OGH 14Os44/90 (14Os45/90)

OGH14Os44/90 (14Os45/90)24.4.1990

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1990 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Massauer und Dr. Markel als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofko als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Prof. Paul F*** wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck vom 25.Juli 1989, GZ 24 Vr 904/89-12, und des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 3.Oktober 1989, AZ 8 Bs 346/89, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Beteiligten Prof. Paul F*** und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck vom 25.Juli 1989, 24 Vr 904/89-12, und des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 3. Oktober 1989, 8 Bs 346/89, verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 393 a Abs. 3 StPO.

Beide Beschlüsse werden aufgehoben und es wird dem Landesgericht Innsbruck aufgetragen, über den Antrag des Freigesprochenen Prof.Paul F*** auf Leistung eines Beitrages zu den Kosten der Verteidigung neuerlich zu entscheiden.

Text

Gründe:

Prof.Paul F*** verursachte als Lenker eines PKW's am 9. März 1989 auf der Inntal-Autobahn einen Unfall, bei dem seine Gattin Gertrud den Tod fand. Er wurde von dem deshalb wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB gegen ihn gestellten Antrag auf Bestrafung mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19.Juli 1989, 24 Vr 904/89, gemäß § 259 Z 3 StPO mit der Begründung (rechtskräftig) freigesprochen, nach dem gerichtsmedizinischen Gutachten sei nicht auszuschließen, daß es bei Prof.Paul F*** - zur Unfallszeit - auf Grund einer Durchblutungsstörung des Gehirns zu einem kurzzeitigen Bewußtseinsverlust gekommen war.

Am 24.Juli 1989 (somit rechtzeitig) beantragte der Freigesprochene gemäß § 393 a Abs. 1 StPO die Leistung eines Beitrages zu den Kosten seiner Verteidigung (ON 11 d.A). Mit dem Beschluß vom 25.Juli 1989, 24 Vr 904/89-12, wies das Landesgericht Innsbruck diesen Antrag, gestützt auf § 393 a Abs. 3 StPO, ab, weil eine "kurzzeitige Unzurechnungsfähigkeit in Form eines kurzen Bewußtseinsverlustes" den Ersatzanspruch ausschließe.

Der dagegen vom Freigesprochenen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 3.Oktober 1989, 8 Bs 346/89, nicht Folge und teilte dabei die rechtliche Ansicht des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Die Entscheidungen beider Gerichte über den Ersatzanspruch des Freigesprochenen stehen, wie der Generalprokurator zutreffend in seiner gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde aufzeigt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Ein Ersatzanspruch ist gemäß § 393 a Abs. 3 StPO ua dann ausgeschlossen, wenn das Verfahren lediglich deshalb beendet worden ist, weil der Angeklagte die Tat im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen hat.

Als (Straf-)Tat kann nur ein willkürliches (gewillkürtes), dh vom Willen beherrschbares menschliches Verhalten angesehen werden. Verhaltensweisen, die unwillkürlich, also vom Willen nicht beeinflußbar erfolgen - wie Körperreflexe, Bewegungen Bewußtloser oder Schlafender - scheiden aus dem strafrechtlichen Handlungsbegriff aus (Kienapfel AT Z 7 Rz 2 bis 4;

Leukauf-Steininger2 RN 4 bis 6 Vorbem zu § 1 StGB; Rittler I2 59 ff;

Foregger-Serini MKK4, 9 ua). Eine Bewußtlosigkeit, die das Vorliegen einer Handlung im strafrechtlichen Sinn ausschließt, unterscheidet sich wesentlich von einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung, dh einer Trübung oder Einengung des Selbst- oder Umweltbewußtseins, die dem Täter bei aufrechter Willenstätigkeit bloß die Diskretions- oder (und) Dispositionsfähigkeit nimmt und solcherart Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB begründet (Leukauf-Steininger2 RN 11, zu § 11 RN 8 zu § 287 StGB). Da sich der Freispruch Prof.Paul F*** auf die Annahme eines wenn auch kurzzeitigen Verlustes des Bewußtseins, also einer Bewußtlosigkeit und nicht einer hochgradigen Bewußtseinsstörung mit Wegfall der Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit stützt, ist die Rechtsansicht des Erst- und des Beschwerdegerichtes über das Vorliegen eines den Ersatzanspruch gemäß dem § 393 a Abs. 3 StPO ausschließenden Zustandes der Zurechnungsunfähigkeit verfehlt. In Stattgebung der Beschwerde war somit spruchgemäß zu erkennen.

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