3 für die Jahre 1980 bis 1982 eine Umsatzsteuernachzahlung von S 210.857 vorgeschrieben. Die Klägerin verzichtete auf ein Rechtsmittel gegen diesen Bescheid. Die Klägerin begehrt vom Beklagten den Ersatz von 60 % dieser Steuer in Höhe von S 126.514 sA.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, den Beklagten von der Steuervorschreibung unverzüglich zu verständigen, damit er entsprechende Abwehrmaßnahmen hätte ergreifen können. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte eine solche Steuervorschreibung nur an den Automatenverleiher ergehen dürfen. Bei Verständigung durch die Klägerin hätte sich der Beklagte auch gegen den willkürlich hoch festgesetzten Vervielfacherfaktor zur Wehr setzen können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf folgende weitere wesentliche Feststellungen:

Die von den Streitteilen abgeschlossene Zusatzvereinbarung hatte den Zweck, daß der Vervielfacherfaktor, dessen Höhe von den Abgabebehörden nach ihrem Ermessen festgesetzt wird, zwischen den Beteiligten geteilt werden sollte. Am 30.1.1986 wurde beim Beklagten eine abgabenrechtliche Betriebsprüfung durch das Finanzamt Graz-Stadt für die Jahre 1981 bis 1983 durchgeführt und dabei ein Vervielfacherfaktor von 1,5 in Ansatz gebracht. Bei der im Betrieb der Klägerin (auf Grund des Prüfungsauftrages vom 9.12.1986 ÄBeilage AÜ also nach der Betriebsprüfung beim Beklagten) durchgeführten Betriebsprüfung wurde ein Vervielfacherfaktor von 2,3 vorgeschrieben. Dadurch wurden die Streitteile von der Abgabenbehörde (für dieselben Umsätze) letztlich doppelt besteuert. Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Klägerin nach dem Wortlaut und dem Zweck der Vereinbarung nicht verpflichtet gewesen sei, dem Beklagten die Steuervorschreibung zur Kenntnis zu bringen; sie habe auf die Richtigkeit der Steuervorschreibung vertrauen dürfen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig sei. Die Absicht der Parteien sei ausschließlich durch Auslegung des Wortlautes der Urkunde vom 3.12.1981 zu erforschen. Eine vertragliche Nebenpflicht der Klägerin, den Beklagten von der Steuervorschreibung zu verständigen, sei aus dem Wortlaut der Zusatzvereinbarung nicht abzuleiten. Das Wort "müssen" sei nicht dahin zu verstehen, daß die Klägerin ohne erkennbaren Anfechtungsgrund verpflichtet gewesen wäre, zur Entlastung ihres Vertragspartners gegen den Bescheid ein Rechtsmittel zu ergreifen, zumal sie davon ausgehen durfte, daß der Beklagte als Automatenverleiher über eine entsprechende Berufserfahrung verfüge. Würde man eine Verpflichtung der Klägerin annehmen, die auferlegte Steuer völlig von sich abzuwenden, dann wäre der Zweck der Vereinbarung ad absurdum geführt, da es dann von vorneherein niemals zum Aufteilungsfall hätte kommen können. Die Klägerin habe daher die Worte "bezahlen müssen" im Sinne der bescheidmäßigen Auferlegung der Steuerschuld verstehen dürfen. Daß sie über die Rechtsirrigkeit des Steuerbescheides informiert gewesen wäre oder sonst nach ihrem Informationsstand ein Grund zu dessen Anfechtung bestanden hätte, sei nicht hervorgekommen. Ein treuewidriger Verstoß der Klägerin gegen vertragliche Nebenpflichten (Schutzpflichten) liege daher nicht vor.

Der Beklagte bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision des Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Streitteile bezeichnen ihre Vereinbarung als Miete oder Leihe. Da der Beklagte der Klägerin die Nutzung des Gerätes für ihren Gastgewerbebetrieb gegen einen bestimmten Prozentsatz des Einspielergebnisses überlassen hatte (vgl § 1103 ABGB) und zur Erzielung eines entsprechenden Nutzens nicht nur das Gerät, sondern auch der Aufstellungsplatz mit einem entsprechenden Kundenkreis (wie ihn ein Gastgewerbebetrieb bietet) notwendig war, enthält die Vereinbarung auch wesentliche gesellschaftsrechtliche Elemente. Innerhalb eines solchen Rechtsverhältnisses mit stark gesellschaftsrechtlichem Charakter besteht eine weitergehende Treuepflicht (als sonst zwischen Vertragspartnern), welche unter Umständen die tätige Wahrnehmung der Interessen der übrigen Teilhaber erfordert (vgl. zur Gemeinschaft des Eigentums Gamerith in Rummel, ABGB2, Rz 11 zu § 825; umso mehr besteht bei gesellschaftsähnlichen Vereinbarungen die Pflicht, den gemeinsamen Nutzen zu fördern und insofern die Mitgenossen vor Schäden zu bewahren). Mit der Vereinbarung, künftige Steuervorschreibungen aus dem gemeinschaftlichen Rechtsverhältnis im Fall einer Betriebsprüfung im Verhältnis der Nutzungsanteile aufzuteilen, haben die Streitteile den gesellschaftsrechtlichen Charakter ihrer Vereinbarung noch verstärkt. Infolge dieses Charakters des Rechtsverhältnisses war die Klägerin auch ohne ausdrückliche Vereinbarung verpflichtet, im Fall einer nachträglichen Steuervorschreibung auch die Interessen des von diesen Lasten mit 60 % mitbetroffenen Beklagten zu wahren.

Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht fällt aber der Klägerin nicht zur Last: Auf Grund der vom Beklagten als Automatenverleiher vorformulierten Zusatzvereinbarung durfte die Klägerin annehmen, daß sie im Fall einer Betriebsprüfung mit weiteren Steuervorschreibungen für die Einnahmen aus dem Geldspielautomaten rechnen müsse und sich der Beklagte an dieser Vorschreibung mit 60 % beteiligen werde. Der Beklagte hat nicht einmal behauptet, er habe die Klägerin damals aufmerksam gemacht, daß solche Steuervorschreibungen möglicherweise - dem Grund oder der Höhe nach - fehlerhaft sein könnten, weshalb ihn die Klägerin von einer solchen Vorschreibung unverzüglich verständigen möge. Die im Automatengeschäft nicht erfahrene Klägerin durfte daher zunächst ohne weitwendige Überlegungen davon ausgehen, daß sie die allenfalls künftig vorgeschriebenen Beträge in der Erwartung eines 60 %-igen Rückersatzes durch den Beklagten zu entrichten haben werde. Der Revisionswerber bringt selbst vor, daß im Zeitpunkt der Formulierung der Vertragsklausel vom 3.12.1981 eine Rechtsprechung, wonach der Vervielfältigungsfaktor lediglich vom Verleiher zu zahlen (und daher eine Vorschreibung an den Gastwirt dem Grunde nach verfehlt) sei, noch gar nicht bestanden hat. Daß ihm aber damals schon bekannt war, daß der Vervielfältigungsfaktor von den Finanzbehörden unterschiedlich festgesetzt wurde, geht schon aus der Formulierung der Erklärung vom 3.12.1981 ("zB 1.3, 1.4, 1.5 usw.") hervor; der Beklagte wäre daher auf Grund seiner einschlägigen Berufserfahrung verpflichtet gewesen, die Klägerin darauf hinzuweisen, den nach Ermessen der Finanzbehörde vorgeschriebenen Vervielfacherfaktor nicht ohne weiteres anzuerkennen. Vor allem aber hätte er die Klägerin von dem Ergebnis seiner eigenen - früher stattgefundenen - Betriebsprüfung verständigen müssen. Der Beklagte hat somit nichts unternommen, um eine allfällige doppelte Besteuerung desselben Umsatzes zu verhindern; er hat der Klägerin auch den ihm vorgeschriebenen Vervielfältigungsfaktor nicht mitgeteilt, obwohl er damals auf Grund seiner Berufserfahrung damit rechnen mußte, daß bei der Klägerin wegen ihres Einnahmenanteils aus derselben Einkommensquelle ebenfalls eine Betriebsprüfung stattfinden werde. Der Beklagte hat daher selbst nichts getan, um die Klägerin vor einem Schaden aus einer nachträglichen zu hohen Versteuerung gemeinsamer Einnahmen zu bewahren. Da er selbst untätig geblieben ist und die Vereinbarung vom 3.12.1981 nichts näheres enthält, konnte er auch nicht damit rechnen, daß ihn die im Automatengeschäft unerfahrene Klägerin vom Ergebnis der Betriebsprüfung verständigen oder aus eigenem, ohne daß sie dafür entsprechende Anhaltspunkte hatte, ein Rechtsmittel gegen die Steuervorschreibung ergreifen werde.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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